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Author's Chapter Notes:

 

Personenverzeichnis:

Arthur Clennam – Näheres unter Kapitel eins
Martin Brown – Näheres unter Kapitel vier

Weiterhin Passagiere, Kapitän, Erster Offizier und Besatzung derPride of the Seas, sowie eine einheimische Muschelsammlerin

Orte: Auf hoher See im Atlantik zwischen Accra (Goldküste, heute Ghana) und Sao Tomé an Bord des Klippers Pride of the Seas, Porto Alegre auf Sao Tomé im Golf von Guinea.

Glossar: Neptun - In der Mythologie der römische Gott des Wassers und der Meere, gleichzusetzen mit dem griechischen Poseidon. Neptun ist der Vater von Triton.
 










 

Von Accra, der Hauptstadt von Goldküste, hatte er nichts gesehen. Nun hatten sie schon mal in einer britischen Kronkolonie vor Anker gelegen und er hatte nicht an Land gehen können! Es ärgerte Arthur schon ordentlich. Der nächste Halt würde dann erst wieder in einer portugiesischen Kolonie sein und das passte ihm irgendwie gar nicht. Heimlich versetzte er einem der Säcke mit Hirsemehl einen festen Tritt vor lauter unterdrückter Wut.

Aber er war nicht nachtragend und fand sich rasch mit seinem Schicksal ab.

Er wusste außerdem, dass man sorgfältig mit dem Proviant umgehen musste, man konnte es sich nicht leisten, Lebensmittel wegzuwerfen, weil man beim Kochen sich als unfähig erwiesen oder Versuche damit angestellt hatte.

Dennoch wagte er es, mit sehr kleinen Mengen zu experimentieren und buk eines mittags im heißen Fett kleine Hirsefladen aus, die gar nicht mal schlecht schmeckten. Einige Matrosen hatten recht große Fische gefangen, die unglaublich gut schmeckten, auch wenn das dunkelrote Fleisch zunächst nicht danach ausschaute. Arthur bekam von Martin gezeigt, wie man einen Fisch ausnahm. Er hätte sich beim ersten Mal dabei fast in der Kombüse übergeben, aber er schluckte den Ekel tapfer hinunter und lernte das äußerst unappetitliche Handwerk.

Der zubereitete Thunfisch war exzellent, dazu diese von Arthur erfundenen Hirsefladen und zum ersten Mal griffen die Offiziere, Matrosen und Passagiere mit unverhohlener Begeisterung in die Töpfe und Schüsseln.

„Es geschehen noch Zeichen und Wunder, Neptun hat unsere Gebete erhört und es gibt was Schmackhaftes zu essen. Smut Arthur, du hast deine Sache gut gemacht.“

Der Erste Offizier äußerte sich sehr lobend und über Arthurs Gesicht zog ein zufriedenes Lächeln.

„Sir, verzeihen Sie, dass ich Ihnen widerspreche, aber Sie haben doch hoffentlich Ihre Gebete an Gott gerichtet, oder?“

„Neptun ist unser Gott hier auf dem Meer, Arthur, merk dir das.“

„Aye, Sir.“

„Ich werde dem Kapitän berichten, dass es sich heute lohnt, zum Essen zu gehen.“

Arthur hielt Martin an, so oft wie möglich Fische zu angeln, soweit ihm das mit einem Arm möglich war, denn damit konnte der Speiseplan erheblich aufgewertet werden. Doch war ihnen das Anglerglück nicht immer hold und dann mussten es wieder Eintöpfe mit gepökeltem Fleisch sein, damit die schwer arbeitenden Matrosen einigermaßen satt wurden.

Die Arbeit in der Kombüse ließ Arthur spätabends todmüde in seine Koje wanken und in einen bleiernen Schlaf fallen. Vom Schwimmen im blauen Atlantik wagte er nur noch zu träumen, derzeit musste er sich mit minimalistischer Körperpflege, einer morgendlichen kurzen Wäsche an der Waschschüssel, begnügen. Zeit zum Rasieren hatte er auch kaum noch und so spross schon bald ein rötlich getönter Bart in seinem Gesicht.

Martins Arm war schon beinahe wieder verheilt, als die Pride of the Seas genau auf Äquatorhöhe die Südspitze von Sao Tomé im Golf von Guinea anlief. Martin Brown schaute in das graue, müde Gesicht von Arthur Clennam und entschied mit einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete: „So, mein Lieber, du gehst nun an Land. Für eine Mahlzeit komme ich ganz gut allein klar, wenn du ein wenig vorarbeitest. Nein, ohne Protest bitte, ich schaffe das schon!“

Arthur wusste nicht, was er in einer portugiesischen Kolonie tun sollte, aber er fügte sich den Anweisungen von Martin und ging über den Laufsteg vom Schiff und betrat staunend Porto Alegre.

Außer dem sehr kleinen, bescheidenen Hafen sah er sogleich nur noch azurblauen Himmel, grüne Palmen, türkisfarbenes Meer und einen feinen, fast weißen Sandstrand. Laut lachend ließ er sich in den warmen Sand fallen und schloss seine Augen. Das war das Paradies! Eindeutig, ohne Zweifel! Und keine Menschenseele war hier außer ihm. Er zog sich seine Kleidung aus und watete in das seichte Wasser. Weit, weit konnte man hinauslaufen, bevor das Wasser tiefer wurde und man endlich schwimmen konnte.

