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1. Kapitel 1 by Marianne
2. Kapitel 2 by Marianne
3. Kapitel 3 by Marianne
Rache ist süß 1
Als er in den Burghof ritt, wusste ich, das war der schönste Mann, den ich je gesehen hatte. Er war sehr groß, sogar größer als mein Vater und hatte dunkle gewellte Haare. Wie er auf seinem Pferd saß, so stolz und aufrecht und wie herrisch er dem Stallburschen die Zügel zuwarf! Er war viel zu weit weg und mehr als diesen Blick konnte ich von meinem Fenster aus nicht erhaschen. Ich raffte meine Röcke und rannte schnell die Treppe hinunter; mein Vater würde wie immer um diese Zeit bei einem Becher Wein in der Halle sitzen. Diesen Unbekannten musste ich unbedingt sehen. Am Fuß der Treppe bog ich um die Ecke und wäre in meiner Hast beinahe mit dem unbekannten Ritter zusammengeprallt. Nur wenige Zentimeter vor ihm kam ich zum Halten und schaute an schwarzem Leder hoch. Er war noch schöner, als ich gedacht hatte. Helle Augen, nicht ganz blau und nicht ganz grau, schauten auf mich hinunter und sein Mund verzog sich zu einem kleinen Lächeln. „Pass auf, wohin du rennst, Kleine,“ sagte er nicht unfreundlich und zog an meinen Zöpfen. Dann ging er mit kraftvollen Schritten in die Halle. Kleine hatte er gesagt, Kleine! Ich war schon fast zwölf, auch wenn Gertrude immer sagte, ich sähe aus wie zehn. Das Schlimme war, meine Schwester hatte Recht, ich sah aus wie zehn; noch nicht einmal der Ansatz eines Busens war zu sehen. Traurig schaute ich dem Ritter hinterher; dann stellte ich mich unauffällig an den Eingang zu Halle und betrachtete ihn weiter. Leider stand er zu weit weg und ich sah ihn auch nur von hinten. Während seine dunkle Stimme nett geklungen hatte, als er mit mir sprach, war sie jetzt schneidend und tönte durch die ganze Halle und vom Gesichtsausdruck meines Vaters her zu urteilen, war er nicht begeistert diesen Fremden zu sehen. Ich hörte noch etwas von Steuern, aber als mein Vater mich bemerkte, bedeutete er mir mit einer Handbewegung mich schnell zu entfernen. Sein Stirnrunzeln zeigte mir, dass ich besser keinen Versuch machte zu widersprechen, auch wenn ich ihn sonst manchmal um den Finger wickeln konnte.
Beim Abendbrot erfuhr ich, wer dieser unbekannte Ritter gewesen war. Sein Name war Guy of Gisborne und er gehörte zum Sheriff von Nottingham. Vater war fürchterlich wütend gewesen und hatte etwas von Halsabschneiderei geschrieen und wie er diese hohen Steuern noch aufbringen sollte. Es war nicht das letzte Mal, dass wir Guy of Gisborne sahen. Zu mir war er immer nett, wenn er mich sah, aber sonst verstand ich bald, warum mein Vater ihn nicht mochte. Einmal war ich anwesend, als mein Vater ihn anschrie, der alte Sheriff von Nottingham hätte nie versucht mehr Steuern einzutreiben als die Bauern der Noblen auch bezahlen konnten ohne zu hungern und ob ihm das denn egal sei. Guy of Gisborne hatte sein Gesicht nur höhnisch verzogen.
Als er die Burg verließ, trat ich ihm entgegen. „Sir Guy, es ist nicht richtig, was ihr macht. Kann es Euch so gleichgültig sein?“ Seltsamerweise fuhr er mich nicht an, sondern sah mich nur mit seinen durchdringenden hellen Augen an und strich mir sanft über die Haare. „Kleines, du hast noch keine Ahnung, wie es in der Welt zugeht. Wenn du dir nicht nimmst, was du brauchst, wirst du zertreten.“ Dann verhärtete sich sein Blick. „Und je eher du es lernst, umso besser.“ Mit schnellen Schritten ging er zu seinem Pferd, saß auf und ritt davon, ohne noch einmal zurückzuschaun. Was für eine seltsame Art mit mir zu reden! Es war fast, als ob er mit sich selbst gesprochen hätte.
