Summary: Szenen einer Ehe, die keine Erfolgsstory ist! Doch es ist nie zu spät...
Categories: Toby Stephens,
TS-inspired Fiction Characters: Keine
Genres: Romanze
Warnings: Keine
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 10
Completed: Ja
Word count: 17722
Read: 25678
Published: 03 Jul 2008
Updated: 03 Jul 2008
Story Notes:
Alle Charaktere, Orte, Schauplätze etc. sind Eigentum der jeweiligen rechtmäßigen Besitzer. Die Originalcharaktere und Originalhandlung sind Eigentum des Autors. Der Autor ist in keiner Weise mit den Besitzern, Erschaffern oder Produzenten irgendeiner Medienkonzession verbunden. Vorsätzliche Verstöße gegen das Urheberrecht sind nicht beabsichtigt.
1. Kapitel 1 by cunitia
2. Kapitel 2 by cunitia
3. Kapitel 3 by cunitia
4. Kapitel 4 by cunitia
5. Kapitel 5 by cunitia
6. Kapitel 6 by cunitia
7. Kapitel 7 by cunitia
8. Kapitel 8 by cunitia
9. Kapitel 9 by cunitia
10. Kapitel 10 by cunitia
Sie wandte ihren Kopf langsam nach rechts und blickte auf die Runde am Tisch neben ihr. Selbst wenn sie gewollt hätte, sie hätte nicht verhindern können ihn anzusehen. Die Art, wie er den Kopf zurückwarf, wenn er lachte, wie er mit gespreizten Fingern durch sein volles Haar fuhr und jeden am Tisch mit diesem Blick bedachte.
Dieser Blick, der sie, hätte er ihr gegolten, zum Schmelzen gebracht hätte. Sie zwang sich von ihm wegzusehen und etwas anderes zu fixieren und doch sah sie vor ihren Augen immer nur ihn. Sie hörte seine Stimme und zwischen all den verschiedenen Düften, die vom Tisch herüber wehten, konnte sie ihn riechen.
Langsam schloss sie die Augen, hob ihr Glas und nahm ein paar Schlucke Rotwein. Vielleicht würde er bewirken, dass dieses leise Beben in ihrem Körper nachließ. Seufzend wandte sie sich dem Meer zu und stützte ihr Kinn in die Handfläche. Ihre Gedanken schweiften ab, weg vom Nebentisch, den Geräuschen und Gerüchen, weg vom Kerzenlicht und den Lampions und hin zu den letzten Wochen und Monaten.
Diese kurze Zeit des Glücks, diese Verliebtheit, die brennende Sehnsucht nach etwas, von dem sie nicht wusste, was es war. Sie hatte gehofft, dass er die Leere in ihr ausfüllen würde. Ihre Gedanken verweilten an dem Tag, an dem sie sich kennen gelernt hatten auf dieser drögen Party, zu der sie nicht hatte gehen wollen, bei den Menschen, die sie nicht hatte sehen wollen.
Und er hatte an der Tür zur Terrasse gestanden, in der einen Hand ein Glas, die andere in der Hosentasche versenkt, und es schien ihm egal zu sein, ob er sein Jackett zerknitterte oder nicht. Das Licht aus dem Zimmer hinter ihm war auf ihn gefallen und hatte ihn in ein zauberhaftes Licht getaucht und sie hatte gewusst, dass irgendetwas geschehen würde.
Schon damals hatte sein Blick auf ihr gelegen wie schwerer Samt und hatte sie zu Boden gezogen. Alles an ihr war schwer geworden und, obwohl sie sich nicht vom Fleck gerührt hatte, war es ihr vorgekommen, als sei sie in einer Zeitraffer gefangen. Ihr Herz hatte dumpf in ihrer Brust geschlagen, doch in gleichmäßigem, langsamem Rhythmus. Er hatte sie angesehen, hatte sie an den Menschen und Pflanzen vorbei und über den Pool hinweg mit seinen Augen festgehalten.
War es Liebe, die sie gefühlt hatte? Liebe? Was wusste sie schon davon? Aufgewachsen ohne Eltern und Geschwister, von Vormunden, Ratgebern und Freunden der Eltern umsorgt und geführt, eingehüllt in den Kokon aus Geld und Macht. Die Macht, die hinter ihrem Namen stand, und der Konzern, dem sie einmal vorstehen sollte. Da war niemand gewesen, den sie hätte lieben können, nicht mal ein kleines Haustier.
Sicher meinten es alle gut mit ihr, doch abgesehen von ihren Klassenkameraden und Kommilitonen hatte sie mit niemand eine tiefe Freundschaft oder gar Liebe verbunden. Je älter sie geworden war, desto mehr Abstand hatten die Menschen zu ihr genommen. Sie war einsam geworden und hatte sich mit der Zeit immer häufiger aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen.
Doch wie anders war er gewesen. Er hatte in sie hinein sehen können, hatte ihre Warnungen überhört, ihre Zweifel beiseite geschoben und ihr gezeigt, was das Leben noch zu bieten hatte. Sie hatte sich nie über die Aufrichtigkeit seiner Worte Gedanken gemacht, ihm von Beginn an in allem vertraut und die Kritik ihrer Berater überhört.
Er hatte sie gewollt und nicht ihr Geld! Er hatte sie gewollt und bekommen.
Sie erschauerte, und das kam nicht von der Brise, die vom Meer herüber wehte. Sie dachte an seine Hände. Seine Berührungen, so zart und sanft und doch auch so fest und hart. Diese wunderbaren Hände, mit denen er soviel ausdrücken konnte, die für ihn sprachen, wenn ihm die Worte fehlten. Sie sah jede einzelne Sommersprosse auf ihnen.
Sie atmete tief ein und das Bild seiner Unterarme erschien vor ihr. Der Schimmer der rotgoldenen Härchen, die kräftigen Muskeln und das Spiel seiner Sehnen. Die Erinnerung an seine Umarmung durchflutete sie und wieder suchten ihre Augen seine kraftvolle Gestalt. Mit seinem sprühenden Charme beherrschte er die Unterhaltung am Tisch und wenn er sprach, hingen alle - Männer wie Frauen - an seinen Lippen.
Er lachte auf und sein ganzes Gesicht schien zu strahlen. Seine Augen, seine Lippen, selbst seine Zähne im weit geöffneten Mund. Sein Anblick erfreute sie immer wieder und ihr Körper reagierte wie damals, als sie ihn zum ersten Mal sah. Nichts hatte sich für sie verändert. Und doch hatte sich alles verändert.
Noch am Abend der Party hatte er ihr seine Liebe gestanden und er war in ihr Leben getreten wie eine Flut. Mit seiner Lebensfreude und seiner Liebe hatte er sie fortgespült, fort von ihrem einsamen Leben, hinein in die Welt – in seine Welt. Er war Schauspieler und jeder Blick, jede Bewegung seines Körpers sprach von seiner Leidenschaft zu seinem Beruf. Diese Profession war es, die ihn ausmachte, er lebte dafür.
War das Liebe? War es Liebe, wenn man sich bei einem Mann geborgen fühlte, wenn man froh war, dass er einem nahe war? War es Liebe, wenn sie stolz auf ihn war? Warum hatte sie es ihm nicht zeigen können? Warum hatte sie sich in seinen starken Armen nicht entspannen können? Wann hatte es begonnen, wann hatte der Anfang vom Ende begonnen?
War dies das Ende? Fragend schaute sie zu ihm hinüber. Er inmitten von Freunden, locker und gelöst, lachend und flirtend, unterhaltsam und zufrieden – und sie, abseits, ausgeschlossen und einsam!
Gegen jegliche Vernunft hatte sie ihn geheiratet. Die Wochen nach ihrer Hochzeit waren doch die glücklichsten in ihrem Leben gewesen, oder nicht? Warum saß sie dann hier - nahe bei ihm und doch Meilen entfernt? Liebte er sie denn nicht mehr? Er hatte doch gewusst, auf was er sich einließ, als er sie heiratete. Sie hatte es ihm immer und immer wieder gesagt! Ihr Name, ihre Verantwortung, diese Bürde, die sie mit sich trug und mit niemanden teilen konnte! Dieses unsägliche Erbe ihrer Eltern.
Sie war aus dieser harten, kalten Welt in seine Wärme gefallen, so plötzlich, so schnell, dass sie kaum zum Nachdenken oder Aufatmen kam! Die Wärme seiner Haut, seiner Stimme, seines Lachens und all das hatte sie umschlossen und hinweg getragen. Und obwohl oftmals ihr ganzer Körper vor Sehnsucht nach ihm schmerzte, hatte sie sich nicht fallen lassen können.
Er begann sich zurückzuziehen – jeden Tag ein wenig mehr. Immer häufiger nahm er Engagements außerhalb der Stadt an, selbst die Angebote kleinerer Bühnen akzeptierte er. Dann war er einige Wochen unterwegs und rief nur sporadisch an. Meist nahm er sein Handy nicht mit und, wenn sie die Nummer seines Hotels nicht kannte, konnte sie sich nicht einmal mit ihm in Verbindung setzen.
War er zuhause, unternahmen sie nur noch selten etwas miteinander, sie schwiegen sich an und schon bald schliefen sie auch getrennt. Sie traute sich nicht ihn anzusprechen und zu fragen, was ihnen widerfuhr, sie fand den Mut nicht und hatte auch Angst vor dem, was er womöglich antworten würde.
Ihre Aufgaben im Konzern nahmen sie so sehr in Anspruch, dass sie dieses schleichende Auseinanderleben zunächst kaum bemerkte: sie gab ihrem unterschiedlichen Tagesablauf und dem andersartigen Arbeitsrhythmus die Schuld. Hatten sie nicht trotzdem immer wieder Zeit gefunden, miteinander zu sprechen, beieinander zu sein ...?
„Kommst du?“
Sie erschrak. Er war hinter sie getreten und hatte kurz seine Hand auf ihre Schultergelenk gelegt.
„Ich bin müde. Lass uns gehen!“
„Ja“, sagte sie.
Sie verabschiedeten sich von ihren Gastgebern und fuhren schweigend nach Hause. Er sprang die Stufen der großen Freitreppe hinauf und öffnete die Eingangstür.
„Ich springe noch schnell ins Wasser und drehe ein paar Runden. Gute Nacht!“
Sie nickte. Er drehte sich um und verschwand im Haus.
Müde schleppte sie sich die letzten Stufen hinauf und verstohlen wischte sie sich die Tränen weg, die plötzlich über ihre Wangen liefen.
Sie schüttelte den Kopf, so konnte das nicht weiter gehen! Sie musste etwas tun. Es durfte nicht enden – nicht so! Sie schloss die Tür, streifte sich die Schuhe von den Füßen und durchquerte barfuss die Halle und schritt durch die weit geöffnete Tür nach draußen. Die milde Meeresluft war auch hier deutlich zu spüren, der Sommer hatte sie verwöhnt und er schwamm jeden Abend vor dem Zubettgehen einige Bahnen.
Die kleinen Lampen im Pool strahlten ihn an und erleuchteten seinen nackten Körper. Sie stand ganz still in der Dunkelheit und beobachtete ihren Mann gebannt, der in gleichmäßigen Zügen durch das Becken schwamm. Sie liebte es, ihm dabei zuzusehen, genauso wie sie es liebte, gemeinsam mit ihm zu schwimmen.
Sie ging zu den breiten Stufen, die in das Becken führten und tauchte ihre Füße ins Wasser. Sie trat einen weiteren Schritt hinab und setzte sich auf den Rand des Pools. Er hatte gelacht, als er den Pool zum ersten Mal sah, hatte seine Hände auf die Schenkel geschlagen und lauthals gelacht, daran erinnerte sie sich noch gut. Dieses Schwimmbad war das Einzige, was ihm an diesem Haus gefallen hatte. Spontan hatte er sich die Schuhe abgestreift, Jeans und Shirt ausgezogen und war im Slip ins Wasser gesprungen wie ein Kind.
Den Rest ihres Hauses konnte er nur schwer ertragen. Die Weite der Räume, die hohen Decken - Tanzsäle nannte er die Zimmer abfällig. Er käme sich vor wie auf einem Präsentierteller, hatte er gemeint.
Vor den Treppenstufen tauchte er auf. Zuerst erschien sein Kopf, das Wasser hatte seine Haare glatt an den Kopf gepresst. Dann tauchten seine breiten Schultern und der Brustkorb auf, über und über mit Sommersprossen bedeckt. Das Wasser perlte aus seinen Haaren, den Wimpern und lief über seine Nase und die vollen, leicht geöffneten Lippen. Er wirkte wie ein Gott, der dem Wasser entstieg und ihr verschlug es die Sprache. Es sah sie an und streifte sich die Tropfen aus dem Haar.
Seine Nacktheit schien ihn nicht zu stören. Er setzte sich auf die Stufen etwas unterhalb von ihr und sie blickte auf seinen Rücken. Sie unterdrückte den spontanen Wunsch ihn anzufassen und konzentrierte sich statt dessen auf das, was sie sagen wollte.
„Du bist noch wach?“
„Wir müssen reden!“
„Müssen wir das?“
Verlegen neigte sie den Kopf und suchte nach Worten.
In unnachahmlicher Weise stieß er den Atem aus und lachte kurz: „Was willst Du bereden, mein Schatz? Dass du dich nicht wohlfühlst in unserer Ehe? Dass du es nicht erträgst, wenn ich dich berühre?“
„Das stimmt nicht!“
„Nein? Komisch! Ich hatte vorhin das deutliche Gefühl, dass du selbst meine Hand auf deiner Schulter nicht ertragen kannst!“
„Ich bin nur erschrocken, das ist alles! Ich liebe dich!“
„Tust du das? Das Gefühl habe ich ganz und gar nicht, meine Liebe! Es scheint mir eher so zu sein, dass ich in diesem golden Käfig der unterhaltsame Vogel bin, der Exot, den man mal vorzeigen kann wenn’s nötig wird!“
„Das ist nicht wahr! Bitte ...!“
„Bitte was? Was willst du? Mehr Liebe? Mehr Sex? Mehr von mir?“, er drehte sich zu ihr um und sah ihr in die Augen.
„Du hast fast alles von mir! Sex willst du nicht! Da ist nicht mehr, was ich dir geben könnte, mein Schatz! Tut mir leid! Nimm’ das, oder lass es bleiben! Aber offensichtlich brauchst du gar nicht(s) mehr, du bist doch ganz zufrieden mit dem, was du hast, oder? Dieses Haus, dein Reich, deine Firma und mich, den unterhaltsamen exotischen Vogel!“
Er stand auf und griff nach dem Badetuch.
„Warte!“, rief sie ihm nach.
Fest schlang er sich das Tuch um die Hüften und sah über die Schulter zurück zu ihr.
Sie schluckte und räusperte sich: „Können wir nicht noch einmal reden? Können wir nicht ... irgendwo hin fahren? Irgendwo hin, wo uns niemand kennt? In ein Hotel, weg von hier. Ich, ich ...!“
„Ja du! Du – immer nur du! Aber meinetwegen! Es soll ja nicht heißen, ich hätte nicht alles versucht, diese eiskalte Beziehung zu retten. Ich habe bis übernächste Woche Zeit, bis die Proben für das neue Stück beginnen. Sag mir wann und wohin, ich komme mit!“
An der Tür blieb er stehen, seine Haare standen mittlerweile in alle Himmelsrichtungen ab, sie trockneten nur langsam und sie konnte nicht glauben, wie schön er war.
„Scheint dir ernst zu sein! Wann hast du je deinen Betrieb allein gelassen? Oder willst du deinen Assistenten und das Notebook nicht doch besser mitnehmen?“, seine Stimme troff vor Sarkasmus und sein Mund verzog sich zu einem schiefen Lächeln.
Sie schnaufte, erhob sich von der Treppe und richtete sich kerzengerade auf: „Das ist mir noch viel mehr wert! Und – nein – ich nehme niemanden mit!“
Ihr Blick folgte ihm ins Haus. Was zurück blieb waren lediglich die Spuren seiner nassen Füße auf dem Boden. Du wirst schon sehen, dachte sie.
