Hier kommt Harry J. Kennedy by doris anglophil, cunitia
Summary:

Harry kehrt London den Rücken, zieht auf's Land und trifft Geraldine ... die Liebe seines Lebens!


Categories: Richard Armitage, Matthew Macfadyen, Weitere Schauspieler, Vicar of Dibley, Novel-length Characters: Alice Horton, Geraldine Granger, Harry Jasper Kennedy, Jim Trott, Owen Newitt, Rosie Kennedy
Genres: Humor, Romanze
Warnings: Erotik
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 53 Completed: Ja Word count: 82652 Read: 347101 Published: 28 Sep 2007 Updated: 04 Jul 2008
Story Notes:

 

DISCLAIMER


Alle Charaktere, Handlungen, Schauplätze etc. von „Hier kommt Harry J. Kennedy", die auf der TV-Serie "The Vicar of Dibley" beruhen, sind Eigentum des rechtmäßigen Besitzers BBC UK.

Die von den Autorinnen selbst erschaffenen Charaktere und die Handlung des Romans „Hier kommt Harry J. Kennedy“ sind Eigentum der Autorinnen.

Die Autorinnen sind in keiner Weise mit den Besitzern, Erschaffern oder Produzenten irgendeiner Medienkonzession verbunden.
Vorsätzliche Verstöße gegen das Urheberrecht und die Persönlichkeitsrechte sind nicht beabsichtigt.

© Dagmar Friedrich und Doris Schneider-Coutandin 2006

 

1. ...... Die Entscheidung ..... by doris anglophil

2. ....Gang zum Makler.... by doris anglophil

3. ....Nägel mit Köpfen.... by doris anglophil

4. ....Erinnerungen.... by doris anglophil

5. ....Nachhaltige Eindrücke.... by doris anglophil

6. ....Schlüsselszenen.... by doris anglophil

7. ....Zwischen Hoffnung und Verzweiflung.... by doris anglophil

8. ....Alte Wunden.... by doris anglophil

9. ....Fisch am Haken?.... by doris anglophil

10. ....Planen und Packen.... by doris anglophil

11. ....Stress pur.... by doris anglophil

12. ....Männergespräche.... by doris anglophil

13. ....Süße Träume.... by doris anglophil

14. ....Eine Rede...und mehr.... by doris anglophil

15. ....Abschied von London.... by doris anglophil

16. ....Guten Morgen in Dibley.... by doris anglophil

17. ....Heiß und Kalt.... by doris anglophil

18. ....Frischer Wind.... by doris anglophil

19. ....Begegnungen.... by doris anglophil

20. ....Verwirrung auf der ganzen Linie by doris anglophil

21. ....Ein Date, ein Date.... by doris anglophil

22. ....Ein Dinner mit Folgen.... by doris anglophil

23. ....Besuch.... by doris anglophil

24. ....Brüderlein und Schwesterlein.... by doris anglophil

25. ....Stolz? Vorurteil?.... by doris anglophil

26. ....Ein großer Tag.... by doris anglophil

27. ....Hochzeitsglocken?.... by doris anglophil

28. ....Bed of Roses.... by doris anglophil

29. ....Weitere Pläne by doris anglophil

30. ....Die größte Katastrophe unserer Welt.... by doris anglophil

31. ....Junggesellenabend....... by doris anglophil

32. ....Eine denkwürdige Party.... by doris anglophil

33. ....Wer probt hier was?.... by doris anglophil

34. ....Einmal noch schlafen… .... by doris anglophil

35. .... … bringt mich bitte pünktlich zum Altar! .... by doris anglophil

36. ....A Marriage made of Brick .... by doris anglophil

37. ....Überraschungen zu Hauf .... by doris anglophil

38. ....Ein harter Schlag .... by doris anglophil

39. ....Schäfchen zählen… .... by doris anglophil

40. ....Nacht über Dibley I .... by doris anglophil

41. ....Nacht über Dibley II .... by doris anglophil

42. ...Allgemeines Heiratsfieber... by doris anglophil

43. ....Alles und der Dach und Fach.... by doris anglophil

44. ....Nur keine Panik!.... by doris anglophil

45. ....Kann ein Traum zum Alptraum werden?.... by doris anglophil

46. ....Verstimmungen.... by doris anglophil

47. ....Ecken und Kanten.... by doris anglophil

48. ....Von Süchten und Sehnsüchten.... by doris anglophil

49. ....Rückkehrer und Rückblicke.... by doris anglophil

50. ....EIn wirklich großer Tag.... by doris anglophil

51. ....Diagnose.... by doris anglophil

52. ....Glück pur.... by doris anglophil

53. ....Epilog.... by doris anglophil

...... Die Entscheidung ..... by doris anglophil

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Mit einem etwas trübseligen Blick saß Harry Kennedy an diesem Sonntagabend im „White Swan Pub“, einem sehr schönen Gasthaus in einem entfernten Vorort Londons, fast direkt an der Themse. Vor sich hatte er sein zweites Glas Bier.

Er hatte wieder einmal ein ödes Wochenende hinter sich gebracht. Zumindest war es jetzt, im September nicht mehr so heiß wie den ganzen Sommer über. London hatte unter der extremen Hitzewelle gestöhnt. Er ebenfalls, sein Büro war nicht klimatisiert und es war oftmals eine Tortur gewesen, sich bei den tropischen Temperaturen auf trockene Zahlen und langweilige Firmeninterna zu konzentrieren. In seiner kleinen Wohnung am Rand der City war es ebenfalls unerträglich warm und stickig gewesen, egal, wie lange man nachts das Fenster offen hatte stehen lassen.
Er hatte einen guten Job, keine Frage. Ein Unternehmen, das international tätig war, und er leitete das Rechnungswesen. Er erhielt ein angemessenes Gehalt, jedenfalls konnte man damit im teuren Pflaster Londons ganz gut über die Runden kommen, zumal er allein stehend, ohne Familie, war.

Er seufzte. Ohne Familie! Ja gut, er hatte noch seine Eltern, die aber nicht in London lebten, und seine Schwester Rosie, die aber sehr oft im Ausland umherschwirrte, sie war Einkäuferin für eine große Modekette. Er war sich zwar bewusst, dass er wahrscheinlich nicht zu den schlecht aussehenden Menschen dieser Welt gehörte, er war groß, schlank, hatte ein mitunter hinreißendes Lächeln, dunkle Haare und sensationell blaue Augen. Trotzdem hatte er bislang wenig Glück in seinen Beziehungen gehabt. Die Frauen, die er kannte, konnte man im Prinzip in zwei Kategorien einteilen, die beide aus dem Dunstkreis einer großen Firma nicht heraus zu denken waren: Zunächst die, an denen man schon einmal rein optisch nichts auszusetzen hatte, die tagtäglich wie aus einem Hochglanzmodemagazin entstiegen aus dem Lift kamen: Selbstbewusst, schön wie Aphrodite – aber ebenso eingebildet. Wenn sie ihm ein- oder zweimal zugelächelt hatten und er dann dadurch ermuntert erst seinen Namen und dann noch sein Aufgabengebiet und seine Abteilung genannt hatte, grinsten sie nur noch süffisant und behandelten ihn fortan, als wäre er Luft. Ach so, der Buchhalter! Ja, sieht ganz nett aus, aber scheint ein stinklangweiliger Typ zu sein!
Und die andere Gruppe war die der grauen Mäuschen. Unscheinbar, unbedeutend, kaum beachtenswert. Oftmals naive Bürobotinnen, die sich mit einem Job wie diesem mühsam im Londoner Haifischbecken über Wasser hielten. Er hatte ein paar Mal versucht, mit der ein oder anderen dieser armen, bedauernswerten Geschöpfe ins Gespräch zu kommen, aber sie hatten ihn jedes Mal nur angestarrt, als hätte er drei Augen und fünf Ohren und kaum mehr als ein fast unhörbares „Ja, Sir“, „Nein, Sir“ herausgebracht. Irgendwann hatte er es eben aufgegeben.

Er nahm einen Schluck vom Bier und schaute durch das Fenster des Pubs hinunter zum Fluss. Die Wochenenden waren grauenhaft, insbesondere wenn seine Schwester nicht da war, und das war leider oft der Fall.
Ihm fiel regelmäßig die Decke seiner kleinen Wohnung auf den Kopf. Dann musste er nach draußen, es ging gar nicht anders. Er liebte lange Spaziergänge. Nun war London dafür auch nicht immer der geeignete Ort, also fuhr er oftmals mit der U-Bahn oder einem Vorstadtzug etwas weiter raus. Diesen Sonntag hatte es ihn mal wieder nach Richmond verschlagen. Er war schon länger nicht mehr da gewesen. Aber er war froh, dass er diese Richtung eingeschlagen hatte. Er hatte einen wirklich ausgedehnten Spaziergang hinter sich und war von Richmond durch die vielen Parkanlagen bis hierher gelaufen. Der Pub am Flussufer hatte ihn sofort angesprochen, als er im strahlenden Sonnenschein hier ankam, waren sogar noch viele Leute auf der Sonnenterrasse gesessen. Nun war es dunkel geworden und die Ausflügler waren entweder gegangen, oder hatten sich in das Pubinnere verzogen.

Vor ihm auf dem Tisch lag eine Immobilienzeitung. Eine von tausenden in London. Er hatte sich nach diesem schrecklichen Sommer in der Stadt geschworen, woanders hinzuziehen. Und er hatte sich für seine Entscheidung selbst einen Termin gesetzt: Mitte September! Das war es nun, er blätterte unlustig und ohne sonderlich große Motivation durch die vielen Seiten der Zeitung. Wo sollte er anfangen? Welche Prioritäten hatte er? Nicht mehr London, das war klar. Aber auch nicht zu weit weg, wegen des Jobs. Er würde dann ein Pendler sein, wie viele andere tausend Angestellten auch. Nun ja, heutzutage, im Internetzeitalter, konnte man auch einiges vom heimischen Schreibtisch aus erledigen. Diese Option hatte er in der Firma bereits durchgecheckt. Er würde also nicht unbedingt jeden Montag mit einer Riesenwelle anderer Pendler nach London reinschwappen und Freitagnachmittags wieder retour müssen. Da war er zum Glück flexibel. In irgendetwas musste sich ja die langjährige Firmentreue schließlich auszahlen.

Die Pubtür öffnete sich und herein kam ein Mann, der sich etwas bücken musste, um durch den Türrahmen zu kommen. Harry schmunzelte. Wenigstens noch einer, dem es wie ihm erging. Er schaute hin, als der Mann sich wieder aufrichtete. Er kam ihm irgendwie bekannt vor. Dann aber folgte dem Mann eine Frau in den Pub und Harry war geneigt, vor Freude aufzuspringen, hinzurennen und die Frau enthusiastisch zu umarmen. Doch etwas an der Frau erstickte recht schnell seinen diesbezüglichen Impuls: Sie hatte einen sehr deutlichen, riesigen Babybauch! Harry fuhr sich verwirrt durch die dunklen Haare. Das war nicht Rosie! Diese Frau sah seiner Schwester zwar verdammt ähnlich, aber als er Rosie vor einigen Wochen zum letzten Mal gesehen hatte, war sie eindeutig nicht schwanger gewesen. Und schon gar nicht in einem so weit fortgeschrittenen Zustand. Er hatte mit derlei Dingen nicht viel Erfahrung, aber so wie die Frau aussah, könnte das Kind jede Minute an das Licht der Welt drängen.

Das Paar suchte sich einen Platz genau am entgegen gesetzten Ende des Pubs, in einer ziemlich abgelegenen Ecke. Harry überlegte krampfhaft, woher er zumindest den Typen kannte. Die Bedienung brachte dem Mann ein Bier, die Frau schien ein Gingerale oder etwas in der Richtung zu trinken. Dann steuerte die Bedienung direkt auf ihn zu. Er war normalerweise nicht neugierig, aber die große Ähnlichkeit seiner Schwester mit dieser Frau ließ ihm keine Ruhe. Als er ein drittes Pint bestellte, wagte er es, die Bedienung nach dem Paar zu fragen. Die grinste über beide Ohren, als sie leise flüsternd Auskunft gab: “Sagen Sie es aber bitte nicht weiter, ich soll normalerweise über diese Gäste keine Auskunft geben, aber nun ja, Sie haben ja selbst gesagt, dass die beiden Ihnen bekannt vorkommen. Also, das ist der Schauspieler Matthew Macfadyen, Sie wissen schon, der neue Mr. Darcy, und seine Frau, die ebenfalls Schauspielerin ist, Keeley Hawes heißt sie. Und die kriegt nun in den nächsten Tagen ihr zweites Kind von ihm. Wohnen ganz in der Nähe hier, die beiden. Kommen öfter mal bei uns vorbei. Mehr weiß ich aber auch nicht.“ Harry nickte der auskunftswilligen Kellnerin zu und schenkte ihr abschließend noch ein kleines Lächeln. Sie lächelte verschwörerisch zurück.

Er versuchte, nicht mehr zu dem prominenten Paar auf der anderen Seite hinüber zu schauen, aber ganz gelang es ihm dann doch nicht. Er wollte sich auf seine Immobilienanzeigen konzentrieren. Genervt blätterte er eine Seite weiter. Cottages, aha. Er sortierte im Geiste die Lagen aus, die absolut nicht in Frage kamen. Zu weit weg, zu abgelegen, zu schickimicki.

Tief ausatmend erhob er sich vom Tisch. Das Bier schmeckte wirklich gut, aber es wollte nun irgendwie auch wieder raus. Er steuerte die Toiletten an. Als er nach dem Händewaschen, in Ermangelung eines einigermaßen hygienisch aussehenden Handtuchs noch immer die Hände schüttelnd, die Tür mit dem Ellbogen aufstieß, prallte er mit dem anderen großen Mann zusammen, der seinerseits nun die Sanitärräume aufsuchte. Die beiden blickten sich einen Moment lang an, blaue Augen trafen auf blaue Augen in gleicher Höhe, dann stammelte Harry entschuldigend:“ Oh, verzeihen Sie vielmals…!“ Der Filmschauspieler nickte, grinste und ließ dann mit ebenso sonorer Stimme verlauten: „Ich bitte Sie, es ist ja nichts passiert. Obwohl das nicht so selbstverständlich ist, wenn zwei Kerle unserer Größe zusammenrasseln.“ Dann lachte er kurz und ging zielstrebig weiter. Harry fand, dass dieser Macfadyen irgendwie sympathisch war.

Zurück an seinem Platz nahm er das Studium der Anzeigen wieder auf. Wo war er gleich stehen geblieben? Ach ja, Dibley. Er schaute auf die Umgebungskarte auf der Rückseite der Zeitung. Das klang gar nicht schlecht. Dieses Dibley war anscheinend nur ein Kaff, aber es lag strategisch wohl sehr günstig. Und die Anzeige für das Cottage war ihm sofort ins Auge gesprungen: Gemütliches, uriges Cottage in landschaftlich einmaliger Lage, trotzdem verkehrsgünstig gelegen, zu verkaufen, ab sofort frei. Etwas für Romantiker und Liebhaber des einfachen Landlebens. Dem folgte noch eine Beschreibung der Ausstattung, die Harry ebenfalls im Großen und Ganzen zusagte.

Er riskierte einen erneuten Blick zum dem Ehepaar quer durch das Gasthaus. Also wirklich, eine mehr als verblüffende Ähnlichkeit mit Rosie! Das musste er ihr gleich erzählen, sobald sie aus Tschechien wieder da war. Oder wusste seine Schwester vielleicht, dass sie eine berühmte Doppelgängerin hatte? Konnte durchaus sein. Er vermisste sie, gerade jetzt wo diese für ihn wichtige Entscheidung anstand, sehr. Sie hatten ein für Geschwister sehr enges, freundschaftliches Verhältnis, er konnte sie in allen Belangen um Rat fragen, sie hatte immer etwas Konstruktives beizusteuern. Oftmals hatte sie ihn schon aus einer unmöglichen Beziehung befreit oder ihm von vorneherein von der betreffenden Dame abgeraten. Was sich im Nachhinein stets als richtig erwiesen hatte. Rosie war sein zweites Ich. Warum, verflixt noch mal, war sie jetzt nicht da, jetzt wo er ihren Beistand mit dem Cottage so nötig hatte?

Er trank das Bier aus und zahlte. Dann ging er zum Ausgang, musste dabei aber direkt am Tisch des Promi-Pärchens vorbei. Die Frau würdigte ihn keines Blickes, wohl auch, weil sie mit dem Rücken zu seiner Laufrichtung saß. Der Mann hingegen blickte kurz auf, nickte ihm zu und murmelte ein höfliches „Bye:“
Die angenehme Nachtluft umfing Harry draußen. Er klemmte sich die Immobilienzeitung unter den Arm und machte sich auf den Weg zum lokalen Bahnhof dieses Vorortes.
Dibley also! Er würde morgen den Immobilienmakler diesbezüglich anrufen, soviel stand für ihn fest.

End Notes:

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....Gang zum Makler.... by doris anglophil
Author's Notes:
Harry macht sich auf die Socken, sucht den Makler auf .... und erlebt eine Überraschung!

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Als er heute morgen aufgewacht war und der unglaubliche Lärm dieser Stadt an seine Ohren drang, überlegte er, wieso er nicht schon früher auf die Idee gekommen war, London den Rücken zu kehren.
Er war tatsächlich irgendwie erleichtert, dass er zu dieser Entscheidung gekommen war. Jetzt musste er es auch anpacken. Dabei war er noch nie einer der Spontansten gewesen und immer wieder hatte er Ausreden gefunden, die ihn zurückgehalten hatten.
Selbst Rosie versuchte ihn mittlerweile zu überreden, diesen Schritt zu wagen, ausgerechnet sie! Ständig unterwegs, immer in einer anderen Stadt, von einem Hotel zum anderen. Das wäre überhaupt nichts für ihn. Doch insgeheim beneidete er sie auch ein wenig darum. Wahrscheinlich hatte er ihr einfach zu lange in den Ohren gelegen mit seinem Gejammer.
Ihm fiel das Ehepaar wieder ein, das er im „White Swan“ getroffen hatte. Sie hatten glücklich und ungezwungen gewirkt. Und es schien ja noch einiges in diesem Jahr auf sie zuzukommen. Mit einem Anflug von Neid dachte er an die Beiden, scheinbar waren sie in ihrem Beruf erfolgreich, wenn selbst die Bedienung des Pubs mit Hochachtung von ihnen sprach. Er stellte es sich nicht einfach vor, unter diesen beruflichen Voraussetzungen eine Familie zu gründen, anscheinend war ihnen aber auch das gelungen. In Gedanken wünschte er ihnen Glück. Und Rosie lief mit einer Doppelgängerin über diese Erde, Unglaublich! Das Schicksal hatte ihm diese Beiden geradezu vor die Füße gespült.
Er stand auf und bereitete sich sein Frühstück. In ihm wuchs eine leichte Nervosität. Die Nummer des Maklers hatte er sich schon bereit gelegt. Er wollte mit ihm so früh wie möglich einen Termin vereinbaren.
Wieder ärgerte er sich über die Abwesenheit seiner Schwester. Wäre sie doch nur hier! Aber er wollte nicht warten, bis sie zurück kam. Ihre Pläne änderten sich ständig und es war nie gewiss, wann sie sich sehen würden. Aber er hatte die Nummer ihres Mobiltelefons. Und eines war klar, er würde sie anrufen, sobald er Näheres wusste.
Schon jetzt breitete sich in ihm eine Vorfreude aus, so als ob ihn etwas ganz Besonderes in Dibley erwarten würde. Und Dibley musste es sein, das hatte er so entschieden! Hatte das Cottage nicht auch einen Namen? Er blätterte schnell noch einmal auf die entsprechende Seite der Zeitschrift, und tatsächlich ... „Sleepy Cottage“. Es konnte ruhig verschlafen sein, das würde ihm nichts ausmachen!
Er huschte ins Bad, schlüpfte aus seinem Pyjama und genoss eine erfrischende Dusche. Selbst zu diesen frühen Morgenstunden lag die Spätsommerhitze wie eine Glocke über der Stadt, und er sehnte sich, wie alle, den Herbst herbei. Er schlang ein Handtuch um seinen feuchten, schlanken Körper und griff zum Telefon. Die Tropfen die von seinen langen Beinen rannen, bildeten eine kleine Lache um seine Füße.
Er erreichte die Sekretärin des Maklers sofort und vereinbarte noch am gleichen Tag einen Termin.
Das war vielleicht der Anfang eines neuen Lebens? Zumindest ein guter Start in den Tag. Im Schlafzimmer ließ er das Handtuch fallen, stand vor dem offenen Schrank, wischte sich mit der Hand die letzten Tropfen von seiner Brust und überlegte, was er heute tragen sollte. Jeans und Hemd, beides schien ihm angemessen.

Harry entschloss sich, trotz der vom Asphalt aufsteigenden Hitze, zu Fuß zu gehen.
Er hatte noch genügend Zeit und wollte sie nicht untätig zuhause absitzen. Beim Spazieren gehen konnte er sich schon immer gut entspannen und es half ihm auch beim Nachdenken. Würde es schöne Spazierwege in Dibley geben?
Am Abend zuvor hatte er sich im Internet nach der Website umgesehen, die in der Immobilienzeitschrift angegeben war. Auf den Bildern im Netz sah die Gegend ja sehr einladend aus. Am liebsten hätte er sofort einen Abstecher dorthin unternommen.

Er stellte es sich einfach perfekt vor. Ein kleines, überschaubares Dorf, nette Nachbarn, viel Natur und trotzdem gute Verbindungen in die Stadt. Nun, er wollte es nicht auf dem Knie brechen, eins nach dem anderen. Immer langsam, Harry, sagte er sich selbst. Doch das großartige Gefühl ließ sich nicht unterdrücken, er wusste, es lag etwas Großes vor ihm.
Auf dem Weg zum Büro des Maklers, konnte er eine Abkürzung durch einen kleinen Park nehmen. Park war vielleicht etwas viel gesagt. Mehr eine Anhäufung einiger Bäume, vertrockneter Sträuchern, von der Sommerhitze verbranntem, braunem Gras und ein paar baufälligen Sitzbänken. Doch der Verkehrslärm war hier etwas abgedämpft und drosch nicht ständig auf seine Trommelfelle ein.
Wie würde das wohl werden, wenn er erst mal in einem Dorf leben würde? Würde er, der Londons Hektik und Lärm gewohnt war, dort überhaupt schlafen können? Zu Beginn würde er sich auf die Wochenenden beschränken müssen. Von seinem Arbeitgeber konnte er nicht erwarten, dass er ihn sofort von der Leine ließ. Doch nach einigen Wochen oder Monaten würde er auch in der Woche über dort bleiben können.
Er fuhr sich mit der Hand durch das dunkle Haar, legte den Kopf in den Nacken und sah vor sich eine Straße mit kleinen Häusern, alle mit einem schmucken Vorgärten in denen die Blumen in allen Farben blühten. Sein Cottage, er nannte es schon seins, war ein Fachwerkhäuschen mit einer roten Tür und einem niedrigen Dach. Ein paar Blumen umrahmten auch hier den Eingangsbereich.
Es hatte genügend Räume, um sich bequem einzurichten. Sogar Platz für ein Gästezimmer gab es noch und Rosie oder auch seine Eltern würden ihn besuchen können.
Das Cottage war zwar nicht groß, würde aber sicherlich einen stolzen Preis haben. Die Immobilienpreise in Großbritannien waren in den letzten Jahren drastisch gestiegen. Der Wunsch nach einem Eigenheim, so klein es auch sein möge, war seinen Landsleuten bereits in die Wiege gelegt worden. Der derzeitige Wirtschaftsaufschwung und die vergleichsweise niedrige Arbeitslosenquote hatten die Nachfrage nach Eigenheimen geradezu explodieren lassen.

Doch Harry wäre kein guter Buchhalter, wenn er nicht vorgesorgt hätte. Er konnte nicht nur anderen gute Ratschläge geben, er hatte auch ein glückliches Händchen in eigener finanzieller Hinsicht gehabt und an der wirtschaftlichen Situation partizipiert. Er hatte eine ansehnliche Summe Geld auf der Bank. Für ein Schloss würde es nicht reichen, aber den Kauf eines Cottages würde er sich leisten können.
Beschwingten Schrittes durchquerte er den Park und lachte in sich hinein. Er kam sich wie ein kleiner Junge vor, der sich auf sein ersten Fahrrad freut.
Die Abkühlung durch die Dusche am Morgen, war längst verflogen. Sein leichtes, rosa Hemd klebte ihm am Oberkörper wie eine zweite Haut. Hoffentlich war wenigstens das Büro von Mr. Latimer klimatisiert.