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Mein Vater hatte längst gemerkt, dass er nichts gegen den neuen Sheriff und seinen Mann ausrichten konnte; er wurde wortkarg und knurrig und ging auch nicht mehr zu der Versammlung der Noblen in Nottingham. Meine Brüder waren inzwischen so groß geworden, dass sie ihre Ausbildung als Knappen machten und oft genug vertraute mein Vater sich mir an. Du hast einen helleren Kopf als deine Brüder, Hyld, es ist schade sei, dass du ein Mädchen bist. Ich war gerne ein Mädchen, aber natürlich wusste ich, was er meinte. Aber wenigstens konnte ich meiner Mutter bei der Verwaltung der Burg helfen. Ich wusste, wie wichtig das war. Wenn die Burgherrin schlecht wirtschaftete, dann zerrann der Reichtum der Familie schnell zwischen den Fingern. Mutter hatte mir das Lesen beigebracht und ich konnte gut rechnen, während meine zwei Schwestern sich fast nur für ihre Handarbeiten und für die Küche interessierten. Ich war mittlerweile fast dreizehn und kein kleines Mädchen mehr. Mein Vater erzählte mir, dass die Noblen nur noch zustimmend nickten, wenn der Sheriff etwas vorschlug und dass er diese Farce nicht mitmachen werde. König Richard werde dem Ganzen eine Ende machen, wenn er wiederkäme und einen neuen Sheriff einsetzen, doch bis dahin müsste er sich fügen, wenn er nicht alles verlieren wollte. Nur einer hatte es gewagt sich gegen den Sheriff aufzulehnen, das war Robin of Locksley gewesen, der Earl of Huntingdon. Er war nun geächtet und ein Preis war auf seinen Kopf ausgesetzt. Guy of Gisborne hatte vom Sheriff die Länderein von Locksley erhalten.
Ich wusste nicht warum, aber es tat mir weh, wenn soviel Schlechtes über Guy of Gisborne geredet wurde und vor allen Dingen, weil ich wusste, diese Dinge waren wahr. Pater Guthric sagte, dass er seine Seele wohl der Teufel verschrieben habe und was er von Sir Guy erzählte erschreckte mich. Auf einen Wink des Sheriffs hin brachte er Menschen um ohne mit der Wimper zu zucken, die Diener fürchteten sich vor seinen Wutausbrüchen und es ging das Gerücht, dass er ein Kind, das er mit einer Magd hatte, im Wald ausgesetzt hatte. Trotzdem folgten ihm die Frauen, denn es gab keinen Mann in der ganzen Gegend, der so gut aussah wie er. Natürlich schwatzten die Mägde und natürlich übertrieben sie, aber was sie von Sir Guy erzählten, trieb mir die Röte ins Gesicht.
Vor ein paar Wochen hatte Vater mir gesagt, dass er bald nach einem Mann für mich Ausschau halten würde. Es sei an der Zeit an meine Verlobung zu denken. Als er bemerkte, wie bleich ich wurde, versuchte er mich zu beruhigen, ich würde meinen zukünftigen Mann vor der Hochzeit kennen lernen. Ich hatte gewusst, dass meine Kindheit endgültig vorüber war. Was für einen Mann würden sie mir aussuchen? Durfte ich davon träumen, dass er zumindest ein bisschen so aussah wie Sir Guy und mich ein bisschen so anschaute wie er Lady Marian anschaute?
Er hatte Lady Marian lange umworben und ihr irgendwann einen Antrag gemacht, den sie auch angenommen hatte. Sie würde ihn heiraten, wenn König Richard aus dem Heiligen Land wiederkäme. Es war seltsam, aber wenn ich sie mit ihm sah – und das war nicht oft – dann hatte ich nicht das Gefühl, als ob sie verliebt in ihn sei. Offensichtlich merkte er es nicht, aber vielleicht hatte es damit zu tun, dass Männer nicht so aufmerksam wie Frauen waren.