Sie hatte das Hotel selbst gebucht. Dieses Mal wollte sie alles selber machen und es nicht ihrem Assistenten überlassen. Sie hatte im Internet gesurft und ein kleines, nobles Hotel ausgesucht. Sie waren noch nie dort gewesen, doch schon beim ersten Anblick wusste sie, dass es das Richtige war!
Die Zeit nach dem Gespräch am Pool war schnell verflogen. Sie lebten ihr Leben wie gewohnt, er las Drehbücher und besprach sich mit seinem Agenten, sie fuhr jeden Tag ins Büro. Es hatte keine langen Gespräche mehr gegeben, keine Aussprache wie sie im Stillen gehofft hatte.
Auf ihre Nachricht, dass sie nun eine Suite gebucht hatte, nickte er nur und fragte wo und wann.
„Ich gebe Tom Bescheid, damit er weiß, wo ich bin,“ hatte er gemurmelt.
„Nein!“
Er hatte erstaunt aufgeblickt und sie fragend angesehen.
„Niemand soll wissen wo wir sind!“
Sie hatte einfach weiter gegessen und seinen Blick ignoriert.
„Okay, wenn du meinst!“, hatte er lakonisch hinzugefügt und war aufgestanden.
Als sie nun die Treppen zum Eingang des Hotels hinaufstieg wurde ihr doch etwas mulmig. Dabei sollte es doch das Normalste der Welt sein, mit ihrem Mann ein Zimmer in einem Hotel zu beziehen!
Das riesige verschnörkelte Schild des Hotels prangte über dem Eingang. Sie versuchte nicht an die folgenden Tage zu denken, sondern zuerst einmal das Einchecken hinter sich zu bringen.
Ein Portier hielt ihnen die Tür auf und sie traten hinein in die große, weitläufige Hotelhalle. Einen Moment lang blieben beide stehen und sahen sich um. Aber sofort trat ein Angestellter in Livree auf sie zu und hieß sie willkommen. Sie durchquerten gerade den lichten Raum als eine junge Frau auf sie zutrat.
„Das glaube ich jetzt nicht! Das gibt es doch gar nicht! Was machst du denn hier?“
Ihr Mann blieb stehen und wandte sich um: „Hallo Sam, was für eine Überraschung! Komm her, lass dich umarmen, Liebes!“
Er nahm Sam in die Arme und drückte sie fest an sich! Sams Hände umschlossen seinen Kopf und sie drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. Lachend ließ sie ihn los und meinte kichernd: „Stell’ dir vor, Dave ist auch hier! Unglaublich, dass wir dich ausgerechnet hier treffen, ach ich freue mich so. Was machst Du hier?“
Er trat einen Schritt von Sam zurück und das Lachen auf seinem Gesicht verschwand, als er sie einander vorstellte. „Du kennst meine Frau noch nicht, oder?“
„Nein, wir hatten noch nicht das Vergnügen! Wird Zeit, dass wir einander kennen lernen. Hallo, ich bin Samantha, eine alte Freundin deines Mannes!“
Sam streckte die Hand aus und drückte die ihre fest.
„Wartet einen Augenblick, ich hole Dave! Lauft nicht weg, bitte!“, Sam drehte sich um und lief fast durch die Halle.
„Wer ist sie?“
„Eine alte Freundin“, antwortete er.
„Ja, das sagte sie schon. Woher kennst du sie?“
„Warum willst du das wissen? Du wirst sie nie wiedersehen, wenn wir hier weg sind.“
„Ihr scheint euch gut zu kennen.“
„Kann man so sagen.“
Samantha kam mit einem großen, dunkelhaarigen Mann zurück, den sie an der Hand mit sich zog. War das ihr Mann? Nein, beim zweiten Blick erkannte man sofort, dass die Beiden verwandt waren. Es wäre ihr lieber gewesen, wenn sie ein Paar gewesen wären.
Wortreich und ständig lachend stellte Sam nun ihren Bruder Dave vor. Er umarmte ihren Mann ebenso herzlich wie zuvor seine Schwester, ihr selbst gab er artig die Hand. Die drei plapperten miteinander, wie und wo man sich zuletzt gesehen hatte, was dort passiert war und was zwischenzeitlich alles geschehen war bis zu diesem Tag im „Ailias Hotel“. Sie stand schweigend an ihrer Seite und beobachtete die drei Freunde, die sich miteinander unterhielten, als seien sie nie getrennt gewesen. Sie bewunderte wieder einmal die Fähigkeit ihres Mannes sich auf andere einzustellen, auf sie einzugehen und ihnen dieses wohlige Gefühl des Verstehens zu geben.
„Wollt Ihr nicht endlich einchecken?“, fragte Sam und schob die Beiden in Richtung Rezeption.
Sie folgte ihrem Mann zur Rezeption und fragte sie sich, warum sie ausgerechnet dieses Hotel ausgesucht hatte. Hätte sie geahnt, dass sie auch hier nicht ganz allein waren, sie wäre um die halbe Welt gereist, um eine andere Unterkunft für sie zu finden.
Die Formalitäten waren schnell erledigt und bevor sie sich trennten, verabredeten sie sich mit dem Geschwisterpaar zum Abendessen.
In ihrer Suite ließ sie ihre Tasche auf das Bett fallen, ihre Koffer waren bereits heraufgebracht worden. Sie trat ans Fenster und genoss für einen kurzen Augenblick den Ausblick auf das Meer.
„Nur ein Bett?“, fragte er gereizt.
Sie drehte sich nicht um als sie antwortete: „ Ja, nur ein Bett. Hast Du was dagegen? Ich könnte sicher etwas anderes bekommen.“
„Nein“, war seine knappe Antwort: „Ich gehe duschen!“
Sie hatte so sehr gehofft, dass dieser Aufenthalt ihnen die Zeit für eine Aussprache geben würde, doch nun waren all ihre Hoffnungen dahin. Sie ahnte, dass er jede Möglichkeit nützen würde einer Diskussion aus dem Weg zu gehen. Die Anwesenheit der Geschwister gab ihm dazu nun jede Menge Gelegenheit.
Sie hatten nicht viel gesprochen, seit er tropfnass aus dem Bad gekommen war. Doch schon beim Ankleiden lächelte er und sie fragte sich, ob er an Sam dachte. Sie wollte nicht, dass er an diese Frau dachte, und eine Hitzewelle war in ihr aufgestiegen. Er sollte nicht an sie denken. Er sollte sich auf diese freien Tage mit ihr konzentrieren. Sie hatte vergeblich versucht, ihren Ärger nicht zu zeigen, doch er kannte sie gut.
„Was ist? Alles in Ordnung mit dir? Oder jagt dir der Gedanke an ein gemeinsames Bett nun auch Angst ein?“
„Du hast Angst vor einem gemeinsamen Bett?“, hatte sie gekontert.
„Quatsch!“, hatte er geblafft.
„Dann ist es ja gut!“, sie war über sich selbst erstaunt gewesen, hatte sich ebenfalls angekleidet und gemeinsam hatten sie ihr Appartement verlassen.
Das Paar erwartete sie bereits in der Lounge. Dave stand auf und schob ihr einen Sessel zurecht. Erleichtert nahm sie ein Glas Champagner entgegen, das würde ihr sicher helfen. Sie beteiligte sich kaum an dem Gespräch, beantwortete lediglich einige Fragen nach ihrem Leben.
Sie beobachtete ihn, er stützte den Unterarm auf der Lehne des niedrigen Sessels auf und lehnte sich zu Sam hinüber. Samantha sah einfach wundervoll aus. Ihr luftiges Kleid betonte ihre schlanke Gestalt vorteilhaft, ihre Haare schimmerten im Licht der Kronleuchter. Sie gefiel ihm, das konnte sie sehen. Er schenkte ihr dieses zauberhafte Lachen und legte hin und wieder eine Hand auf ihren Unterarm.
Sie hingegen kam sich plump und gewöhnlich vor. Sie war nicht so groß und schlank wie Samantha, ihre Haare wirkten stumpf, egal was sie auch tat. Ihre Kleidung war sorgfältig ausgewählt, teuer und geschmackvoll, und dennoch fühlte sie sich nie richtig wohl darin. Nervös rutschte sich in dem Sessel hin und her um eine bessere Position zu finden und wurde immer unsicherer, fühlte sich verkrampft und ausgeschlossen.
Sie blickte wieder auf das schöne Paar, das sich anscheinend prächtig unterhielt und kaum auf die Personen um sie herum achtete. Demonstrativ wandte sie sich Dave zu und verwickelte ihn in ein oberflächliches Gespräch, bis endlich ihr reservierter Tisch für sie bereit war. Die drei Freunde hatten sich noch so viel zu erzählen. Immer wieder fragte sie sich, wie der Abend wohl verlaufen wäre, wenn Sam und Dave nicht aufgekreuzt wären, wenn sie hier alleine sitzen würden.
Sie lachte kurz ob dieser Vorstellung und alle am Tisch starrten sie plötzlich an. Verlegen schüttelte sie den Kopf und nahm einen weiteren Bissen des köstlichen Fischs. Eine Anekdote folgte der nächsten und sie sehnte den Moment hierbei, an dem sie aufstehen und sich zurückziehen könnte.
Mittlerweile verfluchte sie ihre wahnwitzige Idee in einem kleinen, verschwiegenen Hotel ihre Ehe retten zu wollen. Hier eine gemeinsame Zeit verbringen zu wollen, weit weg von allem. Immer wieder wurden sie von der Wirklichkeit eingeholt, sie wünschte sich fast, sie wären Zuhause geblieben. Zuhause? Was war das für ein Zuhause? Wie hatte er es genannt – einen goldenen Käfig!
„Hast Du auch Lust?“, Dave zupfte an ihrem Ärmel.
Sie sammelte ihre Gedanken und frage verwirrt: „Wozu?“
„Na zum Segeln! Wir haben ein Boot gemietet, komm mach mit! Ich bin gar nicht so schlecht, kannst mir vertrauen!“
Sie blickte zu ihrem Mann. Das Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden, auf seiner Stirn trat die Ader hervor, wie immer, wenn er angespannt war. Wahrscheinlich wäre es ihm am liebsten, wenn sie hier bleiben würde und er die Zeit mit Sam allein verbringen könnte, während Dave mit den Segelmanövern beschäftigt wäre.
„Natürlich komme ich mit! Ich liebe das Meer! Nicht wahr, Schatz?“, sagte sie fest legte besitzergreifend ihre Hand auf seine und drückte die warmen Finger.
Der frische Wind vom offenen Fenster blies durch das Zimmer, die zarten Vorhänge bauschten sich auf und wehten über einen kleinen Tisch. Sie beobachtete das Spiel des Windes und genoss die frische Meeresluft auf ihrem Körper unter ihrem zarten Nachthemd.
Sie erschauerte. Er war hinter sie getreten, sie spürte die Wärme seiner Haut, so nah stand er bei ihr. Sie schloss die Augen, der Gedanke, dass sie das Bett mit ihm teilen würde beunruhigte sie plötzlich.
„Mist!“, er stürzte zum Fenster und versuchte das leichte Gewebe des Vorhangs aus den Fängen des Tisches zu befreien. Er zerrte und zog und stieß dabei eine kleine Vase herunter. Sie trat zu ihm, half ihm und musste unwillkürlich grinsen. Sie mussten ein tolles Paar abgeben, er halbnackt und sie in diesem durchsichtigen Fetzen, der ihr um die Beine schlabberte.
Plötzlich richtete er sich auf und drehte sich zu ihr um. Seine Augen fixierten die ihren. Sie standen sich gegenüber und rührten sich nicht. Sie hob langsam ihre Hand und berührte sanft seinen Oberarm, sie neigte ihren Kopf, blickte an ihm vorbei und hinunter zur Terrasse und sah sie. Sam stand dort fast unsichtbar, doch ihr Blick war zu ihrem Zimmer erhoben. Sie schien sie zu beobachten.
Er konnte Samantha nicht sehen. Sie umfing ihren Mann und streichelte seinen Rücken, lehnte ihren Kopf langsam an seine Schulter. Er rührte sich nicht von der Stelle, seine Arme hingen steif herab, er zuckte nicht einmal. Sie presste ihren Körper an ihn, sie wusste nicht, woher sie den Mut nahm. Sie schloss die Augen, wollte das Bild der jungen Frau dort unten verdrängen, sie sollte verschwinden!
Mit einem Ruck löste er sich aus ihrer Umarmung und schob sie unsanft zur Seite. Sie blieb alleine am Fenster zurück, Samantha war verschwunden. Einen tiefen Atemzug lang verweilte sie dort und blickte in die Dunkelheit. Er hatte sich auf das Bett gelegt und die Arme unter seinem Kopf verschränkt. Zögernd trat sie an das Bett und sah ihn an. Vereinzelt waren letzte Wassertropfen auf seiner Brust zu sehen, er atmete tief ein und aus.
Sie ging zu ihrer Seite des Bettes und setzte sich auf den Rand. Was sollte sie nur tun? Sie hatte unbedingt mit ihm reden wollen und nun hätte sie die Möglichkeit, doch die Angst stieg in ihr auf. Was sollte sie ihm sagen?
Sie fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, am liebsten wäre sie verschwunden, diese Angst schnürte ihr die Kehle zu. Sollte sich das denn nie ändern? Wovor hatte sie solche Angst? Er hatte ihr noch nie wehgetan, war immer so liebevoll gewesen, nie hatte er sie zu etwas gedrängt.
Sie sehnte sich nach ihm und doch hatte sie nicht den Mut, sich neben ihn zu legen. Nicht einmal das schaffte sie.
Sie drehte sich nicht um als sie ihn fragte: „Gefällt es dir hier?“
„Ganz okay.“
„Hast du dich gefreut deine Freunde hier zu treffen?“
„Ja! Völlig überraschend. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet!“
Ich auch nicht, dachte sie.
„Hast du nicht Lust noch eine Runde schwimmen zu gehen? Ich würde mitkommen. Sie haben hier eine geheizte Schwimmhalle, das Becken hat fünfundzwanzig Meter Länge!“
„Bin zu müde, außerdem war ich schon unter der Dusche!“ Er drehte sich zur Seite und zog sich das Laken über den Körper.
Natürlich! Was dachtest du dir dabei? Er war müde, die lange Fahrt, das Abendessen, all das. Sie legte sich langsam auf das Bett, schob die Füße unter die Decke und versuchte sich zu entspannen. Vorsichtig drehte sie den Kopf in seine Richtung und betrachtete sein Gesicht. Er hatte die Augen geschlossen, sein Mund war leicht geöffnet. Schlief er schon?
Sie rückte ein kleines Stückchen näher und sagte leise seinen Namen. Keine Reaktion. Noch ein kleines bisschen näher, sie kannte jede Sommersprosse auf seinem Gesicht, jede kleine Linie, jedes Härchen. Seine breiten Augenbrauen, die rötlich schimmerten. Er atmete tief und regelmäßig und sein Atem streifte ihr Gesicht.
Zaghaft hob sie die Hand und berührte mit einem Finger seine Wange und fuhr entlang seines Kinns bis zu seinem Hals. Er zuckte ganz kurz mit dem Mundwinkel, regte sich sonst aber nicht. Seufzend senkte sie ihren Kopf auf das Kissen und legte sich so hin, dass sie ihn noch etwas beobachten konnte.
Leise flüsterte sie: „Gute Nacht, Liebling.“
Er hob seine Schulter zum Kinn, als ob er etwas dort wegwischen wollte und murmelte etwas Unverständliches.
Auch beim Frühstück am nächsten Morgen saßen sie zu viert am Tisch. Samantha war ihnen strahlend entgegen gekommen und hatte sie zu sich gebeten. Erneut hielten die Geschwister die Unterhaltung aufrecht und sie erfuhr weitere kleine Begebenheiten aus ihrem Leben. Die Beiden waren hierher gekommen, um sich in zwei Tagen mit ihren Eltern zu treffen. Nur selten kam die Familie zusammen und so wollte man die gemeinsame freie Zeit in aller Ruhe verbringen.