Die Sekretärin bat ihn in das Büro des Maklers. Hinter dem Schreibtisch saß eine junge, blonde Frau. Damit hatte Harry jetzt nicht gerechnet, der Makler war eine Maklerin! Sie bemerkte ihn nicht gleich. Er räusperte sich und sagte: „Guten Morgen, Miss ... Latimer?“
Die junge Frau zuckte zusammen, blickte auf und ließ den Kugelschreiber aus ihrer Hand auf den Schreibtisch fallen. Ihre Augen weiteten sich und sie sah etwas konsterniert aus. Harry lächelte sie höflich an und wiederholte seinen Gruß.
„Äh .... ja, also guten Morgen, Mr. ... äh .... Kennedy! Sie sind doch Mr. Kennedy, oder?“ Ihr Blick huschte über ihren Schreibtisch und nervös fummelte sie in den vor ihr liegenden Papieren herum. Endlich griff sie nach einem Schreiben, dass sie sich vor die Nase hielt.
„Ja, richtig, Mr. Kennedy. Also ... äh ... nehmen Sie doch bitte Platz“. Ihre Hand wies auf einen Stuhl, der auf der anderen Seite des Schreibtischs stand. Den Kugelschreiber hatte sie mittlerweile wieder aufgenommen und klopfte hastig mit dem Ende auf einem Stapel Briefe herum.
Er setzte sich und schob den Stuhl etwas näher an den Tisch heran.
„Ich hatte einen Termin mit Ihnen vereinbart, Miss Latimer, heute Morgen, erinnern Sie sich?“ Er hatte das Gefühl, sie sei nicht so ganz bei der Sache, so wie sie ihn ansah, die große Augen, der Mund leicht geöffnet und sie sagte nichts.
„Ich denke, bei Ihren Unterlagen werden Sie noch nichts über mich finden, Miss Latimer. Ich war noch nie bei Ihnen. Ich interessiere mich für ein Cottage in Dibley, sagt Ihnen das etwas?“ Er sah sie fragend, legte den Kopf auf die Seite und strich mit der Hand das Haar aus dem Gesicht. Sie sagte immer noch nichts, sondern beobachtete seine Hand. Er rollte verlegen die Augen und versuchte ihre Aufmerksamkeit zu erlangen.
„Miss Latimer? Geht es Ihnen gut? Kann ich etwas für Sie tun, etwas Wasser vielleicht? Die Hitze ist heute wieder unerträglich.“ Und das Zimmer hatte natürlich keine Klimaanlage.
Sie hob den Kopf, schüttelte ihr Haar und atmete tief durch. „Nein, danke. Alles in Ordnung. Dibley, sagten Sie? Na, da wollen wir doch mal sehen.“

End Notes:

 

Fortsetzung folgt ! Das Einstellen der Story birgt einige Schwierigkeiten, deshalb nicht böse sein, wenn die nächsten Kapitel etwas später folgen!!

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....Nägel mit Köpfen.... by doris anglophil
Author's Notes:

Eine eifrige Maklerin und der gute Rat einer Schwester

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„Tja, Mr. Kennedy. Sie wollen also ein Häuschen kaufen?” Sie stützte die Ellenbogen auf den Schreibtisch und faltete ihre Hände, ganz wie eine Lehrerin, die ihrem Schüler mal eben eine Standpauke halten muss.
„Und Sie sind sich sicher, dass Sie nach Dibley wollen? Das liegt doch schon ganz schön weit draußen, finden Sie nicht? Haben Sie sich das auch genau überlegt?“ Ihr Gesicht sah aus, als wolle sie den Schüler fragen, ob er es gewesen war, der den Blumentopf im Lehrerzimmer umgeschmissen hatte.

Wollte sie nun ein Geschäft machen oder nicht? Was sollte die ewige Fragerei?
Harry war relativ schnell zur Sache gekommen. Er hatte ihr klar gemacht, um welches Cottage in Dibley es sich handelte. Kannte sie eigentlich die Angebote in dieser Zeitschrift? Er legte ihr auch die Ausdrucke aus dem Internet vor, damit sie eine Ahnung hatte, welches Haus er meinte.

Immer wieder hatte sie ihn unterbrochen und tausend Mal nachgefragt, ob dies auch das passende Haus sei. Er könnte es sich ruhig noch einmal überlegen, müsse sich nicht hier und jetzt entscheiden. Sie schlug vor, sich noch einmal zu treffen, vielleicht nicht hier, sondern ganz entspannt bei einer Tasse Kaffee? Dabei sah sie ihn an, wie eine Katze die Maus.
„Sie haben alle Zeit der Welt, ich halte das Häuschen für Sie fest. Und wenn Sie wirklich ganz sicher sind, Mr. Kennedy, dann begleitete ich Sie gerne nach Dibley und wir können dann vor Ort alles weitere besprechen. Das gehört bei uns zum Service.“ Sie lächelte ihn an, der Kugelschreiber hüpfte in ihrer Hand auf und ab.

Harry griff sich an den Hemdkragen und wollte schon die vermeintlich enge Krawatte lockern, doch da war keine. In diesem Büro wurde es immer wärmer und das lag nicht allein an der Spätsommerhitze. Wie konnte er ihr schnellstens begreiflich machen, dass er sich längst entschieden hatte? Für ihn war die Sache geritzt. Er wollte hier endlich raus, raus aus diesem stickigen Büro. Er wollte alles unter Dach und Fach haben!
„Miss Latimer. Ich glaube, ich habe mich klar genug ausgedrückt! Ich will dieses Cottage und kein anderes. Sie haben mir freundlicherweise alle Einzelheiten erläutert.“ Er setzte seine Brille auf und beugte den Kopf zu einem Plan vor, der auf dem Tisch ausgebreitet war. „Die Aufteilung, die Lage, der Preis – da stimmt einfach alles.“ Er lehnte sich wieder zurück in seinen Stuhl, nahm die Brille wieder ab und schaute sie mit seinen blauen Augen eindringlich an.
„Die Konditionen erscheinen mir auch sehr fair. Und Sie sagen, der Besitzer, ...“ er setzte sie Brille nochmals auf und las das schriftliche Angebot durch „... Mr. Horton, möchte das Cottage so schnell wie möglich verkaufen! Dieses Geschäft wird uns alle Drei glücklich machen, denken Sie nicht auch?“

Er klebte an diesem Stuhl fest und wenn er nicht sofort hier raus kam, würde er einen Koller bekommen.
Er meinte eindringlich: „Miss Latimer, ich möchte jetzt gerne den Vertrag unterschreiben, wenn Sie nichts dagegen haben. Miss Latimer ....?“
Sie sah in mit einem melancholischen Blick an und seufzte.
„Selbstverständlich, Mr. Kennedy, selbstverständlich. Ich wollte nur nicht, dass Sie etwas überstürzen. Ich könnte Ihnen noch viele geeignete Objekte zeigen. Aber nun, wenn Sie unbedingt dieses haben wollen.“

Ja er wollte es und er hatte es bekommen. Die eilfertige Miss Latimer hatte um die Vertragsunterzeichnung noch jede Menge Brimborium veranstaltet. Doch irgendwann war es soweit und mit einer feierlichen Miene überreichte sie ihm den arg strapazierten Stift und er unterzeichnete den Vertrag, den sie ihm vorher mindestens fünfmal vorgelesen hatten. Keine noch so kleine Einzelheit war ihm entgangen.

Beim Abschied von Miss Latimer war diese über eine am Schreibtisch lehnende Tasche gestolpert und die arme Seele wäre gestürzt, hätte Harry nicht so schnell reagiert und sie aufgefangen. Wie gelähmt hing sie noch einige Sekunden in seinen starken Armen. Harry half, ihr sich aufzurichten, sie entschuldigte ihre Schusseligkeit mit dem Wetter, bedankte sich mehrfach bei ihm und er war froh, endlich aus diesem Gebäude zu kommen.

Das war doch anstrengender gewesen als er dachte. Doch jetzt wäre er am liebsten auf dem Gehweg entlang gehüpft. Die Hitze machte ihm plötzlich nichts mehr aus. Er grinste die ihm entgegen kommenden Fußgänger strahlend an, was ihm einige ungläubige Blicke einbrachte. Das musste gefeiert werden! Er konnte es kaum glauben und hätte diese Freude so gerne mit jemandem geteilt. Seine Eltern anzurufen wäre zwecklos. Sie würden ihn nicht verstehen – ein Haus auf dem Land, soweit weg, deine Arbeit Harry, was wird nur aus dir werden ....? Über die Jahre waren sie froh gewesen, dass zumindest er ein solides Leben lebte.
Er kannte die Einstellung seiner Eltern. Einen ordentlichen Beruf, ein geregeltes Einkommen ... und ja, er schätzte das auch. Unsichere Abenteuer waren seine Sache nicht. Er stand mit beiden Beinen auf dem Boden. Ganz im Gegensatz zu seiner Schwester.

Seine Schwester ... er zog die Augenbrauen hoch und lachte! Genau, er würde sie anrufen und ihr die tolle Neuigkeit mitteilen, und dann würde er feiern, wenn es sein musste auch allein.
Er suchte sich einen kleinen Teeladen, der einige Stühle in einem engen Hof stehen hatte, hier im Schatten war es angenehm kühl, und das schützende Gebäude hielt den Lärmpegel in Grenzen. Er bestellte sich eine Tasse Tee und fischte sein Mobiltelefon aus der engen Jeans.

Rosie schlug sich irgendwo in Tschechien rum, wo genau konnte er nicht sagen. Doch ihr Handy hatte sie immer dabei, auch während der Arbeit. Sie nervte damit alle ihre Kollegen und Verhandlungspartner, doch sie wollte für ihre Familie und engsten Freunde immer erreichbar sein. Und so war es auch heute, es klingelte nur kurz und sie nahm das Gespräch entgegen.
„Hallo Schwesterherz!“
„Hi, Harry. Schön von dir zu hören!“
„Rosie, hast du einen Moment Zeit für mich? Ich muss dir etwas unheimlich Wichtiges erzählen, ich ....“
„Klar habe ich Zeit für dich mein Lieber, was gibt’s denn? Es ist doch nichts mit Mum und Dad, oder?“
„Nein, keine Sorge,“ gab er zurück. „Sei so lieb, unterbrich mich nicht, sonst gibt das hier wieder so ein Megagespräch und das ist nicht billig, wie du weißt. Also ... Rosie, bist du noch da?“
„Ja, ich sollte dich doch nicht unterbrechen, also los, raus damit!“ er hörte sie leise kichern.
“Stell dir vor, ich hab’s getan! Ich habe ein Cottage gekauft ...“
„Was? Das glaube ich nicht, das gibt’s doch gar nicht, Mensch Harry, das ist ja spitze! Wo ist es ....?“
„Rosie, halt mal ganz kurz die Klappe, Schatz. Ich habe eine Cottage in Dibley gekauft, einem kleinen Ort, nicht weit von London. Doch immerhin so weit, dass ich mich richtig wie auf dem Land fühlen werde. Riesig ist es nicht, aber für mich reicht es und wenn du zu Besuch kommst, dann ist auch Platz für dich! Was sagst du dazu, sag’ deine Meinung, aber flugs!“
Schön, dass sie auch mal was sagen durfte. „Ich finde es einfach klasse! Toll, dass du endlich den Mut gehabt hast und dir diesen Traum verwirklicht hast. Aber sei ehrlich, mein Lieber, das hättest du auch schon früher haben können, oder?“
Sie schwieg, sie konnte ihn atmen hören. „Harry, ist alles klar bei dir? Du machst mich wahnsinnig! Erst willst du es kurz machen, und jetzt kommt nichts mehr! ... Harry! Gib Antwort!“
Er zögerte noch einen Moment. Ein komisches Gefühl durchflutete ihn, er konnte es nicht beschreiben. „Ich habe nur gerade überlegt, ob der Kauf dieses Cottages eine Wendung in meinem Leben bedeutet?“
„Na, wenn das keine Wendung ist, dann weiß ich es nicht, mein lieber Bruder!“
„Nein, nicht so wie du meinst. Ich habe das Gefühl, dass irgendetwas passiert. Fast wie eine Vorahnung, verstehst du?“
„Absolut ... nicht! Keine Ahnung wovon du hier quatschst. Aber macht ja nix. Gib mir Bescheid, wenn du dir klar bist, was du meinst. Du, sei nicht böse, aber ich habe gleich einen Termin. Ich muss Schluss machen ... danke, dass du mich angerufen hast. Ich freue mich wirklich von ganzem Herzen für dich und melde dich auf alle Fälle, wenn du das Haus mit eigenen Augen gesehen hast, klar?“
„O.k., Liebes, mach’s gut und pass auf dich auf!“
„Warte mal,“ rief sie „weißt du, was mir da einfällt? Vielleicht lernst du die Frau deines Lebens kenne, das wäre doch der Hammer!“ Sie lachte
Ihr Lachen war einfach ansteckend.
„Ehrlich gesagt, Rosie, diese Hoffnung habe ich schon fast aufgegeben! Bye, Liebes!“ Er schaltete sein Handy ab.

Das sie jetzt gerade davon anfing. Die Frauen in seinem Leben – er hatte nicht eben Glück gehabt mir ihnen. Im Gegenteil, eigentlich gab es nur zwei, die ihm richtig am Herzen gelegen hatten. Er mochte gar nicht darüber nachdenken. Dafür war er einfach zu sehr in Hochstimmung. Der Gedanke, dass er vielleicht nie eine geeignete Partnerin finden würde, machte ihn nicht munterer.
Er wollte das Glücksgefühl einfach noch ein bisschen genießen und nur an Dibley und seine Zukunft dort denken. Schon bald könnte er sich Dibley aufmachen und sich mit eigenen Augen von seinem neuen Zuhause überzeugen.
Und bei einer weiteren Tasse Tee beschloss er, diesen Tag zu feiern. Und er wusste auch schon wo – im „White Swan“ !

End Notes:

 

Das nächste Kapitel folgt schon bald!

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....Erinnerungen.... by doris anglophil
Author's Notes:

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Resume White Swan ... Harry blickt zurück auf sein Leben

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Er stieg am Bahnhof aus und machte sich auf den Weg. Gegen Abend hatte es etwas abgekühlt. Er machte sich auf den Weg zur Riverside, die halbe Meile ging er gerne zu Fuß. Eine prima Gelegenheit, die Erinnerungen des Tages an sich vorüber ziehen zu lassen.

Er war am Nachmittag nachhause gekommen. Die Kopie des Kaufvertrages hatte er bei seinen Unterlagen abgeheftet.
Er hatte sich auf dem Sofa niedergelassen, seine Schuhe ausgezogen und die Beine auf den Tisch gelegt. Er hatte gespürt, wie sein Körper entspannte, er legte seinen Kopf auf die Rückenlehne und schloss die Augen. Bequem war es nicht gerade, dafür war er einfach zu groß und sein Sofa zu klein. Er beschloss, dass in seinem neuen Haus ein größeres stehen würde, eins zum hineinkuscheln.

Was für ein Tag, was für ein Erlebnis! Er gäbe sonst was drum, wenn er diese Erfahrung mit jemand teile könnte. Wenigstens hatte er sich seiner Schwester mitteilen können. Und er gratulierte sich selbst bei dem Gedanken, dass er sich bis September eine Frist gesetzt hatte. Das war nötig gewesen, sonst hätte er sich wohl nie entscheiden können. Typisch Buchhalter, dachte er.
Was würde denn mit seiner jetzigen Wohnung geschehen? Sollte er sie verkaufen oder lieber noch behalten? Mist, wäre Rosie nur in der Nähe, das war auch etwas, was er gerne mit ihr besprechen würde. Zwei Immobilien würde er sich auf die Dauer nicht leisten können. Am liebsten würde er die Angelegenheit seinem Rechtsanwalt übergeben, die Erfahrung mit Miss Latimer hatte ihm den Rest gegeben.

Im Stillen er, noch einen Platz im Biergarten zu ergattern. Diese letzten Sommertage waren einfach zu kostbar, als dass man sie zuhause in der Wohnung vergeudete. Deshalb war auch an einem ganz normalen Tag der Woche allerhand auf Londons Plätzen los. Zusätzlich bot die Nähe zur Themse auch noch die Möglichkeit einer frischen Brise. Denn selbst bei brütender Hitze hatte man am Fluss immer das Gefühl, es wehe ein leichter Wind.
Je näher er dem Pub kam, desto weniger Verkehr herrschte schon von weitem konnte man das Wirtshausschild mit dem weißen Schwan darauf erkennen. Das weiße Gebäude des Pubs kam in Sicht und Harry wechselte die Straßenseite.
Er stieg ein paar Stufen hinauf, war im Biergarten und fand glücklicherweise noch einen freien Tisch. Heute war von den Macfadyens nichts zu sehen. In seinem Hinterkopf war schon der Wunsch gewesen, sie würden heute auch hier sein. Aber es konnte natürlich durchaus sein, dass sie bereits im Krankenhaus wegen des Babys waren.

Es saß ganz allein an diesem einfachen Holztisch, der vor der jetzt flacher stehenden Sonne durch einen Schirm geschützt war. Jetzt kommst du dir schon etwas blöd vor, oder Harry, dachte er. Willst diesen Einschnitt in deinem Leben feiern – und bist allein. Doch er ließ sich nicht entmutigen und warf einen Blick in die Speisekarte.
Er bestellte am Tresen ein kleines Menu und ließ sich ein Bier zapfen, das er mit zu seinem Platz nahm.
Sein Blick glitt über die Menschen die sich hier eingefunden hatten, den wunderschönen Sommerabend zu genießen, Freunde zu treffen, ein Schwätzchen zu halten oder nur einfach, um etwas zu essen. Außer ihm saß niemand alleine hier!
Er hielt das kühle Pint in seinen Händen und seine Gedanken schweiften ab. Er schloss die Augen und ein Bild entstand in seinem Kopf.

Er war nicht immer allein gewesen. Da war Justine. Das war schon so lange her, aber immer wenn er an sie dachte, spürte er ein schmerzhaftes Ziehen in seiner Brust. Er hatte soviel in diese Beziehung investiert. Gefühle, Leidenschaft, Träume von der Zukunft, einer Familie, Kinder.
War er wirklich so verblendet gewesen, hatte er die Katastrophe nicht kommen sehen? Rosie hatte Justine von vorneherein als völlig unpassend für Harry befunden und was hatte er sich alles vorgestellt? Er hatte sie sogar gebeten, seine Frau zu werden und sie hatte zugestimmt. Hochzeitspläne waren geschmiedet worden, er war in Bezug darauf richtig euphorisch gewesen. Niemals hätte er sich vorstellen können, sich auf eine Hochzeit zu freuen!

Doch mit einigem Abstand konnte er die Situation etwas objektiver beurteilen. Sie hatten nicht wirklich zueinander gepasst. Ihr Beruf als Stewardess der Air Canada war nicht der ausschlaggebende Punkt gewesen. Sicher, sie war oft lange unterwegs gewesen, doch er hatte sich immer so auf ein Wiedersehen gefreut, dass ihm die Trennung nie sehr lang vorgekommen war.

Er hatte Justine bei einem Geschäftsflug retour von Toronto nach London kennen gelernt und war sofort hingerissen von ihrer attraktiven Erscheinung in der schmucken Air Canada Uniform gewesen. Er hatte eine kleine Schwäche für Damen, die in Uniformen steckten, deswegen konnte er beispielsweise auch nie böse sein, wenn ihm eine Politesse einen Strafzettel an sein Auto hängte.

Schwieriger war es in ihrem privaten Umfeld. Manchmal hatte er das Gefühl gehabt, er sei nicht gut genug für sie. Sie nannte ihn nie Harry, der Name war ihr so gewöhnlich vorgekommen. Sie hatte ihn „Jas“ gerufen, weil das ihrer Meinung nach besser klänge. Jas, eine Abkürzung für seinen zweiten Namen Jasper, erinnerte ihn hingegen immer an einen Hundenamen. Er war häufig zusammen gezuckt, wenn sie ihn so gerufen hatte. Dieses latente Gefühl, nicht dazu zu gehören, hatte er immer aus seinem Kopf verbannt. Er konnte mit ihren Freunden nie warm werden, und umgekehrt sie auch nicht mir seinen Freunden, geschweige denn mit seiner Familie.

Letztendlich war es besser, dass es nicht zu der Hochzeit gekommen war. Justine Armstrong, die eigentlich bald Justine Kennedy heißen sollte, erhielt einige Tage vor ihrer Hochzeit einen Anruf aus Kanada. Ihre Mutter war bei einem Verkehrsunfall umgekommen und Justine musste sofort zurück in ihre Heimat. Harry hatte ihr angeboten, sie zu begleiten, doch sie hatte abgelehnt. So konnte er ihr nur helfend unter die Arme greifen, einen Flug buchen und beim Packen helfen. Er hatte sie zum Flughafen gebracht, noch einmal in den Arm genommen. Sie hatte bitterlich geweint. Die Tür hinter der Passkontrolle hatte sich langsam geschlossen, er hatte sich vorgebeugt, um sie noch einmal zu sehen und schon verschwand sie aus seinem Blickfeld.
Er hatte sie nie wieder gesehen. Obwohl seither schon viele Jahre vergangen waren, schmerzte diese Wunde immer noch. Natürlich hatte er mehrere Male versucht, sie telefonisch zu erreichen, doch bis auf ein einziges Mal ging der Ruf immer ins Leere. Und dieses eine Mal war ein Mann am Telefon. Als Harry verlangt hatte, Justine sprechen zu dürfen, hatte der Mann höflich, aber bestimmt geantwortet, dass seine Frau leider nicht zu Hause sei.

Harry stocherte in seinem Essen herum. Es war gut, doch seine Euphorie und auch sein Appetit waren vergangen. Er schaute sich in dem Biergarten um, überall scheinbar glückliche Menschen. Er wünschte sich auch eine Partnerin, jemanden mit dem man alles teilen konnte, der einem zuhörte und dem man selber zuhören konnte. Trotz der schlechten Erfahrung mit Justine, würde er dieses Risiko immer wieder eingehen.

Auch Dorothy wäre das Wagnis wert gewesen. Er traf sie heute noch ab und zu, wenn er bei Freunden eingeladen war. So hatten sie sich auch kennen gelernt. Er war ein Bücherfreak und las für sein Leben gern. Genauso gerne ging er ins Theater.
Einer seiner Freunde hatte ihn zu einer Premierenfeier ins Theater am Haymarket eingeladen. Er war der Einladung gerne nachgekommen, eine solche Gelegenheit ergab sich nur selten.

Das alte Theater in der Nähe der National Gallery und dem Trafalgar Square war während der Aufführung gut gefüllt und bei der Feier danach ging es drunter und drüber. Harry genoss diese ungewöhnliche Atmosphäre und verlebte einen einzigartigen Abend. Zu etwas ganz Besonderem wurde der Arbeit als der die Dramaturgin Dorothy kennen lernte.
Meist passierte einem so etwas nur einmal im Leben. Er hatte sie angesehen und verspürte schlagartig das Gefühl der Vertrautheit. Er hatte ein anregendes und teils auch sehr lustiges Gespräch mit ihr über das Theaterstück geführt, an dem sie mitgearbeitet hatte. Beim Reden sah sie ihm in die Augen, sie musste zu ihm aufblicken, denn sie reichte ihm nur bis an die Schulter. Ihre Augen strahlten trotz der Brille die sie trug und ihre leuchtend roten Haare wurden durch einen blonden Pony betont, der ihr locker in die Stirn fiel.

Er hatte sich ein bisschen verlegen gefühlt, sie war so klug und wusste so viel über das Theater. Doch sie machte es ihm leicht, er kam sich nicht wie ein Trottel vor, sondern hatte an diesem Abend sehr viel gelernt.
Dorothy war hübsch, intelligent, humorvoll und sie war .... verheiratet. Eigentlich hätte er es wissen müssen. Eine solche Frau ist nicht allein. Sie hatte ihm an diesem Abend nicht nur ihren Mann vorgestellt, auch ihre beiden reizenden Kinder hatte er kennen gelernt. Der Abend war für Harry gelaufen. Natürlich konnte er ihr nicht böse sein, doch er war maßlos enttäuscht.
Nie wieder war ihm eine solche Frau begegnet.

Er trank ein weiteres Pint Bier, schob den Teller von sich und lehnte sich zurück. So sieht sie also aus, deine Feierstunde, sagte er sich zu sich selbst. Ganz schön armselig!

Er machte sich auf den Weg zu seiner Wohnung. Er würde sie verkaufen müssen, doch das tat ihm überhaupt nicht leid. Zuhause angekommen, schaute er sich in der Wohnung um, die ihm seit Jahren eine Heimat gewesen war. Nein, er würde sie nicht eine Minute vermissen.
Er warf die Schuhe von den Füßen, lief barfuss in sein Schlafzimmer und zog sich aus. Er putzte die Zähne und legte sich auf das Bett. Er trug nur die Pyjamahose, noch immer warm in seinen vier Wänden. Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und blickte zur Decke. Dibley war in seiner Vorstellung ein wunderbarer Platz, er hoffte, dass die Wirklichkeit ebenso schön war. In seinem Kopf sah er das fertig eingerichtete Haus. Am Fenster im Wohnraum würde er einen Arbeitsplatz einrichten und an den Fenstern sollten Blumen blühen.
Er erschauerte. Die Dunkelheit legte sich über die Stadt und vom offenen Fenster zog jetzt eine frische Brise durch das Zimmer, es schien langsam herbstlich zu werden. Im Bett liegend schlüpfte er dennoch aus der Pyjamahose, zog das kühle Laken über seinen Körper und räkelte sich darunter. Er schlief sofort ein.

....Nachhaltige Eindrücke.... by doris anglophil
Author's Notes:

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Harry besucht zum ersten Mal Dibley und hat eine erste unheimliche Begegnung!

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Wochenende! Und was für eins! Heute wollte er zum ersten Mal Dibley besuchen. Er saß am Frühstückstisch und war schon ganz aufgeregt.
Er fuhr sich mit seinen Händen durch das nasse Haar, es hing ihm ins Gesicht und die Feuchtigkeit tropfte auf seine Schultern. Er beugte sich über eine Karte und kaute am Ende eines Bleistifts. Er suchte nach der bestmöglichsten Verbindung nach Dibley. Dem Ausflugsverkehr am Wochenende wollte er möglichst aus dem Weg gehen. Nicht so einfach, eine passende Route aus der Stadt zu finden, aber schon mal eine gute Übung für die Zukunft.

Im Schlafzimmer stieg er mit seinen langen Beinen in seine Jeans. Er brauchte heute ein Paar bequeme Schuhe, vielleicht konnte er auch die Gegend erforschen. Er war schon sehr gespannt, was ihn erwarten würde.
Er schlüpfte in ein Shirt, zwängte seinen Kopf durch die Halsöffnung, strich es am muskulösen Oberkörper glatt, bis es wie eine zweite Haut saß.