Nichts konnte meinem Traum unähnlicher sein als der Mann, der einige Wochen später in unseren Burghof einritt.
Guys Hengst griff weit aus. Diese ganzen Ländereien waren jetzt Gisborne-Eigentum und wenn Alfred of Bramby, dessen Wälder hier an die seinen grenzten, weiterhin so unvorsichtig war, dann würde sich Guys Reichtum weiter vergrößern. Während sich bei den meisten Familien angelsächsische und normannische Elemente längst vermischt hatten, hielt Bramby immer noch die alten angelsächsischen Traditionen fest und pflegte, wenn möglich, keinen Umgang mit Familien normannischer Abstammung, nicht gerade sehr klug in der heutigen Zeit. Der Sheriff hatte schon mehr als einmal eine Bemerkung über den störrischen Bramby gemacht, der nicht den nötigen Respekt zeige. Vaysey würde nur zu glücklich sein ein Exempel statuieren zu können und Bramby von seinem Land zu verjagen, wenn dieser ihm die Möglichkeit böte. Guy würde sich nicht beklagen; er konnte nie genug Land besitzen. Flüchtig kam ein kleines blondes Mädchen mit hellen Augen in seinen Sinn, aber dies war nicht seine Sache, jeder musste sehen, wo er blieb.
Der kleine See hier in der Nähe wurde seit jeher von den Locksleys und den Brambys gemeinsam genutzt und damit jetzt auch von dem neuen Herrn, Guy of Gisborne. Guy saß ab; er würde sein Pferd tränken, bevor er sich auf den Rückweg machte. Während er sich, sein Pferd am Zügel, den Weg durch das hohe Gras und die Büsche bahnte, die den Weg auf den kleinen See verdeckten, drangen seltsame Laute an sein Ohr. Das war kein Tier, das war… Er sah eine Masse weizenblonden langen Haares; zusammengekauert auf dem Boden saß ein Mädchen und schluchzte herzzerreißend. Ein Ast unter Guys Fuß knackte und zerbrach und das Mädchen wandte sich abrupt um und sprang auf: Hyld! Er hatte sie lange nicht gesehen, vielleicht ein halbes Jahr. Ihre Augen waren rot und geschwollen, ihr Gesicht nass von Tränen; sie blieb wie angewurzelt stehen, als sie Guy erkannte.
„Was ist, Kleines?“ fragte Guy. Dieses Mädchen hatte ihn immer gerührt, vielleicht, weil er sich immer vorgestellt hatte, dass seine kleine Schwester Josiane so aussähe, wenn sie noch lebte.
„Was geht es Euch an?“ schrie Hyld fast hysterisch. „Lasst mich, geht!“
Guy erstarrte. Nie hatte er das Mädchen so gesehen. Sie hatte sich seltsamerweise immer gefreut ihn zu sehen, auch wenn die Anlässe, zu denen er nach Bramby kam, kein Anlass zu Freude waren und ihr Vater ihn zum Teufel wünschte. Er kannte Hyld übermütig, er kannte sie schelmisch, er kannte sie ernst, wenn sie mit ihren grünen Augen tadelnd an ihm hoch geschaut hatte, als ob sie etwas anderes, besseres von ihm erwartete. Was hatte diese Tränen und diesen Ausbruch verursacht? Hyld sah ihn gar nicht mehr an, sondern ließ sich wieder auf den Boden sinken. „Ich will ihn nicht heiraten, er ist mir widerlich, ich will den Mann lieben können, den ich heirate,“ schluchzte sie. Heiraten? Die kleine Hyld sollte heiraten?
Doch als sein Blick über sie glitt, wurde Guy klar, dass sie so klein gar nicht mehr war; sie musste jetzt etwa vierzehn sein. Damit war sie heiratsfähig und offensichtlich hatte ihr Vater einen Mann für sie ausgesucht. Das war der Lauf der Welt. Was sollte er sagen?