Wieder versprach es ein wunderbarer Tag zu werden, die Sonne hatte selbst zu dieser frühen Stunde schon erstaunlich viel Kraft. Er hatte ihr geraten trotz allem eine warme Jacke mitzunehmen, denn auf dem Meer würde es kalt werden, egal wie hoch die Temperaturen an Land wären. Sie saß neben Dave, der den Wagen durch die engen Straßen bis zum Hafen steuerte. Immer wieder richtete er sich an sie und fragte sie über ihr Leben aus. Sie antwortete nur abwesend.
Samantha unterhielt sich angeregt mit ihrem Mann, doch durch die Fahrgeräusche konnte sie nur wenig von dem verstehen, was dort gesprochen wurde. Sie war sich sicher, dass sie ihren Namen gehört hatte, doch so sehr sie sich auch bemühte, sie verstand nichts. Die Stimmen aus dem hinteren Teil des Wagens wurden immer leiser.
Dave parkte den Wagen in einer Parkbucht und wickelte die Formalitäten mit dem Hafenmeister ab. Über schmale Holzplanken führte er sie zu einer kleinen Segeljacht, die zwischen all den großen Booten winzig wirkte.
„Für mehr hat’s nicht gereicht“, lachte Dave und half ihr beim Besteigen des Schiffes. Sie fand es gar nicht so klein, das Cockpit hatte 6 Sitzplätze und durch die Luke konnte sie eine kleine Kabine erkennen. An der Seite war mit großen dunkelblauen Lettern der Name des Bootes verzeichnet. Sie lächelte, „Taurus“ – das Sternzeichen ihres Mannes und auch ihr eigenes. Vielleicht ein gutes Zeichen?
Sie blickte sich um, setzte sich dann hin, um den Anderen bei ihrer Arbeit nicht im Weg zu stehen. Sie war zwar schon gesegelt, doch eigentlich wusste sie nur wo der Bug und das Heck sich befanden, „Steuerbord“ und „Backbord“ konnte sie gerade eben noch auseinanderhalten.
Dave startete den Motor, mit dessen Hilfe er die Jacht aus dem Hafen manövrierte. Samantha und ihr Mann hatten sich bereits in Position begeben, um Dave später mit dem Hissen des Hauptsegels behilflich zu sein. Es machte dem jungen Mann offensichtlich Spaß ihr alles zu erklären und so flogen ihr unbekannte Worte für die Einzelteile des Schiffes um die Ohren. Sie bemühte sich verständnisvoll drein zu blicken und ihm bei seinen Erklärungen zu folgen.
Doch immer wieder lenkte der Anblick der Beiden auf dem Laufdeck sie ab. Sie verstanden sich prächtig, das sah man auf den ersten Blick. Das Boot verließ den Hafen und Dave steuerte es vorsichtig durch die kleine Bucht. Er gab bereits die ersten Anweisungen und Sam half ihrem Mann, das große Segel zu setzen. Die Beiden kamen zurück zum Cockpit und kurbelten angestrengt an der Winsch. Das Tuch hatte ein erhebliches Gewicht, selbst bei der Größe dieses Schiffes. Ihr Mann blies rhythmisch den Atem aus, Sam ächzte nicht weniger. Doch sein Gesicht strahlte regelrecht, man sah ihm seine Freude an.
Das Segel entfaltete sich und Samantha fixierte geschickt die Schot, damit sich der Baum mit dem Segeln nicht unkontrolliert hin und her bewegte. Dave gab auch ihr genaue Anweisungen, die sie bei der Wende unbedingt befolgen sollte.
„Hast du alles verstanden?“, fragte er laut.
„Ja!“, schrie sie gegen den Wind an.
Dave brachte das Boot an den Wind und sofort nahm es Geschwindigkeit auf. Ihr kam es vor, als lehne sich das Segel gegen den Wind. Ihr Kapitän am Steuer erklärte ihr alles über die Windrichtung und dass das Boot nun hoch am Wind segelte, und wie weit sie so kommen würden und wie schnell es werden würde. Das ganze Schiff neigte sich nach rechts und sie versuchte krampfhaft ihren Platz auf der Sitzbank beizubehalten, was sich als schwierig erwies. Nirgends fand sie eine Erhebung am Boden, an der sie sich hätte abstützen können.
Samantha und ihr Mann saßen ihr gegenüber und lehnten sich gegen das Bord. Sie hatten keinerlei Probleme sicher zu sitzen, sie hatten sich instinktiv die richtige Seite des Boots ausgesucht. Das Schiff nahm rasant an Tempo auf und jede kleine Welle schlug hart gegen den Rumpf. Es hob sie jedes Mal ein wenig aus dem Sitz und sie klammerte sich an die Reling hinter ihr.
„Wende!“, rief Dave und sie wusste was sie tun musste. Sie senkte den Kopf und wartete in dieser Stellung, bis Dave die Entwarnung gab. Der Baum war mit dem Richtungswechsel auf die Backbordseite des Schiffes geschwungen. Die Wellen krachten gegen den Rumpf und Salzwasser spritzte ihr ins Gesicht. Die plötzliche Kälte auf der Haut ließ sie die Luft anhalten und wie von selbst verzog sich ihr Mund zu einem Lächeln.
Nun saß sie auf der besseren Seite, sie lächelte, als sie feststellte, dass ihr Mann verzweifelt Halt suchte, nun hielt er sich an der Reling fest. Samantha, die die Schot gelöst und wieder festgezurrt hatte, ließ sich neben ihm nieder und er legte ihr seinen Arm um die Schultern, um sie vor dem Abrutschen zu schützen.
Dave brachte das Schiff nach der nächsten Wende vor den Wind, fixierte das Steuerrad und Samantha sicherte den Baum. Das Schiff stabilisierte sich. Die Geschwindigkeit nahm ab und sie musste sich nicht mehr irgendwo festklammern, sondern konnte sogar aufstehen und über Seitendeck zum Bug des Schiffes gehen. Sie streckte sich und hielt ihr Gesicht in den Wind. Ein leichtes Gefühl stieg in ihr auf und sie war plötzlich ganz ruhig und genoss das sanfte Dahingleiten auf dem funkelnden Wasser.
„Sollen wir sie fliegen lassen?“, schrie Dave ihr zu.
„Fliegen?“, fragte sie.
„Genau! Wir lassen sie fliegen! Samantha, geh nach vorne!“ Offensichtlich wusste Daves Schwester genau, was sie zu tun hatte.
„Wenn du da vorne bleibst, haut sie dir den Baum um die Ohren. Setz dich lieber hier neben hin, da kannst du dich festhalten!“
Ihr Mann blickte sie an und nickte ihr zu. Vorsichtig ließ sie sich auf den Holzplanken nieder und hielt sich an dem Handlauf auf dem Kajütdach fest.
Er ging zurück zum Heck und löste die Schot. Dave leitete ihn an, und geschickt zurrte er die Leinen wieder fest. Er stieg dann über ihre Beine und ging zum Bug um Samantha zu helfen. Die Beiden beugten sich über die Winsch und blickten angespannt zu Dave. Nervös huschte ihr Blick mal zu Dave mal zu ihrem Mann und Samantha und dann gab Dave das Zeichen. Samantha nickte ihrem Mann zu und gemeinsam kurbelten sie wie die Verrückten und zogen ein riesiges Stück Tuch auf, das die Farben des Union Jacks hatte. Sie riss die Augen auf, als könne sie nicht glauben, was sie sah.
Mit einem lauten Knall entfaltete sich der Spinnaker und der Wind formte ihn zu einer riesengroßen Beule. Augenblicklich nahm das Schiff Geschwindigkeit auf. Wie ein Rennwagen preschte es durch die Dünung, der Wind drückte kraftvoll in das Segel und schob das Schiff Richtung Süden.
Sie konnte die Tränen, die ihr über das Gesicht liefen, nicht stoppen. Ein unglaubliches Gefühl der Freiheit bemächtigte sich ihrer und sie blickte tränenblind auf das Meer. Nun wusste sie, was es bedeutete zu fliegen - auf dem Wasser zu fliegen. Sie hielt sich so fest wie sie konnte und hatte doch das Gefühl, jeden Augenblick wegzurutschen. Sie hörte Dave etwas rufen, konnte ihn jedoch nicht verstehen. Er hatte eine Hand am Steuerrand, mit der anderen justierte er die Schot. Mit dem Kopf gab er Zeichen, ihr Mann kam zu ihr und setzte sich neben sie. Sie war froh über den Halt, den sein starker Körper ihr gab. Sie konnte den Griff am Handlauf etwas lockern und ließ sich gegen seine Brust und Beine fallen.
Immer schneller flog das Boot über das Wasser, der Bug hob und senkte sich wieder, immer wieder wurde ihr Körper hochgehoben und landete dann unsanft auf dem Deck. Sie presste die Lippen aufeinander, denn sie würde schreien, wenn sie ihrem Mund öffnete.
Er neigte ihr seinen Kopf zu und fragte sie: „Ist alles in Ordnung?“.
„JA! Ja, alles in Ordnung. Es ist wunderbar!“, ihre Stimme zitterte ein wenig, genauso wie ihr ganzer Körper, doch eigentlich fror sie gar nicht.
„Komm näher!“, er zog sie näher zu sich und sie konnte ihren Kopf an seine Brust legen. Mit seinem breiten Rücken bot er einen sicheren Windschutz. Sie spürte seine Brusthaare in ihrem Gesicht, sie kitzelten sie an der Nase. Sie spürte ein Glücksgefühl, wie sie es schon lange nicht mehr gekannt hatte.
Ihre dunklen Haare flogen um ihren Kopf und verhedderten sich mit ihrem Schal. Um nichts in der Welt wollte sie es jetzt anders haben, bequemer, wärmer, gemütlicher. Sie spürte sein Herz schlagen, sie spürte es an ihrer Wange und unter ihrer Hand, die er auf seiner Brust festhielt. Jeder Schlag wie ein kleines Erdbeben, dachte sie. Sie hörte seinen Atem ein- und ausfließen, so regelmäßig, so beruhigend.
„Achtung!“ Daves Stimme übertönte die Herrschaft des Windes und drang in ihre Ohren: „Segel killen!“
„Er wendet, ich muss helfen!“ Sie wollte ihn noch nicht loslassen, sie wollte lieber noch in seinen Armen liegen. Doch er schob ihre Arme sanft zur Seite: „Du kannst jetzt hier alleine sitzen, keine Angst!“
„Ich hatte keine Angst, ehrlich. Nicht, wenn du bei mir bist!“
Sie blickte auf und sah sein Gesicht, ein Lächeln breitete sich darauf aus, es war, als ginge die Sonne auf.
„Ich muss Dave helfen, okay!“
„Ja...danke, dass du bei mir warst!“
„Ein schönes Gefühl zu fliegen, oder?“, er hielt noch immer ihre Hand.
„Ja! Das ist es – wunderschön! Das Meer...!“, sie stockte.
„Findest Du?“, seine Augen blitzten und sahen sie direkt an, da war er wieder, dieser Blick, der Gestein zum Schmelzen brachte.
„Ja, es ist so grausam und doch so schön, ich finde keine Worte.“
„Ich wusste nicht, dass du das Meer magst...das Segeln!“
„Ich auch nicht“, gestand sie.
„Komm!“, er zog sie mit zum Heck des Schiffs und half ihr ins Cockpit. Wieder musste sie sich unter dem Segelbaum hindurch ducken, während er zurück zum Bug ging und mit Samantha den schlaff herabhängenden Spinnaker einholte. Die beiden verschwanden fast unter dem leichten, bunten Segeltuch. Mit beiden Armen, raffte er das Tuch zusammen und brachte es zur Steuerbordseite des Schiffs. Die ausgeführten Handgriffe liefen so schnell ab, als hätten die Zwei das schon tausend Mal geübt.
Es dauerte lange, bis die Beiden im Bug das Tuch wieder eingepackt hatten und sie fragte sich, ob sich dieses Vergnügen überhaupt gelohnt hatte.
Dave stand neben ihr am Steuer und blickte sie lachend an: „Gefällt es Dir?“
Sie konnte nur zustimmend nicken, sie war zu aufgeregt, ihr Herz pochte wie wild, die Zunge klebte ihr am Gaumen. Der Wind zerrte nicht mehr so stark an ihr, doch ihre Haut fühlte sich an, als sei sie einer Massage ausgesetzt gewesen.
Sie hatte sich ordentlich eingecremt bevor sie losgezogen waren, doch von der Feuchtigkeit der Creme war nichts mehr zu spüren.
„Achtung jetzt, wir halsen. Halte dich fest und achte auf den Baum!“
„Heißt das, dass wir zurück segeln?“
„Ja, das heißt es. Wir nehmen erst noch mal ordentlich Geschwindigkeit auf und dann geht es los. Du passt auf, ja! Achte auf die Manöver und darauf, wie das Boot reagiert. Wir werden recht flott wenden und der Großbaum kommt über, also Vorsicht!“
Sie hielt sich fest und verfolgte aufmerksam die Handgriffe der kleinen Mannschaft. Rechtzeitig vor der Halse senkte sie ihren Kopf und achtete darauf nicht vom Sitz zu rutschen, als das Boot plötzlich die Richtung änderte. Das Segel knatterte und die Leinen sirrten im Wind. Dave legte die Schot um und brachte den Bug in den Wind, während die anderen Beiden die Plätze auf dem Boot wechselten.
Plötzlich hing das Segel schlaff herunter und der Baum schwang herum. Sie blickte vorsichtig auf, denn das Boot schien plötzlich stehen zu bleiben, es wurde ganz langsam.
Doch Dave brachte die „Taurus“ an den Wind, das Segel blähte sich und schon nahm sie wieder Fahrt auf.
„Wahnsinn!“, rief sie begeistert. „Wie habt Ihr das gemacht?“.
Alle drei lächelten sie an.
Auf der Rückfahrt hatten sie Zeit etwas zu essen. Sam hatte einen Picknickkorb mitgebracht und sie wunderte sich, wie hungrig sie war. Obwohl sie nichts auf dem Boot hatte helfen können, war sie hungrig wie ein Wolf.
„Das macht das Meer und der Wind! Da kriegt jeder Hunger“, erklärte Dave ihr.
Sie saßen gemeinsam im Cockpit und sie musste immer wieder an das Manöver mit dem Spinnaker denken, dieses Gefühl auf dem Wasser zu fliegen, die Schläge, die der Rumpf einfing und an die Menschen darüber weiter gab. Dieser Lärm, der alles andere übertönte und der beißende Wind! Sie fühlte sich zufrieden, müde, entspannt und glücklich zugleich. Sie hatte zum ersten Mal seit Wochen wieder Kontakt mit ihrem Mann aufgenommen.
Hatte sie nicht ein Stück dieser Nähe zurück gewonnen, die sie so vermisst hatte? War das nicht ein kleiner Lichtblick oder interpretierte sie zuviel hinein? Sie wollte einfach glauben, dass das ein kleines Zeichen war! Sie schaute zu ihm hinüber und blickte direkt in seine Augen. Sie hatte nicht bemerkt, dass er sie beobachtete. Jetzt stieg Hitze in ihr Gesicht, nur gut, dass ihre Haut sowieso gerötet war, so würde er es nicht sehen. Sie lächelte und erschrak als er aufstand und zu ihr herüber kam. Sie rückte ein Stückchen zur Seite und er setzte sich neben sie.