Beschwingten Schrittes verließ er seine Wohnung. Es schien ein schöner Tag zu werden, er spürte den Herbst in der Luft. Gottlob hatte sie drückende Hitze nachgelassen. Hier und da fielen auch schon Blätter von den Bäumen. Der Sommer hatte überall seine Spuren hinterlassen.
Er stieg in seinen Wagen und startete den Motor. Er richtete sich im Sitz auf und strich sich über seinen flachen Bauch, er spürte die Erwartung im ganzen Körper. Jetzt konnte es los gehen. Den Plan hatte er auf den Beifahrersitz gelegt. Wenn dort jetzt jemand sitzen würde, der ihm den Weg erklären würde, das wäre was. Denk’ nicht dran, Harry, fahr einfach los!

Früher als erwartet fuhr er in den kleinen Ort ein. Er lag eingebettet in saftige, grüne Wiesen in einer Mulde, von sanften Hügeln umgeben. Der Sommer war rücksichtsvoll mit dem Landstrich umgegangen. Keine staubigen Wege, keine verbrannten Weiden, auf denen die Schafe die letzten grünen Halmen zupften.
Dibley!
Er parkte den Wagen am Ortsrand und lief zu Fuß weiter. Den kleinen Ausdruck aus dem Internet in der Hand haltend, ging er auf den älteren Mann zu, der die Straße überquerte.
„Entschuldigen Sie bitte, können Sie mir helfen“!
„Nein, nein, nein ....“!
„Nein? Sie sind auch nicht von hier?“
„Nein, nein, nein ....!“
„Oh, das tut mir leid. Entschuldigen Sie bitte ....“
„Nein, nein, ja!! Jetzt lassen sie mich mal ausreden, junger Mann!“ Er warf Harry einen wütenden Blick zu und klopfte ihm auf den Rücken.
“Sie ... Sie dürfen nicht so drängeln, verstehen Sie! Wir haben alle Zeit der Welt, meinen Sie nicht?“
Harry entgegnete verblüfft: „Wenn Sie meinen, äh ... darf ich Sie etwas fragen?“
„Nein, nein, nein, ... ja natürlich dürfen Sie!“
Harry wunderte sich sehr über das seltsame Gebaren des Mannes, der etwas gebeugt vor ihm stand und ihn anfunkelte, als ob er ein Verbrechen begangen hätte. Na, das fing ja gut an!
„Ich suche ein Cottage ....!“
„Nein, nein, nein ... nicht noch einer!“ Der Mann rollte die Augen und warf den Kopf zurück.
Harry wunderte sich immer mehr. Es gab noch mehr? Er war davon ausgegangen, dass er der einzige Interessent sei.
„Ich habe das Cottage bereits gekauft, da gibt es sonst keine mehr, keine Interessenten, meine ich!“ erklärte er nachdrücklich.
„Nein, nein, nein ... nein, das meine ich nicht. Noch so ein Kerl aus der Stadt, der unsere schönen Cottages kauft!“ Er rümpfte ungehalten die Nase und zog laut schnaufend die Luft ein.
Na, großartig! Er hatte sich bereits einen Feind in Dibley angelacht. Es konnte jetzt nur noch besser werden! Hilfesuchend schaute er sich auf der Straße um, aber Rettung war nicht in Sicht. Keine Menschenseele war zu sehen.
„Soll ich Ihnen jetzt helfen, oder nicht! Hören Sie mir überhaupt zu? Sie wollten doch was wissen? Was wollten Sie noch mal wissen, hä?“
Harry konnte einfach nicht glauben, dass er ausgerechnet an dieses Unikum geraten war.
„Ich suche ein Cottage!“
„Nein, nein, ja ich hatte auch ein Mal ein schönes Cottage. Ich kaufte es damals von ... von ... von, ja von wem eigentlich? Er hat einen viel zu hohen Preis dafür verlangt! Können Sie das glauben, junger Mann? Der hat mich total übers Ohr gehauen und das Haus hat sich als Bruchbude herausgestellt...“ schimpfte der Alte. „Hat mich ausgenommen, wie eine Weihnachtsgans, der Mistkerl!“
Hoffentlich würde der Mann nicht ausgerechnet ein Nachbar von ihm werden. Das würde sein Glück doch erheblich schmälern. Mittlerweile hatte er es aufgegeben, weiter nachzuforschen und wollte sich eben abwenden.
„Nein, nein, nein .... Sie können doch nicht einfach so abhauen, das gehört sich nicht. Ich wollte Sie noch etwas fragen, hören Sie!“
„Eigentlich wollte ich Sie etwas fragen, aber ich glaube, das hat sich erledigt,“ sagte Harry mehr zu sich selbst.
„Na, dann rücken Sie doch endlich mit der Sprache raus, mein Gott. Welches Cottage suchen Sie denn, welches haben Sie sich den unter den Nagel gerissen, hä?“
Harry antwortete erstaunt:„Ich suche „Sleepy Cottage“.
„Warum sagen Sie das denn nicht gleich. Nein, nein, nein ... .nein, statt dessen halten Sie mich ewig hier auf. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit. Wie, wie, wie hieß es gleich? „Sleepy Cottage?“
„Genau,“ Harry verlor langsam die Geduld, der Alte trieb ihn in den Wahnsinn, und das nach einer halben Stunde in dem Ort, in dem er sich niederlassen wollte. Das war sicher kein gutes Zeichen!
„Sleepy Cottage? Oh nein, nein, nein, Horton, dieser Verräter!“
„Sie kennen ihn?“ fragte Harry
„Nein, nein, nein .... ja! Der Verräter hat sein Cottage an den Erstbesten verhökert!“
„Also wissen Sie nun wo es ist, oder nicht?“
„He, schauen Sie mal darüber. Was, was steht da?“
„Sie meinen die Kirche?“
„Nein, nein, nein ... ja, natürlich die Kirche, ist ja nicht zu übersehen!“ Jetzt kicherte er in sich hinein und hielt sich die Hand vor den Mund. Harry trat von einem Bein auf das andere und wartete auf bessere Zeiten.
„Ja, ja ... die Kirche,“ jetzt schnaubte er und lachte leise. „Unsere Kirche, schöne Kirche, oder? Da könnte ich Ihnen was erzählen. Aber gut, Sie suchen ein Cottage. Also, Sie sehen die Kirche?“
„Ja!“ Harry wurde langsam sauer.
„Also, wenn Sie an der Kirche rechts vorbei gehen, dann stehen Sie genau davor!“
„Wovor?“
„Nein, nein, nein ... das gibt’s doch gar nicht. Sind Sie irgendwie gestört? Sie stehen dann vor dem Cottage!“

Harry war froh, dass er diesem eigenartigen Menschen entfliehen konnte. Er legte einen Zahn zu, aus Angst, dass der alte Mann ihm vielleicht folgen und ihn weiter nerven würde. Er passierte die Kirche und den Kirchplatz davor und dann stand er auch schon vor dem Cottage.

Sein Cottage! Es sah genau so aus wie in der Zeitschrift. Ein leiser Zweifel stieg in ihm auf. Wenn es nun ein Fehlkauf war? Ganz schön gewagt ein Haus zu kaufen, ohne es je in natura gesehen zu haben! Und diese eigenartige Begegnung von eben, bestärkte ihn nicht unbedingt in seiner Entscheidung.

Aber sah es nicht wunderschön aus? Er blickte sich um. Es lag tatsächlich fast direkt gegenüber der Kirche. Rechts neben seinem eigenen, lag noch ein weiteres, schönes Fachwerkhaus, einmal um die Ecke quasi. Sein direkter Nachbar war hoffentlich nicht der Alte von vorhin!
Er versuchte die Tür zu öffnen, sie war natürlich verschlossen. Er hätte zu gerne schon mal einen Blick hinein geworfen. Er trat an eins der Fenster neben der Tür, streckte sich, schütze die Augen mit beiden Händen und schaute hinein. Er konnte nicht wirklich viel erkennen.

Eine Stimme ließ ihn zusammen schrecken. Er drehte sich um.
„Was machen Sie denn da? Das ist ja unglaublich!“ Eine Frau sah ihn kopfschüttelnd an und ging an ihm vorüber. Etwas verlegen sah er sie an und lächelte. Sie zog weiter, ohne ein Wort zu sagen. Na, herzlichen Glückwunsch, Harry! Da hast du gleich zwei Freunde gefunden!

....Schlüsselszenen.... by doris anglophil
Author's Notes:

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Ein erster Blick in sein neues Zuhause und eine erneute unheimliche Begegnung ....

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Miss Latimer war sehr fürsorglich gewesen und hatte sich nach Vertragsabschluss noch sofort die Mühe gemacht, eine Adresse ausfindig zu machen, bei der Harry den Schlüssel zum Cottage würde abholen können. Diese Adresse wollte er nun aufsuchen. Aber dieses Mal würde er niemanden nach dem Weg fragen, er wusste ja nicht, an wen er jetzt geraden würde. Dibley war nicht sonderlich groß, er würde es schon finden.

Tatsächlich dauerte es aber doch eine Weile und schließlich klopfte er an die Tür eines Hauses, das in seinem ganzen Erscheinen perfekt in das beschauliche Dorf passte.
Er wurde vom Vertreter des Hausbesitzers freundlich begrüßt und der Schlüssel wurde ihm sofort ausgehändigt. Harry wunderte sich darüber, dass er sich nicht einmal als neuer Besitzer ausweisen musste. Er bedankte sich und machte sich zurück auf den Weg zum Cottage.

Dabei sah er doch tatsächlich den Alten wieder, der ihm langsam entgegen schlich, er konnte den gebeugten Gang schon von Weitem erkennen und wechselte schnell die Straßenseite. Noch einmal wollte er ihm nicht begegnen. Wer weiß, was ihm jetzt noch alles einfallen würde. Wieder stieg das Gefühl des Zweifels in ihm auf, doch er verdrängte es schnell. Er wollte sich seine Freude nicht nehmen lassen.

Die rote Tür ließ sich leicht öffnen. Er setzte zum ersten Mal einen Fuß in sein ganz neues Leben. Eine aufregende Erfahrung. Er rieb sich mit der Hand den Nacken und betrat das Haus. Es fiel nur wenig Licht in den Hausflur. Sicherheitshalber schloss er die Tür hinter sich. Möglicherweise spionierte einer der Nachbarn die Gegend aus und schrie Zeter und Mordio beim Anblick eines Fremden in diesem Häuschen.

Er betrat den Wohnraum, blickte sich um und überlegte grinsend, wie er seine Möbel unterbringen würde. Platz für ein großes Sofa gab es, seinen Schreibtisch würde er vor das Fenster stellen können, aber wohin mit den ganzen Büchern? In der Ecke zwischen der Unterseite der Treppe und neben dem Kamin würde er noch einige Regale anbringen müssen.

Die Küche befand sich direkt hinter dem Wohnraum. Außer einem Tisch stand nichts darin. Er zog einen Stuhl vom Küchentisch, setzte sich und streckte seine Beine aus. Die Hände hinter dem Kopf verschränkt, träumte er von der Zukunft. Wäre dies nicht der geeignete Platz für eine kleine Familie? Ein kleines, überschaubares Dorf, in dem Kinder behütet aufwachsen würden.

Fang nicht an zu spinnen, Harry! Zuerst brauchst du eine passende Partnerin, und die lässt sich nicht so einfach beschaffen wie ein paar Möbel. Er lachte und sah sich durch einen großen Laden laufen, auf dessen Regalen jede Menge potentieller Ehefrauen und Mütter auf entsprechende Käufer warteten.

Nein, kaufen wollte er sie nicht. Sie sollte wie ein Sturm in sein Leben gefegt kommen, na ja, zumindest wie eine leichte Brise. Sie sollte ihm auf der Straße begegnen oder plötzlich an seine Tür klopfen. Diese Vorstellung gefiel ihm. Genau! Er würde öffnen, sie ansehen und zack! Es würde um ihn geschehen sein.

Seine Augen wanderten durch den Raum. Ja, er sah sie schon hier stehen, lachend würde sie ihm die Ereignisse des Tages erzählen. Eine wirkliche Vorstellung von ihrem Aussehen hatte er nicht. Das war ihm völlig egal.
Wo, um Himmels Willen waren diese liebenswerten Wesen nur? War der Planet leergefegt? Warum fand er niemanden, dem er unbedenklich sein Herz schenken, mit dem man Spaß haben könnte? Das konnte doch nicht so schwer sein.

Lag es vielleicht an seinem Beruf? Ein Buchhalter war ja nicht unbedingt der Traum jeder Frau. Er erinnerte sich noch gut an den Blick auf Justines Gesicht, als er ihr eröffnete, welchen Beruf er ausübte.
„Buchhalter?“ Ungläubig, ja fast entsetzt hatte sie ihn angesehen. Dabei fand er, dass Stewardess auch nicht mehr als eine Bedienung in einem Blechkasten war. Doch das hatte er nie zu ihr gesagt. Sein Beruf war vielleicht unspektakulär, doch für ihn war diese Arbeit wichtig, er brachte seine ganze Kraft und Energie in sie ein. Niemand wurde als Buchhalter berühmt oder reich, doch sein Leben wurde durch seinen Beruf bereichert.

Genug mit dem Grübeln. Der erste Schritt in ein neues Leben war getan, alles andere würde ich finden! Er nahm seinen Rundgang durch das Haus wieder auf. Oh je, mit den Türen musste er aufpassen. Die eine oder andere Beule am Kopf war schon vorprogrammiert. Er war so groß, dass er im Stehen mit der Hand an die Decke fassen konnte. Eine Leiter würde er beim Renovieren wohl nicht brauchen.

Er machte sich schon Gedanken darüber, in welcher Farbe er die Wände streichen wollte, oder doch besser Tapeten? Rot wäre nicht schlecht, oder? Rot mit kleinen Blümchen, er lachte. Wie kam er denn jetzt auf die Idee? Kleine Blümchen, er fasste sich an den Kopf!

Er schloss die Haustür sorgfältig ab, trat in der Auffahrt des Hauses ein paar Schritte zurück und sah sich seinen Besitz noch einmal genauer an. Man sah ihm sein Alter an, aber das machte eben auch den Reiz aus. Keine anonyme Betonfassade, sondern gelebtes Leben. Dieses Haus konnte eine Geschichte erzählen und seine würde bald dazu gehören.

Er ging noch ein paar Schritte zurück und entdeckte einige lose Dachziegel. Das war bisher der einzige sichtbare Makel des Hauses. Darum würde er sich auf jeden Fall kümmern müssen, bevor er hier einzog. Wen könnte er fragen? Vielleicht den Nachbarn zur Rechten? Versuchen könnte man es ja.
Das Haus nebenan war ein schönes altes Fachwerkhaus und passte vom Stil her genau zu seinem. An der Grenzmauer zur Straße hin war ein Schild angebracht. Aha, das hier war das Pfarrhaus, interessant. Mal sehen ob der Vikar zuhause war. Der kannte sicher alle seine Schäfchen und konnte ihm einen Tipp bezüglich eines geeigneten Dachdeckers geben.

Er kam an die weiße Eingangstür und klopfte. Er trat einen Schritt von der niedrigen Tür zurück, sie war noch niedriger als seine eigene. Er überragte sie um ein ganzen Stück. Er klopfte noch mal, doch niemand kam zur Tür. Er war sicher beschäftigt, der Gute. Vielleicht hatte er später noch Gelegenheit, ihn aufzusuchen.

Er steckte seine Hände in die Taschen der Jeans und drehte sich um. Gegenüber war die kleine Kirche des Dorfes, auf die ihn der Mann vorhin unnötigerweise aufmerksam gemacht hatte. Sie war zwar nicht groß, aber zu übersehen war sie nicht. Es gefiel ihm, dass er in Zukunft im Schatten dieser Kirche wohnen würde. Ein niedriger, trutziger Turm ragte auf, ein kleines, zweigeteiltes Kirchenschiff schloss daran an.

Er ging den Weg zum Eingang entlang und blickte in die Höhe. Der Turm sah fast aus wie ein Wehrturm. Sicher hatte das Gebäude über die Jahre hinweg so manchem auch Schutz geboten vor dem Unbill des Lebens. Ein paar windschiefe, verwitterte Grabsteine standen auf der Kirchenfreiheit.
Er las das Schild neben der hölzernen Eingangstür. St. Barnabas war der Name der Kirche und sie hatte schon einige Jahrhunderte auf dem Buckel.

Von drinnen hörte er Orgelspiel. Vorsichtig reckte er den Kopf durch die Tür und schaute nach rechts und links. Auf beiden Seiten des Ganges waren Bänke aufgereiht. Im hinteren Bereich stand eine kleine Orgel, an der ein Mann in die Tasten haute und gleichzeitig mit seinen Füßen auf den Pedalen tanzte. Harry ging vorsichtig näher und er erkannte ... schon wieder den Mann von der Straße! Das war nicht sein Glückstag. Er wollte sich schon vorsichtig davon schleichen, doch daraus wurde nichts.

„Nein, nein, nein .... ja, was machen Sie denn hier? Haben Sie das verfluchte Cottage gefunden. Dieser Horton, diese Ratte. Nein, nein, nein, nicht einen Ton hat er gesagt. Verkauft das Haus einfach so!“ Er stand von der Bank auf und kam auf Harry zu.
Der wich instinktiv zurück und stolperte über eine Platte des uralten Steinbodens. Er glaubte es nicht, jetzt hätte ihn dieser Wicht beinahe zu Fall gebracht!

„Haben wir nicht eine schöne Kirche, nein, nein, nein? Ich spiele hier die Orgel, wie Sie gemerkt haben! Sie, sagen Sie, Sie wollen wirklich hierher ziehen oder sind Sie auch nur einer, der am Wochenende hier einfällt und dann wieder abzieht? Das tun die Meisten und das mögen wir gar nicht, nein, nein, ja!“
Wenn er sich doch nur entscheiden könnte, dieser ulkige Alte. Harry wurde schon ganz konfus. Auf eine Antwort verzichtete er lieber. Er hatte sich schon zur Genüge unbeliebt gemacht.
Er schaute sich um. Ihm kam ein absurder Gedanke! Das machte nur der Einfluss dieses Dorfes! Jetzt überlegte er sich doch glatt, wie es wohl wäre, hier zu heiraten! Er sah sich vor dem Altar stehen, doch die Person, die durch den Gang auf ihn zu schritt, die sah er nicht.

„Nein, nein, nein ... ja, sagen Sie, kennen Sie unseren Vikar schon?“ Der Alte sah ihn neugierig an und fuchtelte mit seiner ausgestreckten Hand vor Harrys Nase herum.
„Ich hatte noch nicht das Vergnügen, nein, nein!“

....Zwischen Hoffnung und Verzweiflung.... by doris anglophil
Author's Notes:

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Harry macht Pläne und lernt einen weiteren Einwohner von Dibley kennen

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Okay, er würde in den sauren Apfel beißen und Miss Latimer mit dem Verkauf seiner Wohnung in London betrauen. Es würde zwar lästig werden, doch immer noch besser, als einen völlig neuen Makler zu suchen. Dafür hatte er nun wirklich keine Lust. Sie kannte er schon und sie würde sich sicher voll für ihn ins Zeug legen!

Es war Abend und er saß am Küchentisch, den Aufriss der neuen Wohnung vor ihm und er plante die Einrichtung seines Hauses. Es war zum Haare raufen und das tat er dann auch. Er hatte die Brille über die Stirn geschoben und ein Bleistift steckte hinter seinem Ohr.
Ein großes Sofa, aber auch ein größeres Bett, man konnte ja nie wissen. Hier war kein Platz dafür gewesen, doch das Schlafzimmer in Dibley war erheblich größer. Eigentlich ungewöhnlich für ein so altes Haus, da hatte wohl mal jemand mitgedacht.
Harry überlegte und machte sich Zeichnungen, auf denen er vorhandene und zukünftige Möbelstücke verteilte. Sämtliche Räume könnten einen Anstrich vertragen. Die Idee einer roten Tapete mit Blümchen hatte er natürlich verworfen, das wäre doch zuviel des Guten.

Warum waren Männer im Planen solcher Dinge so schwerfällig? Rosie hätte damit überhaupt keine Probleme. Sie hätte schon längst alle Räume sinnvoll als auch geschmackvoll und gemütlich eingerichtet und dekoriert. Er hörte förmlich ihre Stimme: Harry, stell’ das dahin, Harry, stell’ das dorthin. Hatten Frauen generell ein besseres Händchen dafür?
Auch in seiner Londoner Wohnung hatte Rosie seinerzeit Hand angelegt und aus dem trostlosen Männer-Apartment eine komfortables, bequemes Refugium gestaltet.

Ach wäre sie doch hier, dachte er wohl schon zum tausendsten Mal. Warum musste sie sich auch immer in der Weltgeschichte rumtreiben? Es erschien ihm immer wieder verwunderlich, dass zwei so unterschiedliche Menschen, wie er und seine Schwester, sich so gut verstanden. Sie waren ein ungewöhnliches Gespann und ergänzten sich vollkommen.

Wenn sie nur ihr unstetes Leben aufgeben würde! Mode könnte sie auch in Großbritannien ein- und verkaufen. Er hatte sie schon oft gefragt, ob sie sich denn nicht einen Partner und Freund wünschte, wollte sie denn ihr Leben gar nicht mit jemandem teilen? Sie hatte jedes Mal gelacht und gemeint, dass der Mann mit dem sie das Leben teilen würde, erst noch gebacken werden müsste. Außerdem müsste er immer dem Vergleich mit ihrem Bruder standhalten.

Und wer würde das wohl schaffen? Niemand, hatte sie behauptet. Er mochte nicht, wenn sie so sprach. Er wollte auch ihr Glück und wünschte sich ebenso heftig einen Partner für sie, wie er sich eine Partnerin für sich wünschte. Er nahm sich vor, noch mal ernsthaft mit ihr darüber zu reden, doch er wusste, dass sie dieses Thema immer auf die leichte Schulter nahm.

Er zog die Brille auf die Nase herunter, wandte sich wieder seinem Plan zu, und musste dabei unwillkürlich an die letzten Begegnungen in Dibley denken. Im Nachhinein musste er herzlich lachen.

Alles war etwas surreal gewesen. Als er aus der Kirche getreten war, hatte er zunächst noch mal an der Tür des Pfarrhauses geklopft. Doch der Vikar war scheinbar immer noch nicht zuhause. Ein vielbeschäftigter Mann, wie es schien. Ganz in der Nähe gab es eine Telefonzelle, in der sogar ein intaktes Telefonbuch angekettet war. In London war dies eine Seltenheit, meist waren die Telefonboxen gähnend leer, es gab weder Telefonbuch noch Telefon.

Er hatte in den Yellow Pages nachgesehen und tatsächlich gab es in Dibley einen Dachdecker. Na ja, mehr ein Mann für alle Fälle, wie er sich nannte. Jetzt erinnerte er sich sogar, ein Schild mit dem Namen ‚Morris’ gesehen zu haben, ganz in der Nähe des Parkplatzes auf dem sein Auto stand. Den Weg dorthin kannte er wenigstens, es würde keine lange Sucherei geben.

Von der Straße war er in einen Hof eingebogen auf dem so viel Gerümpel stand, dass man nicht einmal ohne Hindernis bis zur Tür des Schuppens gehen konnte. Harry hatte durch den Spalt der großen, schweren Schiebetür in den Schuppen geblickt und dort zwei Männer entdeckt. Er hatte nach Mr. Morris gefragt und der kleinere der beiden kam auf ihn zu und schüttelte ihm die Hand. Harry hatte auf seine jetzt ölverschmierte Hand hinunter gesehen, wie auf einen Fremdkörper. Er hatte sich vorgestellt und Mr. Morris gefragt: „Ich habe hier ein kleines Haus gekauft und festgestellt, dass sich einige Dachziegel gelöst haben. Das müsste noch in den nächsten Tagen gerichtet werden, damit keine Feuchtigkeit eindringt. Wann könnten Sie das erledigen?“

Mr. Morris hatte ihn sprachlos angesehen und der Mann an seiner Seite antwortete stattdessen: „Ja, sagen Sie, welches Haus haben Sie denn hier gekauft. Wir wissen davon überhaupt nichts.“ Er hatte irgendwie komisch mit den Schultern gezuckt und Harry dämlich grinsend angesehen.
„Ich denke, das ist auch nicht notwendig, dass Sie das wissen“! Harry war sofort misstrauisch geworden und hatte die Augenbrauen hochgezogen.
„Natürlich muss ich das wissen, schließlich bin ich Mitglied des Gemeinderates, verstehen Sie? Wir wissen über alles Bescheid, was so vor sich geht in Dibley!“ Er trat unruhig von einem Fuß auf den andern.
„Das mag ja sein,“ hatte Harry geantwortet. „Das Haus habe ich allerdings von Mr.Horton gekauft, nicht von der Gemeinde.“

„Mr. Horton?“ hatte Mr. Morris ungläubig gefragt und dabei den Mann neben ihm angesehen. „Horton? Das glaub ich jetzt nicht, du hast dein Haus verkauft? Was ist denn mit deiner Frau und all deinen Kindern.? Die stehen doch jetzt alle auf der Straße, hast du denn völlig den Verstand verloren?“
„Alice und die Kinder stehen auf der Straße? Wie kommst du denn darauf?“ Ein heftiger Streit zwischen den Beiden entbrannt.