“Warum geht Ihr nicht?“ schrie Hyld. „Es kann Euch doch gleichgültig sein.“ Dann rannte sie davon; Guy starrte ihr eine Weile nach und tränkte dann sein Pferd, das ungeduldig schnaubte. Nachdenklich ritt Guy zurück; er war glücklich, er liebte Marian und sie erwiderte diese Liebe.
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Hyld wusch sich ihr Gesicht mit kaltem Wasser und richtete ihr Haar. Schon bei der Ankunft Williams of Sealby und seines Vaters war sie erschrocken. Die Sealbys waren reich und Angelsachsen von reinstem Geblüt, was ihrem Vater wichtig war, aber…Das war der Mann, den sie heiraten sollte? Dieser abschätzende Blick, als ob er sich auf dem Pferdemarkt befände. Nach einer schicklichen Pause hatte Hyld sich mit Pflichten entschuldigt, während die Männer es sich in der großen Halle bequem machten. Sie war an ihren Lieblingsplatz an dem kleinen See geflohen. Wie oft hatte sie dort schon im Gras gelegen und geträumt, geträumt von der großen Liebe, wo ein Mann sie so anschauen würde wie Sir Guy seine Braut. Warum war ausgerechnet er jetzt vorbeigekommen? Seine Gegenwart hatte ihr so drastisch vor Augen geführt, wie ihre Zukunft sein würde, lieblos und freudlos.
Als Hyld sich auf ihren Platz setzte, fühlte sie wieder Williams Blicke über sich gleiten. Sie wurde rot und senkte den Blick und als sie wieder aufschaute, spielte ein spöttisches Lächeln um seine Lippen. Er begann mit seinem Vater zu flüstern, der neben ihm saß und beide fingen an zu lachen, während Williams Finger sich um eine große Rehkeule schlossen und er gierig großes Fetzen Fleisch abbiss. Hylds Widerwillen wuchs und sie glaubte fast sich übergeben zu müssen…diese Mähne verfilzten roten Haares, dieser Mund mit den wulstigen Lippen, die schon jetzt gelben Zähne, wenn sie sich vorstellte, dass er sie berührte…sie wandte ihren Blick erneut ab und schaute in die Augen ihres Vater; nur mit Mühe unterdrückte sie die Tränen und zog sich so bald es möglich war zurück.
Als sie außer Sichtweite war, wandte sich Godric of Sealby an Hylds Vater. „Das ist also Eure Tochter, die mein William heiraten soll? Ein bisschen mager, die Kleine. Sealby braucht Erben, viele gesunde Jungen. Nun ja, vielleicht…“
„Vielleicht sollten wir noch einmal über die Mitgift reden,“ fiel William ein.
Alfred of Bramby betrachtete den jungen Mann, der vor ihm saß und mit dem Messer die Fleischreste aus seinen Zähnen pulte. „Nein,“ sagte er langsam. „Ich glaube nicht, dass wir noch einmal über die Mitgift sprechen sollten.“
Am nächsten Tag ritten die Sealys ab und ihre Namen wurden nie wieder erwähnt. Hyld wusste nicht, wie ihr Vater eine Fehde vermieden hatte, denn die Verlobung war so gut wie sicher gewesen, aber ihre Mutter hatte lächelnd gesagt, dass der Vater ein richtiger Fuchs sei und sie sich keine Gedanken machen müsste. Wie viele Väter hätten sich Gedanken darüber gemacht, ob ihre Tochter glücklich würde. Hyld wusste, dass ihr Vater ihr keinen größeren Liebesbeweise geben konnte als in dem Moment, als er ihr am nächsten Tag in der Halle in die Augen geblickt und gesagt hatte, dass es keine Verlobung geben werde. Sie würde ihm zeigen wie dankbar sie ihm war. Mit Feuereifer stürzte sie sich in ihre Pflichten und nahm ihrer Mutter neben einem Teil der Verwaltung der Ländereien auch die Behandlungen der Kranken mit Heilkräutern ab.
Vorerst war von Heirat keine Rede mehr, auch wenn Hyld klar war, dass dies nur ein Aufschub war. Sie hoffte nur, dass es dann jemand sein würde, den sie lieben lernen konnte.