„Alles in Ordnung mit dir? Du scheinst hungrig zu sein?“
„Ja, das kann man wohl sagen! Samantha hat sich unheimlich Mühe mit dem Essen gemacht, es ist so lecker!“
Er lachte und meinte: „Ich denke nicht, dass Sam den Korb gepackt hat, das hat sie sicher machen lassen. Mit dem Kochen hat sie es nicht so!“
„Ach ja?“, sie wollte jetzt nicht hinterfragen, woher er das wohl wusste, sie wollte nur seine Nähe noch ein bisschen genießen. Sein Oberarm lag an ihrem und sie hatte das Gefühl, seine Wärme würde auf ihrer Haut brennen, durch Jacke und Sweatshirt. Sie wandte ihm das Gesicht zu, er war so nah, sie spürte seinen Atem auf ihrer Haut. Er hatte sich am Morgen nicht rasiert und seine Bartstoppeln bedeckten das markante Gesicht. Sie sog seinen Duft tief ein und hätte sonst was drum gegeben ihn jetzt berühren zu können.
Am Abend stand sie müde unter der Dusche und befürchtete fast, unter dem laufenden Wasser einzuschlafen, und doch blickte glücklich auf diesen Tag zurück. Sie spülte das Shampoo aus den Haaren und dachte mit geschlossenen Augen an die zurück liegenden Ereignisse als die Tür sich öffnete.
„Bist du soweit?“
„Wofür?“, fragte sie.
„Abendessen? Hast du keinen Hunger?“
Er trat näher an die Duschkabine und stützte sich mit der Hand dort ab. Sie trat unbewusst zurück und er sah es, er sah ihr Zurückweichen und sie hörte wie er wütend die Luft ausstieß.
„Beeil dich!“, blaffte er und verließ das Bad.
Das Abendessen verlief genauso wenig unterhaltsam wie das am Abend zuvor. Sie war müde, konnte der Unterhaltung nur mühsam folgen und gähnte immer wieder. Die Anderen schienen den Tag viel besser überstanden zu haben und sie war froh, als sie sich endlich zurückziehen konnte.
Er begleitete sie in ihr Zimmer und packte dort seine Shorts und ein Badetuch zusammen.
„Gehst du schwimmen?“.
„Mhm...“
Er war schon an der Tür, als sie zaghaft fragte: „Soll ich mitkommen? Wir könnten zusammen schwimmen!“
„Ist schon okay, du bist doch müde. Sam kommt mit mir! Bin bald zurück!“
Er drehte sich um und verließ die Suite.
Sie schäumte vor Zorn, sie konnte kaum an sich halten und hatte das Gefühl ihr Kopf würde platzen. Die Eifersucht nagte an ihr, lag wie eine Faust in ihrer Brust und schien sie am Atmen zu hindern. Verletzt und wütend stampfte sie mit dem Fuß auf und stürmte aus dem Zimmer.
Mit Samantha ging er schwimmen, mit ihr wollte er nicht. Sie stolperte fast auf der Treppe, stürmte an der Bar vorbei ins Freie und lief Richtung Poolhaus. Der Weg war nur schwach beleuchtet und sie rutschte mit dem Fuß aus und knickte um.
Stöhnend humpelte sie zurück bis zur Terrasse und ließ sich auf einen der Stühle fallen. Sollte sie warten, bis er zurück kam? Sollte sie ihn darauf ansprechen, ihm sagen wie sauer sie auf ihn war?
Der kleine Erfolg, den sie verspürt hatte schmolz dahin, als hätte das Abenteuer auf See gar nicht stattgefunden. Was bildest du dir auch ein, du dummes Huhn? Dass er in deine Arme fliegt, nur weil es dir an Bord gefallen hat? Dass damit wieder alles gut sei?
Sie stand auf und belastete den Fuß vorsichtig. Er schmerzte nur noch wenig. Enttäuscht machte sie sich auf den Weg zurück ins Zimmer.
Auf dem Bett liegend wartete sie auf seine Rückkehr. Nur mühsam konnte sie die Augen aufhalten und spürte, wie sie langsam in den Schlaf hinüber dämmerte.
Sie spürte eine Bewegung neben sich und öffnete die Augen.
„Bist du noch wach?“, fragte er.
Sie antwortete nicht.
„Alles in Ordnung mit dir?“
„Ja!“, entgegnete sie ruppig.
„Entschuldige! Ich dachte du hättest einen schönen Tag gehabt? Schien mir zumindest so.“
„Hatte ich auch, bis auf den Abschluss!“
„Wieso der Abschluss?“
Es konnte doch nicht sein, dass er nicht wusste, was sie meinte. Er musste doch spüren, wie verletzt sie war. Er lag entspannt auf der Seite und schaute sie fragend an.
„Ich finde, du ...“. Das Klingeln eines Handys unterbrach sie. Sie traute ihren Ohren nicht, es war ihres, da war sie sich sicher. Sie spürte wie er neben ihr erstarrte, er stieß den Atem wütend aus und richtete sich auf seine Ellenbogen auf.
„Na toll! Du wolltest doch ungestört sein!“, seine Stimme klang dunkel und dumpf, „Na, wer hat denn da deine Nummer bekommen? Doch nicht etwa der liebe Tom? Oder doch? Es geht wohl nicht ohne dich, was?“
„Niemand hat meine Nummer! Niemand!“, verteidigte sie sich.
„Offensichtlich doch, denn es ist dein Telefon, das klingelt, meine Liebe!“ Er stand auf, holte das Telefon vom Tisch und warf es neben sie auf das Bett.
Das schrille Klingeln des Handys zerrte an ihren Nerven. Doch sie wollte nicht, dass er glaubte, sie hätte die Nummer weiter gegeben.
„Niemand hat meine Nummer, das kannst du mir ruhig glauben! Niemand!“
Sie ging ran und hörte Tom auf sie einreden. Sie setzte sich im Bett auf und schaute ihn ängstlich an. Schritt für Schritt trat er näher auf sie zu und setzte sich zu ihr auf den Bettrand. Sie wich etwas zurück und versuchte, sich auf das Gespräch zu konzentrieren. Eine Fusion, die geplatzt war, ein Geschäft, das den Bach runter ging, und vor ihr drohte sein intensiver Blick, seine Nähe machte sie total nervös.
„Tom!“, unterbrach sie den Redefluss ihres Assistenten: „Tom! Hören Sie bitte! Tom!“ Ihre Stimme wurde immer lauter: „Woher haben Sie diese Nummer?”
Sie blickte in das Gesicht ihres Mannes und errötete.
„Woher haben Sie die Nummer, Tom? Nein...ich hatte sie...bitte unterbrechen Sie mich nicht! Ich hatte sie niemandem gegeben! Also, woher haben Sie sie?“
Sie schluckte heftig und hätte ihm den Hörer am liebsten übergeben. „Sie haben die Buchungsunterlagen gesehen? Und die Nummer darauf entdeckt?“
Triumphierend schaute sie ihren Mann an.
„Vielleicht sollten Sie sich in Zukunft genau überlegen, ob Sie in meinen Unterlagen rumwühlen. Wenn ich sage, dass ich ungestört will sein, so meine ich das auch so!“
Eine Pause entstand, sie hörte sich die hastig vorgebrachten Entschuldigungen an und beobachtete verstohlen das Gesicht ihres Mannes. Glaubte er ihr?
„Nein, Tom! Damit war es mir sehr ernst, verstehen Sie. Und wenn Sie dieses Problem nicht allein lösen können, dann sollten Sie sich vielleicht einen anderen Job suchen? Sprechen Sie mit dem Aufsichtsrat und ziehen Sie MacEntry hinzu! Er wird Sie gut beraten! ...Nein! Das werden Sie nicht tun, verstehen Sie?“
Sie traute sich nicht aufzublicken, sein Blick durchbohrte sie buchstäblich. Ihr Herz raste, sie atmete tief ein und aus und unterbrach ihren Assistenten erneut: „Das interessiert mich nicht, dann soll es eben so sein. Es gibt auch Wichtigeres als Geschäfte. Tut mir leid, ich habe keine Zeit mehr für Sie!“
Während sie das Gespräch mit knappen Worten beendete, rutschte sie auf dem Bett noch vorne, um aufstehen zu können.
Sie schaltete das Handy vollständig ab und ließ es auf das Bett fallen: „Zufrieden?“
Sie rutschte bis zum Rand des Bettes und drängte sich an seinem Körper vorbei. Sie zitterte vor Aufregung und spürte, wie Tränen in ihre Augen stiegen. Diese Blöße wollte sie sich jetzt nicht geben, sie wollte nicht hier vor ihm weinen. Sollte er doch denken, was er wollte! Es kümmerte sie nicht. Hastig zog sie sich das dünne Hemd über den Kopf und schlüpfte in Windeseile in Jeans und Shirt. Sie spürte seinen Blick auf ihrem Rücken.
„Was machst du?“, fragte er leise.
„Was interessiert es dich?“, sie griff sich ihre Schuhe, lief aus dem Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu. Zum zweiten Mal an diesem Abend sprang sie Treppe herunter und hätte beinahe vor Schmerz aufgeschrieen.
Sie hatte nicht an ihren verletzten Fuß gedacht. Sie fluchte leise vor sich hin, auch das noch! Sie nahm den gleichen Weg wie zuvor und atmete die Nachtluft tief ein, als sie die Terrasse erreicht hatte.
Müde und enttäuscht ließ sie sich in einer der bequemen Korbstühle fallen und zog einen zweiten heran, um ihren Fuß hoch legen zu können. Verdammt noch mal, was für ein totaler Reinfall! Dieser Mann trieb sie noch in den Wahnsinn. Wenn sie doch nur ein einziges Mal locker und ruhig bleiben würde, wenn sie mit ihm sprach. Immer wenn er in ihre Nähe kam, wurde sie nervös und fing an zu stottern wie ein Kind. Sie musste ja nur seine Stimme hören!
Sie öffnete die Augen und sah Sam auf sich zukommen. Auch das noch, das hatte jetzt noch gefehlt!
„Na, noch nicht müde?“, fragte Sam und setzte sich auf einen Sessel, der neben dem ihrem stand.
„Ich bin total geschafft! Dein Mann ist nicht tot zu kriegen, da hetzt er mich doch glatt noch durch das Schwimmbecken!“, Sams Lachen klang leise zu ihr herüber.
„Interessant! Wirklich, sehr interessant!“
„Er konnte schon immer gut schwimmen. Ich habe das Gefühl im und auf dem Wasser fühlt er sich am wohlsten, oder? Was meinst du?“
„Du scheinst meinen Mann ja gut zu kennen!“
„Klar, wie kennen uns ja schon eine Ewigkeit. Gott, so viele Jahre schon! Seit der Schule sind wir befreundet und wir drei gaben ein tolles Gespann ab. Aber ich will dich nicht wieder mit den alten Geschichten langweilen, du musstest dir schon genug von dem Kram anhören!“
Sam kuschelte sich tiefer in den Sessel, zog die Knie an und umschlang ihre Beine mit den Armen.
„Schön hier, findest Du nicht? Das leise Geräusch der Wellen, der Blütenduft, das Kerzenlicht! Richtig romantisch ist es hier!“
„Romantisch! Ja, das dachte ich auch!“
„Wieso? Hattest du dir es anders vorgestellt? Ich bin ganz begeistert von diesem kleinen Hotel. Unsere Eltern haben es sich wirklich was kosten lassen! Wo sie doch sonst so sparsam sind,“ lachte sie.
Sie konnte dieses Gerede nicht mehr ertragen. Wenn sie doch einfach verschwinden würde, sie seufzte.
„Alles in Ordnung mit dir? Hast du was? Mhm ... sag schon, was ist los?“
Sie fixierte die Kerze auf dem Tisch und murmelte: „Was geht dich das an?“
„Was denn? Was meinst du? Nun spuck es schon aus! Bitte sag doch, was hast du für Sorgen?“
Sie stieß ein kurzes Lachen aus: „Wirklich lustig, oder? Du flirtest den ganzen Tag ungeniert mit meinem Mann und willst wissen, was mit mir los ist? Ganz schön raffiniert, echt!“
Ungewollt stiegen ihr wieder Tränen in die Augen.
„Hör mal! Ich weiß nicht, was du da redest, keine Ahnung wie du auf diese Idee kommst! Aber Eines kannst du mir glauben: ich habe nicht mit deinem Mann geflirtet – ganz sicher nicht! Und er auch nicht mit mir, wir sind ...“
„...nur befreundet – dachte ich mir schon! Klar, nur gute Freunde!“
„Ich bin verlobt Herrgott noch mal! Was denkst du denn von mir, hör mal? Dass ich mal eben so nebenbei einer Frau den Mann ausspanne? Ich werde in nicht mal einem Monat heiraten! Das hatte ich gestern beim Abendessen schon erzählt! Hast du nicht zugehört? Er heißt Frank und ist ...!“
„Du bist verlobt?“, fragte sie völlig konsterniert.
„Ja! Das sagte ich schon!"
„Aber, aber...er...!“
„Was? Nix hat er, gar nichts. Wir sind gute Freunde, nichts weiter!“, Sams Stimme klang gereizt, „Wir konnten schon immer gut miteinander reden. Wir haben uns immer schon alles erzählen können!“
Zweifelnd schaute sie in das Gesicht der jungen Frau. Sollte sie sich denn so getäuscht haben? Aber da war doch was zwischen den Beiden? Sie sprang auf und lief unruhig hin und her.
„Willst du dich nicht noch mal setzen? Vielleicht willst du mir ja mal erzählen, was dich bedrückt? Ich meine...es ist doch klar, dass da irgendwas nicht stimmt zwischen euch!“
Sam war aufgestanden und berührte sie jetzt zart am Arm: „Komm! Setz dich wieder hin.“
Sie platzte heraus: „Egal was ich auch tue...! Ich kann nichts recht machen – kann ihm nichts recht machen!“
„Wem?“
“Na, wem schon?“
„Du kannst deinem Mann nichts recht machen?“
„Ich wusste doch nicht wie es sein würde mit ihm zu leben, verheiratet zu sein. Ich dachte, dass ich endlich jemand gefunden hätte! Endlich! Er ist so ganz anders als alle Männer, die ich bisher kennen gelernt habe, weißt du?“, verzweifelt blickte sie in Sams Gesicht.
„Oh ja“, lachte Sam, „Ich weiß genau was du meinst. Er ist ganz anders! Sehr leidenschaftlich...!“
„Er stellte keine Fragen, er akzeptierte mich, wie ich war!“
„Warum? Bist du denn so anders als alle anderen?“
Sie runzelte die Stirn und schaute Samantha ungläubig an: „Hast du das denn nicht bemerkt?“
„Na ja, du bist vielleicht etwas verschlossen?“
„Verschlossen?“, sie lachte bitter auf, „Ja, so kann man es auch nennen – verschlossen!“
Sie ließ sich wieder auf den Sessel plumpsen und Samantha setzte sich zu ihr.
„Ich habe doch keine Ahnung!“
„Wie meinst du das? Du hast keine Ahnung von was?“
„Vom Leben! Was sagte er? Ein Leben im goldenen Käfig! Und ich bräuchte ihn nur als Vorzeigeobjekt...um so zu tun als ob! Ich habe keine Ahnung!“ Sie lehnte sich im Sessel zurück und starrte in die Dunkelheit.
„...keine Ahnung...!“, murmelte sie leise.
„Aber er hat dich doch geheiratet! Er liebt dich doch!“
„Ja. Das hat er mal gesagt.“
„Na also! Hab’ doch etwas Vertrauen in dich und auch in ihn! Das wird schon besser werden!“
„Ach ja? Woher willst du das wissen? Ich...ich kann doch nicht mal...!“
„Was?“, fragte Samantha.
Sie stockte, legte die Hand auf ihre Augen: „Ich muss gehen!“
„Nein, musst du nicht! Du bleibst jetzt hier sitzen, klar! Und nun raus damit! Was kannst du nicht?“
Samantha ließ nicht locker und rutschte mit dem Korbsessel näher zu ihr heran. Beruhigend strich sie ihr über das Haar.
„Du sprachst davon, wie leidenschaftlich er ist!“, sie sackte ein wenig in sich zusammen und Stille breitete sich zwischen den beiden jungen Frauen aus.