„Wieso um alles in der Welt hast du denn das Haus verkauft?“
„Morris, du hast wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank. Ich verkauf doch mein Haus nicht. Eher verkauf ich Alice!“
„Ach ja, du Mistkerl? Alice verkaufen? Dann hätte ich sie ja auch heiraten können. Ist mir bis heute ein Rätsel, wie sie dich Trottel heiraten konnte, Horton!“ Morris wedelte mit einem Schraubenzieher herum. „Und jetzt sitzt sie mit den Kindern auf der Straße, eine Schande ist das!“
„Morris, greif dir mal an den Kopf. Du und Alice, dass ich nicht lache!“ Er wich sicherheitshalber ein paar Schritte zurück.
„Und überhaupt, was hast du mit meiner lieben Alice zu tun? Wohlmöglich sind auch ein paar von den Kinderchen von dir. Na, du bist mir aber ein Freund. Das hat ein Ende, du mieser Schrotthändler!“

So war es zugegangen, wie bei einem Ping-Pong-Spiel, hin und her, und hin und her. Zuletzt hatte Harry eingegriffen und versucht den Sachverhalt zu klären, was ihm aber vollends misslungen war.
Er hatte aufgegeben und war ohne ihre Aufmerksamkeit zu erregen, vom Hof geschlichen.

Er hatte noch einige Minuten auf der Straße gestanden, die Hände in die Seiten gestützt und im Schuppen war noch immer das wütende Streitgespräch der Beiden zu hören. Harry hatte den Kopf geschüttelt und sich an diesem Tag erneut gefragt, ob er die richtige Wahl getroffen hatte.
Zehn Kinder? Hatte er richtig gehört? Dieser Horton hatte zehn Kinder! Es war ihm recht schnell klar geworden, dass sein Cottage nicht die Heimat dieser Familie Horton gewesen sein konnte. Wie hätte man dort zehn Kinder unterbringen können?

Mit einem latenten Gefühl der Erleichterung war Harry in seinen Wagen gestiegen und hatte Dibley verlassen.
Jetzt, hier in London musste er lauthals über die angehörte Diskussion lachen. Es musste sich einfach um eine Verwechslung handeln.

Es war mittlerweile schon nach Mitternacht. Er räumte den Plan vom Küchentisch und setzte seine Brille ab. Er zog die verspannten Schultern hoch und streckte sich. Ein Bad, genau das war es was er jetzt brauchte.

Im Bad drehte er den Hahn auf und während das Wasser plätschernd in die Wanne lief, ließ er im Schlafzimmer seine Klamotten fallen und kickte seine lässig seine Jeans mit dem Fuß beiseite.
Was für eine Wohltat! Mit einem wohligen Seufzer tauchte er in das heiße Wasser und legte sich entspannt zurück.

....Alte Wunden.... by doris anglophil
Author's Notes:
Harry wird von der Vergangenheit eingeholt ... und friert !

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Er tauchte aus der Wanne auf und strich sich das Wasser aus dem Gesicht, hatte er richtig gehört? Das Telefon klingelte. Nicht zu fassen, wer rief ihn denn jetzt noch an?
Er schwang sich behände aus der Wanne, schnappte sich ein Handtuch, rutschte über die Fliesen und machte sich auf die Suche nach dem Telefon. Es klingelte wieder und das Geräusch kam aus dem Schlafzimmer. Er rubbelte sich auf dem Weg über die Haare, der Rest musste warten. Das Telefon lag auf dem Bett, er ließ sich darauf plumpsen und griff nach dem Hörer.

„Hallo?“
Keine Antwort.
„Hallo, wer ist da? Ich hoffe, Sie haben einen guten Grund mich um diese Uhrzeit aus der Wanne zu scheuchen und tropfnass durch die Wohnung zu jagen!“
„Na, das ist ja mal eine nette Vorstellung. Tropfnass und nackt läufst du durch die Wohnung, mit deinem knackigen Po? Ich sehe das gerade bildlich vor mir!“
Justine! Harry erschauerte, und das lag nicht an seiner feuchten Haut. Er fühlte sich beobachtet und griff instinktiv nach dem Handtuch, um sich halbwegs zu bedecken.
„Jas! Hat es dir die Sprache verschlagen? Oder erkennst du mich nicht?“
Harry lehnte sich zurück auf das Bett und bedeckte seine Augen mit der Hand. Ihre Stimme hätte er überall erkannt, daran konnte auch die vielen Jahre seit der Trennung nichts ändern.
„Hallo, Justine!“
„Oh Jas, tut das gut, deine Stimme zu hören! Aber ist das alles? Ich erhole mich gerade von der Vorstellung deines vollendeten Körpers – nackt! Und du kriegst nur ein ‚Hallo’ heraus?“
Harry schluckte, selbst nach all den Jahren hatte sie immer noch diese Wirkung auf ihn. Das wollte er nicht akzeptieren! Betont locker antwortete er: „Tja Justine, ich wundere mich nur, wer es wagt zu dieser nachtschlafenden Zeit hier anzurufen?“
„Oh, Schatz, bei uns ist es helllichter Tag und ich musste unbedingt mit dir reden. Bitte sei nicht böse,“ sagte sie bittend.

Er konnte es nicht fassen, jetzt hatte sie doch tatsächlich den Nerv und meldete sich beim ihm.
„Du ... willst mit mir reden? Das ist ja interessant, Justine! Es war mir wirklich nicht bewusst, dass ich als Zuhörer noch gefragt bin.“ Der Sarkasmus in seiner Stimme war nicht zu überhören. Harry wollte sich nicht von diesem flauen Gefühl, das ihn ergriff, überwältigen lassen. Sie sollte sagen, was sie zu sagen hatte und Schluss!
„Jas, Jas, was ist nur mit dir los? Warum bist du so abweisend? Ich wollte einfach deine Stimme hören, weißt du, .... ich hab’ echt eine miese Zeit ....“
„Ach, sag bloß? Warum soll es dir denn besser gehen als mir? Miese Zeiten ...., ja, die hatte ich auch.“
Sollte sie doch dahin gehen, wo der Pfeffer wächst!
„Sag’, bist du mir etwa noch böse? Das ist doch schon so lange her. Ich dachte, du hättest mir längst vergeben?“

„Na, du bist lustig. Was hätte ich schon zu vergeben? Dass du abgehauen bist? Dass du dich nie wieder gemeldet hast? Dass ich deiner ... lieben Freundin Lucy helfen sollte, deine Wohnung auszuräumen? Dass ich hier deinen ganzen Krempel entsorgen konnte? Nein, sieht nicht so aus, als ob ich dir etwas zu vergeben habe!“

Jassy, so kenne ich dich gar nicht!“
„Lass das blöde Jassy, ich heiße Harry, verstehst du? Harry! Ich war immer Harry, nichts anderes. Auch wenn du so gerne wolltest, dass ich jemand anderer sein sollte. Aber das war ich nicht und das bin ich nicht! Und wenn du jetzt nichts mehr zu sagen hast ... ich friere, ich bin müde und ich habe keinen Bock mehr, mit dir zu telefonieren. Du hattest immer schon die Angewohnheit, anderen ein Gespräch aufzudrängen, auch wenn sie überhaupt keine Lust hatten, dir zuzuhören!“ Die letzten Worte kamen wie eine wütende Flut aus seinem Mund! Er drehte sich auf den Bauch und wollte eben den Hörer weglegen, als ein Schluchzen an sein Ohr drang.

„Harry“, sagte sie mit bebender Stimme. „Harry, Lieber. Ich bin geschieden, mein Mann hat mich sitzen lassen. Er hat mich wegen einer Jüngeren verlassen. Ich weiß nicht, was ich machen soll, Jas .... äh, Harry?“
„Das tut mir unendlich leid“, entgegnete er spitz. „Doch das interessiert mich nicht die Bohne, liebe Justine. Ich will nicht gehässig erscheinen, doch du hast es verdient. Sorry, aber vielleicht lernst du ja etwas daraus. Ich habe damals etwas gelernt – lass dich nie wieder mit Justine ein! Und das werde ich auch nicht. Such’ dir jemand anderen zum Ausheulen, bei mir bist du an der falschen Adresse! Gute Nacht, Justine!“

Er drückte auf den Knopf und knallte den Hörer auf die Matratze. Harry drehte sich wieder auf den Rücken, warf das feuchte Handtuch aus dem Bett, kroch unter die Decke und kuschelte sich darin ein. Er rieb seine Füße aneinander, er fror noch immer.

Eine tolle Überraschung, dafür war Justine immer schon gut gewesen! Was hatte sie nur geritten, sich ausgerechnet bei ihm zu melden? Nach all den Jahren des Schweigens. Er wollte nicht gemein sein, doch insgeheim freute sich Harry, dass sie diese herbe Enttäuschung erleben musste. Vielleicht konnte sie jetzt ansatzweise nachfühlen, wie es ihm ergangen war.

Nein, keine Illusionen, Harry. Justine war einfach zu selbstsüchtig, das war ihm klar geworden. Das Leid und die Mutlosigkeit anderer, konnte sie nicht nachempfinden. Sie war kein mitfühlender Mensch.

Lange und breite Gespräche hatte er deswegen mit Rosie geführt, sie hatte ihn damals aufgefangen, so gut es ihr möglich gewesen war. Seine Version von "Justine hat Harry verlassen" war die, dass ihr bei der Beisetzung der Mutter in Kanada ein alter Freund über den Weg gelaufen war, bei dem sie sich dann unheimlich ausgeheult hatte, der eben vor Ort war, um ihr Trost und Zuspruch, und dann auch schon bald einiges mehr, zukommen zu lassen. Dem hatte sie sich dann aus Kummer an den Hals geworfen. Schlimm genug für ihn, Harry.

Rosie hingegen hatte noch eine andere Version parat, eine weitaus schockierende! Ihrer Meinung nach war Justine schon seit jeher verheiratet gewesen. Harry war nur ihr heißer Bettwärmer in London gewesen, mehr nicht. Und als es an konkrete Hochzeitsvorbereitungen ging, suchte sie nach einer Möglichkeit, den Rückzug anzutreten. Harry war nicht anwesend gewesen, als der angebliche Anruf über den Tod der Mutter Justine erreichte.


Rosie war daher felsenfest der Ansicht, sie hätte ihm das alles nur vorgespielt, sie hätte kein einziges Mal auch nur im Entferntesten daran gedacht, ihn zu heiraten. Sie hatte nämlich einmal versucht, von Justine zu erfahren in welchem Brautmodengeschäft sie ihr Kleid geordert hätte und Justine hatte sich nur in vagen Andeutungen ergangen.


Harry seufzte laut und schnappte sich die Fernbedienung des TV-Gerätes. Er musste etwas anderes sehen, etwas Ablenkung haben, damit er das elende Telefonat vergessen konnte. Er zappte sich durch diverse Kanäle, immer verdriesslicher werdend, weil nichts Gescheites gesendet wurde.

Dann plötzlich stutzte er, schaltete wieder einen Kanal zurück: In der Tat, das war doch dieser Macfadyen, oder? Er schaute nun deutlich interessierter in die Flimmerkiste. Klar, jetzt lüftete sich der Schleier bei ihm. Der Typ spielte da diesen MI-5 Agenten Tom Quinn. Und, ach schau an, neben ihm seine Frau, die Doppelgängerin von Rosie! Na ja, zugegeben, in diesem Stück sah sie ihr nicht ganz so ähnlich, die Haare nicht so blond, nicht so lang, die Figur etwas gesetzter, er merkte nun doch einige Unterschiede. Harry brachte es sogar fertig, die ganze Episode zu Ende zu schauen, ohne noch einmal an Justine zu denken. Zur Hölle mit ihr!

Sein Körper war nun endlich aufgewärmt. Er winkelte die Knie an, zog die Decke bis zur Kinnspitze hoch und freute sich, dass er bald in einem anderen Bett, in einem anderen Haus, in einem anderen Ort schlafen würde. Es war Zeit London zu verlassen.

....Fisch am Haken?.... by doris anglophil
Author's Notes:

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Weiteres Treffen mit Miss Latimer - und keine Rettung in Sicht?

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Er hatte einen Termin bei Miss Latimer, doch er war etwas zu früh gekommen und musste warten. Im Vorraum lagen ein paar Zeitungen aus und er blätterte gelangweilt ein Boulevardblatt durch. Immer der selbe Kram! Unscharfe Fotos, abstruse Stories, Papparazzi wohin das Auge reichte. Er legte die Zeitschrift beiseite, als ihm ein kleines Bild auf dem Cover ins Auge fiel.

Die Macfadyens! Harry schlug schnell die entsprechende Seite auf und da stand es: Die Beiden hatten einen gesunden Sohn bekommen! Mutter und Kind waren wohlauf. Im Stillen gratulierte er den Beiden von Herzen. Sie hatten etwas geschafft, was ihm noch nicht gelungen war. Sie hatten eine Familie und er hoffte für sie, dass sie ihrer Liebe und ihrer Kinder willen den Mut hatten, an ihrer Beziehung zu arbeiten, egal was auch auf sie zukam.

„Mr. Kennedy, was für eine Überraschung! Kommen Sie doch bitte herein, wie schön sie zu sehen!“
Er betrat Miss Latimers Büro.
Sie kam um den Tisch herum, dieses Mal umrundete geschickt ihre Handtasche. Sie packte ihn am Oberarm und zog in förmlich in ihr Büro, um ihn dann kurzerhand in den Stuhl vor ihrem Tisch zu drücken.

Augenblicklich bereute Harry, dass er sich nicht die Mühe gemacht hatte einen anderen Makler zu finden. Er sah ernsthafte Schwierigkeiten auf ihn zukommen. Miss Latimer, mit einem recht kurzen Rock bekleidet, setzte sich auf die Kante des Schreibtisches, direkt vor seiner Nase. Noch ein bisschen näher und sie könnte sich auch gleich auf seinen Schoß setzen. Sie rutschte hin und her und zupfte an ihrem Rock herum, doch die Knie würde er in diesem Leben nicht mehr bedecken.

Harry rutschte auf seinem Stuhl ein Stück zurück, um etwas auf Distanz zu gehen, viel nutzte es nicht.
„Was haben wir denn für ein Problem? Wie kann ich Ihnen helfen?“ Sie beugte sich etwas vor und sah in strahlend an. Wir werden sicher kein Problem miteinander haben, niemals, dachte Harry.
„Sie haben es sich noch einmal überlegt mit dem Cottage, ja? Das habe ich mir gleich gedacht, dass Ihnen Dibley zu abgelegen ist. Wenn man die Stadt gewöhnt ist, dann kommt man sich dort so ganz verlassen vor, nicht wahr?“

„Nein, kann ich eigentlich nicht sagen. Ich möchte den Kaufvertrag keineswegs rückgängig machen, deshalb bin ich nicht gekommen, Miss Latimer. Ich möchte Sie bitten, sich um den Verkauf meiner Wohnung in
Shoreditch zu kümmern. Hier habe ich Ihnen sämtliche Unterlagen mitgebracht, Pläne, Auszüge aus dem Grundbuch, Besitzurkunden ... alles was Sie brauchen, um die Wohnung an den Mann zu bringen!“

Mr. Kennedy, Harry ... ich darf Sie doch Harry nennen? Harry, wollen Sie nicht noch einmal darüber schlafen? Ich kann nicht glauben, dass Sie diese Wohnung wirklich verkaufen wollen!“ Sie rückte noch ein Stück näher und Harry versuchte vorsichtig mit dem Stuhl zurückzurutschen, was ihm nur bedingt gelang. Es wurde immer eindeutiger und Harry gratulierte sich nicht gerade zu der Idee, diesen Auftrag ausgerechnet ihr zu übergeben. Prima hast du das hingekriegt, mein Lieber. Sie rückte ihm immer mehr auf die Pelle.

Die Tür zum Büro öffnete sich, und die Sekretärin kam mit einem Tablett herein und brachte den Tee. Miss Latimers Gesicht verzerrte sich zu einer Maske, dann feuerte sie ein paar bitterböse Blicke auf die junge Frau ab, die es gewagt hatte zu stören! Er wollte keine Tee, er wollte auch nicht mit dieser Frau sprechen, eigentlich wollte er die ganze Angelegenheit nur noch mit einem gewissen Maß an Würde hinter sich bringen. Wenn ihr das schon nicht gelang, so wollte er doch wenigstens sein Bestes geben.

„Miss Latimer, sind Sie in der Lage einen geeigneten Käufer für die Wohnung zu finden, oder nicht? Ich müsste mich sonst nach einem anderen Makler umsehen. Das würde viel Aufwand für mich bedeuten, insofern liegt mir viel daran, dass Sie die Aufgabe erledigen ....“ seine Stimme wurde lauter.
„Annabelle für Sie, Harry! Sie können sich ganz auf mich verlassen! Sie werden zufrieden sein. Ich muss mir die Wohnung natürlich ansehen, damit ich mit ein Bild machen kann!“

Oh Gott, daran hatte er gar nicht gedacht! Ein Fehler, Harry, ein Fehler! Unterschätze niemals die Miss Latimers dieser Welt! Eigentlich hätte er sich geschmeichelt fühlen müssen, doch es war ihm nur lästig!
„Genügen Ihnen diese Pläne nicht?“ fragte er vorsichtig.
„Mr. Kennedy ... Harry, natürlich nicht. Will ich einen Käufer finden, muss ich die Einzelheiten wissen. Niemand kauft eine Katze im Sack!“

Außer mir! Eine Lösung musste her, allein in seiner Wohnung mir ihr! Da war die Katastrophe vorprogrammiert! Aber er sah keine Lösung! In den 15 Jahren, die er jetzt in London lebte, war er niemals in Kontakt mit einem Nachbarn gekommen. Ein Gruß im Treppenhaus, das war alles. Er würde den Schlüssel keinem seiner Nachbarn anvertrauen, geschweige denn ihn eine Führung durch seine Wohnung machen lassen.

Da fiel ihm Jack ein! Ja, das war eine gute Idee. Sein schwuler Arbeitskollege Jack. Ihm konnte er vertrauen und Miss Latimer konnte soviel baggern wie sie wollte, hier würde sie auf Stahl treffen. Jack sah gut aus, keine Frage – und Miss Latimer könnte soviel zweifelhaften Charme auffahren, wie es ihr beliebte, keine Chance!

„In Ordnung, Miss Latimer,“ insgeheim musste er bei der Vorstellung grinsen, „ich werde das arrangieren.“
„Prima, Harry. Geben Sie mit einfach Ihre Handy Nummer und ich werde mich bei Ihnen melden!“
„Das ist keine gute Idee,“ platzte er heraus, es war überhaupt keine gute Idee! „Mein Mobiltelefon ist meistens abgeschaltet. Ich werde mich in den nächsten Tagen bei Ihnen melden und wir vereinbaren einen Besichtigungstermin, einverstanden?“
„Aber natürlich, Harry.“ Na, die würde sich wundern!

Draußen auf der Straße atmete er tief durch. Das war erledigt. Aber er war es auch und kaum betrat er seine Wohnung, begann das Telefon zu klingeln. Ein Schreck durchfuhr und er schaute hastig auf die Uhr. In Kanada war es mitten in der Nacht. Justine konnte es eigentlich nicht sein. Miss Latimer? Seine Festnetz-Nummer hatte sie ja. Oh Gott, was könnte sie denn jetzt noch von ihm wollen? Wahrscheinlich eine Verabredung! Er stöhnte gequält auf.

....Planen und Packen.... by doris anglophil
Author's Notes:

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Rosie ruft an und Harry beginnt zu packen!

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Er hob ab und hörte die Stimme von Rosie! Vor Erleichterung lachte er auf.
„Was gibt’s zu lachen, mein Lieblingsbruder?“ fragte sie, nachdem sie ihn wortreich begrüßt hatte.
„Ich bin einfach froh, deine Stimme zu hören, Hühnchen!“
„Nenn mich nicht Hühnchen, das habe ich dir schon tausend Mal gesagt!“
„O.k., Hühnchen, was gibt’s Neues? Wo bist du? Was machst du? Kommst du bald? Ich vermisse dich!“
„Mach mal halblang, mein Lieber. Bis ich komme, dauert es noch, das wird sicherlich Anfang November. Sorry, aber ich schaff’ das nicht früher. Rat mal, wo ich bin?“

„Noch in Tschechien?“ fragte er
„Nö, ich bin in München. Allerdings nur ganz kurz, eigentlich nur eine Zwischenlandung, um ehrlich zu sein. Ich bin auf dem Flughafen.“ Sie lachte.
„Na, immerhin. Ich wollte immer schon mal nach Deutschland, weißt du! Wenn ich erst umgezogen bin, mich soweit niedergelassen habe und ich dann noch Moneten hab’, machen wir das mal, was meinst du? Kommst du mit? „
„Mit dir komme ich überall mit hin. Aber bis dahin hast du bestimmt schon eine Frau gefunden und willst mich gar nicht dabei haben, wirst schon sehen,“ sagte sie nachdrücklich.
„Du bist mir Eine! Erst verkuppeln und dann würdest du mich mit einer wildfremden Frau durch Europa schicken! Unglaublich! Aber mal ernsthaft. Ich würde gerne in Hamburg anfangen, möchte in den Harz, nach Berlin – ja, in den Osten vielleicht. Aber ich würde auch gerne mal Rhein und Main sehen, oder in die Universitätsstadt Marburg. Heidelberg soll toll sein und die ganze Gegend da. Über Bayern an den Bodensee und dann machen wir noch einen Abstecher nach Österreich!“

„Hast du einen Knall? Was hat dich denn gebissen? Jetzt kommt erst mal der Einzug in dein neues Leben in Dibley. Ich komme dich besuchen, dann finden wir eine Frau für dich und dann .... mein Schatz ... dann sehen wir weiter!“
Harry antwortete nicht. Er wollte nicht schon wieder sagen ‚und du?’. Sie meinte es gut mit ihm, dass hatte sie ja immer schon.

„Ich habe heute auch mit Dad gesprochen und ich war ganz erstaunt, dass er und Mum noch überhaupt nichts von deinen Plänen wussten! Ich hoffe, ich habe da jetzt kein Geheimnis ausgeplaudert?“

„Mach dir keine Sorgen, Rosie. Ich bin einfach noch nicht dazu gekommen, ihnen darüber zu berichten. Ich hatte soviel zu tun, das glaubst du nicht. Dann musste ich mich noch um den Verkauf der Wohnung kümmern und rat mal, wer mich angerufen hat?“
„So spontan würde ich jetzt mal sagen .... Justine“!
„Wie machst Du das nur immer? Das grenzt an Magie, bist du eine Hellseherin?“
„Keineswegs. Wenn du mich so fragst - war doch klar, es konnte nur eine deiner Herzensdamen sein und da du Dorothy hin und wieder siehst, konnte es ergo nur Justine sein. Die Kanaille!“ Sie klang gereizt. Nein, Freundinnen waren die Beiden nie gewesen!
„Was wollte sie? Bestimmt wollte sie dir die Ohren voll heulen: Ach Jassylein – oh Mann, wie hab’ ich das Gesülze gehasst – Jas, mir geht’s ja so schlecht, mein Mann schlägt mich, meine Kinder sperren mich in den Keller ein – und wer weiß was sonst noch alles!“ Sie hatte sich richtig in Rage geredet.
„Da hast du mal wieder den Nagel auf den Kopf getroffen. Na ja, nicht ganz. Sie ist geschieden und wollte sich ausheulen. Ich hab’ dem aber schnellstens ein Ende gemacht!“
„Gut gemacht, mein Lieber. Lass dich nur nie wieder von diesem Biest einwickeln!“ Er konnte sie durch das Telefon schnaufen hören.
„Schatz, meim Flug wird aufgerufen, ich muss nach Mailand. Gleich geht’s los. Was macht der Umzug? Jetzt hätte ich fast den Grund meines Anrufs vergessen, meine Güte!“
„Ist in Planung. Ich bereite schon einiges vor. Bald steht hier steht schon alles voller Kisten ....“
„Sei nicht böse, ich muss Schluss machen, ich muss in die Maschine! Tschüss mein Herzblatt, ich melde mich aus Mailand, versprochen!“
Er lachte: „ Solange es nicht aus Moskau ist, obwohl, da soll es auch schön sein!“ Sie lachte kurz mit und klick - war sie weg. Er machte sich an die Arbeit, es war ja so viel zu tun!



Während Rosie sich mittlerweile bereits zwei Wochen in Mailand rumtrieb, blickte er sich in seiner Wohnung um. Überall standen jetzt Umzugkartons herum, Verpackungsmaterial, Polstermaterial und Zeitungspapier war überall verteilt. Den Umzug hatte er akribisch vorbereitet. Er hatte die Kartons besorgt, einen Umzugswagen organisiert und einige seiner Kollegen würden ihm beim Schleppen helfen. Die neuen Möbel waren geordert und würden sofort nach Dibley gebracht werden.

Am Computer hatte er Aufkleber für die Kartons gestaltet und ausgedruckt. Damit wollte er dem Chaos vorbeugen. Mit dem Verpacken begann er im Wohnzimmer. Ein Karton mit dem Aufkleber „Harry J. Kennedy, Sleepy Cottage, Dibley, Wohnzimmer, Bücher, A-D,“ ein weiterer deckte die Bücher von E-H ab. Und so fort.
In der Küche gab es entsprechende Kartons mit den Aufklebern „Harry J. Kennedy, Sleepy Cottage, Dibley, Küche“. So würde nicht nur er genau wissen, was wo hinkam, auch seine Helfer wären informiert.

Eigenartig, was einem beim Umzug so alles in die Hände fiel. In fünfzehn Jahren hatte sich allerhand angesammelt. Und selbst aus der Zeit, als er noch bei seinen Eltern gelebt hatte, gab es eine Menge Erinnerungen. Einige Dinge waren es nicht wert, sie aufzuheben. Andere wiederum wollte er unbedingt auch mit nach Dibley nehmen. So hatte er auf dem Boden gesessen, vor sich einen Stapel Zeitungspapier, und hatte sein halbes Leben eingewickelt. Da waren Kricket-Pokale, sein alter Kricket-Schläger, die Knieschützer und Medaillen über Gewinne beim ¼-Meilen-Rennen.