Guy holte Marian vom Haus ihre Vaters ab; sie hatte eingewilligt ihn zum Fest des Sheriffs zu begleiten. Dies war eines der ersten offiziellen Auftritte als seine Verlobte. Ein Diener öffnete die Tür und Guy trat ein. Wie wunderschön sie war! Das dunkle Haar war hochgesteckt und an ihrem Kleid trug sie die Brosche, die er ihr geschenkt hatte, das einzige Erbstück von Wert, dass er besaß. Sie war errötet, als er ihr gesagt hatte, dass diese Brosche einmal seiner Mutter gehört hatte. Guy lächelte Marian an und legte ihr sanft den Umhang um. Diese Frau würde ihm gehören, sobald König Richard aus dem Heiligen Land zurückgekehrt war. Er verstand ihr Zögern nicht; warum konnte sie nicht sofort seine Frau werden? Er liebte sie mit einer Leidenschaft, die er selbst nicht verstehen konnte und die niemand bei diesem düsteren Mann vermutet hätte. Als er begonnen hatte sie zu umwerben, waren es noch andere Beweggründe gewesen, von denen sie nichts wusste, von denen niemand etwas wusste.
Ein Hass auf alles, was Locksley hieß, brannte in Guys Seele und der Grund für diesen Hass reichte mehr als zehn Jahre zurück, doch für Guy war es, als wäre es gestern gewesen. Julian of Gisborne und Walter of Locksley waren gute Freunde. In ihrer Zeit als Knappen waren sie Freunde geworden und als Locksley seinen Freund bat ihm eine größere Summe Geldes zu leihen, weil in mehreren aufeinander folgenden Jahren Unwetter die Ernte zerschlagen und Blitz einen Teil der Burg in Brand gesetzt hatte, zögerte Julian nicht, auch wenn es für ihn nicht einfach war diesen Betrag aufzubringen. Guy war ein fröhlicher Junge von elf Jahren und für jeden Schabernack zu haben. Er war nicht sehr groß für sein Alter, aber recht wendig, auch wenn sein Vater ihm immer vorwarf, dass er die Kampfeskunst nicht ernst genug nähme. „Später,“ hatte Guy immer gelacht. Zwei Jahre später zog Julian of Gisborne mit König Richard ins Heilige Land und kehrte nicht mehr zurück. Mit dreizehn Jahren musste Guy das Erbe seines Vaters antreten, an der Schwelle zum Mannsein, inzwischen recht hochgeschossen, aber noch nicht voll ausgebildet und nicht mit genügend Autorität ausgestattet, um marodierende Horden, die durch die Gegend streiften, abwehren zu können. Jeanne of Gisborne würde Ritter in Dienst nehmen müssen, bis Guy selbst alt genug war. Sie schickte einen Boten zu Walter of Locksley und bat um Rückzahlung des Darlehens, doch der Bote kehrte unverrichteter Dinge zurück – Walter of Locksley konnte sich nicht daran erinnern, dass Julian ihm Geld geliehen hatte. Julian hatte es für selbstverständlich gehalten, dass er seinem Freund Geld lieh und ebenso selbstverständlich auf dessen Ehre vertraut; Jeanne of Gisborne hatte nicht den geringsten Beweis für den Betrug. Woher sollte sie jetzt das Geld nehmen um die Ritter zu entlohnen? Guy sah die Verzweiflung seiner Mutter und musste mit ansehen, wie einige der Ritter, die sie in Sold hatte, die Burg verließen. Die Stallungen von Gisborne waren voll mit edlen Pferden und dies weckte Begehrlichkeiten. Diese schönen Tiere sollten den Gisbornes zum Verhängnis werden.