„Ich hab’ das von Anfang an gespürt, weißt du? Diese Leidenschaft in ihm! Die ist immer da, unterschwellig. Aber ich kann einfach nicht...ich meine, ich habe noch nie...ich meine, wie haben noch nie...!“
„Bitte? Verstehe ich dich jetzt richtig? Du meinst, du hast noch nie mit deinem Mann geschlafen? Ihr hattet noch nie Sex miteinander? Ihr seid zwölf...nein dreizehn Monate verheiratet! Und ihr habt wirklich noch nicht...?“, fragte Samantha fassungslos.
„Genau so ist es! Wir haben noch nie miteinander Sex gehabt, nicht mal annähernd etwas in der Art!“
Jetzt war es raus und erleichtert schloss sie die Augen. Es war ihr gleichgültig, dass Sam es jetzt wusste, sie hatte es zum ersten Mal aussprechen können – und das fühlte sich gut an.
„Wieso denn nicht? Das muss doch einen Grund haben, das gibt es doch nicht?“, meinte Samantha: „Kann er denn nicht, verstehe mich nicht falsch, so was kann passieren! Aber wenn ihr noch nie...? Er hat dich doch lieb, das sieht man doch!“
„Das sieht man? Woran denn?“
„Oh Mann, das sieht doch jeder! Bist du denn völlig blind? Er himmelt dich an! Wir haben euch beide noch nie miteinander erlebt – und trotzdem, er verschlingt dich doch mit den Augen!“
„Quatsch, das stimmt doch gar nicht. Er hat dich angehimmelt, Sam! Er hat mit dir geflirtet – und das hat jeder bemerkt! Seine Augen...“
Sam lachte herzlich: „Ja, seine Augen! Das konnte er schon immer gut, dieser Blick! Schon in der Schule hatte er das drauf. Ich weiß noch genau...das Schultheater führte „Jane Eyre“ auf und er spielte den Rochester. Ach Gott, die Mädels verfielen ihm reihenweise, unglaublich!“
Sam lehnte sich zurück und streckte die Beine aus. Auf ihrem Gesicht erschien ein verträumter Blick.
“Aber ich hatte immer nur Augen für Frank! Er spielte den St. John. Meine Güte, wenn ich daran denke!“
Plötzlich setzte sie sich wieder aufrecht hin: „Also, jetzt sag mal! Wie kommt es, dass ein solcher Mann dich noch nicht rumgekriegt hat? Ich meine...wieso habt ihr noch nie miteinander geschlafen?“
Sie konnte Sams bohrenden Blick nicht ertragen und wandte den Kopf ab.
„Es ist nur meine Schuld, weißt du! Er hat es ja versucht, oft versucht! Er ist so geduldig mit mir gewesen, so einfühlsam...!“
Sam blieb ganz still sitzen und ließ ihr Zeit.
„Es ist nicht so, dass ich ihn nicht mag, oder ihn nicht begehre. Im Gegenteil! Ständig muss ich ihn ansehen, selbst mit geschlossenen Augen sehe ich ihn. Wenn er in meiner Nähe ist, bin ich total nervös und auch ein bisschen unsicher, das stimmt schon. Ich möchte ihn berühren, ihm nahe sein, ihn fühlen und schmecken...oh Gott, was rede ich denn da?“
Woran lag es, dass ihr diese Worte entschlüpften? Sie sah Sam fest an: „Ich kenne dich doch gar nicht!“
Sam lächelte leicht: „Vielleicht liegt es genau daran! Du kennst mich nicht, ich kenne dich nicht. Viel interessanter ist doch die Frage, woran es liegt, dass du in dieser langen Zeit nicht einmal mit deinem Mann geschlafen hast!“
Die Kirchenglocken des kleinen Ortes schlug elf und unterbrach die Stille zwischen den beiden Frauen.
„Ich muss zurück!“
„Quatsch! Du willst dich nur drücken! Willst dich wieder in dein Schneckenhaus zurückziehen! Merkst du das denn nicht? Darin geht es dir gut, niemand stellt Fragen, und du hinterfragst auch nichts!“
„Und du bist die totale Expertin?“, sie sprang auf, stemmte die Arme in die Seite und stellte sich vor Sam hin.
„Du kennst mich nicht! Das hast du selbst gesagt! Was weißt du schon von mir und meinem Leben?“
Sam protestierte: „Dann lauf nicht weg, sondern erzähl mir von dir! Bitte!“
Doch sie hatte sich bereits umgedreht und ging zurück ins Hotel.
Vor der Zimmertür verharrte sie einen Moment und atmete tief durch. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, wegzulaufen? Vielleicht hätte sie mit Sam reden sollen!
„Mist!“, sagte sie zu sich selbst: „Ziehst dich in dein Schneckenhaus zurück, genau wie sie es gesagt hat!“, sie lachte kurz.
Vorsichtig öffnete sie die Tür, er schlief sicher schon und sie wollte ihn keinesfalls wecken. Im Dunkeln entledigte sie sich ihrer hastig übergeworfenen Kleidung und tastete nach ihrem seidenen Nachthemd. Sie wusste nicht genau, wo sie es hatte fallen lassen. Vielleicht hatte er es aber auch weggeräumt, nachdem sie aus dem Zimmer gestürmt war.
Sie gab die Suche auf und tastete sich vorsichtig zum Bett vor. Erstaunt stellte sie fest, dass er auf ihrer Seite lag. Leise umrundete sie das Bett und schlug das Laken auf seiner Seite zurück. Er lag ihr zugewandt und das schwache Licht, das durch das Fenster hereinfiel warm einen warmen Schimmer auf sein schönes Gesicht. Sie erkannte ihr Nachthemd, das zerknautscht in seinen Armen lag.
Sanft legte sie sich neben ihn auf die Seite, damit sie ihn noch ein wenig ansehen könnte. Wir kam ihr Hemd hierher? Sie versuchte behutsam, es ihm zu entziehen, doch er hielt es fest umklammert. Sie zog sich das luftige Laken über ihren Körper.
„Es ist so warm heute Nacht, da brauchst du weder Laken noch Hemd!“
Sie fuhr zusammen und blies erstaunt die Luft aus.
„Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken!“, er rutschte ein Stück näher: „Ich bin hier auf deiner Seite eingeschlafen! Schlimm?“
„Nein, natürlich nicht! Ich liege hier genauso gut!“
Fast unmerklich war er noch ein bisschen näher gerückt. Sie war froh, dass es dunkel war, denn ihr war die Röte ins Gesicht gestiegen, doch gottlob konnte er das nicht erkennen. Sie spürte seine Körperwärme, obwohl er noch einige Zenitmeter von ihr entfernt war. Sein Atem streife ihr Gesicht. Ein leichter Schauer lief über ihren Rücken.
„Mhm...dieses Nachthemd! War fast so, als hätte ich dich bei mir!“, flüsterte er.
Ihr Atem setzte aus und sie biss sich auf die Lippen. Du wirst dich nicht wegdrehen, sprach sie sich selbst Mut zu. Du rührst dich nicht von der Stelle. Nervös räusperte sie sich.
„Was hast du? Geht es dir gut?“, fragte er.
„Ja! Nur ein bisschen müde.“
„Kein Wunder! Das war auch ein anstrengender Tag. Wo warst du noch? Dachte schon, du kommst nie zurück, nach diesem blöden Anruf!“
„Ich war draußen...ich habe Sam getroffen.“
„Sam?“
„Mhm...wir haben geredet. War ganz nett.“
„Worüber habt Ihr geredet?“
„Oh, dies und das.“
Ihr Körper zuckte kurz zusammen, als sie seine warme Hand auf ihrer Hüfte spürte. Nur das dünne Laken trennte sie von ihrer bloßen Haut. Er schob sich etwas näher heran. Seine Hand verschwand kurz, um unter dem Laken wieder aufzutauchen. Sie war so warm, ihre Haut brannte wie Feuer. Aber es fühlte sich gut an, sie seufzte.
„Habt ihr auch über mich gesprochen?“, fragte er neugierig.
„Ja!“
„Und was?“, er berührte ihre Haare mit deinem Mund.
Diese köstliche Nähe! Ihr Herz klopfte wild als sie ihr Gesicht in seiner Halsbeuge barg. Sie spürte seinen Puls und ein warmes, wohliges Gefühl lief durch ihren Körper.
„Nichts Besonderes. Was Frauen eben so miteinander reden!“
Was für ein Unsinn verzapfte sie denn da? Als hätte sie je mit einer Frau intime Begebenheiten austauschen können! Sie musste unfreiwillig lächeln. Vielleicht ist das tatsächlich einmal nötig?
Der erneute körperliche Vorstoß ihres Mannes unterbrach ihre Gedanken. Seine Hand wanderte zart von ihrer Hüfte über ihre Rippen bis hin zu ihrer nackten Brust. Sie zog den Atem scharf ein, blieb aber ruhig liegen.
„War es dir ernst? Vorhin am Telefon meine ich. Würdest du alles aufgeben?“
„Ja!“, war ihre kurze Antwort. Die Hand auf ihrem Körper ließ sie nicht klar denken.
„Ja?“, hakte er nach.
„Mhm...“
Er lachte in ihr Haar.
„Ich meine ja! Ich glaube ja! Ich glaube ich würde...ich könnte alles aufgeben!“, wenn ich Dich dafür behalten könnte, fügte sie in Gedanken hinzu.
„Aber der Konzern ist doch dein Ein und Alles!“.
Nach einer Pause meinte sie ausweichend: „Also...ich könnte es, denke ich.“
Nun legte er sein nacktes Bein über das ihre und seine behaarte Brust berührte ihren Busen. Die Augen fest geschlossen versuchte sie ganz locker zu bleiben. Entspann dich, dachte sie.
„Mhm...du riechst so gut!“, er wühlte mit seinem Gesicht in ihrem Haar und fügte hinzu: „Viel besser als dein Nachthemd!“
Sie bewegte sich leicht und versuchte die Stellung zu ändern.
„Was meinst du?“.
„Du warst nicht da, und da musste ich mit deinem Nachthemd vorlieb nehmen! Aber überhaupt kein Ersatz für Fleisch und Blut...mhm...!“
Er hatte an ihrem Hemd geschnuppert?
Hatte er sie...
„Hast du mich vermisst?“, schlüpfte es ihr heraus.
„Ich vermisse dich immer, wenn du nicht da bist!“
Seine Hand wanderte über ihren Rücken und mit sanftem Druck schob er sie näher zu sich. Sie traute sich sogar, sich ein wenig an ihn zu kuscheln und schlief ein.
Nach dem Frühstück am nächsten Morgen, wunderte sie sich selbst, was sie dazu gebracht hatte, Ja zu sagen. Sam hatte den Vorschlag gemacht, eine kleine Wanderung über dem Küstenpfad zu machen.
„Och bitte...kommt mit, ihr Zwei. Morgen kommen unsere Eltern und dann haben wir eh keine Zeit mehr, etwas Gemeinsames zu unternehmen!“, hatte sie gebettelt.
Sie hatte so lieb aus ihren dunklen, runden Augen geblickt, dass alle zustimmen mussten. Danach hatte sie wie ein Kind in die Hände geklatscht und war nicht mehr zu bremsen gewesen.
Nachdenklich lächelnd hatte sie Sam angesehen und sich gefragt, warum manche Menschen so ein einnehmendes Wesen hatten und andere, wie sie selbst, sich so schwer taten. Sie wünschte sich, dass ein kleines bisschen dieser Eigenschaft auf sie abfärben würde.
Zurück in ihrem Zimmer dachte sie an die zurückliegende Nacht und die kurze Zeit der intimen Zweisamkeit zwischen ihr und ihm. Sie schaute zu ihm hinüber. War das nicht vielleicht ein weiterer Fortschritt? Das Segeln, dieser letzte Abend?
Pfeifend packte er Kamera und Fernglas in seinen Rucksack. Es war nicht zu übersehen, dass er sich auf die bevorstehende Wanderung freute. Er trug robuste Trekkinghosen, ein bequemes Hemd und hatte sich Regenjacke und feste Wanderschuhe bereit gelegt.
Ganz kurz musste sie an seine festen Oberschenkel denken, die in der Hose steckten. Unten schauten die nackten Füße heraus, sie liebte den Anblick seiner Zehen.
„Was kicherst du?“, fragte er plötzlich.
Es war ihr nicht bewusst gewesen, dass sie gelacht hatte: „Nichts! Ich freue mich wieder rauszukommen!“
Sie reichte ihm die Sonnenschutzcreme: „Die dürfen wir nicht vergessen!“, sagte sie mahnend.
Er nahm ihre Hand und zig sie zu sich: „Komm mal her!“
Folgsam trat sie näher und schaute ihn fragend an, als er ihr Gesicht aufmerksam musterte.
„Ist nicht mehr so rot wie gestern. Aber wir müssen aufpassen, heute knallt die Sonne wieder heftig, und da oben auf dem...“, er griff zur der Tube und presste sich einen Klecks auf die Handfläche, “...Coastpath ist es fast genauso windig wie auf dem Meer!“
Vorsichtig begann er nun die Creme auf ihrem Gesicht zu verteilen: „Halt still!“
„Jaa...!“
„Und sprich nicht!“, mahnte er.
Sie nickte und hielt still. Das stellte sich als nicht so einfach heraus, denn seine Fingerspitzen kreisten sanft über ihre Haut und ließen keine Stelle aus. Sogar ihre Ohren bedachte er mit Sonnencreme. Und plötzlich überfiel sie die Erinnerung an den Morgen. Sie war aufgewacht und hatte mit ihrem Rücken an seinem Bauch gelegen. Seinen Arm hatte er um sie geschlungen und lag schwer auf ihrer Brust und bei jedem Atemzug hatte sich seine Brust fest an ihren Rücken gedrückt. Sie hatte sich wie in Trance gefühlt und hatte es unendlich genossen, ihm so nahe zu sein.
Warum konnte es nicht immer so sein? Warum fürchtete sie sich davor, dass er ihr noch näher kam? Er hatte ihr nie wehgetan, sie nie bedrängt, sie nie zu etwas gezwungen. Und wollte sie nicht auch, dass er sie liebte – auch körperlich liebte?
„Träumst du?“, seine Stimme klang amüsiert.
„Nein! Da ist keine Stelle mehr in meinem Gesicht, die noch nicht eingecremt wurde!“
„Stimmt! Aber deinen Nacken dürfen wir nicht vergessen!“
Er drehte sie um und machte sich an die Arbeit. Sie zog die Schultern hoch und überließ sich entspannt seinen Händen.
Die vier jungen Leute brachen, bepackt mit Rucksäcken, Trekkingstöcken und genügend Proviant auf. Sie fanden den Einstieg in den Coastpath recht schnell und erklommen die ersten Klippen, die sich hoch über das Meer erhoben. Je höher sie stiegen, desto grandioser wurde der Ausblick. Der Wind frischte mit jedem Höhenmeter mehr und mehr auf. Bald schnauften alle und sie verminderten das Tempo des Anstiegs. Sam trieb sie immer wieder an und versprach eine noch beeindruckendere Aussicht von ganz oben.
Die beiden Frauen fielen etwas zurück. Sie hielten die Augen auf den Boden gerichtet um keinen Stolperstein auf dem letzten schwierigen Stück zu übersehen.
Die Stöcke in ihrer Hand gaben ihr Halt auf diesem abschüssigen Boden. Sam blieb kurz stehen und reichte ihr ein Tuch, das sie sich um den Kopf binden konnte. Der Wind wehte so heftig, dass ihre Haare um ihr Haupt flogen und ihr teilweise die Sicht nahmen und dankbar band sie das Tuch fest. Sie blickte auf und sah ihn mit Dave ein Stück von ihnen entfernt stehen, sein Blick war auf den Horizont gerichtet. Wieder bewunderte sie sein wundervolles Haar. Egal welche Länge es hatte, es war immer perfekt, und sie liebte die Fülle und die Farbe jeden Tag mehr.
„Er sieht toll aus, nicht?“
Sie erschrak und fühlte sich ertappt: „Du meinst Dave?“
„Nein! Ich meine nicht Dave, was denkst du denn? Ich meine deinen Mann! Er sieht gut aus und du weißt es! Deshalb kannst du deine Augen nicht von ihm wenden!“
„Ach was!“, verlegen senkte sie den Blick und schüttelte den Kopf.