Und eine ganz besondere Erinnerung: Er musste sie nicht in Papier einschlagen und sie brauchte auch keine große Kiste. Doch sie war ihm so kostbar, er würde sie immer aufbewahren. Ein kleines Programmheft lag in seinen Händen. Das Programmheft der Theateraufführung, bei deren Premierenfeier er Dorothy kennen gelernt hatte. Sie hatte eine kleine Widmung darauf geschrieben: ‚Für Harry – danke für einen wunderbaren Abend! D.’. Irgendwann einmal hatte er die Idee, das Heftchen in einen Glasrahmen zu stecken und aufzuhängen. Doch er verbarg es lieber in einem schmalen Kästchen. Die Erinnerung blieb, er musste es nicht immer ansehen.

Da fiel ihm auch noch Jack ein, ja genau, der gute Jack. Er wollte heute noch vorbeikommen und die Einzelheiten des Umzugs mit ihm besprechen. Da konnte er ihn auch gleich um diesen winzig kleinen Gefallen mit Miss Latimer bitten!

So langsam nahm der Umzug also Formen an und in Harrys Bauch kribbelte es vor Aufregung.
In Dibley war alles für seine Ankunft vorbereitet. Eine helfende Hand mit grünem Daumen, hatte den Blauregen, der um die Eingangstür und die Fenster wuchs, gestutzt und das Dach inzwischen repariert. Die Holzverkleidung im Flur war grün gestrichen, und die Wände in den Zimmern waren weiß gekalkt und die Fachwerkbalken frei gelegt.
In der Auffahrt war das Unkraut gejätet worden und mit einer Ladung Kies aufgefüllt worden.

Alles wartete jetzt nur noch auf ihn.

....Stress pur.... by doris anglophil
Author's Notes:

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Mr. Kennedy sen. kann es nicht fassen und Harry kriegt Jack rum!

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Harry brauchte unbedingt eine Pause! In seiner Wohnung sah es aus wie nach einem Wirbelsturm und immer öfter hatte er das dumpfe Gefühl, dass ihm alles über den Kopf wuchs. Dabei hatte er alles so gut vorbereitet. Er rieb sich mit dem Ärmel seines Hemdes den Schweiß von der Stirn und suchte nach seiner Brille. Wo war dieses verflixte Ding?

Er ließ sich genervt auf das einzige Möbelstück fallen, das noch nicht mit Krimskrams überhäuft war, das Sofa! Er lehnte sich gerade zurück und streckte ausgiebig seinen Oberkörper, als das Telefon klingelte.
Oh Mann, diese ständigen Störungen! Er hoffte, dass derjenige der am anderen Ende der Leitung war, für seinen Anruf einen guten Grund hatte.

„Harry Kennedy!“ meldete er sich.
„Ja, nun warte doch mal eben .....!“
„Hallo, wer ist denn da?“
„Nein, nein, nein, ja ... nun gib’ mir doch den Hörer ....!“
Ein Dejá vu ... ganz klar, der Horror kam von Dibley nach London!
„Harry, mein Junge, bist du’s?“
„Dad?“
„Ja, ja, ja ... hier ist dein Dad, mein Junge!“

Harry atmete auf! „Dad, schön dich zu hören!“ Er freute sich wirklich. Jetzt würde er auch Gelegenheit haben, seinen Eltern die Neuigkeit zu erzählen.
„Harry, mein Junge. Was machst du denn? Wir machen uns solche Sorgen um dich, Harry!“
Im Hintergrund hörte Harry eine aufgeregte Stimme, seine Mutter redete ununterbrochen und versuchte wohl, seinem Vater den Hörer aus der Hand zu nehmen.

„Dad, ist alles klar bei Euch? Wieso machst du dir denn Sorgen, sag mal?“
„Ja aber, Junge! Nein ....“ Nicht wieder dieses ‚Nein’, bitte nicht, flehte Harry bei sich.
„Nein, wir verstehen dich nicht, mein Junge!“
„Dad, ich spreche ein bisschen lauter!“
„Nein, Junge, das meinte ich nicht,“ er schrie jetzt fast. „Ich meinte, wir verstehen dich nicht, mein Junge. Was machst du denn für Sachen?“
Hatte er irgend etwas angestellt, von dem er nichts wusste? Einen Unfall verursacht und Fahrerflucht begangen, eine Tankstelle ausgeraubt? Er kam sich vor wie im falschen Film.

„Junge, so hör doch! Deine Mutter und ich sind ganz außer uns! Wie konntest du das denn tun?“
Jetzt wurde Harry langsam ungehalten. „Was tun, Dad, was???“ fragte er.
„London verlassen, natürlich. Deine Wohnung verkaufen, deinen Job aufgeben und irgendwo auf’s Land ziehen, mein Junge. In diesen unsicheren Zeiten. Wie konntest du uns das nur antun?“

Dein lieber Junge wird dir gleich die Leviten lesen, lieber Vater! Harry musste sich zusammen reißen. Er würde den Eltern in aller Ruhe seine Beweggründe erklären müssen. Seine restlichen Bücher, Küchenutensilien und Klamotten mussten wohl noch warten. Daraus wurde heute wohl nichts mehr. Er suchte sich in diesem Chaos erst einmal ein gemütliches Plätzchen und Schritt für Schritt würde er seinen Dad auf den neusten Stand bringen, während seine Mutter im Hintergrund weiterhin auf ihren Mann einreden würde. Also Ruhe bewahren, Harry!

„Dad...!“
„Nein, so geht das nicht mein Junge. Und dann erfahren wir es nicht einmal von dir! Du hast es wohl nicht nötig, uns zu informieren, mein Lieber! So habe wir dich nicht erzogen, so nicht! Ist es nicht genug, dass deine Schwester ein Zigeunerleben führt? Musst du denn jetzt auch noch damit anfangen?“
Harry klopfte sich auf den Schenkel: „Dad, ich wohne schon seit ....“!
„Hier bei uns gibt es doch auch schöne Häuser, mein Junge. In unserer Nachbarschaft ist eben eins frei geworden, weißt Du, der alte Hamlin, der ist gestorben, der Gute. Lag mehrere Tage tot in der Wohnung. Nicht sonderlich angenehm so zu sterben ... aber ein schönes Häuschen, kann ich dir sagen!“
„Daddy“ jetzt hör’ mir doch bitte mal zu ....“
„Nein, nein, nein, das muss ich mir nicht antun, das nicht!“ Sprach’s und legte auf.
Wie versteinert sah Harry den Telefonhörer in seiner Hand an, sein Vater hatte das Gespräch kurzerhand beendet. Das war ja wohl ein Reinfall. Eigentlich hätte er es ahnen müssen. Interessant war die Tatsache, dass Rosie trotz ihres Lebenswandels immer einen besseren Draht zu den Eltern gehabt hatte. Sie erklärte kurz was Sache war, und damit Ende.

Er hatte immer das Gefühl, sich im Kreis zu drehen und bei seinen Eltern nie auf den Punkt kommen zu können. So auch heute, es war ein Gespräch wie viele gewesen. Vielleicht übergab er den Aufklärungsauftrag einfach an seine Schwester, dann würden sie es schon schlucken. Aber hatte sie ihnen den Floh mit der aufgegebenen Arbeit ins Ohr gesetzt? Na warte, liebe Rosie, komm du mir nur nachhause!
Harry massierte sich die Schläfen - das Haus des alten Hamlin, wie kamen sie denn darauf? Dann lag der Kauz auch noch tagelang tot im Haus. Na prima!

Es klingelte an der Tür. Sollte er denn heute überhaupt keine Ruhe mehr kriegen? Mühsam stand er auf und schlurfte erschöpft zur Tür. Jack! Den hätte er beinahe vergessen!
„Jack, du kommst genau richtig!“
„Ach ja? Interessant, mein Lieber!“
„Lass mal das mein Lieber, davon habe ich heute genug gehört. Warte, ich schnapp mir meine Jacke und dann gehen wir einen trinken!“
Jack nahm Harry die Jacke aus der Hand und hielt sie ihm zum Anziehen hin. „Oh Mann, was für eine Laus ist dir denn über die Leber gelaufen? Komm, wir zischen ab und dann ... kannst du mir alles erzählen ... mein Lieber!“
„Dann nix wie los“, sagte Harry „aber dass eines von vorneherein klar ist. Du kneifst mir auf keinen Fall in mein Hinterteil, haben uns da verstanden?“
Jack grinste schief und antwortete: „Okay, okay, aber es wird mir sehr schwer fallen, wo du doch einen so tollen Knackarsch hast!“

Sie liefen in die Heneage Street, einige Minuten zu Fuß von Harrys Wohnung entfernt und kehrten in den „The Pride of Spitalfields“ Pub ein.
„Jetzt erzählt mal dem guten Jack, was dir auf dem Herzen liegt.

„Probleme über Probleme! Ich hatte es mir so schön vorgestellt, der Umzug, das Dorf, das Cottage. Einfach alles! Und jetzt habe ich das Gefühl, im Chaos zu versinken.
„Ja, wein dich nur aus....!“
„Jack, du nimmst mich auch nicht ernst. Zuerst die Schnepfe Latimer, dann Rosie und zum Schluss noch mein Vater. Da kriegt man ja einen Koller, meine Güte!“
„Oh la la, wer ist den die Schnepfe Latimer? Eine neue Flamme etwa?“
Jack setzte ein anzügliches Grinsen auf.
„Weit gefehlt mein Lieber, von Frauen habe ich die Nase voll!“

„Nun, das ist ja mal eine interessante Wendung, mein Lieber ... oh pardon, ich habe das böse Wort gesagt. Kannst du mir noch mal verzeihen?“
Harry schlug Jack freundschaftlich auf die Schulter: „Nö, kann ich nicht. Ich verzeihe dir nur, wenn du mir einen Gefallen tust!“
„Aber immer doch. Du weißt doch, für dich tue ich alles. Und gerade jetzt, wo du den Frauen abgeschworen hast ...:!“
„Vergiss es Jack! Ich brauche deine Hilfe bei Miss Latimer!“
„Miss L-a-t-i-m-e-r,“ er zog den Namen auseinander wie Gummi. „Was kann ich denn für Miss Latimer tun? Harry, ich glaube, du bist auf dem falschen Dampfer!“
„Nein, ich glaube nicht! Ich bin auf dem richtigen Dampfer ... mein Lieber!“
Er lachte, nippte an seinem Bier und erklärte Jack seine Strategie in Bezug auf Miss Latimer!

....Männergespräche.... by doris anglophil
Author's Notes:

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Jack klärt alles auf und Harry ist nicht schwul!

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„Du hättest ihr Gesicht sehen sollen, Harry!“
„Du hast es ihr gesagt?“
Jack klopfte sich vor Freude auf die Schenkel und strahlte: „Klar hab’ ich das! Und wusch, war ein Ausdruck des Entsetzens auf ihrem Gesicht! Klasse! Das hättest du sehen sollen!“
Harry lenkte seinen Wagen durch den dichten Vorstadtverkehr von London. Sie waren auf dem Weg zu B&C. Jack war Harry nicht nur ein guter Freund, er war auch ein begnadeter Heimwerker und liebte den Einkauf in Baumärkten, weshalb er heute unbedingt mit musste.

„Du kennst sie seit zehn Minuten und sagst ihr, dass du schwul bist? Du hast echt einen an der Waffel, Jack!“
„Oh Mann, ich konnte nicht anders. Sie hat mich angesehen, als ob sie mich verspeisen wollte. Ich konnte sie doch nicht im Glauben lassen, sie könne beim mir landen! Was denkst du denn von mir?“
„Was ich von dir denke? Ich denke, du hast einen Knall!“

„Harry, die Arme hat es gut verkraftet. Als der erste Schreck vorbei was, hat sie souverän reagiert!“
„Wieso?“ Harry war neugierig
„Sie hat mich gefragt, ob ich dein Freund bin!“ Er schlug die Hände vor’s Gesicht und prustete los.
Hätte Harry nicht am Steuer gesessen, hätte er Jack wahrscheinlich eine verpasst.
„Jack! Du hast das doch hoffentlich klar gestellt?“

Jack kicherte noch immer: „Nö, warum sollte ich? So hast du sie für immer vom Hals, mein Lieber.“
„Bist du verrückt?“ Harry fuhr ihn an und schlug mit der Hand heftig auf das Lenkrad.
„Keine Sorge Harry! Ich habe sie aufgeklärt und dann sind wir zwei Hübschen in hoffnungsloses Schwärmen geraten. Alle deine Vorzüge haben wir durchgehechelt. Vor allem die physischen, versteht sich! Ja, dein hübsches Gesicht, deine Augen, der schöne Mund ....“
„Jack!“
„Tja, von deinem Körper ganz zu schweigen! Bei Eurer ersten Begegnung schien dein Brustkorb in einem rosa Hemd die Aufmerksamkeit von Annabelle erregt zu haben! Sie kannte jeden Zentimeter Stoff, den du am Leibe trugst!“
„Annabelle, du nennst sie Annabelle?“
„Harry .... wir sind dir hoffnungslos verfallen!“

Harry blickte Jack kurz an. Dieser war verstummt und starrte ernst nach vorn auf die Straße. Könnte es sein ...? Harry war ganz still, bis er vom Beifahrersitz ein komisches Geräusch hörte.
„Was ist?“ fragte Harry
Jack beugte sich nach vorn und ein lautes Lachen platzte aus ihm heraus.
„Gib’s zu, Harry!“ Er lachte und wischte sich mit der Hand die Tränen aus den Augen. „Gib’s zu ... für einen Moment hast du das geglaubt!“

Am liebsten hätte Harry seinem Freund die Gurgel umgedreht. Dieser Blödmann!
„Aber die ist scharf auf dich! Glaub’s mir! Wenn Bedarf in irgendeiner Form bestehen sollte – sie ist bereit! Ein Anruf genügt.“
„Meine Güte, Jack!“ Harrys Stimme klang vorwurfsvoll
„Oh Harry, jetzt spiel hier nicht das Unschuldslamm. Tu nicht so, als ob du nicht gerne mal ein kurzes Abenteuer haben wolltest! Ohne Konsequenzen!“
„Glaub’ mir Jack, bei Miss Latimer hätte das Konsequenzen. Ich glaube, die Dame weiß ganz genau was sie will!“

Jack seufzte laut und drehte sich zu Harry um. „Harry ... mein Lieber?“
„Was?“
„Harry, könntest du dir nicht vorstellen ...?“ Er fuhr mit seiner Hand an Harry Oberarm entlang. „Könntest du dir wirklich nicht vorstellen, ich meine, ist es nicht vielleicht doch möglich ...?“
„Was Jack???“
„... dass wir mal eine Pause machen? Ich muss mal dringend für kleine Jungs!“

Beide nutzten die Gelegenheit, in einem kleinen Café an der Ecke einen kleinen Imbiss zu sich zu nehmen. Sie bestellten sich Tee und Scones und setzten sich an einen freien Tisch.

Harry knüpfte an ihr Gespräch im Auto an und fragte Jack: „Nun, was hat Miss Latimer außer Schwärmereien und schlüpfrigen Bemerkungen noch gesagt? Was meinte sie zu der Wohnung?“
„Auch da war sie sehr eingenommen von deiner Präsenz in der Wohnung. Nun war ja fast alles in Kisten und Kästen eingepackt und sie musste mit ihren hohen Schuhen über allerhand Kleinkram klettern. Aber ihre flinken Fingerchen berührten alles was nicht niet und nagelfest war. Ein Blumentopf hier, ein Kerzenständer da. Ja und dann ....“
„Was ... und dann?“
„Dann sah sie das T-Shirt!“
„Was für ein T-Shirt“
„Was für ein T-Shirt?“ Jack imitierte Harrys Stimme. „Na, dein Shirt eben, da lag so ein Shirt von dir rum, ein weißes, mit irgendwas vorne drauf. Ist ja auch völlig egal. Sie nahm es auf und drückte es an ihre Brust. Ich dachte schon, sie steckt es ein. Aber soviel Anstand hatte sie wohl. Na ja, gerade eben noch! Sie hielt es vor ihre Nase und atmete tief ein. Sie sog sozusagen den ganzen Harry-Geruch auf! Wirklich merkwürdig, die Frauen!“
„Warum immer die falschen Frauen? Das frage ich mich!“
„Was meinst du?“
„Ich verstehe nicht, warum ich immer an die falschen Frauen gerate. Könnte nicht mal eine dabei sein, die ich mag? Die mich mag? Ich meine so wie ich bin. An meinem T-Shirt schnuppern! Wo gibt’s denn so was?“

„Frauen sind nun mal eigenartig, wenn sie jemanden mögen, lieben oder auch nur anhimmeln. Sie kaufen sich Ringe, die schauen nach eben diesem Ringelpulli, sie schnuppern an getragenen T-Shirts – von sonstigen Trophäen gar nicht zu reden. Okay. ... vielleicht gibt’s auch ein paar Männer, die das tun. Schwule Männer auf jeden Fall!“
„Jack! Ringelpullis? Wovon in aller Welt redest du?“
„Na, nehmen wir mal an, eine Frau sieht ihr Schmachtobjekt in einem Ringelpulli rumlaufen. Dieser Pulli wird ihr immer im Gedächtnis bleiben, glaub’ mir. Und wenn sie ihn zufällig in einem Laden entdeckt wird sie nur schwer wiederstehen können, ihn nicht zu kaufen!“

„Du fantasierst dir etwas zusammen. Das macht keine Frau!“
„Natürlich! Wo lebst du denn? Und wenn die erst mal die Hochzeit im Visier haben, okay – geht jetzt vielleicht ein bisschen schnell – aber wenn sie erst mal jemanden in der Mangel haben, was glaubst du, was dann los ist? Da werden Pläne geschmiedet, Hochzeits-Zeitschriften durchwühlt, Geschenklisten aufgestellt, Blumen arrangiert und so weiter und so weiter!“
„Meine Güte, ich habe auch einen Ringelpulli. Den werde ich wohl nie mehr tragen! Woher weißt du so was, Jack?“
„Ich will auch mal heiraten, was denkst du denn? Das werde ich dann auch so machen, verlass dich drauf! Und du wirst mein Trauzeuge. Und außerdem habe ich eine Schwester, die hat das auch schon hinter sich – und – ich habe einen guten Draht zu Frauen. Die meisten haben was mit mir gemeinsam, sie mögen Männer!“
„Trauzeuge geht in Ordnung. Doch ich glaube, wir beide müssen erst mal den richtigen Partner finden, oder? Und das ist das Schwierigste von allem!“

Jack hob’ seine Teetasse und meinte lakonisch: „Darauf lass uns anstoßen Harry, auf dass wir sie finden - du die Frau deines Lebens und ich den Mann meines Lebens!“
„Und was ist jetzt mit meiner Wohnung? Sieht die liebe Miss Latimer eine Chance, die Wohnung loszuwerden?“
„Natürlich, was denkst du denn. Für dich wird sie einfach alles tun! Gib ihr etwas zum Schmachten ... und ab geht sie ...!“

....Süße Träume.... by doris anglophil
Author's Notes:

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Träumt er oder wacht er ... Harry unterwegs zu seinen Eltern

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Harry schaute aus dem Fenster auf die vorbeirauschende Landschaft. Er war auf dem Weg zu seinen Eltern und der Zug schien ihm die optimale Alternative zum Auto. Er hatte sich eine stressfreie Fahrt verdient und war am Morgen von der Victoria Station aus in Richtung Südwesten gestartet. Die Fahrt bis nach Guildford würde nicht lange dauern. Danach einige Minuten mit dem Bus und er wäre in Bramley.

Das Dreitausend-Seelen-Dorf war Harrys Heimat. Seine Eltern waren aus dem betulichen Örtchen nie herausgekommen. Sie konnten sich auch nicht vorstellen, jemals irgendwo anders zu wohnen. Ihnen kam ein Besuch in London immer wie eine Weltreise vor und ohne Harry oder Rosie wären sie in der Großstadt einfach verloren gewesen. Und beim Abschied waren sie ihren Kindern immer ganz erleichtert erschienen, froh, wieder nach Bramley zu kommen. Und wer konnte es ihnen auch verdenken!

Harry hatte sich vorgenommen, seine Eltern über die bevorstehenden Änderungen in seinem Leben persönlich zu informieren. Das war er ihnen schuldig. Nach dem katastrophalen Telefongespräch hatte er ein schlechtes Gewissen gehabt, sie machten sich Sorgen um ihn, das war nur verständlich. Man konnte wohl so alt werden wie man wollte, für Mum und Dad würde er immer das Kind, der Sohn bleiben, um den man sich kümmern und sorgen muss.

Dass seine Eltern in dieser Hinsicht etwas übervorsichtig waren, erschwerte die ganze Geschichte. Hin und wieder war ihm tatsächlich der Gedanke gekommen, in die Nähe von Bramley zu ziehen. Doch er hatte Dibley schon zu sehr ins Herz geschlossen, als dass er diesen Plan noch ändern wollte.

Im Grunde unterschieden sich die beiden Orte nicht sehr. Bramley war größer, klar! Aber war es letzten Endes nicht auch nur ein verschlafenes Nest? Wenn er an die Nachbarn seiner Eltern dachte – Mr. Preston erinnerte ihn verblüffend an den Typen in Dibley, den er nach dem Cottage gefragt hatte. Vom verstorbenen Mr. Hamlin ganz zu schweigen. Der selig Dahingeschiedene war eine Nervensäge sonders gleichen gewesen.
Hatte er nicht so lange an den Ästen eines Baumes herumgesäbelt, die vom Grundstück seiner Eltern in seinen Garten hingen, bis er eingegangen war? Und hatten sich seine Eltern nicht ständig mit ihm darüber gezankt? Könnte ihm so etwas in Dibley auch passieren? Die Vorstellung, mit dem Pfarrer nebenan in Konflikt zu geraten, war nun wirklich nicht erbauend.

Harry fielen immer häufiger die Augen zu. Er war so kaputt von den Strapazen der letzten Tage und dieses monotone Rollgeräusch des Zuges wirkte einfach einschläfernd.

- Er ging langsam durch einen Wald. Es war Herbst, ein kühler Wind wehte und raschelte im braunen Laub der Bäume. Leise Geräusche vom Waldboden klangen in seinem Ohr. Der Duft von Verfall, Laub und Pilzen drang in seine Nase. Er liebte den Herbst sehr, er liebte Spaziergänge im Wald. Die Sonne stand schon flach und warf lange Schatten auf den Boden. Sein eigener Schatten folgte ihm auf dem Fuß. Dürre Äste knackten unter seinen Füßen, mit seinen Schuhen sank er zentimetertief in den weichen Humusboden.

Er drehte sich um. Vom Stamm eines mächtigen Baumes flitzte ein kleines, braunes Eichhörnchen hinab auf den Boden. Ganz in der Nähe des Baumes sammelte es eine herabgefallene Eichel auf und steckte sie ins Maul. Aber nicht um sie zu fressen. Das Eichhörnchen sprang in großen Sätzen über den Boden und mit weit ausholenden Schritten folgte Harry dem Tierchen. Er musste nicht weit gehen, bis er das Eichhörnchen wieder entdeckte. Es grub eine kleine Grube in den Waldboden, legte die Eichel hinein, deckte sie ab und verschwand.

Harry stutze. Seltsame Geschichte! Er wartete an diesem Platz und beobachtete das Versteck. Und richtig, es dauerte nicht lange und das kleine Tier kam mit hüpfenden Sprüngen zurück zu der Stelle und vergrub die Eichel, die es im Maul trug, in der selben Mulde. Im Waldboden buddeln, Eichel hinein legen, zudecken und fort war es. Mindestens zehnmal wiederholte das Eichhörnchen dieses Vorgehen.

Harry traute seinen Augen kaum, als das Tier das Versteck mit einem Ast, einem herbstlich rot gefärbten Blatt und einem Pilz markierte. Es hielt inne, sah ihn an und sagte: „Die Fahrkarten bitte!“ -

Harry schreckte irritiert aus dem Schlaf auf und kramte die Fahrkarten aus seiner Jackentasche. Er fragte die Schaffnerin, ob es noch weit bis Guildford sei.
Sie lächelte ihn an und sagte: “Nur noch einige Minuten, dann sind wir da.“
Gerade noch rechtzeitig aufgewacht! Er streckte seine Glieder und rieb sich den Schlaf aus den blauen Augen. Die junge Frau der British Rail reichte ihm mit einem strahlenden Gesicht die Karte zurück und verabschiedete sich. Harry lehnte sich zurück und schaute wieder aus dem Fenster.
Was für ein merkwürdiger Traum! Er hatte noch immer das Gefühl im Wald zu sein. Er roch den modrigen Waldbogen und hörte das Rauschen der Bäume. Ein Eichhörnchen, das sich einen Wintervorrat anlegt. Hatte dies etwas zu bedeuten? Sollte er vielleicht auch für den Winter vorsorgen? Musste er in Dibley auf einen harten Winter gefasst sein?

- Frieren würde er auf keinen Fall. Mit geschlossenen Augen sah er ein prasselndes Kaminfeuer vor sich, die Wärme breitete sich im gesamten Wohnraum aus. Er sah sich mit einem Buch und einem Glas Wein. Und ein kuscheliges Fell lag vor dem Kamin. Harry rief sich selbst zur Ordnung. So würde der Winter nicht werden! Oder? Ein kuscheliges Fell? Ein Glas Wein? Und kein Buch? Statt dessen zwei Körper, die sich auf dem weichen Fell räkelten, Wein und Wärme, Zärtlichkeit und Liebe? Ein wohliges Gefühl durchflutete Harry, er seufzte. -

Seine Augen öffneten sich und er saß immer noch im Zug. Schlimmer noch, er saß in diesem Abteil mit etlichen Mitreisenden und einige von ihnen sahen etwas eigenartig an.