Guy war noch vor Tagesanbruch und nur von dem Knecht Arthur begleitet, zur Jagd aufgebrochen. Seine Mutter würde stolz auf ihn sein; er hatte einen kapitalen Hirsch erlegt. Noch voller Freude wandte er sein Pferd in Richtung Heimat, als er am Horizont Rauch aufsteigen sah. Gisborne, Gisborne stand in Flammen! Er ließ Arthur bei dem Hirsch und hetzte sein Pferd, wie von Furien gejagt, heim. Nie würde Guy den Anblick der rauchenden Trümmer vergessen, seine Schreie des Entsetzens, als er über die Leichen der Knechte und einiger Ritter im Burghof stieg, die Tränen und den Schmerz, als er die seltsam verrenkte Gestalt seiner Mutter vor dem Eingang auf dem Boten liegen sah, noch im Tod wie schützend ihre Arme über das kleine Mädchen gebreitet, das die Mörder und Plünderer ebenfalls nicht verschont hatten. Guys kleine Schwester Josiane war nur drei Jahre alt geworden, ein zierliches Geschöpf mit hellgrünen Augen und blonden Haaren. Im Morgengrauen war die Burg überfallen worden, die Bewohner erschlagen, die Pferde davon geführt, alles geplündert und dann die Gebäude in Brand gesteckt.
Guy stand wie erstarrt und sank dann auf seine Knie. Er bettete den Kopf seiner toten Mutter in seinen Schoß, während die Tränen seine Wangen hinunterliefen. Nachdem er und Arthur Jeanne und Josiane of Gisborne begraben hatten, stand Guy reglos am Grab. Dies alles war die Schuld von Walter of Locksley. Durch seinen Betrug war die Burg schutzlos geworden, durch seinen Betrug waren Guys Mutter und Schwester erschlagen worden. Guy würde sie rächen. Wie, wusste er noch nicht, er war ein mittelloser junger Adeliger, der nichts mehr außer seinem Pferd und einigen Waffen besaß. Dies und die Brosche, die seine Mutter immer an ihrem Kleid getragen hatte, ein Hochzeitsgeschenk seines Vaters, waren alles, was er mitnahm. Jeanne of Gisborne hatte einen Bruder und zu diesem machte sich Guy auf, auch wenn er sich keine Illusionen darüber machte, wie er empfangen würde. Seine Mutter hatte immer gesagt, André besitze kein Herz. Dies war auch die Erfahrung, die Guy machen musste; der Onkel nahm ihn nur mürrisch auf. Doch Guy war insgeheim froh, dass der Onkel keine Liebe für ihn hatte. Dies machte es ihm umso leichter alle seine Kraft und Gefühle in die Rache zu stecken, die er an den Locksleys üben würde.
Niemand sah Guy je Tränen vergießen, auch dann nicht, wenn er schwer verwundet war, aber es erinnerte sich auch niemand daran, dass er jemals gelacht hätte. Selbst wenn der Name Gisborne irgendjemandem bekannt gewesen wäre, so hätte niemand in dem hochgewachsenen, ernsten jungen Ritter, der zehn Jahre später in die Dienste des Sheriffs von Nottingham trat, den Jungen wieder erkannt, der er früher einmal gewesen war. Die Rache an Walter of Locksley war ihm weggenommen worden; dieser war bereits tot und sein Sohn war im Krieg mit König Richard, aber Guy hatte Zeit, er würde warten.
Zu Zeiten des Sheriffs Edward von Knighton verhielt Guy sich möglichst unauffälliger, doch nachdem Sheriff Vaysey an die Macht gekommen war, begann sich das Blatt auch für Guy zu senden und schon bald, begann er sich dem Sheriff sehr nützlich zu mache. Für seine Rache würde Guy alles tun. Dann hatte er erfahren, dass Marian of Knighton vor dem Kreuzzug mit Robin of Locksley verlobt gewesen war, dass die Verlobung zwar gelöst worden, dass Marian aber Robins große Liebe gewesen war. Wäre es nicht ein Wink des Schicksals, wenn er, Guy of Gisborne, Locksleys ehemalige Verlobte heiraten würde? Doch was als strategischer Schachzug und als Teil seines Racheplanes gedacht gewesen war, wurde schon bald etwas völlig anderes: Guy hatte nicht damit gerechnet, dass die Liebe ihn wie ein Blitz treffen würde.