„Gott, du bist so leicht zu durchschauen!“
„Bin ich das?“
„Japp, das bist du und im Moment möchtest du mir die Gurgel rumdrehen!“
Sie lachte bei Sams Bemerkung laut auf: „Mach, dass du weiter kommst. Die Männer sind schon ein ganzes Stück voraus!“
„Lass sie ziehen. Wir können uns ein bisschen unterhalten. Ganz vertraulich...komm!“, meinte Sam leise.
Sie errötete und konnte Sam nicht in die Augen sehen: „Ach, ich weiß nicht,“ sie stockte: „Ich habe schon darüber nachgedacht, aber...!“.
„Was aber? Ich meine, ich will mich ja nicht einmischen, aber es berührt mich! Euer Verhältnis, wie ihr miteinander umgeht! Mensch, man merkt doch, dass ihr euch mögt!“
Sie sagte nichts.
„Wieso habt ihr denn sonst geheiratet? Da muss doch was gewesen sein zwischen euch. Und nun diese Entfremdung!“
„Wir haben uns gar nicht entfremdet! Gestern Abend zum Beispiel, da...“, sie verstummte.
„Ja? Was war gestern Abend?“.
Nun schwiegen beide. Nach einer Weile drehte Sam sich um und stieg den Pfad weiter hinauf. Dave und ihr Mann waren mittlerweile nicht mehr zu sehen.
„Okay, ich verstehe“, rief Sam über ihre Schulter zurück: „Du willst nicht darüber sprechen. Echt, ich verstehe das!“
„Nein, tust Du nicht! Du kannst dir nicht im Entfernsten vorstellen, wie schwer mir das fällt darüber zu reden. Ich habe noch nie mit jemandem darüber geredet! Ist dir eigentlich klar, was es bedeutet mit einem Mann verheiratet zu sein, der so ist wie er? Nein? Kannst du nicht. Meine Güte Sam...“
Der Pfad war breiter geworden und presste sich nicht mehr an die Steilen Felsen. Sie trat neben Samantha und sah sie direkt an.
„Ich lernte an diesem Abend einen Mann kennen, der so ungezwungen, so selbstbewusst und offen war. Ich habe noch nie einen Mann wie ihn getroffen! Da stand er und blickte mich an...mit diesem Blick. Den hatte ich schon gespürt, bevor ich ihn sah! Und da tat sich was!“, sie tippte sich mit dem Finger auf die Brust: „So etwas hatte ich noch nie empfunden und ich war total perplex...“, sprudelte es aus ihr heraus.
„Das alleine war schon ein Wunder! Und dann verliebte sich dieser Mann in mich, zumindest behauptete er das und ich konnte mich nicht mehr wehren. Da war nichts, was ich entgegen setzen konnte und ich wollte es ja auch gar nicht!“
„War denn da nie ein anderer gewesen? Ein anderer Mann...?“, fragte Sam unsicher.
„Männer? Es gibt jede Menge Männer in meinem Leben! Mein ehemaliger Vormund, ein entfernter Onkel, ein Treuhänder, ein Berater, mehrere Assistenten und die Vorstandsmitglieder und und und...!“
„So meinte ich das nicht.“ Sam schnaufte.
„Ich weiß, wie du das meinst. Da gab es einige wenige. Aber das war doch keine Liebe, nur ein bisschen Sex. Das war’s. Und nun war dieser Mann...ein wahrer Schatz. Ich konnte einerseits mein Glück nicht fassen, andererseits überwältigte er mich mit Haut und Haaren. Ich erlitt einen Kontrollverlust auf der ganzen Linie – das war ja nicht mehr ich, der sich ihm hingeben wollte. Ich verlangte so sehr nach ihm, dass mir davon angst und bang wurde!“
Sie schrie gegen den Wind an: „Ich hatte noch nie jemanden so nah an mich rangelassen! Niemanden! Immer war da der Konzern, die Mitarbeiter, der Rat, die Finanzen, die riesige Verantwortung, die ich trug...und dann kam er. Er sah nur mich und er ist so stark!“
Sie rieb sich mit der Hand über die Augen und atmete tief ein.
„Ich glaub’ ich weiß, was du meinst! Ihn konnte schon früher nichts erschüttern. Schon als Teenager wusste er genau, was er wollte! Total von sich überzeugt, zog er das auch durch, da nagten niemals Zweifel an ihm!“.
„Ja! Und er hat mich total aus dem Gleichgewicht gebracht und ich dachte es sei Liebe! Doch das Eine konnte ich ihm nicht geben, ich konnte einfach nicht!“
„Ist es denn keine Liebe?“
„Wie kann es denn Liebe sein, wenn ich nicht mal mit ihm schlafen kann? Da ist eine Blockade in mir und ich weiß nicht, wie ich die lösen soll. Nicht, dass wir es nicht versucht hätten. Aber in meinem Kopf machte es Klick und mein Hirn schaltete sich ein!“, sie seufzte und schaute Sam hilflos an.
Ihr Mann und Dave waren nun wieder zu sehen. Sie waren auf dem Plateau stehen geblieben und genossen die Aussicht.
Bei diesem Anblick schloss sie die Augen: „Oh Gott. Das war so furchtbar. Ich wollte alles mit ihm teilen, doch es ging nicht. Sollte er mir gar die Kontrolle über meinen Körper nehmen? Er hatte mir doch schon den Boden unter den Füßen weg gezogen...alles was je wichtig für mich war, worauf sich mein Leben aufbaute! Plötzlich stellte ich alles in Frage. Ich weiß, das klingt blöd!“
„Tut es nicht!“, widersprach Samantha laut: „Diese Leidenschaft für das Leben! Er überschwemmt einfach alles, ich weiß, was du meinst! Er lebt das alles aus...im Theater wie im privaten Leben und vielleicht dachte er, dass es für dich genauso wichtig ist. Aber deine Leidenschaft ist eine andere, diese Firma ist ein Teil von dir, mit dem er nichts zu tun hat. Doch ohne diesen Teil wärest du nicht die geworden, in die er sich verliebt hat!“
„Aber er interessiert sich überhaupt nicht dafür!“, klagte sie.
„Hat er das je gesagt?“, fragte Sam.
Nachdenklich runzelte sie die Stirn: „Na ja, nicht so direkt...eigentlich gar nicht. Aber das spürt man doch. Er spricht nie mit mir darüber und wenn, dann klingt es immer verächtlich!“
„Hast du ihm denn je die Möglichkeit gegeben, dich und dein Leben richtig kennen zu lernen? Hast du ihm denn je über deine Gefühle und deine Ängste erzählt?“
Nachdenklich sah sie zu ihm hinauf. Er wandte den Kopf und sah sie an. Sie konnte keine Regung in seinem Gesicht erkennen, er verzog keine Miene.
Sam tippte ihr auf die Schulter: „Lass uns weiter gehen. Wenn wir oben sind können wir eine Pause machen und etwas essen.“
„Bei diesem Wind?“, fragte sie besorgt.
„Weiter vorne, ein paar Stufen den Hang hinunter gibt es eine Art Unterstand. Dort können wir rasten, der Wind geht über und es ist trocken. Früher soll es wohl mal einem Eremiten gehört haben!“.
Einige Minuten später hatten sie den höchsten Punkt ihrer Wanderung erreicht. Die Aussicht nahm ihnen den Atem, sie konnten sich nicht statt sehen und sie war unendlich froh, mitgekommen zu sein.
Und tatsächlich sah von hier auf das steinerne Dach einer Art Ausguck hinab. Keine Menschenseele war zu sehen, so dass sie diesen magischen Ort ganz für sich hatten. Sam ging vor und zeigte ihnen die grob in den Felsen gehauenen Stufen. Sie waren vom Regen ausgespült und völlig.
Obwohl es die letzten Tage warm und trocken gewesen war, waren die Stufen feucht. Dave folgte Sam, danach ihr Mann und zuletzt sie selbst. Auf der zweiten Stufe rutschte sie ab und verdrehte sich erneut den Fuß. Es war kein schlimmer Schmerz, doch sie fühlte sich plötzlich schwach und schwindelig. Die Anstrengung des Vortages, die Aufregung und nun die Strapaze auf dem Wanderweg waren zu viel für sie gewesen.
Sie schrie auf und versuchte mit Hilfe der Stöcke Halt zu finden. Doch er hatte sie bereits umgedreht und fing sie auf. Der plötzliche Schmerz trieb ihr die Tränen in die Augen, es war der gleiche Fuß, mit dem sie am Abend zuvor an der Steinplatte umgeknickt war.
Sie klammerte sich an seine Arme und barg ihren Kopf an seiner Brust. Stöhnend hielt sie sich an ihm fest und biss die Zähne aufeinander, der Fuß schmerzte höllisch.
„Liebes?“, flüsterte er an ihrem Ohr. Mit einem Arm hielt er sie fest an sich gepresst, mit dem anderen fuhr er zart über ihren Kopf. Trotz des pulsierenden Pochens in ihrem Fuß spürte sie, wie ein warmes Gefühl sie durchflutete beim Klang seiner warmen Stimme.
Doch dann stieg Ärger in ihr auf, sie fröstelte. Ihr wurde schlagartig klar, dass dieses Missgeschick ihren kleinen Ausflug beenden würde. Denn sie konnte nicht weiter gehen, das war sicher.
„Es geht schon!“, sie stieß sich von seinem Körper ab, versuchte sich an ihm vorbei zu drängen und die restlichen Stufen hinab zu gehen. Ein schmerzhafter Stich durchfuhr ihren Fuß und sie biss sich auf die Lippen.
Sam hielt sie auf: „Komm, das hat keinen Sinn! Du setzt dich hier hin und legst den Fuß hoch! Bitte hilf deiner Frau noch mal! Dave und ich gehen zurück und holen den Wagen!“
Sam breitete ihre Jacke auf der Sitzfläche aus und half ihr sich hinzusetzen: „Setz dich! Komm! Steht nicht so rum ihr Beiden“, herrschte sie die Männer an: „Her mit Deiner Jacke Dave!“
Dann wandte sie sich an ihren Mann: „Du setzt dich hier hin und ziehst ihr den Schuh aus!“
Samantha goss etwas Wasser auf das Tuch, das sie um den Kopf getragen hatte und wickelte es um den verletzten Fuß.
„Wir kommen über den Hügel und fahren an der Kirche vorbei soweit wir mit dem Wagen kommen. Dann können wir dich einladen, okay? Dave und ich sind bald zurück!“
Als die Zwei aufgebrochen waren, lehnte sie sich seufzend an die kühle Steinplatte, die eine Art Rückenlehne bildete. Über ihnen lag eine riesige weitere Platte und zum Abgrund hin war der kleine Unterschlupf ebenfalls mit Steinen geschützt. Für die sagenhafte Aussicht hatte sie jedoch keinen Blick übrig.
„Ist es sehr schlimm?“, er legte ihren verletzten Fuß vorsichtig auf seinen Oberschenkel: „Mhm?“
Er griff nach seinem Rucksack und zog seine eigene Regenjacke hervor und reichte sie ihr. Dankbar nahm sie die Jacke entgegen und stopfte sie zwischen ihren Rücken und die kalte Steinwand. Ihr Fuß pochte und hämmerte wie verrückt. Sie konnte die unbändige Wut in ihr nicht unterdrücken: „Mist!“, platzte sie heraus.
Sie griff nach dem feuchten Tuch und inspizierte den verletzten Fuß. Die Knöchelregion war schon deutlich angeschwollen.
„Mist!“, sagte sie erneut und schlang das Tuch wieder um ihren Fuß.
„So schlimm?“, fragte er.
„Ach nein, ist schon okay!“
„Nichts ist okay! Der Fuß schwillt an wie ein Ballon, du hast Schmerzen und ärgerst dich! Sag schon!“.
„Jaaa...ich ärgere mich! Das würdest du auch, oder? Ich bringe es glatt fertig und verderbe uns alles!“
„Bitte? Was meinst du denn damit?“
“Nichts!“.
„Du bist also der Meinung, du seist absichtlich umgeknickt nur um uns den Tag zu versauen?“, er klang hämisch.
„Nein, natürlich nicht!“, widersprach sie.
„Dann erkläre es mir doch bitte! Ich verstehe dich nicht! Niemand hat angenommen, dass du dir selber Schaden zufügst, um...!“
„Aber siehst du das denn nicht?“, unterbrach sie ihn: „Ständig vermassele ich etwas und immer wenn ich glaube, dass sich zwischen dir und mir...“, sie stockte plötzlich und griff sich an die Stirn.
Er beugte sich etwas vor: „Immer wenn du glaubst...?“, er sprach leise.
Seine Hand fasste zart nach ihrem Kinn und hob ihren Kopf etwas an: „Sieh mich doch an! Was wolltest du sagen? Bitte Liebes!“
Sie blickte in seine Augen, in sein so vertrautes schönes Gesicht. Der Wind hatte mit seinen Haaren gespielt und sie unterdrückte das Verlangen ihm mit den Fingern über seinen Kopf zu streichen um die zerzausten Haare zu ordnen. Sie wollte ihn so sehr, der Schmerz in ihrer Brust war stärker als der in ihrem Fuß.
„Immer habe ich das Gefühl irgendetwas falsch zu machen. Ich bewege mich auf einem schmalen Grat, ständig in Angst, ich könnte etwas Falsches sagen oder tun. Ich finde nie die richtigen Worte, bin unsicher und wirke dadurch abweisend. Ich finde keine Freunde und selbst mit meinem Mann kann ich nicht vertraut umgehen – zumindest nicht so, wie es in einer Ehe sein sollte! Ich bin unglücklich! Es war mir früher nie klar, wie unglücklich und einsam ich war. Erst im Zusammensein mit dir wurde mir das bewusst!
Warum kann ich nicht so sein wie Andere? Wie Sam zum Beispiel? Intelligent, offen, fröhlich! Sie strahlt eine solche Lebensfreude! Ich...ach, was solls!“
Schweigend hatte er ihr zugehört. Er ließ sie nicht aus den Augen, fixierte sie mit seinem neugierigen Blick. Sie war gleichzeitig erstaunt und auch froh über diesen Wortschwall. Er hielt ihren Fuß zärtlich umfasst. Sie wagte nicht den Blick zu heben, ihr Herz schlug wie ein Hammer, seine Hände auf ihrem Bein und seine Nähe ließen sie nicht klar denken.
„Ich liebe dich!“, sagte er leise. Sie hob ruckartig den Kopf und blickte ihn an.
„Ich habe dich vom ersten Augenblick an geliebt und ich glaubte damals, du liebst mich auch. Nein, ich war sicher, dass du mich liebst! Doch dann ist irgendetwas geschehen, was ich nicht aufhalten konnte, so sehr ich mich auch bemühte.“
„Was denn?“, fragte sie unsicher.
„Ich dachte, du könntest mir das sagen!“
Sie schluckte und schaute auf das Meer hinaus. Warum fiel es ihr so schwer ihm zu erklären, wie sie sich fühlte und was sie für ihn empfand? Woher sollte sie die Worte nehmen und ihm verständlich machen, welch unsagbare Angst sie hatte ihn zu verlieren? Er liebte sie, das hatte er gesagt!
Mit großen Augen wandte sie sich ihm erneut zu und sie versank im Anblick seines schönen Gesichtes. Dieser Mund, diese Lächeln mit den leicht geöffneten Lippen, jede einzelne Sommersprosse auf seinem Gesicht.
Dieses blöde Herz wollte einfach keine Ruhe geben – es übertönte sogar den Wind und die Wellen.
„Ich glaube, ich liebe dich auch“, sagte sie leise.
Abrupt ließ er ihre Hand los und lehnte sich zurück: „Du glaubst...“, seine Stimme klang sarkastisch.
„Ich...“, sie wurde von Samanthas Lachen unterbrochen.