Harry rollte die Augen, stützte den Ellenbogen am Fensterrand ab, legte seinen Kopf auf die Hand und schaute hinaus. So was Blödes! Zugfahren regte offensichtlich seine Fantasie an!

Er stieg in Guildford aus der Bahn und machte sich direkt auf den Weg zur Bushaltestelle. Wahrscheinlich hatte sich am Fahrplan nicht viel geändert. Immer wenn ein Zug aus London eintraf, fuhren auch die Busse zu den umliegenden Ortschaften ab. Viel Zeit hatte er für’s Umsteigen allerdings nicht, er musste sich sputen.

Die Bewegung tat ihm gut und sein Kopf wurde langsam wieder klar. Die Fahrt nach Bramley würde nicht lange dauern. Im Bus konnte er sich dann schon einige passende Worte für seine Eltern überlegen. Wenn er nicht wieder einschlief und so komische Träume hatte!

Sein Heimatort lag nur 3 Meilen von Guildford entfernt. Bramley – der Ort der für Justine gerade zu den Horror bedeutet hatte. Er hatte sie nur einmal dorthin mitgenommen, einmal und nie wieder. Allein die Überredungskunst, der es bedurft hatte. Dann der Blick auf ihrem Gesicht, als sie vor dem Haus seiner Eltern ausgestiegen waren. Der Inbegriff des Spießertums, hatte sie gesagt. Und er hatte sich auch noch entschuldigt, hatte Ausreden für seine Eltern erfunden, weil Justine schnell wieder aufbrechen wollte.

Auf der Heimfahrt hatte sie sich ständig über das Kaff amüsiert und Gott auf Knien gedankt, dass sie nicht in einem solchen Ort geboren worden war, oder gar ständig dort leben musste.
War es nicht eine Ironie des Schicksals, dass er ausgerechnet in ein solches Kaff ziehen würde und sicher sehr glücklich dort werden würde? Und war es nicht auch schon Glück, dass er Justine losgeworden war?

....Eine Rede...und mehr.... by doris anglophil
Author's Notes:

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Ein schönes Geschenk von Kollegen und eines von Jack

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„Lieber Mr. Kennedy, seit vielen Jahren arbeiten Sie nun schon mitten unter uns, und mit vielen Kollegen sind Sie nicht nur beruflich, sondern auch freundschaftlich verbunden!“
An seiner Seite hüstelte Jack. Harry versuchte, ernst zu bleiben und seinem Boss zuzuhören. Hätte er etwas von dieser Aktion geahnt, hätte er sie vielleicht noch zu verhindern gewusst. Sein Vorgesetzter hatte noch nie Reden halten können und würde es wohl auch nicht mehr lernen. Jede seiner Ansprachen endete in Peinlichkeiten und Harry war absolut sicher, das dem auch heute nicht zu entgehen war.

Alle Kollegen in der Firma kannten die verborgenen Talente ihres obersten Chefs und warteten geduldig auf den Höhepunkt. Gefasst sahen sie abwechselnd auf den Redner und auf Harry. Sie lächelten und machten gute Miene zum bösen Spiel. Harry konnte dies nur zu gut verstehen, schließlich mussten sie es nicht das erste Mal über sich ergehen lassen. Als Abteilungsleiter musste Harry mit gutem Beispiel vorangehen, wenn der Boss sich herabließ, zu seinem niederen Fußvolk zu sprechen. Lediglich Jack konnte es nicht lassen, ihn mit einem perfiden Grinsen anzusehen und Grimassen zu schneiden. Er hatte sich zu Harry umgedreht und kehrte seinem Chef jetzt respektlos den Rücken zu.

Dieser faselte etwas von neuem Lebensabschnitt, von Niederlassen und Familie gründen. War Harry irgend etwas ergangen, redete er von einem anderen? Jack formte derweil mit seinen Lippen das Wort L-a-t-i-m-e-r, worauf ihn Harry böse anfunkelte.
La-di-da-di-dah .... sie waren noch nicht erlöst.

Er schaute sich unter seinen Mitarbeitern und Kollegen um. Sie warteten sehnlichst auf Erlösung. Die hübschen Mädels fummelten gelangweilt an ihren Fingernägeln rum. Er fragte sich immer wieder, wie sie es sich mit ihrem Gehalt leisten konnten, ihre Nägel so auf Hochglanz polieren zu lassen. Nicht, dass er etwas dagegen hatte, ihm gefielen die messerspitzen und oft ebenso langen Nägel einfach nicht. Keine Ahnung, wie sie damit auf der Tastatur eines Computers zurecht kamen. London war ein teures Pflaster, wer hier modisch mithalten wollte, musste tief in die Tasche greifen. Das wusste sogar Harry.

Es war kaum auszuhalten, was würde der Chef nur von sich geben, wenn Harry tatsächlich einmal heiraten würde? Jetzt zog er doch nur um. Sicher, es war ein neuer Lebensabschnitt – von wegen ein Haus bauen, einen Baum pflanzen und so weiter.
Seiner Abteilung blieb er doch erhalten, warum also der ganze Aufstand?

Unter diesen Frauen, die sich hier versammelt hatten, war keine gewesen, mit der er das Abenteuer Partnerschaft hatte eingehen wollen, geschweige denn eine Familie gründen wollen. Entweder schwebten sie einen Meter über dem Boden, oder sie duckten sich an den Schreibtischen vorbei, blickten nicht auf, schauten ihn nicht mal an. Das war die andere Fraktion. Die Graue-Maus-Fraktion eben. Wie die Partnerin seines Lebens aussehen sollte, konnte er nicht sagen. Doch sie sollte sich ihm keineswegs unterordnen, sie sollte ein eigenständiges Leben haben, einen Beruf und vor allem eine eigene Meinung! Eine Meinung, die sie auch laut und deutlich äußeren sollte.
Er brauchte keine Repräsentationspüppchen! Was er brauchte, war eine Partnerin, eine Liebhaberin, eine Freundin!

Kam der Boss endlich zum Ende? Es hatte den Anschein und Harry atmete erleichtert auf. Sein Boss schüttelte ihm kräftig die Hand und sprudelte ein paar finale Weisheiten aus, bevor er kurz den Raum verließ und mit einem großen Paket zurück kam. Jack zog mit einem Bedauern im Blick die Schultern hoch.

Harry hatte damit schon gerechnet. Was hatte er sich jetzt wieder für eine Monstrosität ausgedacht? Nicht nur für seine Reden war ihr Chef bekannt, nein auch seine Geschenke waren keine Brüller. Er hatte ein goldenes Händchen für irgendwelchen Unsinn, einen Staubfänger, einen Ladenhüter. Mit traumhafter Sicherheit griff er jedes Mal voll daneben, sein schlechter Geschmack war sprichwörtlich.

Doch Harry öffnete brav das Geschenk und versuchte einen freudigen Blick aufzusetzen. Unter der Kartonhülle kam eine Stehlampe zum Vorschein. Sie hatte einen großen, zylinderförmigen, roten Kunststoffschirm. Harry gefror das Lächeln auf den Lippen, sah das freche Grinsen auf Jacks Gesicht und hob die Lampe aus der Verpackung.

„Wir haben alle zusammen gelegt, lieber Mr. Kennedy! Alle haben dazu beigetragen, die schöne Lampe zu erstehen. Besorgt habe ich sie natürlich! Was sagen Sie?“ Sein Chef wartete auf eine Antwort. Da stand Harry nun, inmitten seiner Kollegen und Freunde und starrte auf die Lampe. Ein erwartungsfrohes Lächeln erschien auf dem Gesicht des großzügigen Lampenspenders. Harry sah ihn an und lächelte seinerseits recht verkrampft. Jack rettete die Situation. Er verteilte den Sekt in die Gläser und reichte sie reihum. Alle stießen mit Harry auf die Zukunft an und wünschten ihm viel Glück.

Nach und nach verließen alle sein Büro, nur Jack und die Lampe blieben zurück. Wenn Harry so darüber nachsann, musste er sich eingestehen, dass Jack eigentlich sein bester Freund geworden war. Er war zwar auch Jacks Vorgesetzter, das hatte ihrer engen Freundschaft jedoch nie Abbruch getan. Sie verstanden sich gut, hielten zusammen und konnten sich untereinander vieles anvertrauen. Nur Rosie war in mehr persönliche Geheimnisse eingeweiht, doch sie war oft unterwegs. Jack hatte keinen festen Freund, war alleinstehend wie Harry und so verbrachten sie auch häufig ihre Freizeit miteinander. Und wenn Rosie in der Stadt war, gaben sie ein tolles Trio ab.

„Du hast Bescheid gewusst, stimmt’s?“ fragte Harry und ging mit erhobenem Zeigefinger auf Jack zu.
„Gnade, Gnade, großer Meister! Ich konnte es wirklich nicht verhindern. Da war nichts mehr zu retten, glaub’ mir. Dabei hat er sich so viel Mühe gemacht, findest du nicht?“
„Was für ein Aufstand, nur wegen eines Umzugs! Und wohin mit der Lampe um Himmels willen?“ Harry seufzte.
„Sei nicht sauer, komm! Krieg ich einen Kuss?“ Jack sah ihn verschmitzt an.
„Na, komm her du Scheusal!“ Harry schritt auf ihn zu und wollte ihn umarmen, doch Jack nahm sein Gesicht in beide Hände und küsste ihn zärtlich auf den Mund. Harry verharrte kurz mit hängenden Armen, doch dann hob er an sie und legte sie um seinen Freund. Einige Sekunden später löste Jack sich von ihm, trat einen Schritt zurück und meinte ungerührt: „Komm, lass uns einen heben – zur Feier des Tages!“
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Harry nickte, nahm seine Jacke und folgte Jack auf den Flur. Leise fragte er ihn: „Alles in Ordnung, Jack? Geht es dir gut?“
Jacks Lächeln war etwas verzerrt, doch seine Stimme war fest: „Klar, alles in Ordnung! Mach dir keine Sorgen. Weißt du Harry, du bist wirklich unwiderstehlich! Ich himmele dich schon wer weiß wie lange an. Aber ich weiß genau, dass ich nicht bei dir landen kann. Und ich bin nicht verliebt, glaube mir. Es wird vorbeigehen und du bleibst immer mein Freund!“

Harry glaubte das nicht, er kannte die wahren Gefühle seines Freundes. Er wusste, wie es sich anfühlte wenn die Liebe nicht erwidert wurde! War Freundschaft ein Ersatz dafür? „Ja, ich bleibe immer dein Freund!“ sagte er

....Abschied von London.... by doris anglophil
Author's Notes:

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Harry packt seine Sachen und Annabelle will unbedingt helfen!

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Die Wohnungstür stand weit offen und von drinnen hörte man lautes Fluchen.
“Verdammter Mist!“ Jack hatte eine Bücherkiste angehoben, der Pappboden hatte sich gelöst und die ganze Ladung Bücher war ihm auf die Füße gedonnert. „Immer muss mir so etwas passieren!
Harry lachte leise und schaute vorsichtig um die Ecke in den Flur: „Alles in Ordnung, Jack?“ fragte er.
„Jaaa .... !“ Er ließ den leeren Karton fallen und befreite seine Füße aus dem Bücherhaufen. Langsam humpelte zum letzten Stuhl und ließ sich darauf nieder. „Ganz schön anstrengend, so ein Umzug. Und die Kisten mit den Büchern sind immer am schwersten, findest du nicht?“ Jack atmete tief durch und streckte beide Beine von sich. Er lächelte schon wieder. Egal wie hart es auch kam, Jack war nie lange sauer, konnte niemandem richtig böse sein und selbst die größte Katastrophe trug er mit Geduld.

„Ich darf gar nicht daran denken, dass ich den ganzen Kram auch wieder ausladen und einräumen muss. Eins steht fest, den nächsten Umzug lasse ich von einer Firma durchführen, die sich auf so was spezialisiert hat. Ich habe einfach keine Lust auf diese Schlepperei!“
„Macht doch nichts, ich bin doch bei dir, Harry! Das schaffen wir schon! Außerdem bleibst du wahrscheinlich auf immer und ewig in Dibley. Du wirst nie wieder umziehen, warte es nur ab!“

Außer Jack hatten weitere Kollegen beim Einräumen der großen Gegenständen und Möbel in den LKW geholfen. Als das erledigt gewesen war, hatten sie gemeinsam eine Pause gemacht und Harry hatte den helfenden Händen ein ordentliches Mittagessen spendiert.

Jack und Harry räumten nun die letzten, kleineren Sachen in den Umzugswagen. Der Fahrer warte schon ungeduldig, sein Zeitplan geriet aus den Fugen. Doch Harry und Jack waren noch nicht ganz fertig. Die Stehlampe musste auf jeden Fall noch in den LKW, andere Dinge konnten sie auch noch in Harrys Wagen verladen.
Jack hob die Lampe hoch: „Bei näherer Betrachtung gar nicht so übel, oder? Hätte auch schlimmer kommen können. Denk’ nur an das warme, anheimelnde, romantische Licht, das sie verströmt. Hach, wie im Rotlicht...“
„Jack, halt die Klappe! Du kannst sie ja haben! Bitte – ich schenke sie dir!“
„Ach nö, Harry, die passt überhaupt nicht zum Farbkonzept meines Apartments.
Sonst gerne, wirklich!“ Er lachte.
Sie war noch nicht lange in Harrys Besitz, doch die Lampe war schon oft genug Anlass zu irgendwelchen Sticheleien von Jack gewesen. Er konnte von dem Thema nicht genug kriegen!

Der Fahrer erhielt die letzten Instruktionen für die Fahrt nach Dibley. Dort erwartete Morris den LKW. Das Mädchen für alles, hatte sich bereit erklärt mit einigen Kumpeln beim Ausladen der Möbel und Kisten zu helfen. Das war Harry nur recht und er war bereit, genug dafür zu zahlen. Am liebsten hätte er nicht eine einzige weitere Kiste geschleppt.

Jack und Harry würden dem LKW nachfolgen, sobald auch die letzten Kleinigkeiten ausgeräumt waren. Gemeinsam wollten sie die Wohnung grob säubern, abschließen und verschwinden.
Harry kam eben die Treppe wieder herauf, als das Telefon klingelte. Er hörte wie Jack den Hörer aufnahm und sich meldete.
„Hier bei Kennedy!“ Harry schaute ihn erwartungsvoll an. Wer ist das? fragten seine Augen.

„Na, das ist ja eine reizende Überraschung. Annabelle, schön von Ihnen zu hören!“ Jack machte eine Pause und Harry funkelte ihn warnend an.
„Nein, nein. Alles in Ordnung. Sie stören doch nicht, Annabelle.“ Jacks Stimme nahm eine süßlichen Tonfall an und er grinste wie ein Honigkuchenpferd. „Der liebe Harry ... ?“ Harry winkte schnell ab.
„Nein, tut mir leid, der liebe Harry ist gerade nicht da!“ Jack schüttelte den Kopf. „Nein, Miss Latimer, wirklich nicht. Er ist nicht da!“ Seine Stimme wurde fester.

Harry riss die Augen auf und deutete Jack damit an, nur nichts Falsches zu sagen.
„Du meine Güte, das ist ja eine gute Nachricht. Da wird sich Harry aber freuen. Ja, ja .... schön. NEIN! ... äh ich meine nein, Annabelle, das ist keine gute Idee! Wissen Sie, wir sind mitten im Umzug, hier steht alles voller Kisten. Wir könnten uns Ihrer gar nicht annehmen, wissen Sie?“
Harry fragte sich, wie Jack wohl wieder aus dieser Misere heraus fand. Er war gewitzt in solchen Dingen, doch manchmal fehlte auch ihm das kleine Quentchen Glück.

„Sie wollen uns helfen?“ Jack drehte sich zu Harry um und zuckte mit den Schultern. „Aber Annabelle, denken Sie doch an Ihre zarten Fingerchen. Das ist doch keine Arbeit für Frauen! Und wissen Sie, wir sind schon recht weit gekommen!“
Er gluckste leise, Harry konnte es nicht fassen, Jack konnte auch wirklich jeder Situation noch etwas Komisches abringen. „Natürlich richte ich es ihm aus. Er wird sich freuen zu hören, dass Sie einen Interessenten für die Wohnung gefunden haben.“ Wieder eine Pause, Harry platzte vor Neugier.
„Nach Dibley?“ fragte Jack. „Ja, wir fahren heute noch nach Dibley. Nein ... dort haben wir auch jede Menge fleißige Helfer! Doch, glauben Sie mir!“
Harry hielt es nicht mehr aus und wollte der Furie am anderen Ende der Leitung die Meinung geigen. Doch Jack entschlüpfte seinem Zugriff und meinte süffisant: „Ach Annabelle. Harry wäre das sicher gar nicht recht. In diesem Chaos wird er niemals Gäste empfangen, er ist so penibel in solchen Dingen!“

Harry rollte die Augen und verließ die Wohnung. Das konnte er nicht mehr mit anhören. Er schleppte einen weiteren Kasten nach unten und gab dem LKW-Fahrer grünes Licht für die Abfahrt. Sollte Jack doch sehen, wie er sie los wurde.
Beim Heraufgehen nahm zwei Treppenstufen auf einmal und spitzte die Ohren. Aus der Wohnung war nichts mehr zu hören. Er betrat das Wohnzimmer und da stand Jack, mit hochgekrempelten Ärmeln und die Daumen in den Hosenträgern eingehakt. Er ließ die Träger flutschen.
„Und?“ fragte Harry. Die Miene auf Jacks Gesicht war nicht zu deuten.

„Auf, auf nach Dibley, mein Freund! Und ohne Miss Latimer. Ich konnte sie gerade noch stoppen. Die wäre glatt hergekommen, unglaublich. Sie scheint dich wirklich zu mögen, Harry. Und ich kann sie ja so gut verstehen. Einzig, dass sie so wechselhaft ist, verstehe ich nicht. Als ich ihr die Wohnung hier gezeigt hab’, fuhr sie voll auf mich ab und als ich ihr die traurige Wahrheit über mich mitteilte, schwenkte sie sofort wieder in deine Richtung!“

Als die Wohnung völlig ausgeräumt und gereinigt war, ging Harry noch einmal durch die leeren Räume . Alles was an ihn erinnerte, war entfernt. Kein einziger Krümel war zurück geblieben. Sein Leben in London war zu Ende. Mit einem winzigen Anflug von Wehmut drehte er sich um, schloss die Wohnungstür ab und stieg die Treppe hinab.

Sie saßen gemeinsam im Wagen und Harry schilderte Jack dieses sonderbare Gefühl des Abschieds.
„Ist das nicht normal, Harry? Überleg’ doch mal, die fünfzehn Jahre haben dich doch auch geprägt! Das war eine wichtige Zeit in deinem Leben.“

„Du hast Recht,“ stimmte Harry zu. „Die erste eigene Wohnung, mein Job, meine Freunde, diese große Stadt. Jede Menge Erfahrungen habe ich hier gemacht, gute und schlechte. Ich verliebte mich Justine und verlor sie, lernte Dorothy kennen und ich habe dich getroffen Jack!“
„Richtig! Und wenn du auch jetzt in Dibley leben wirst, mich wirst du nicht los! Und Dorothy ist doch auch nicht aus der Welt, also kein Grund, den Kopf hängen zu lassen, mein Lieber!“

„Werde ich die Stadt nicht vermissen, was meinst Du? Das wird eine erhebliche Umstellung sein, oder? Im Moment habe ich das Gefühl, dass ich etwas Unüberlegtes getan habe, Jack!“
„Unüberlegt, also hör mal. Das kannst du nun wirklich nicht sagen. Unüberlegt? Wie lange laborierst du schon an der Idee herum? Seit Jahren ist es dein Wunsch, aus London abzuhauen. Ist dir nie aufgefallen, dass du von nichts anderem mehr quatschst? Du bist mir und Rosie ständig damit auf den Nerv gegangen. Du willst doch jetzt keinen Rückzieher machen?“ Jacks Stimme wurde lauter.

„Ich frage mich, was mich dort wohl erwartet?“
„Ich weiß es, Harry! Eine rote Stehlampe!“ Jack lachte und Harry musste unwillkürlich mit einstimmen.

....Guten Morgen in Dibley.... by doris anglophil
Author's Notes:

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Ein Brummschädel und Überraschungen an der Haustür - der erste Morgen im neuen Haus!

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Harry wachte auf. Sein Kopf dröhnte und sein Mund war total trocken. Er kratzte sich am Kopf und mit geschlossenen Augen tastete er nach seiner Brille. Er zog sie auf und blickte auf seine Armbanduhr. Meine Güte, schon acht Uhr! Das letzte Glas Rotwein gestern Abend hatte er wohl nicht vertragen! So einen Brummschädel hatte er schon seit ewigen Zeiten nicht mehr gehabt.

Aber etwas war anders als sonst! Was war das? Er legte den Kopf wieder zurück auf’s Kissen und stöhnte. Was für einen Kater hatte er sich eingehandelt? Er konnte nicht klar denken. Irgend etwas stimmte hier nicht? Ah ja .... diese Ruhe. Das war es! Außer diesem Summen in seinem Schädel war überhaupt nichts zu hören. Nichts! Auch Jack hatte sich noch nicht bemerkbar gemacht. Er schluckte, seine Kehle war wie ausgedörrt. Er brauchte unbedingt ein Glas Wasser.

Langsam richtete er sich auf und schwang seine Beine aus dem Bett. Ein mordsmäßiger Schwindel erfasste ihn, er schloss kurz die Augen, doch das Zimmer drehte sich weiter.
Er war recht frisch in seinem Schlafzimmer und er trug nur seine Pyjamahose. Aber die Kühle auf seinem Körper tat auch gut, er atmete ein paar mal tief ein, und hatte das Gefühl, dass sein Kopfschmerz etwas nachließ. Barfuss schlurfte er ins Bad, nahm sich ein Glas Wasser und trank es in einem Zug aus. Ein weiteres nahm er mit zurück ins Schlafzimmer. Er brauchte noch etwas Ruhe, nur noch fünf Minuten. Schnell schlüpfte er wieder unter die warme Decke, kuschelte sich ein und dachte an den gestrigen Tag.

Sie waren am späten Nachmittag in Dibley angekommen und hatten sofort mit der Arbeit begonnen. Der LKW war schon da, Morris und seine Kumpane waren schon fleißig am Ausräumen. Harry hatte den Helfern eine Kiste Bier besorgt und so ging den Männer alles recht flott von der Hand. Die neuen Möbel waren bereits im Cottage eingetroffen und eingeräumt Die Möbel aus London hatten sie recht schnell verteilt. Dank der guten Beschriftung waren auch die Kisten und Kartons schnell in die entsprechenden Zimmer geräumt und darauf war Harry auch ein bisschen stolz!

Das Auspacken der Umzugskisten würde er nach und nach besorgen. Für ihn hatten zunächst die großen Möbelstücke Priorität. Alles, was er nicht alleine schleppen konnte, sollte nach Möglichkeit am selben Tag noch verteilt werden. Und das hatte auch gut funktioniert.
Nachdem der LKW völlig ausgeladen war, hatten Jack und Harry mit den Helfern erst einmal angestoßen. Das hätte er besser unterlassen – und Jack auch. Nach einigen Bierchen, hatte sich Harry recht herzlich für die Hilfe bei Morris bedankt und ihm den vereinbarten Betrag dafür zugesteckt. Auch wenn er gerne einen Streit anzettelte, bei der Reparatur des Daches und der Umzugshilfe hatte er ganze Arbeit geleistet!

Im Wohnzimmer stand nun sein neues, schwarzen Ledersofa und beherrschte den ganzen Raum. Harry und Jack hatten sich inmitten von Kisten und Kästen darauf niedergelassen, den Couchtisch einigermaßen frei geräumt und die Beine hoch gelegt. Sie hatten sich zurück gelehnt und waren vollauf mit sich und der geleisteten Arbeit zufrieden gewesen. Unvorstellbar – er war in Dibley! Der Umzug war geschafft, das Gröbste zumindest, und alles an einem Tag. Ganz zum Schluss hatten sie die Stehlampe ausgepackt und ins Wohnzimmer gestellt. Ihren endgültigen Platz würde sie wohl noch bekommen.

Jack hatte eine Flasche Wein geöffnet und beide hatten auf die vollbrachte Leistung angestoßen. Sie hatten in Erinnerungen geschwelgt, die unmöglichsten Anekdoten waren ihnen eingefallen und eine Geschichte beschwor die nächste herauf. Mit zunehmendem Weinkonsum waren sie auch wehmütig geworden und hatten sich melancholisch über vergangene Herzensangelegenheiten ausgetauscht. Harry konnte sich im Nachhinein nicht mehr an alle Einzelheiten erinnern.
Nur die Geschichte mit dem Mann in einer Bar in London, war ihm noch im Gedächtnis. Jack hatte sich furchtbar in ihn verguckt und später hatte sich herausgestellt, dass dieser Mann eine Frau gewesen war. Wäre es nicht so traurig gewesen, hätten sie sich wohl köstlich amüsiert. Mittlerweile waren sie auf dem Boden vor dem Kamin gelandet und lagen sich heulend in den Armen. Das war der Anfang vom Ende gewesen, es folgte nur noch ein sehr herzergreifendes, gemeinsam gesungenes Lied und die Versicherung Jacks, dass er und Rosie gerne Harrys Junggesellenabend organisieren würden, sollte es jemals zu einer solchen, denkwürdigen Hochzeit kommen

Danach waren beide erheblich angeheitert die Treppe hinauf gestolpert und Harry hatte sich in sein neues Bett gelegt. Jack war ihm gefolgt und hatte sich zu ihm legen wollen, doch sein Freund hatte ihn ins Gästezimmer gejagt, das wäre ja noch schöner! Jack hatte beteuert, er wolle lediglich das Bett ausprobieren und Harry solle nicht so kleinlich sein.