Trotzdem war Arthur wachsam und hielt aufmerksam nach Haien Ausschau. Vor diesen Biestern hatte er wirklich Angst.

Er planschte ausgelassen wie ein kleines Kind im warmen Wasser herum und ließ sich auf dem Rücken liegend von den kleinen Wellen hin- und herschaukeln. Oh, wie wundervoll war es doch hier! Arthur wollte nie mehr wieder weg von diesem zauberhaften Fleckchen Erde.

Träge schwamm er zum Strand zurück und steuerte auf sein Kleiderbündel zu, als ihm der Atem stockte! In unmittelbarer Nähe zu seinen Kleidern lief eine Einheimische über den Strand und sammelte anscheinend Muscheln in einen Korb.

Es gab nur einen Weg für ihn: Den zurück ins Meer, denn er war komplett nackt!

Doch die Frau hatte seine Kleider bemerkt, blickte sich nun suchend um und winkte ihm fröhlich zu. Arthur wurde feuerrot im Gesicht und trat die Flucht ins Wasser an.

Die Muschelsammlerin dachte jedoch nicht daran sich zurückzuziehen und setzte sich kurzerhand zu seinen Kleidern, um ein Päuschen zu machen.

Arthur war die Sache mehr als peinlich. Wenn sie dort noch lange sitzen blieb, musste er wohl oder übel aus dem Wasser. Ewig konnte er nicht im Meer bleiben. Er sah, dass sie einen langen bunten Rock trug, der offensichtlich gewickelt war, aber kein Oberteil, ihre Brüste waren nackt und kaum von ein paar farbenfrohen Ketten bedeckt. Gut, wenn sie entblößt durch die Gegend laufen konnte, konnte er es doch auch, oder?

Nein! Das ging nicht! Arthur wollte für keine Sekunde an solche Freizügigkeiten denken, doch welche Alternative hatte er? Er musste ja auch schon bald zum Schiff zurück, sonst würde man sich Sorgen um ihn machen. Martin war ganz allein in der Kombüse, das konnte er ihm nicht antun.

Er fühlte sich jetzt schon im Wasser unwohl und merkte auch, dass ihn die Sonne wohl gerade recht ordentlich verbrannte. Die Schultern waren schon gerötet und sein Rücken offensichtlich auch. Er fluchte unterdrückt.

Mit gequältem Gesichtsausdruck und einem lang gezogenen Seufzer kam er sehr rasch aus dem Wasser und sprintete regelrecht auf sein Kleiderhäufchen und die Einheimische zu, wobei er vor Verlegenheit und Scham am liebsten in den Boden versunken wäre. Schnell griff er sich seine Hose und zog sie sich über, dann stieß er erleichtert die angehaltene Luft aus und warf der Frau ein schüchternes Grinsen zu.

Diese entblößte eine Reihe weißer Zähne zwischen breiten Lippen und plapperte etwas in ihrer Sprache daher.

Arthur zuckte bedauernd mit den Schultern und gestikulierte wild, dazu sagte er langsam das Wort: „Englisch!“

Die Frau griff in ihren Korb und reichte Arthur eine wunderschöne Wellhornschnecke mit etlichen Seepocken darauf. Er betrachtete die Muschel staunend und wollte sie dann der Frau wiedergeben, doch diese machte eine eindeutig abwehrende Handbewegung, sie schien zu wollen, dass er die Muschel behalten solle.

Arthur verbeugte sich zum Dank anständig, dann zog er seine restliche Kleidung an, drückte die Muschel an sich, winkte der Muschelsammlerin zu und gab Fersengeld. Nun, sie war zumindest nicht völlig geschockt über den Anblick eines nackten weißen Mannes gewesen, so viel stand fest. Der Schock saß wohl um einiges tiefer in Arthur, der sich zum ersten Mal im Adamskostüm vor einem weiblichen Wesen gezeigt hatte. Diese Reise war ein einziges Abenteuer, so viel stand fest.

Arthur kehrte eiligen Schrittes durch Porto Alegre zur Pride of the Seas zurück, doch als er am Schiff angekommen war, merkte er sofort, dass irgendetwas nicht stimmte! Wunderbar, sehr viel mehr Aufregung konnte er gar nicht mehr gebrauchen an diesem Tag. Außerdem begann sein Sonnenbrand nun langsam zu schmerzen und versprach unangenehme kommende Tage.

Sobald er die Reling hinter sich gelassen und das Schiff betreten hatte, wurde er von mehreren Männern hinterrücks überwältigt, er bekam einen stinkenden Sack über den Kopf gezogen und wurde sofort brutal gefesselt. Er schätzte, dass man ihn am Großmast festgebunden hatte und er fragte sich, ob es eine disziplinarische Maßnahme seitens des Kapitäns war - wenn ja, aus welchem Grund? - oder ob Piraten das Schiff erobert hatten und ihn nun gefangen hielten. So schnell konnte ein nettes Abenteuer sich in einen Alptraum verwandeln!

 

 






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