„So ihr Turteltäubchen, wir sind zurück...!“, beim Anblick der Beiden verstummte die junge Frau.
„Bitte, lass mich doch erklären!“, sie machte einen erneuten Versuch.
„Oh Mist, ich habe euch wohl gestört, was?“, Sam klang ganz unglücklich.
„Das macht nichts, meine Liebe. Wir sind hier fertig. Da gibt es nichts mehr zu sagen!“
„Bitte!“, flehte sie erneut, doch er antwortete nicht. Vorsichtig richtete er sich auf und stellte ihren Fuß auf den Boden. Er griff ihr unter den Arm und half ihr langsam hoch.
Sie hatte es vermasselt! Wieder einmal hatte sie alles in den Sand gesetzt. Seufzend erhob sie sich und suchte seinen Blick. Doch er sah bewusst an ihr vorbei. Tränen stiegen ihr in die Augen, so sehr sie sich auch bemühte sie zu unterdrücken. Der plötzliche, stechende Schmerz machte sie schwindelig und sie klammerte sich an seinen Arm.
Der Weg zurück ins Hotel war eine einzige Quälerei. Sie sprachen kein Wort miteinander, sie spürte dieses belastende Schweigen wie ein schweres Gewicht auf ihrer Brust. Während der Fahrt schaute sie aus dem Fenster, damit sie seinem Blick entgehen konnte, denn dass er sie ansah, das spürte sie genau. Selbst die lebenslustige Samantha und ihr Bruder waren verstummt, auch sie spürten die Spannung zwischen den Eheleuten.
Dave hielt den Wagen direkt vor dem Eingang zum Hotel an. Beide Männer halfen ihr aus dem Auto und stützten sie auch auf dem Weg zu ihrem Zimmer. Erleichtert ließ sie sich auf dem Bett nieder und legte den Fuß sofort hoch. Er hatte bereits einige Eisstücke in eine Servierte gewickelt und legte ihr dieses Päckchen wortlos auf den verletzten Fuß.
„Der Arzt wird gleich da sein! Kann sein, dass du ins Krankenhaus musst. Eventuell muss eine Röntgenaufnahme gemacht werden. Ich werde dich dahin fahren, falls nötig!“
Er zog seine Reisetasche aus dem Schrank und warf sie auf das Bett. Sie verfolgte jede seiner Bewegungen aus den Augenwinkeln. Aufgeregt presste sie die Lippen aufeinander und fragte sich, was er wohl vorhatte.
Sie hielt es nicht mehr aus: „Was machst du da?“
„Ich packe!“
Mit den Händen fuhr sie sich durch das Gesicht. Plötzlich war ihre Kehle wie ausgetrocknet und sie musste sich räuspern, bevor sie fragte: „Aber warum? Warum willst du denn... ?“
„Da fragst du noch?“, er lachte hart auf.
„Ich...“
Ein Klopfen an der Tür unterbrach sie.
„Ich will nach Hause!“, sagte er, bevor er die Zimmertür öffnete.
Wortreich begrüßte er den Arzt und schilderte ihm kurz den Unfall, den sie erlitten hatte. Er ging hinüber zu seiner Seite des Bettes und stellte die Tasche auf den Boden. Vielleicht wollte er dem Arzt gegenüber nicht den Eindruck erwecken, dass er seine kranke Frau allein ließ.
Die Untersuchung ging schnell vonstatten und offensichtlich hatte sie sich lediglich die Bänder gedehnt. Nach der Meinung des Arztes war keine Röntgenaufnahme nötig. Die Schonung des Fußes und abschwellende Maßnahmen seien ausreichend.
Wenigstens musste er sie nicht in ein Krankenhaus bringen. Aber was würde jetzt geschehen? Würde er sie hier allein lassen? Wie einfach wäre es eine Pflegekraft einzustellen, die ihr für einige Tage hier behilflich sein würde. Nach ein oder zwei Wochen könnte sie dann ja wieder nach Hause kommen. Bis dahin wäre er sicher ausgezogen!
Und das wollte sie auf keinen Fall! Sie wollte, dass er bei ihr blieb! Sie wollte, dass er sie liebte, dass er sie umsorgte und sie wollte das Gleiche für ihn tun! Eine Trennung schien ihr unmöglich!
Doch wie sollte sie es anstellen, dass er blieb? Der Arzt legte ihr einen festen Verband an, während sie sich das Hirn zermarterte. Sie musste ehrlich zu ihm sein, sie würde um Verständnis bitten. Das könnte er ihr doch nicht abschlagen!
Einerseits erwartete sie sehnsüchtig, dass der Arzt sich verabschiedete, andererseits fürchtete sie sich schon vor dem Alleinsein mit ihrem Mann. Fieberhaft überlegte sie nach einem Ausweg und als der Arzt die Tür hinter sich schloss, faltete sie Hände im Schoß und starrte auf sie.
Er hob die Reisetasche wieder auf das Bett und öffnete den Reisverschluss.
„Das sieht doch komisch aus, findest du nicht?“
„Was?“, fragte er ruppig.
„Wenn du jetzt gehst!“.
Er wandte sich zum Wandschrank und fragte erneut: „Was meinst du?“.
„Meinst du nicht, dass es Aufsehen erregt, wenn du mich hier so allein zurück lässt?“
„Wen kümmert’s?“, blaffte er.
„Die Presse?“, fragte sie kurz.
Er stand vor den geöffneten Türen des Schrankes und antwortete nicht. Er hatte seine Hände in die Hüften gestemmt, sie konnte förmlich seine Spannung spüren!
„Du bist also der Meinung, dass sich die Presse darum schert? Wie kommst du darauf? So berühmt sind wir nicht!“, sagte er mit vermeintlicher Ruhe.
Doch sie spürte, dass sie den richtigen Nerv getroffen hatte. Er wollte kein Gerede in der Presse. Nach ihrer Hochzeit hatte es schon genügend Spekulationen gegeben, wie lange ihre Ehe wohl halten würde. Der Schauspieler und die reiche Erbin – das konnte doch nur scheitern.
Sie sagte ruhig: „Nein, da hast du wohl recht – so berühmt sind wir nicht!“
Er schloss die Schranktüren, ohne ein Kleidungsstück herausgeholt zu haben und wandte sich ihr zu: „Aber vielleicht hast du Recht. Es sähe allein vor dem Hotelpersonal schon blöd aus, wenn ich dich – die arme verletzte Ehefrau – hier allein lassen würde. Doch sobald es deinem Fuß besser geht, möchte ich nach Hause! Ist das klar?“
Sie nickte stumm und biss sich auf die Lippen. Die Knöchel ihrer Finger traten weiß hervor, so fest hatte sie ihre Hände zusammen gepresst. Langsam ließ sie die Luft aus ihrer Lunge und sackte erleichtert etwas zusammen. Er sollte nicht merken, wie froh sie war, dass er blieb. Jetzt musste sie nur noch eine geeignete Gelegenheit finden, mit ihm über alles zu reden und die Missverständnisse auszuräumen. Sie musste ihm sagen, dass sie ihn liebte – über alles liebte! Wie hatte sie nur je zweifeln können, sie konnte sich selbst nicht verstehen!
Sie brauchte ihn! Sie brauchte ihn wie die Luft zum Atmen und ohne ihn würde sie verdorren, wie eine Blume ohne Wasser! Und er hatte ihr doch gesagt, dass er sie liebe! Wenn er das tat, dann gab es doch Hoffnung!
‚Verdammt noch mal’, dachte sie. ‚Reiß dich zusammen, er ist doch kein Ungeheuer! Du musst nur Mut finden, dann klappt das schon.’
Seufzend lehnte sich sie zurück und streckte sich auf dem Bett aus. Ihre Muskulatur war völlig verspannt und ihr Fuß schmerzte höllisch. Sie stöhnte ein bisschen, als sie den Fuß etwas zur Seite kippen lassen wollte. Er blickte auf und kam zu ihr ans Bett.
„Kann ich noch etwas für dich tun?“, fragte er.
„Vielleicht kannst du mir ein Glas Wasser bringen?“
Er stand auf, nahm ein Glas vom Tisch und ging ins Bad. Der Arzt hatte ihr ein Schmerzmittel da gelassen, das zugleich auch die Schwellung lindern sollte. Er reichte ihr das Glas und sie nahm aus seiner Hand. Allein die leichte Berührung seiner Finger ließ sie erbeben. Sie schluckte die Tabletten mit dem Wasser herunter und stellte das Glas auf ihren Nachttisch.
Er erneute die kalte Kompresse, das Personal hatte ihnen einen Sektkühler voll Eis auf das Zimmer gebracht. Die Unterlage auf dem Bett war feucht geworden und auch die wechselte er gegen eine trockene aus.
„Heb dein Bein ein wenig an“, sagte er ruhig, nahm ein Kissen und bette(te) den Fuß in einer Mulde, die er mit seiner Faust in das Kissen geschlagen hatte. So konnte der Fuß nicht mehr zur Seite kippen und sie war unendlich froh, dass er dies für sie tat!
Sie beobachtete ihn.
‚Oh Gott, du Feigling!’, dachte sie. Sie schloss die Augen, als er zu ihr trat und das Kissen für sie auf schüttelte.
„Okay so?“, fragte er.
„Ja! Du... wegen vorhin, ich wollte...“
„Mir sagen, dass du glaubst, du liebst mich? Ich glaube, dass du gar nicht weißt was das bedeutet – Liebe!“
Während er sprach, hatte er sich ein wenig über sie gebeugt und sie mit seinen Augen fixiert. Sie konnte seinen Atem auf ihrem Gesicht spüren, doch plötzlich richtete er sich auf, murmelte etwas und verließ das Zimmer.
Als sie aufwachte blickte sie sich verwirrt im Zimmer um. Das Pochen in ihrem Fuß erinnerte sie an die Ereignisse des Vormittags. Mühsam setzte sie sich auf und seufzte. Er war noch nicht zurück gekommen. Sie hatte über eine Stunde lang geschlafen, und er war noch nicht wieder da. War er vielleicht bereits abgereist?
Sie robbte sich vorsichtig über das Bett zu seiner Seite, doch die Reisetasche stand auf dem Boden.
Sicher hatte er sich mit Samantha und Dave getroffen! Das war natürlich interessanter, als mit ihr hier im Zimmer rum zu hängen. Sie war unschlüssig, was sie tun sollte. Ihn suchen? Ihm hinterher laufen – nein, das bestimmt nicht. Er würde sich ärgern, wenn sie ihm nachgelaufen käme. Vorsichtig versuchte sie sich umzudrehen und war überrascht, wie gut das mit dem verletzten Fuß funktionierte. Erleichtert seufzte sie auf, als sie bequem auf der Seite lag.
Doch sie spürte eine Unruhe in sich, die sie nicht entspannen ließ. Ständig wirbelten ihr die gleichen Gedanken im Kopf herum. Was würde er wohl tun, wann würde er abreisen? War dies das Ende ihrer Ehe? Der endgültige Bruch? Was konnte sie nur dagegen tun? Sie wollte ihn auf keinen Fall verlieren!
Immer und immer wieder wälzte sie das Problem in ihrem Hirn hin und her. Die einzige Möglichkeit ihre Ehe zu retten, schien auch die schwierigste zu sein. Sie musste endlich mit ihm reden, ihn endlich davon überzeugen, wie sehr sie ihn brauchte... wie innig sie ihn liebte.
Sie setzte sich auf und schaute sich im Zimmer um. Zuerst würde sie duschen! Sie fühlte sich nach der Wanderung immer noch verschwitzt und schmutzig, direkt nach dem Unfall war ihr allerdings nicht nach einem Kleidungswechsel zumute gewesen. Doch wie sollte sie es anstellen, ins Bad zu humpeln? Ihre Wanderstöcke standen griffbereit neben ihrem Bett. Sie streckte den Arm aus und griff beherzt nach ihnen. Langsam schwang sie die Beine aus dem Bett und behutsam stellte sie den verletzten Fuß auf den Boden. An den Stöcken zog sie sich langsam hoch. Der harte Sporn am Ende der Stützen konnte auf dem weichen Teppichboden wohl keinen Schaden anrichten.
Anders sah das wohl im Badezimmer aus, dort würde sie vorsichtig sein müssen, damit sie auf den Fliesen nicht wegrutschte. Einen neuen Unfall konnte sie sich nun wirklich nicht leisten. Abgestützt auf die Wanderstöcke humpelte sie durch das Zimmer und fischte sich aus dem Schrank schnell einige frische Kleidungsstücke heraus, die sie sich über die Schulter hängte. So beladen machte sie sich auf den Weg ins Bad.
Die Tür war einen Spalt geöffnet und sie konnte einen Blick auf die große Eckbadewanne werfen. Das wäre der reinste Luxus nach dieser Strapaze, doch sie befürchtete, dass sie vielleicht zwar in die Wanne käme, doch niemals wieder heraus! Durch die Tür schlug ihr Wärme und ein zarter Duft nach Badeöl entgegen und kaum hatte sie die Tür ganz geöffnet, tauchte ihr Mann aus dem Wasser in der Wanne auf. Sie erschrak und zuckte zurück. Er hatte sie noch nicht entdeckt, sondern wischte sich das Wasser aus dem Gesicht und rieb sich über die Augen.
Sie verharrte an der Tür. Noch konnte sie ungesehen verschwinden und sich wieder ins Bett legen. Doch sie ging nicht. Sie blieb stehen und schaute ihn an. Dort in der Wanne liegend konnte er nicht einfach abhauen und das Zimmer verlassen ohne sie ausreden zu lassen. Er würde dort abwarten und sich alles anhören müssen! Sie ging hinein und legte ihre Kleidung ab. Nun hatte er sie gesehen und schaute sie erstaunt an.
„Was gibt es? Ich bin noch nicht fertig! Kannst du nicht noch warten?“
„Nein! Ich kann nicht warten. Eigentlich wollte ich nur duschen!“
Sie hinkte langsam näher und ließ ihn nicht aus den Augen. Zwei Stufen vor der luxuriösen Wanne erleichterten das Einsteigen in das Bad. Dort stützte sie sich etwas ab und setzte sich auf den Wannenrand.
„Du wolltest duschen? Und warum tust du es nicht?“, fragte er gereizt.
„Ich muss mit dir reden“, sagte sie kurz entschlossen. Nun war sie schon mal hier und er konnte nicht einfach verschwinden!
„Und das muss jetzt sein? Hat es nicht Zeit, bis ich hier fertig bin?“
Sie blickte ihn an und ihre Augen schweiften über sein Gesicht bis hin zu seiner Brust und seinem Bauch, und dorthin, wo der Rest seines Körpers von der Mischung des Wassers und dem Badeöl verborgen blieb. Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals! Sie würde niemals auch nur ein Wort heraus kriegen bei diesem Anblick. Er sah so verletzlich aus, doch gleichzeitig erregte sie sein Anblick. Sie räusperte sich und tauchte eine Hand in das warme Wasser.
„Bitte! Können wir nicht nachher reden? Ich brauche einen Moment Ruhe!“
„Nein!“, sagte sie kurz.
Langsam rutschte sie ein wenig auf dem breiten Rand der Wanne vor und legte ihren verletzten Fuß auf die oberste der beiden Stufen ab.
Er verzog das Gesicht, doch er ließ ihre Hand nicht aus den Augen. Plötzlich zog er die Knie an und setzte sich etwas weiter auf. Sie nahm all ihren Mut zusammen und berührte vorsichtig sein rechtes Bein. Sie glitt mit der Hand zart vom Unterschenkel über die Außenseite seines Knies bis zum Oberschenkel hinauf. Verspürte sie ein leichtes Zittern? Seine Haut fühlte sich warm an, doch sicher war ihm kalt!
Sie stöhnte, presste die Lippen aufeinander und ermahnte sich selbst zur Ruhe. Sie ließ ihre Hand auf dem Oberschenkel liegen und stieß beherzt hervor: „Bitte! Ich muss jetzt mit dir reden. Wer weiß, wann ich wieder Mut dazu finde? Lass mich nur kurz was sagen, dann bist du erlöst!“, sie stockte und fuhr dann fort: „Ich weiß, wenn ich jetzt nicht mit dir rede, verliere ich dich! Deshalb muss ich dir unbedingt sagen, was ich fühle!“, sie senkte den Kopf ein wenig und schnaubte durch die Nase.