In Harrys Kopf dröhnte, pochte und klopfte es immer lauter. Dieses permanente Klopfen machte ihn wahnsinnig. Er öffnete die Augen, und versuchte sie auch offen zu halten. Unter Mühen richtete er sich auf – das Klopfen kam nicht aus seinem Kopf, es kam von unten. Hämmerte da irgend jemand an die Tür? Er zog erneut die Brille auf, schaute auf die Uhr ... oh Mist, schon neun Uhr! Wo war Jack bloß? Der war doch ein Frühaufsteher, den konnten ein paar Gläser Wein normalerweise nicht umhauen. Vielleicht hatte er etwas zum Frühstück besorgen wollen und hatte sich dabei selbst ausgesperrt.

Na, dem werde ich helfen. Harry stand auf, rieb sich die Augen und die Schläfen. Der Weg zur Treppe und die Treppe hinunter dauerte ewig, er fühlte sich wie erschlagen. Im Flur angekommen, entdeckte er den Schlüssel von innen an der Haustür steckend. Klar, Jack hatte sich ausgesperrt! Er öffnete die Tür und sagte: „Typisch Jack! Hast du schon jemals ....“ er hob seinen Blick und da stand ... Miss Latimer!
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Schlagartig war Harry hellwach! Er starrte Miss Latimer an und sie starrte ihn an. Mit offenem Mund – nein, eigentlich starrte sie nicht sein Gesicht an, sondern seinen Körper. Harry sah an sich hinunter und wusste, warum Miss Latimer den Mund nicht zu bekam. Er stand in der Pyjamahose vor ihr – sonst hatte er nichts am Leib! Von draußen strömte die kühle Herbstluft herein und Harry versuchte vergeblich, sich vor ihr und den Blicken von Miss Latimer zu schützen.

„Miss Latimer ...? Was um alles in der Welt ... äh ... machen Sie denn hier?“ Konnte es sein, dass er eine Halluzination hatte? Nein, konnte nicht sein, denn jetzt sprach diese Erscheinung in klarem Englisch: „Guten Morgen Harry! Nett Sie zu .... sehen!“ sie schluckte und hielt sich krampfhaft um Halt suchend am Türrahmen fest.

Oh Harry, sagte er zu sich selbst, steh’ nicht da wie ein Mondkalb. Sag was! Aber was? Sollte er sie hereinbitten, und wenn er das tat, wie bekam er sie wieder los?
„Äh, Miss Latimer, was führt Sie in diese Gegend?“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und schaute sich schnell um. Mist, keine Jacke an der Garderobe.

„Was glauben Sie wohl, was mich hier in diese gottverlassene Gegend führt, Harry? Sie können aber auch Fragen stellen! Sie natürlich! Ich wollte sehen, wie Sie sich eingerichtet haben. Vielleicht kann ich Ihnen noch zur Hand gehen ...?“
Zur Hand gehen? Das hatte er Jack zu verdanken. Er sah noch seinen verzückten Blick am Telefon gestern, da hatte er garantiert was ausgeheckt. Na, der würde was erleben!

....Heiß und Kalt.... by doris anglophil
Author's Notes:

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Jack und die Hosenträger, eine kalte Dusche gefolgt von einer Standpauke

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Langsam begann er zu frieren, doch noch immer zögerte er, sie herein zu bitten. Er bekam eine Gänsehaut und rieb sich die Oberarme um sich aufzuwärmen, er würde doch glatt noch einen Knacks hier bekommen!

„Harry, wollen Sie mich hier vor der Tür versauern lassen? Kann ich nicht reinkommen? Sie frieren doch, Sie Armer! Sie müssen sich etwas ... äh ... anziehen!“ Miss Latimer lächelte verführerisch und kam einen Schritt näher zur Haustür. Plötzlich machte sie einen Satz seitwärts – sie wurde regelrecht weggestoßen von einem Neuankömmling. Gibt das jetzt eine Versammlung hier, wer kommt denn noch alles? Harry trat fröstelnd von einem nackten Fuß auf den anderen und sah in ein langgezogenes, neugieriges Gesicht mit einem leicht struppigen Bart. Das Gesicht blickte um die Ecke der Eingangstür und der dazugehörige Körper, in einen einteiligen Arbeitsanzug gekleidet und mit schweren Stiefeln an den Füßen, drängte Miss Latimer nun in Gänze zur Seite.

„Guten Morgen! Sie sind also der neue Besitzer von Sleepy Cottage! Da schau mal einer an. Mr. Kennedy, wenn ich mich nicht irre? Schön Sie kennen zu lernen! Ich muss sagen, ich bin einigermaßen erstaunt, Sie hier so stehen zu sehen! Sie sollten sich ... he, was soll das?“
„Das sollte ich wohl besser Sie fragen, wie können Sie es wagen, mich so zur Seite zu stoßen?“ Oh je, Miss Latimer wurde rabiat. Sie schaute Harry mit großen Augen an und wunderte sich wohl, warum sie nicht hereingebeten wurde.
Harry stemmte seine Hände in die Seite und sah von der Maklerin zu dem fremden Besucher.
„Kann mir mal irgend jemand sagen, was das werden soll? Guten Morgen“, richtete Harry den Gruß an den unbekannten Mann. „Stimmt, mein Name ist Kennedy, mit wem habe ich das Vergnügen?“
„Newitt, Owen Newitt ist mein Name. Wollte mich nur kurz vorstellen und Sie in unserer Gemeinde begrüßen, als neuer Einwohner dieses wunderschönen Dörfchens. Ich konnte ja nicht wissen .... äh ...!“
„Mr. Newitt, die Freude ist ganz auf meiner Seite. Sie können sicher verstehen, dass ich Sie nicht hereinbitten kann“!
„Hä? Ach ja, klar .... hä hä hä ... verstehe vollkommen! Hier gibt es wirklich nette ... äh ... Schafe!“ Er setzte ein zweideutiges Lächeln auf und befeuchtete seine Lippen mit der Zunge.

Zu Miss Latimer sagte Harry nur scharf: „Miss Latimer, bitte!” und wies mit seinem Daumen über seine Schulter.
„Na, dann will ich mal wieder,“ gab Newitt von sich. Doch dann starrten er und Miss Latimer wie vom Donner gerührt an Harry vorbei in den Flur. Jack war sicher wach geworden. Harry blickt sich um – und da stand er! Er zauselte mit seinen Fingern durch die strubbeligen Haare, gähnte und kniff verschlafen die Augen zusammen. Ansonsten sah er aus wie Harry: Barfuss, Pyjamahose, nackter Oberkörper und ... die verflixten Hosenträger!

Jack wurde sich der kuriosen Situation bewusst und setzte das gemeinste, breiteste Grinsten auf, das Harry je an ihm gesehen hatte.
Harry drehte leise aufstöhnend den Kopf wieder zur Haustür, legte ihn zur Seite, ging einen Schritt vor, griff Annabelles Arm und zog sie in den Flur. Er hob die Hand und grüßte den verblüfften Newitt, bevor er ihm die Tür vor der Nase zuschlug.
Na toll, klasse Einstand! Höchstwahrscheinlich gehörte dieser Kauz auch zum hiesigen Gemeinderat und die ganze unerfreuliche Geschichte ging ruckzuck im ganzen Dorf rum wie ein Lauffeuer. In diesem Dorf würde er vermutlich kein Bein mehr auf den Boden kriegen!

Jack würde büßen müssen! Harry blieb einen Moment vor der geschlossenen Haustür stehen, legte sein Hand auf die Augen und atmete mehrmals tief durch. Er fror erbärmlich und hinter ihm hörte er Jack leise kichern.
Miss Latimer war so gefasst, wie man in dieser Situation denn sein konnte. Sie zischte Jack an: „Du hast mir doch gesagt, da sei nichts zwischen dir und Harry!“
Harry traute seinen Ohren kaum, wann waren die Beiden zum Du übergegangen? Jack murmelte etwas und Harry blaffte ihn an: „Du hältst jetzt die Klappe, verschwinde nach oben und zieh dir was an und danach machst du Frühstück!“
„Dein Wunsch sei mir Befehl, Master!“ flachste er und wandte sich zackig der Treppe zu.
„Miss Latimer, Annabelle!“ Unter diesem Umständen schien ihm die Anrede mit dem Vornamen passend.
„Bitte setzen sich einen Moment, räumen Sie irgend etwas weg und setzen Sie sich um Himmels willen. Ich ziehe mir kurz was über und bin gleich zurück.“
„Also, mich stört das nicht! Ich mag Pyjamahosen, Harry,“ schnurrte sie.
Harry stockte, blickte sie kurz an, drehte sich um und lief die Treppe hinauf. Bei jedem Schritt dröhnte sein Kopf, er brauchte dringend Ruhe, Wasser, einen Kaffee und .... Jack!!

Im Bad rauschte bereits die Dusche, Harry störte das nicht. Er platzte in den warmen, feuchten Raum und riss den Duschvorhang zur Seite. Jack schrie erschrocken auf und drehte sich schnell zur Wand. Das Wasser rann weiter über seinen Rücken und ... seine Beine.
„Was ist???“ fragte er gereizt.
„Du musst dich jetzt nicht verschämt umdrehen, du Spinner! Ich will nur zwei Dinge wissen: Wie kommt Annabelle hierher und .... was machst du in Pyjamahosen und Hosenträgern am frühen Morgen an meiner Haustür, Jack?“
Der prustete in seiner Ecke los und sprach gegen die Wand und gegen das Geräusch des rauschenden Wassers. „Du hattest ja auch nix an!“
“Ich hatte wenigstens keine Hosenträger an! Was für einen Eindruck hat das wohl gemacht, hä? Und Annabelle? Was hat die hier verloren? Kannst du mir das sagen?“
„Ich hab’ nichts zu ihr gesagt, echt! Ich habe wirklich nichts gesagt, Harry. Du hast doch gehört, dass ich ihr davon abgeraten habe, hierher zu kommen! Ich konnte nicht wissen, dass sie tatsächlich hier anrückt!“

„Du lügst doch wie gedruckt! Ich war noch mal unten beim LKW, da hast du immer noch mit ihr gequatscht, ihr habt doch was ausgeheckt? Jetzt, mach’ dass du fertig wirst, sonst kneif’ ich dir zur Abwechslung mal in den Hintern, aber in den nackten, klar! Und wir sprechen uns noch!“
„Wenn du da noch lange rumstehst, werde ich nie fertig, verschwinde endlich! Oder ich komme eventuell auf noch ganz andere Ideen – genau, das ist es! Du duscht jetzt mit mir hier, du musst doch sowieso...“

Harry zog den Duschvorhang in einer raschen Geste wieder zu, drehte sich um und hielt kurz inne. Na klar, die Schnur! Wie in so vielen englischen Häusern, besonders in denen älteren Jahrgangs, gab es im Bad die Schnur mit dem Schutzschalter an der Decke. Er konnte nicht widerstehen, zog an der Schnur und – klack – war nicht nur das Licht aus, nein auch der Durchlauferhitzer schaltete ab, das Wasser wurde kalt und .... Jack unter der Dusche schrie auf.
„Harry, du mieser .... na warte, wenn ich dich erwische ! Zieh sofort an dem blöden Mistding ...“ Jacks Stimme verhallte hinter der geschlossenen Badezimmertür.
Harry lehnte sich einen Moment mit dem Rücken an die Tür und lachte laut auf, die Situation war dermaßen grotesk! Du meine Güte, was für ein glorreicher erster Tag in Dibley!
....Frischer Wind.... by doris anglophil
Author's Notes:

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Ein erster Blick und eine Aussprache

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Harrys Klamotten waren noch in Taschen und Kisten verpackt. Er wühlte auf die Schnelle eine Jeans und ein T-Shirt heraus und entledigte sich der leidigen Pyjamahose. So sehr er sich auch einen klaren Kopf wünschte, die Dusche musste warten. Er versuchte, seine verwuschelten Haare mit den Fingern einigermaßen zu ordnen und machte sich auf den Weg zu Annabelle.

Als er herunterkam, blickte er ins Wohnzimmer und sah die Maklerin langsam durch das Zimmer schreiten. Sie berührte mit ihren Fingerspitzen Möbelstücke, Bücher und CD’S. Träumerisch schaute sie sich mit einem Blick um, der sehr deutlich sagte, dass es ihr hier auch gefallen würde. Das konnte sie sich abschminken! Jetzt griff sie nach einem Hemd, das über der Lehne eines Stuhles hing. Sie nahm es hoch, es war Jacks Hemd. Bevor sie noch auf die Idee kam, auch daran zu riechen, trat er einen Schritt vor und stieß mit dem Fuß gegen die Stehlampe, die scheppernd umfiel.

Miss Latimer zuckte zusammen und senkte das Hemd. „Da wird Jack sich freuen, er sucht sein Hemd schon die ganze Zeit!“ Mit einem verkrampften Gesichtsausdruck überreichte Annabelle das Hemd, an einem Finger baumelnd, an Harry.
„Er duscht, wird aber gleich da sein. Wir haben den Umzug gestern etwas heftig gefeiert, wissen Sie!“ Harry druckste herum, alles musste sie ja nicht wissen.

Jack hüpfte wie auf’s Stichwort pfeifend die Treppe herunter: „Guten Morgen, Ladies, ist das nicht ein wunderschöner Tag? Annabelle, Harry, wie wäre es mit Frühstück? Soll ich uns was besorgen? Ich glaube, hier gibt es einen kleinen Laden. Mal sehen, ob die etwas für uns haben? Kramt ihr schon mal die French Press raus, ich schätze wir alle brauchen einen starken Kaffee!“
Jack sah aus wie das blühende Leben, während Harry das Gefühl hatte, mit einem Betonklotz am Kopf herum zu laufen.

„Ja, einen Kaffee könnte ich jetzt wirklich auch gebrauchen!“ murmelte Annabelle. Jack schlang seinen Arm um die junge Frau und drückte sie an sich. „Das glaube ich, meine Liebe, so eine anstrengende Fahrt! Du musst heute morgen schon in aller Frühe aufgestanden sein. Ist das nicht fürsorglich, Harry?“ Annabelle befreite sich aus Jacks Umarmung und schaute ihn ärgerlich an.
Harry konnte sich das Geschwätz nicht länger anhören. Er musste hier raus!
„Ich brauche dringend etwas frische Luft, mir platzt gleich der Schädel. Macht ihr schon mal Kaffee. In der Küche steht eine Kiste mit Tee- und Kaffeeutensilien, darin findet ihr alles. Ich muss mal raus!“

Harry schnappte sich seine Jacke und verließ das Haus. Die frische Herbstluft wehte ihm um die Nase und er atmete tief ein. Er ging die Auffahrt bis zur Straße und wandte sein Gesicht der Sonne zu. Sie stand sehr niedrig und blendete ihn so, dass es ihm in den Augen schmerzte. Müde kniff er sie zusammen und machte sich auf den Weg.

Der Weg zu dem kleinen Laden war nicht weit, doch der kurze Spaziergang tat ihm gut. Er schritt schnell aus, um seinen Kreislauf in Gang zu bringen. Dieser verwünschte Rotwein gestern Abend!
Im Geschäft war er der einzige Kunde und so hatte er den Einkauf schnell erledigt. Milch, Wasser, Toast, Butter und Marmelade sowie ein Glas Marmite, das musste genügen. Er ließ sich alles einpacken, wünschte der freundlichen Frau an der Kasse einen schönen Tag und machte sich auf den Rückweg.

Der Tag war in der Tat schön, Jack hatte schon recht. Er fühlte sich erfrischt und sein Kopf war ihm auch schon leichter geworden. Die Kirche kam in Sicht und er sah im Augenwinkel eine Bewegung. Eine Frau ging vom Eingang der Kirche über den Weg zur Straße, den er bei seinem ersten Besuch hier auch gegangen war.

Sie war nicht groß, ihr Körper war recht mollig und sie trug ein schwarzes Outfit. Sie ging sehr schnell und selbst aus der Ferne schien ihr Gesicht zu strahlen. Dieses Strahlen wurde umrahmt von dunklen Haaren, die im Wind flatterten. Irgend etwas an diesem Anblick berührte Harry, sein Blick folgte ihr über die Straße. Er beschleunigte seinen Schritt, vielleicht sollte er sie ansprechen? Sein Herz schlug plötzlich ganz schön schnell. Sie wandte sich der Pfarrei zu und ging flott auf die Eingangstür des Hauses zu. Harry würde sie nicht mehr einholen können, bevor sie an der Tür war.

Aus irgendeinem Grund bedauerte er dies, er selbst bog in die Auffahrt von Sleepy Cottage ein. Vielleicht suchte sie den Rat des Vikars, brauchte einen Trost oder hatte ein Problem, dass sie mit dem Pfarrer besprechen wollte? Hoffentlich kein Trauerfall, worauf ihre dunkle Kleidung eventuell schließen ließ. Aber wohl eher nicht, sonst hätte sie nicht so fröhlich vor sich hin gelächelt. Lebte sie hier in Dibley?, Er hatte sie vorher nie gesehen. Harry konnte sich nicht wirklich erklären, warum er darüber nachdachte. Er öffnete die Tür zu seinem Haus und trat ein. Vom Wohnraum her hörte er die Stimmen von Jack und Annabelle. Hatten sie sich gestritten? Auf eine Konfrontation mit den zweien hatte er nun wirklich keine Lust. Er würde wohl mal eingreifen müssen!

Doch als er die Jacke aufgehängt hatte und das Wohnzimmer betrat, saßen sie einträchtig nebeneinander auf dem schwarzen Sofa. Sie hatten den Wohnzimmertisch frei geräumt und mit wild zusammengewürfeltem Geschirr gedeckt. Der Kaffee duftete und Harry freute sich auf einen heiße Tasse des anregenden Getränkes. Vielleicht würde das helfen, die Reste des Katers zu vertreiben.
„Annabelle hat mir gerade erzählt, warum sie hierher gekommen ist, nicht wahr?“
„Halt den Mund, Jack. Das habe ich dir im Vertrauen gesagt, klar!“ Sie klang richtig sauer.
„Aber Harry ist mein Freund, er weiß einfach alles. Außerdem betrifft es ja auch ....“
„Jaaack! Lass es einfach sein, okay. Sag nichts mehr. Mit dir habe ich eh noch ein Hühnchen zu rupfen!“ Sie versetzte Jack seinen so festen Stoß, dass dieser fast von der Kante des Sofas fiel.
„Miss Latimer, Annabelle – vielleicht sollten wir wirklich darüber reden, meinen Sie nicht auch?“ Harrys Stimme klang ruhig und er sah sie direkt an.
„Na ja, wenn Sie meinen. Ich wollte nur nicht, dass Jack jetzt einfach so mit etwas herausplatzt, wissen Sie!“
„Jack hat recht, es gibt wirklich kaum etwas, was wir nicht miteinander teilen. Wir können auch über alles reden, wissen Sie. Für mich ist er ein wahrer Freund!“
„Nur ein Freund, oder auch mehr? Er sagt, Sie seien nicht miteinander ... na ja, Sie seinen kein Paar in dem Sinne...!“ Sie schwieg und senkte ihren Kopf.
Sie tat Harry fast ein bisschen leid. Was hatte sie sich denn gedacht, als sie so mir nichts, dir nichts hier auftauchte?

„Annabella, hören Sie! Ich bin nicht sicher ob ich verstehe, warum Sie hierher gekommen sind. Kamen sie wegen mir?“ Vielleicht war Angriff die beste Verteidigung und sie hatte eine Chance verdient.
„Ich wollte Sie eigentlich nur wiedersehen. Ich wollte wissen, wie Sie hier leben, wie es Ihnen hier ergeht. Jack hatte mir geraten, nicht zu kommen. Aber ich musste einfach, verstehen Sie!“
Jetzt sah Jack sie triumphierend an – ‚ich hab’ Dir doch gesagt’ sagte sein Blick.
Harry atmete tief ein, er musste jetzt dadurch, bevor es noch mehr Missverständnisse gab. „Annabelle, ich fühle mich etwas verwirrt. Ich finde Sie sehr nett und Sie haben mir sehr geholfen, aber ich empfinde nicht mehr für Sie als Dankbarkeit. Es tut mir leid ....!“

„Ja, schon gut, ich habe schon verstanden, Harry.!“ Sie seufzte und Jack rettete die Situation, in dem er abrupt das Thema wechselte: „Hast du eigentlich deinen direkten Nachbarn schon besucht, Harry?“ fragte Jack. „Den Pfarrer, meine ich. Diesen Granger oder wie der heißt? Ich denke, du musst dich da mal vorstellen, macht man das nicht so, wenn man irgendwo neu ist?“

„Keine Ahnung, in London hatte ich mich nie irgend jemandem vorgestellt!“ Wie Jack gerade jetzt darauf kam, fragte Harry sich und biss herzhaft in seinen Toast. Vielleicht sollte er das wirklich machen? Vielleicht konnte er einen Teil des Übels, das heute morgen an seiner Haustür angerichtet worden war, wieder ausmerzen. Er könnte die Situation klar stellen, bevor sich wilde Gerüchte im ganzen Dorf verbreitet hatten. Der Pfarrer hatte sicher auch einen gewissen Einfluss auf seine Gemeindemitglieder, so dass er vielleicht den Schaden begrenzen könnte.

Und wenn nicht, dann eben nicht. Dieser Newitt hatte sicher all seinen Bekannten, denen er heute morgen habhaft werden konnte, die Geschichte haarklein auseinander gelegt. Ein Mann, halbnackt an seiner Haustür, davor eine hübsche Blonde und dann taucht auch noch ein halb bekleideter Fremder im Flur auf. Das musste der Gerüchteküche richtiges Feuer geben! Und das ganze Elend in diesem schönen, betulichen Örtchen, in dem wahrscheinlich nie irgendetwas Skandalöses geschah! Vielleicht war es an der Zeit, dass hier etwas geschah. Sonst würde man sich eventuell zu sehr um Schafe und Kühe kümmern und das konnte ja auch nicht gesund sein. Oder zehn Kinder zeugen, wie dieser Horton!

Harry fühlte sich mittlerweile wieder halbwegs versöhnt mit dem Tag, der so katastrophal begonnen hatte. Er war sicher, dass er sich hier in Dibley wohl fühlen würde. Er würde sich an den Rhythmus dieses Lebens gewöhnen und hätte in London trotzdem genügend Abwechslung.
Jack dagegen würde an einem solchen Ort nicht glücklich werden. Harry wusste, dass der immer lustige, gut gelaunte Freund auch harte Zeiten durchlebte und an sich selbst und seinem Schicksal zweifelte
....Begegnungen.... by doris anglophil
Author's Notes:

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Erster nachbarlicher Besuch...und was für einer!

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Harry war allein. Er hatte noch einen Tag frei und war zum ersten Mal seit Tagen ganz allein. Annabelle war am Vortag, nicht lange nach dem Frühstück zurück nach London gefahren und Jack war ihr am Nachmittag gefolgt.
Der Abschied von seinem Freund war Harry nicht leicht gefallen. Er hatte sich plötzlich ein bisschen verloren gefühlt. Den Rest des Tages hatte er genutzt, um im oberen Stockwerk Kisten und Kartons auszuräumen und seine Klamotten zu sortieren.

Ein herrlicher Tag war angebrochen, die Sonne schien durch die Fenster und ein goldenes Herbstlicht erhellt die Räume im Cottage. Es war merklich kühler geworden, die Luft war klar und kalt.
Nach dem Frühstück brach er zu einem Spaziergang auf. Man musste nicht weit gehen, im direkt auf den Wiesen und Feldern anzukommen, die das kleine Dorf umrahmten. Er genoss die Stille und auch die tiefstehende Sonne. Er konnte frei atmen und sog die Herbstluft ein.

Immer wieder ertappte er sich dabei, wie er sich nach der Frau umsah, die gestern aus der Kirche in das Pfarrhaus gegangen war. Doch er konnte sie nirgends entdecken. Während des Spaziergangs begegneten ihm nur zwei Menschen, jedoch sprach ihn niemand an.
Auf dem Rückweg kehrte er in den Dorfladen ein. Heute waren hier mehrere Menschen versammelt, Harry vermutete, dass sie alle aus dem Dorf stammten. Sie unterhielten sich und Harry konnte nicht umhin, einige Gespräche mitzuhören.

Langsam ging er an den Regalen vorbei, verharrte hier und da und belauschte dann zwei Frauen, die sich über Vikar Granger unterhielten. Das war interessant! Der Vikar, der in direkter Nachbarschaft zu Harry wohnte, war eine Frau! Was für eine Überraschung! Die Damen unterhielten sich über den letzten Gottesdienst am Sonntag und waren hinsichtlich der Predigt der Vikarin wohl geteilter Meinung.

Harry schlich an den Regalen entlang, um noch mehr über die Frau zu hören, die der Kirchengemeinde von Dibley vorstand. Er blickte konzentriert auf die Dosen, die er eigentlich gar nicht brauchte oder wolle, nahm die eine oder andere in die Hand und legte sie in seinen Korb.
Sicher hatte Vikarin Granger keinen leichten Stand in diesem Dorf, eine Pfarrerin war selbst in diesen Zeiten keine Selbstverständlichkeit. Immer noch gab es weitaus weniger weibliche Geistliche als männliche in England. Harry kannte zwar keine Statistiken, doch dessen war er sich sicher.

Aha, mehr als zehn Jahre war sie schon hier. Dann hatten die Dorfbewohner sich bestimmt an sie gewöhnt, sie war kein Neuling mehr in der Gemeinde. Mittlerweile türmten sich die Lebensmittel in Harrys Korb, doch er konnte die Ohren vor dem Gespräch über Vikaren Granger nicht verschließen, also folgte er den beiden Damen so unauffällig wie möglich durch den Laden. Das war nicht so einfach, er war einfach zu groß, um unauffällig zu wirken. So dauerte es auch nicht lange, bis die beiden Damen verstummten und sich abrupt zu ihm umdrehten. Er stockte und stand ziemlich belämmert vor den Frauen. Peinlich berührt blickte er sie an. Er lächelte sie entschuldigend an und wünschte ihnen einen wunderschönen Tag.