„Dabei weiß ich oft selbst nicht, was ich fühle und es ist so unendlich schwer dir zu erklären, was in mir vorgeht! Aber ich will nicht, dass du gehst hörst du?“.
Verwundert blickte er sie an und nickte zustimmend mit dem Kopf: „Aber nimm deine Hand von meinem Bein, das macht mich zappelig!“
Ein weiches Lächeln ließ ihn entspannter aussehen, er sah einfach wunderbar aus. Die nassen Strähnen seines Haares hingen ihm ins Gesicht und wellten sich durch die Feuchtigkeit noch mehr, als sie es sonst schon taten.
Sie zog ihre Hand aus dem Wasser und schob sich noch ein wenig zum oberen Ende der Wanne.
„Du behauptest immer, ich würde dich nicht lieben, oder ich wüsste nicht was Liebe ist. Vielleicht hattest du damit Recht, doch jetzt stimmt es nicht mehr. Ich wusste nicht, was Liebe ist, das ist wahr. Aber du hast es mir beigebracht durch dich habe ich es doch erst gelernt, auch wenn es mir zu Anfang gar nicht bewusst war!“
Erschöpft verstummte sie kurz um sich zu sammeln, fuhr dann aber fort: „Als wir uns kennen lernten, war ich echt ein unbeschriebenes Blatt. Und dann kamst du... mein strahlender Held, und hast mich im Sturm erobert. Ich erkannte doch gar nicht, wie mir geschah. Eins, zwei drei und ich war verheiratet! Mit diesem unbekannten Mann ... ja, du musst mich nicht so anschauen, für mich warst du völlig unbekannt! Und ich hatte...“, sie hielt einen Augenblick inne...
„Ja? Was hattest du? Liebling, bitte!!", er setzte sich auf und hielt sich am Rand der Wanne fest.
Sie runzelte die Stirn: „Es ist so unendlich schwer, mich auszudrücken... aber ich hatte tatsächlich Angst, ich habe immer noch Angst! Da war plötzlich dieser wunderbare Mensch in meinem Leben und seine Gefühle stürmten auf mich ein und zogen mir den Boden unter den Füßen weg. Kannst du das verstehen? Alles, was bisher wichtig in meinem Leben war, wurde unbedeutend. Einfach alles-... meine Arbeit, meine wenigen Freunde – wenn man sie überhaupt so nennen kann – und nun bestimmte dieser eloquente, gebildete, liebevolle...ähm... erotische Mann mein Leben, wurde zum Mittelpunkt meines Lebens! Alles, alles hatte sich verändert, nichts war mehr wie zuvor!“
Ihre Augen brannten vor ungeweinten Tränen und sie hielt sie auch weiter tapfer zurück. Sanft berührte er ihre Hand.
Sie sah ihn an: „Ich weiß, dass ich dich liebe, auch wenn du es nicht glauben willst! Ich liebe Dich. Ich habe vielleicht zu Beginn nicht gewusst, was es ist, doch es ist Liebe! Du hattest Recht, ich wusste nicht was Liebe ist, das will ich gar nicht abstreiten - doch das ist heute anders! Bitte ...!“, flehte sie, „Bitte...“
Er begann: „Aber du weißt, dass in unserem Leben noch etwas fehlt?
„Ja... natürlich!“, schüchtern blickte sie ihn an.
„Kannst du darüber auch sprechen? Ich meine, wenn du mich so liebst, wie du sagst, warum kannst du dann keinen Sex mit mir haben?“
Sie errötete und wandte sich ab. Er ließ ihre Hand nicht los, sondern hielt noch fester und zog sie näher zu sich heran. Sie stieß mit ihrem Fuß an der Stufe an und stöhnte auf.
„Mist, tut mir leid, Liebes!“, entschuldigte er sich.
„Macht nichts, egal“, entgegnete sie hastig, „aber wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht, warum ich das nicht konnte ... bisher... das mit dem... na, du weißt schon!“
„Sex?“
„Ja,“ sagte sie kurz.
„Schau mich an!“, bat er sie
„Mhm...“
„Was siehst du?“.
„Meinen Mann... dich!“
„Ja und was noch? Sag mir was du siehst!“
„Den Körper eines Mannes, ich...“
„Ja, den Körper eines Mannes... deines Mannes! Schau her! Was erschreckt dich daran? Was macht dir Angst?“
„Ach ich weiß nicht, ob das Angst ist...“, versuchte sie sich herauszureden.
„Ich auch nicht, Liebes. Das war nur eine Vermutung! Sieh her!“, bat er erneut seine Hand berührte seine nackte Brust, dort wo sein Herz schlug.
Sie atmete tief ein und blickte ihn an. Sie sah ihn gerne a. Ihr Gesicht wurde ganz warm und eine heiße Welle schwappte durch ihren Körper.
Verlegen senkte sie den Blick.
„Magst du was du siehst?“, er ließ nicht locker.
„Mhm ...“, sie nickte kaum merklich, verlegen wandte sie den Kopf ab.
„Das ist gut! Das ist sehr gut. Aber ich glaube, ich muss jetzt aus dem Wasser, ich kühle aus hier drinnen!“, er lachte kurz auf, „und du musst mir von deinen Ängsten erzählen, hörst du. Ich muss doch wissen, was dir solche Angst macht und was du fühlst!“
Sie wollte sich vom Wannenrand zurückziehen, doch er hielt weiterhin ihre Hand fest.
„Ich lasse dich jetzt nicht los!“, sagte er bestimmt.
„Wenn du mich nicht los lässt, dann kannst du nicht aus der Wanne kommen!“, entgegnete sie.“
„Ich will dich aber noch einen Moment so halten! Wer weiß, wann ich wieder Gelegenheit dazu habe!“
Sein Daumen streichelte zärtlich ihre Handinnenfläche.
Sie schloss kurz die Augen. Doch der Schmerz in ihrem Fuß lenkte sie von diesem wunderbaren Gefühl ab und sie setzte beide Füße auf die zweite Stufe. Dabei verdrehte sie ihren verletzten Fuß schon wieder leicht. Sie stöhnte auf, rutschte über den Wannenrand und plumpste in das warme Wasser. Ihre Beine blieben über dem Rand hängen, sie selber landete auf seinem Unterkörper.
Durch das plötzliche Gewicht auf seinem Körper war er kurz abgerutscht und mit dem Kopf untergetaucht. Beim Auftauchen prustete er und lachte lauthals auf. Vergeblich bemühte er sich, ihr aus dem Wasser zu helfen. Mittlerweile war sie total durchnässt, und beide konnten vor Lachen kaum einen Finger rühren.
„Halt!“, sagte er, „warte bitte!“, lachend hob er sie mit seinen Armen etwas an, doch es gelang ihr nicht sich weiter aufzurichten.
"Das funktioniert so nicht, warte bitte! Ich kann nicht mehr ...!“, lachte sie.
„Okay, lass uns einen Moment ausruhen und überlegen, wie wir dich hier raus schaffen.“
Mit seinem Arm umfasste er ihren Oberkörper, damit sie nicht mit dem Kopf an die Armaturen schlug. Er hielt sie ganz fest und stützte sich dabei mit den Beinen am Becken ab. Plötzlich lagen sie beide ganz ruhig im Wasser und sie spürte seinen Körper in aller Deutlichkeit. Ihr Atem floss hektisch ein und aus und ihr Herz klopfte wie verrückt. Sie bewegten sich nicht.
Sie schluckte und wagte nicht etwas zu sagen. Sie konnte ihn atmen hören doch sie drehte sich nicht zu ihm um. Sie blickte starr geradeaus und peilte das Motiv einer Wandfliese an.
Er sprach zuerst: „Hör zu! Du kommst hier nicht raus, wenn du nicht deine Beine hier in die Wanne holst. So wie sie über dem Rand baumeln, klappt das nie! Pass aber auf deinen Fuß auf und auf meinen... äh... Unterkörper!“
Sie überlegte, wie sie es wohl am geschicktesten anstellen sollte, suchte nach Halt und griff automatisch mit der rechten Hand auf seinen Brustkorb. Er zuckte zusammen, sagte aber nichts. Mit der linken Hand fasste sie auf seinen Oberschenkel. Stück für Stück zog sie ihre Beine über den Rand der großen Wanne, bis sie halb auf ihm und halb neben ihm lag.
Er hielt sie im Arm und sie legte ihre Hand auf seine Brust, fast so, als kuschelten sie im Bett miteinander.
„Ich dachte nicht, dass diese Wanne so viel Platz hat“, sagte er leise, „wir hätten das schon viel früher ausprobieren sollen!“
Er drehte sich etwas zur Seite und sah sie an. Errötend blickte sie an ihm vorbei, blickte auf seine breite Brust und streichelte zart seine rotgoldenen Haare.
„Dieses Shirt,“ er zupfte an dem weißen Stoff, der an ihrem Körper klebte, „ist das nicht unbequem?“
„Mhm... ja! Aber ich...“, murmelte sie.
Er ergriff den unteren Rand und zog das T-Shirt nach oben. Ihr blieb gar nichts anderes übrig, als ihm dabei zu helfen und ehe sie sich versah, hatte er ihr den nassen Fetzen über den Kopf gezogen und auf den Fliesenboden geworfen. Sie erschauerte und beugte ihre Schultern nach vorn um seinem forschenden Blick zu entgehen. Mit dem Kopf lag sie auf seiner Schulter und sein Arm umfasste sie zart.
„Schau mich an!“, bat er.
Das Blut rauschte in ihren Ohren, seine Stimme ließ Schauer über ihren Rücken laufen. Sie sah ihn an. Ein Lächeln ließ sein Gesicht entspannt und glücklich aussehen. Ihre Hand ruhte auf seinem Bauch und sie spürte, wie sich die Bauchdecke bei jedem Atemzug hob und senkte. Er zog sie näher zu sich heran und ihre Brust berührte seinen Körper.
Er seufzte: „Mhm... das fühlt sich so gut an!“
Sie nickte mit zusammengepressten Lippen. Vorsichtig berührte seine Hand ihr Gesicht. Wie ein Hauch wanderten seine Finger über Augen, Nase und Lippen. Weiter und weiter wanderten sie, über ihren Hals und ihre Schulter, bis sie sich über ihrer Brust wölbten. Verlegen schloss sie die Augen, als er mit seinen Finger das zarte Gewebe sanft presste. Nach Luft schnappend zuckte sie zusammen, als sein Daumen fest über ihre Brustwarze fuhr.
„Liebling, ich weiß nicht, ob ich das noch lange hier aushalte!“, seine Stimme klang rau.
Sie räusperte sich und versuchte sich zu konzentrieren: „Ist dir kalt?“
Er lachte: „Mir ist nicht mehr kalt! Mir ist sehr, sehr warm und das wird nicht besser bei deinem Anblick, mein Engel!“
Seine Hand verschwand von ihrer Brust und zu ihrem Erstaunen war sie enttäuscht darüber. Doch nicht lange, denn seine unermüdliche Hand suchte sich den Weg zu ihrer Hüfte.
„Ach Mist, Dein Slip! Du wolltest mir auch noch etwas sagen...aber...“
Er schob seine Hand unter den nassen Stoff, fasste sie fest am Po und zog sie noch näher zu sich. Sie spürte seinen harten Penis und wünschte sich fast, es wäre kein Stoff zwischen ihr und ihm.
„Ich glaube, ich kann jetzt nicht reden. Ich fühle mich so... komisch!“, stammelte sie.
„Tust du das?“, er lachte und küsste sie auf die Nasenspitze. Sie rutschte etwas ab und tauchte fast unter, als sein Mund den ihren berührte. Seine warmen Lippen umschlossen ihre, und unter ihrem Drängen öffnete sie ihren Mund. Er saugte sich an ihrer Oberlippe fest, bereitwillig gab sie diesem zarten Druck nach und ließ ihn gewähren. Unbewusst gab sie einen stöhnenden Laut von sich, als er mit seiner Zunge der Form ihrer Lippen folgte. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten und ebenso intuitiv stieß sie sich von ihm ab.
„Entschuldige Liebling. Habe ich dir wehgetan?“, fragte er besorgt.
„Nein! Ich... ich bin nur erschrocken. Es tut mir leid, ich wollte nicht...!“
„Ist schon gut! Bitte, es ist gut!“, er stockte, „vielleicht ist es besser, wenn wir hier raus verschwinden?“
Sie nickte nur, er ließ sie los und richtete sich auf. Sie wartete, bis er vor der Wanne stand. Beim Anblick seines nackten, nassen Körpers blieb ihr kurz die Spucke weg. Rasch ergriff sie seine ausgestreckten Hände und ließ sich aus dem Wasser helfen. Mit vor der Brust verschränkten Armen stand sie vor ihm und zitterte.
„Komm Liebes, dir ist kalt!“ Er schlang ein großes Badetuch um sie und begann sie abzurubbeln. Sie wusste nicht, wie ihr geschah, sie konnte die Augen nicht von ihrem Mann abwenden. Und wieder betrachtete sie die Tropfen, die an ihm herunter liefen, die sein Haar und seine Haut benetzten. Sie schwankte leicht, streckte die Hand aus und suchte Halt an ihm.
Doch dann nahm sie ihm forsch aus der Hand: „Nun du!“
Sie machte es ihm nach und schlang das Handtuch um ihn und zog ihn damit näher zu sicht heran. Sie verlagerte ihr Gewicht auf den gesunden Fuß um den geschwollenen zu entlasten. Langsam rieb sie seine Haare trocken und widmete sich dann genüsslich jedes Körperteils, Schultern, Arme, Bauch und Po und schreckte auch nicht vor seiner intimsten Stelle zurück. Nun umschlich sie ihn genauso wie er es vorher bei ihr getan hatte und niemand war überraschter als sie. Viel zu schnell war alles vorbei und sie standen sich sprachlos gegenüber.
Ein Beben ging durch ihren Körper, eigentlich wusste sie nicht, wie ihr geschah! Er nahm den vorgewärmten Bademantel vom Haken und hüllte sie in das flauschige Material. Er selbst schlang sich ein Tuch um die Hüften und bewundernd starrte sie ihn an. Sie konnte nicht glauben, wie schön er war. Hilfsbereit stützte er sie und brachte sie so ins Schlafzimmer zurück. Sie hatte ihre Verletzung fast vergessen, doch jetzt erinnerte sie jeder Schritt an ihr Missgeschick!
Er deckte das Bett auf und half ihr sich hinzulegen. Wohlig kuschelte sich in das Kissen.
„Kommst du denn nicht?“, fragte sie schüchtern. Er hatte sich umgedreht und ging Richtung Bad. Er blieb stehen und sah sie ernst an. Das letzte Licht des Tages fiel auf ihn und er erschien ihr wie ein Wunder.
„Sei versichert, dass ich gleich bei dir bin!“
„Können wir dann miteinander reden?“
Er kam zurück zum Bett und sie konnte nicht fassen, was sie sah: er hatte Tränen in den Augen! Er setzte sich zu ihr und zog sie an sich. Und in dieser Umarmung spürte sie seine Angst und seine Unsicherheit. Doch sie spürte auch Zuversicht! Er schlang seine Arme fest um sie und sie barg ihren Kopf an seiner Schulter.
Es würde noch so viel zu bereden geben, so viele unausgesprochene Worte, so viel Ungesagtes, das sie in Worte würde fassen müssen – doch das Schwerste hatte sie geschafft. Sie hatte es gemeinsam mit ihm geschafft und einen Weg zueinander gefunden.
Beide schraken zusammen, als es an der Tür klopfte.
„Wir sind nicht da!“, rief er, warf das Handtuch zu Boden und schlüpfte zu ihr unter die Decke.
* * *
End Notes:
...der Rest ist Schweigen
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