Hastig wandte er sich um und ging mit dem Korb voller unsinniger Lebensmittel zur Kasse. Er bezahlte sie wortlos und verließ den Laden. Verhungern würde er auf keinen Fall!
Okay, jetzt hatte er seinem Ruf im Dorf alle Ehre gemacht. Jetzt galt er wahrscheinlich auch noch als Spanner. Ein Spanner, der schwul war und es aber auch im Pyjama mit einer kleinen Blonden trieb, und das früh am Morgen. Denn eines war sicher, jetzt kannten alle den neuen Besitzer von ‚Sleepy Cottage’, die absurde Geschichte von gestern hatte bestimmt ihre Runde gemacht.

Doch mittlerweile kannte er auch einige Bewohner von Dibley. Okay der weibliche Vikar war ihm noch nicht begegnet, er hatte aber immerhin von ihr gehört. Er hatte einen alten Kauz mit Vorliebe zum Orgelspiel und Verneinungen kennen gelernt. Er kannte Mr. Horton, den Mann mit zehn Kindern. Den Dachdecker Morris, der auch Umzugspeziallist war und sich phänomenal streiten konnte. Er kannte die Besitzerin des Lebensmittelladens, zwei gesprächige Bewohnerinnen Dibleys und Mr. Newitt, der seinem Outfit nach zu urteilen wahrscheinlich Farmer war. Da fiel der neueste Bewohner Dibleys, Harry, doch gar nicht ins Gewicht.

Auf dem Weg nachhause kam er wieder an der Kirche vorbei, und er schaute unbewusst kurz zur Kirchentür hinüber, aber heute kam keiner aus dem Gebäude. Dann blickte er zum Pfarrhaus gegenüber. Sollte er sich vielleicht heute schon dort vorstellen? Die Pfarrerin war nun seine Nachbarin und er hoffte, dass er sich mit ihr und ihrer Familie gut verstehen würde. Hatte sie überhaupt eine Familie? Die Ladies im Laden hatten keine Familie erwähnt.

Der Besuch musste wohl warten, er hatte sich heute noch einiges vorgenommen und wollte mit der Arbeit nicht unbedingt in Verzug geraten. Am Abend wollte er zumindest einen Raum soweit wohnlich eingerichtet haben, dass er sich darin auch wohlfühlen konnte.
Er ging durch die Auffahrt zu seinem Haus und blieb einen Moment stehen. Er schaute verträumt auf seinen Besitz und sein Herz machte einen Satz. Die Erfüllung eines lang gehegten Traumes. Er war stolz auf sich und darauf, dass er es geschafft hatte diesen Traum in Erfüllung gehen zu lassen.
Schade, dass jetzt niemand bei ihm war, mit dem er dieses schöne Gefühl, dieses Glück teilen könnte.

Bis zum Abend hatte er sich keine Pause gegönnt, doch im Wohnraum sah es immer noch fast unverändert aus. Es lagen jetzt noch mehr Bücher und CD’s herum, einige Stühle standen übereinander gestapelt und nahmen jede Menge Platz weg und diese verfluchte Stehlampe stand auch ständig im Weg!
Es war schon lange dunkel draußen, als es plötzlich an der Tür klopfte. Harry erstarrte. Er wunderte sich, wer ihn um diese Zeit noch besuchen wollte. Eigentlich hatte er keine Lust auf Besuch. Er strich sich schnell durch die Haare und zog seinen Ringelpulli glatt. Der Ringelpulli! Ausgerechnet! Ihm fielen Jacks Worte zu diesem Thema ein! Daran war auf die Schnelle nichts zu ändern. Schließlich ging er zur Tür, öffnete sie und ... da stand sie!

Er hatte seit gestern so oft an sie gedacht, es kam ihm fast wie ein Wunder vor, dass sie jetzt dort vor seiner Tür auftauchte! Sie war nicht allein, an ihrer Seite war eine junge blonde Frau mit einer interessanten rosa Steppjacke. Beide Frauen lächelten ihn an und er brachte nichts weiter heraus als: „Oh, hallo!“

Er bat beide herein und führte sie in das Wohnzimmer. Jetzt ärgerte er sich, dass er diesen Raum noch nicht auf Vordermann gebracht hatte. Er lächelte und entschuldigte sich für die Unordnung. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund war er plötzlich sehr nervös. Er sah auf diese Frau herab, sie war fast zwei Köpfe kleiner als er, sogar noch kleiner als die ihm knapp zur Schulter reichende Dorothy. Sie wiederum hob den Kopf und sah ihn mit einem offenen Lächeln an. Harry fühlte sich wie paralysiert, er vergaß beinahe, sich vorzustellen. „Ich bin übrigens Harry!“ Klasse, mehr fällt dir nicht ein, dachte er – und das stimmte.

Sie ließ sich nichts anmerken und stellte sich ihrerseits als Geraldine vor. Geraldine, er ließ diesen Namen in seinem Kopf nachklingen. So ein schöner Name – Geraldine! Er nahm ihre ausgestreckte Hand in seine.
Ihre Begleiterin stellte sich auch vor. Er hörte gar nicht richtig hin, schüttelte aber auch ihre Hand. Er versuchte sich auf ein Gespräch einzustellen, er verstand nicht warum es ihm so schwer fiel, einen klaren Gedanken zu fassen.
In seiner Vorstellung erschien plötzlich das Bild eines Fells vor einem warmen Kamin – was für Einfall! Du meine Güte, Harry, reiß dich zusammen.

Die beiden waren laut eigener Aussage gekommen, um sich vorzustellen und den Neuankömmling zu begrüßen
Entgeistert kreuzte er die Arme vor der Brust und äußerte sein Erstaunen über die Tatsache, dass in den ganzen fünfzehn Jahren in London, keiner der Nachbarn je an seiner Tür geklingelt habe. Und diese Alice faselte etwas über eine Klingel, die falsch geschaltet war.
Geraldine hingegen deutete auf seine Bücher, die im gesamten Raum verteilt waren und fragte ihn nach seinen Lieblingsschriftstellern. Harry versuchte sich zu sammeln und eine ansatzweise gescheite Antwort zu geben, was ihm wundersamerweise auch halbwegs gelang. Das erstaunte ihn selbst, denn in seinem Kopf schwirrte es regelrecht und sein Herz pochte und hämmerte.

Wie er den Rest der Zeit überstand, war ihm ein Rätsel. Später, als er wieder allein war, konnte er nicht mehr genau nachvollziehen, was er getan oder gesagt hatte. Ihm war seine Frage nach ihren Lieblingsautoren noch in Erinnerung, worauf diese Frau in rosa über ein Buch gesprochen hatte, in dem ein Maulwurf sich wundert, wer ihm wohl auf den Kopf geschissen hatte.
Geraldine nannte Jane Austen und die Bibel. Die Bibel, eigenartig, dass sie ausgerechnet darauf stand. Doch ihre Ausführungen zu ihrem Lieblingsbuch von Austen, Sense and Sensibility – die war ihm noch sehr gut in Gedächtnis. Sie ist eine Romantikerin, davon war er überzeugt! Und passte das nicht auch zu ihr? Mit ihrem strahlenden, weichen Zügen und ihrer herzlichen Offenheit – sie musste eine Romantikerin sein! Sie liebte Geschichten, in denen Frauen von gut aussehenden Fremden geradezu von den Füßen gehauen wurden.

Was für eine Vorstellung! Sprach sie aus Erfahrung? War sie je von einem gut aussehenden Mann erobert worden, oder war ihr Herz gar noch frei? Noch bevor er wusste was er sagte, hatte er sie bereits danach gefragt, ob sie so etwas hier in Dibley schon erlebt hätte. Die eigentümlichsten Gedanken sausten in seinem Kopf herum – und wieder dieses Fell vor dem Kaminfeuer ... .jetzt hat es dich endgültig erwischt, Harry!
Er neigte sich zu ihr, blickte sie an und sie antwortete nur: „Nicht wirklich!“

....Verwirrung auf der ganzen Linie by doris anglophil
Author's Notes:

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Alice, Wer ist Alice? Oder...Alice und der Kelch!

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Was für ein schöner Tagesausklang! Harry lehnte sich breit lächelnd auf dem Sofa zurück und faltete die Hände hinter dem Kopf. Plötzlich störte ihn die Unordnung nicht mehr, seinetwegen könnte alles so liegen bleiben, Geraldine hatte es nicht gestört!
Er schüttelte den Kopf, er war nicht fähig auszumachen, was in seinem Kopf vorging, was ihm zugestoßen war. Dieses Fell? Irritiert schloss er die Augen, hoffentlich hatte er bei dem Gedanken an das Fell nicht all zu blöd aus der Wäsche geschaut. Das kam nur von Jacks Einfluss. Der und seine Einfälle, da musste die Fantasie ja mit einem durch gehen.

Geraldine ...! Das war zuviel für einen einfachen Buchhalter, nichts was man zuordnen, zusammenrechnen oder sonst wie ausbaldowern konnte. Nun saß er hier mit seinem Talent und konnte nicht einschätzen, was da gerade passiert war!
Er würde eine Nacht darüber schlafen, genau! Morgen würde das Ganze schon wieder anders aussehen! Er würde auch Jack im Büro wieder sehen und mit ihm darüber reden können, ihm würde er diese eigenartigen Gefühle für Geraldine erläutern können. Gefühle für eine Frau, die er überhaupt nicht kannte! Das konnte doch nicht sein? Und das ihm!

Es klopfte erneut an der Tür. Harry zuckte zusammen, augenblicklich beschleunigte sich sein Puls! War sie noch einmal zurück gekommen? Er sprang auf und rannte zur Tür, öffnete sie und war sogleich enttäuscht. Es war Alice! Alice? Jetzt wusste er auch plötzlich, wo er den Namen schon einmal gehört hatte! Beim Streit zwischen diesem Horton und Morris nämlich! Das war also die Frau mit den zehn Kindern, die Frau dieses etwas ... beschränkten Hortons. Jetzt wurde ihm einiges klar.

„Hallo Harry, entschuldigen Sie, das ich jetzt noch mal störe! Ich wäre ja nicht noch mal gekommen ... aber meine beste Freundin Geraldine ... ja eben, Geraldine, hat mich jetzt eben hierher geschickt, weil ich vergessen habe, ja wie soll ich das jetzt sagen, also ich habe doch tatsächlich vergessen, Ihnen ein paar Dinge wieder zurückzugeben und Geraldine ... hat gesagt, ja, sie hat gesagt ...“

Würde sie endlich mal zur Sache kommen? Er bat sie herein, Geraldine hatte sie immerhin geschickt, das hatte vielleicht etwas zu bedeuten?
„Was haben Sie vergessen, Alice? Wollen Sie sich vielleicht ein paar Bücher ausleihen?“
„N-e-i-n, ich lese gerade den neuen Teil der Bibel!“ Sie sah ihn ganz ernsthaft durch ihre Brille mit runden, großen Augen an.
„Wirklich? Bitte setzen Sie sich doch!“ Dieser unerwartete Besuch eröffnete ihm vielleicht die Möglichkeit, etwas über Geraldine zu erfahren! Diese Idee war ihm gerade gekommen und so bot er Alice schnell einen Platz an, bevor sie wieder abzischte.
„Ja – denken Sie nur! Ein ganz neuer Teil, niemand kannte ihn bisher! Eine erstaunliche Entdeckung, wie ich finde, ja!“ Sie ließ sich vorsichtig auf dem Sofa nieder und strich ihren Rock glatt. Ihre Steppjacke schien jetzt noch umfangreicher als vorhin. War draußen der Winter hereingebrochen?
„Ein unentdeckter Teil der Bibel? Davon habe ich noch nie gehört! Sind sie sicher?“
„So sicher, wie man nur sein kann. Bei diesen Beweisen! Aber es wundert mich nicht, dass diese Tatsache geheim gehalten wird! Die katholische Kirche verheimlicht solche Dinge ja immer! Sogar Geraldine ahnte nichts, und sie müsste es ja eigentlich wissen!“
„Geraldine kennt dieses Kapitel auch nicht?“
„N-e-i-n, natürlich nicht, sie will davon nichts wissen. Aber ich durchschaue sie vollkommen, ich glaube sie will uns nur schützen!“
„Sie will Sie schützen? Was für ein ominöses Stück der Bibel ist es denn?“
„Der Da Vinci Code!“ Sie sah ihn bedeutungsvoll an und schwieg.
In Harrys Kehle baute sich ein kleines Lachen auf, doch er konnte es mit entsprechender Mühe zurückhalten und selbst sein Gesicht blieb ernst.

„Ich kann natürlich verstehen, was in ihr vorgeht!“
„Was in wem vorgeht?“ Harry war neugierig. Wovon in aller Welt schwafelte diese Frau?
„Sie musste das sagen! Geraldine, sie konnte gar nicht anders. Obwohl ich es nicht richtig finde! Doch ich musste es tun, ich musste die Sachen zurück bringen. Ich trage eine schwere religiöse Bürde, wissen Sie Harry?“
„Eine religiöse Bürde, so so!“
„Jaa – ich habe das eben Geraldine schon erklärt. Der Kelch* !! Ich glaube nicht, nein, ich glaube wirklich nicht, dass sie erfasst hat, worum es ging. Ich könnte ihr diese Bürde, diese religiöse Bürde nicht nahe bringen, wissen Sie?“

Nein, er wusste es nicht, er hatte nicht den blassesten Schimmer und außerdem hatte er das Gefühl, dass ihm dieses Gespräch völlig entglitt! Er musste versuchen, das Ruder herum zu reißen, um der Unterhaltung die richtige Wendung zu geben.
„Sie kennen Sie wohl schon lange?“
„Wen?“
„Geraldine!“
„Jaaa!“
„Wie lange denn?“
„Wie lange?“
„Ja!“
„Ich weiß nicht so recht ... es könnten jetzt, na ja, es könnten ungefähr ... ja es könnten an die, sagen wir mal, zehn Jahre sein!“

Sie war also schon lange hier! Da musste es doch einen Mann geben, sicher hatte sie sich jemand geschnappt! Er musste nun geschickt und unauffällig auf Geraldines Privatleben überleiten. Keine leichte Aufgabe, das war ihm mittlerweile klar. Alice war eine harte Nuss, doch er wollte sie knacken. Er musste unbedingt mehr von Geraldine wissen. Natürlich keine Geheimnisse, sie würde ja nicht mit intimen Details aufwarten, oder? Inzwischen war er sich fast sicher, dass bei Alice alles möglich war! Der Da Vinci Code als neuer, oder auch verlorener Teil der Bibel – das sagte doch schon alles.

Es erschien ihm fast unglaublich, dass diese beiden Frauen, mit so unterschiedlichen Charakteren, gute Freundinnen waren. Alice hatte immerhin behauptet, Geraldine sei ihre beste Freundin!

„Sie sind wohl gut miteinander befreundet, oder?“ fragte er unverfänglich. Sie schaute ihn an, ihre großen Augen blitzten ihn durch die Brille an.
„Jaaa ... das ist wohl so. Wobei diese Freundschaft ist vielleicht ... etwas einseitig, wissen Sie! Geraldine ist manchmal ... so eigen ...! Sie ist sehr bestimmend, wissen Sie! Gar nicht einfach, sie auf den richtigen Weg zu bringen, glauben Sie mir. Ich habe es nicht immer einfach mit ihr!“ Sie atmete tief ein und zupfte an ihren Haaren herum.
„Sie haben aber doch auch Spaß miteinander, sie alle vier?“
„Wieso vier? Was meinen Sie?“
„Na ja, Sie und ihr Mann, Geraldine und ihr .... Partner?“
„Geraldine hat nur einen Partner! Auch sie trägt eine Bürde!“ Sie nickte, faltete die Hände und blickte zur Zimmerdecke und legte dann in einer bedeutungsvollen Geste das Kinn auf ihre gefalteten Hände. Mit leise Stimme sagte sie: „Und mit diesem Partner kann man nicht ausgehen! Er ist ständig präsent, aber immer unerreichbar für uns Unwürdige!“ Ihr Gesicht sprach Bände, wieder dieses um Verständnis heischende Nicken des Kopfes.

Harry hatte absolut keine Ahnung wovon wie sprach. Doch eines war klar geworden – es gab es einen Mann in Geraldines Leben! Aber die Frage nach einem gut aussehenden Fremden hatte sie verneint. Das musste ja auch nicht sein, vielleicht hatte sie sich in einen unattraktiven, kleinen, unscheinbaren Mann verliebt? Wahrscheinlich war sie ganz zufrieden mit ihrem Leben hier. Auf ihn hatte sie sich nicht gewartet!

Alices Stimme unterbrach ihn in seinen Gedanken.
„Harry! Ich muss nun zu einer ernsten Sache kommen!“
Dem Da Vinci Code, oder ihrer religiösen Bürde? Harry musste unwillkürlich grinsen.
“Harry, die Sache ist wirklich Ernst. Schauen Sie!“
Aus beiden Taschen ihrer rosa Jacke zog sie jeweils ein Taschenbuch, dann öffnete sie den Reissverschluss und hielt die Jacke auseinander, innen hatte sie auch etwas verborgen! Seine kleine weiße Schreibtischlampe!
Diese Frau war ja unglaublich! Er hatte überhaupt nicht mitbekommen, dass sie etwas eingesteckt hatte. Klar, er hatte spaßeshalber angeboten, sie sollten sich etwas mitnehmen von dem ganzen Gerümpel im Wohnzimmer. Doch er hatte nicht geglaubt, dass eine der Ladies in tatsächlich beim Wort würde!

Geraldine hatte sie also zu ihm geschickt, um alles wieder zurück zu bringen. Eine sehr ehrlich Frau, wie schön. Schade nur, dass sie selbst nicht mitgekommen war.
....Ein Date, ein Date.... by doris anglophil
Author's Notes:

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Gerry und Harry und Jack ...?

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Ein wunderschönes Licht lag über Dibley. Die Sonne schien und der Himmel leuchtete in einem strahlenden Blau, es kam einem fast unwirklich vor.
Harry zog es hinaus, er genoss diese ruhigen, einsamen Spaziergänge sehr und im Stillen gratulierte er sich selbst! Hier herzuzuziehen, war die richtige Entscheidung gewesen, er zweifelte nicht mehr!

Er bog um die Straßenecke und da sah er Geraldine. Ähnlich gekleidet wie an dem Tag, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte, eilte sie vor ihm die Straße entlang. Ein Kribbeln lief über seinen Rücken und sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Seine Schritte beschleunigend, hatte er sie rasch eingeholt. Er grüßte sie und überrascht wandte sie sich zu ihm um. Ihr Gesicht erstrahlte heller als die Sonne und sie nannte seinen Namen.
Unruhig blickte er sich um, schnell ein unverfängliches Thema, Harry! Die Vikarin, genau, unverfänglicher konnte ein Gespräch nicht sein.
Er habe gehört, dass es in Dibley einen weiblichen Vikar gebe und fragte nun ob sie beliebt sei?
Geraldine musste sie kennen, schließlich lebten beiden seit 10 Jahren im selben Dorf. „Überaus beliebt“, bestätigte Geraldine.
Harry schmunzelte, seine geheime Vorliebe für Frauen in Uniform fiel ihm ein: „Dieser weiße Kragen ...“ meinte er und Geraldine blickte ihn erstaunt an. Er sprach es einfach aus, wie ansprechend dieser Gedanke für ihn sei, diese Verheißung von Zartheit unter der strengen Tracht, gleich welcher Art.

Sie trug es mit Fassung und machte einen derben Scherz. Harry blickte auf die Straße vor ihm, In Gegenwart dieser Frau konnte er nicht klar denken, was für einen Blödsinn erzählte er denn da?
Er versuchte, die Situation noch zu retten und meinte, dass die Vikarin wahrscheinlich eine ganz normale grauhaarige Dame sei, die nach Lavendel roch. Langsam hatte er das Gefühl, sich aus dem Staub machen zu müssen, bevor er noch mehr Unsinn faselte. Sie verabschiedeten sich. Harry wollte schnell in eine Seitenstraße einbiegen. Doch er verharrte eine Sekunde und ohne darüber nachzudenken, wandte er sich um und sprach sie erneut an.

Er konnte es selbst kaum glauben, aber er bat sie um eine Verabredung, fragte sie tatsächlich, ob sie wohl heute Abend mit ihm essen gehen würde und zu seiner größten Überraschung sagte sie prompt zu. Sie wollte ihm noch etwas mitteilen als sein Handy klingelte und sie in ihrem Gespräch unterbrach. Er ärgerte sich, doch er nahm das Gespräch entgegen. Jack! Der Kerl hatte ein untrügliches Gespür für unpassende Momente. Er meldete sich und bat um eine Sekunde.

Geraldine sah ihn an, er bat sie um Verständnis, dieses Gespräch würde einige Zeit in Anspruch nehmen, so viel war klar. Doch sie war nicht sauer, sie könne vergeben, meinte sie und lachte! Er musste diese Chance nutzen und bat vereinbarte daher rasch mit ihr noch die Uhrzeit für das Essen. Er war ein Glückspilz, er hatte ein Date ... mit ihr!

Noch ein letzter Blick, dann konnte er sich Jack widmen. Er blickte Geraldine nach, bis sie um eine Ecke verschwand. Er seufzte und hob das Handy ans Ohr: „Jack, mein Lieber, was gibt es denn Dringendes? Du rufst immer zum richtigen Zeitpunkt an, weißt Du! Ich habe mich eben ...“
Jack unterbrach ihn enthusiastisch: „Harry, du wirst nicht glauben, was mir passiert ist!“
Du mir auch nicht, Jack ... du wirst mir auch nicht glauben!
„Harry, bist du noch dran? Ich musste unbedingt mit dir reden, wem soll ich es denn sonst mitteilen, wenn nicht dir?“
„Was ist denn los, Jack?“
„Harry, Harry, Harry, mir ist etwas Unglaubliches zugestoßen ... unglaublich, sage ich dir! Ich habe jemanden getroffen!“ Seine Stimme klang total überschäumend, er schrie fast ins Telefon. „Wahnsinn ... und das mir!“

Komisch, Harry hatte das Gefühl, er hätte diese Worte gesagt ... ‚und das mir’!

„Könntest du das vielleicht etwas spezifizieren, mein Freund?“ jetzt war auch er gespannt, was Jack zu erzählen hatte.
„Mensch Harry, frag’ nicht! Das ist echt der Hammer, wirklich, ich kann gar nicht klar denken!“
„Na spuck’s schon aus, ich will’s jetzt wissen!“

Er hörte Jack tief durchatmen, als ob er erst seinen gesamten Mut sammeln müsste, um ihm von diesem Ereignis zu erzählen.
„Ich habe jemanden kennen gelernt. Einen Mann, weißt du! Einen tollen Mann, er ist der absolute Gott ... Harry! Er hat ein Herz so groß wie eine Scheune! Er ist gebildet, groß, süß, hat wunderschöne Augen und ein bezauberndes Lächeln, das hat mich völlig gefangen genommen. Ich weiß gar nicht, was mit mir geschehen ist!“

Harry war fast, als ob er sich selber zuhörte. Jack schwärmte genauso von diesem Mann, wie er von Geraldine. Was für eine Fügung, sollte die Liebe in ihre beiden Leben getreten sein? Und das innerhalb einiger Tage? Die Liebe? Nun mach mal halblang, Harry!

„Kenne ich ihn?“ fragte er.
„Nein, ich glaube nicht. Ich habe ihn auf der Geburtstagsfeier von Max kennen gelernt. Er arbeitet in der City und die beiden spielen zusammen Tennis. Er stand plötzlich da! Er ist noch größer als du, Harry. Er hat die schönsten blauen Augen, die ich je gesehen habe und diese Nase! Ich liebe diese Nase!“

"Größer als ich, blaue Augen, markante Nase? Und er heisst nicht zufällig Matthew Macfadyen? Dann wärst du nämlich einem Irrtum erlegen, der ist glücklich verheiratet und hat zwei Kinder. Aber seinen Namen weisst du schon, oder?"

„Ich dachte, den hätte ich dir schon genannt. Es natürlich nicht dieser Macfadyen, den kenne ich doch aus dem Fernsehen, nein, er heißt Christopher, Mensch!“
„Und du liebst seine Nase?“ Harry müsste kichern. Was für eine schöne Vorstellung.

„Ja, ja ... Harry, ist das nicht ein Wunder? Ich fühle mich wie auf Wolken, mein Kopf ist gefüllt mit ihm und drum herum ist nur Watte. Verstehst du, was ich meine? Doch in einer ganz kleinen Ecke hockt das Biest ... und ich habe Angst, wenn ich aufwache, nimmt es überhand und alles ist vorbei. Ich kann es nicht richtig erklären, aber ich wurde schon so oft enttäuscht.“
„Ich weiß ganz genau, was du meinst! Kumpel, ich kann das gut nachfühlen. Diesen nagenden Zweifel kenne ich nur zu gut. Aber manchmal muss man einfach schnell zupacken, nicht lange überlegen und nichts wie hinein ins Abenteuer. Ich glaube, das ist eines unserer größten Probleme, der Kopf übernimmt die Führung, das Herz bleibt zurück. Lass uns das Hirn abschalten und unserem Herzen folgen, Jack!“

„Wir, Harry? Was meinst du mit wir?“ fragte Jack erstaunt. Harry zögerte einen Augenblick. Jack war so glücklich und sein Glück verdiente seine ganze Aufmerksamkeit. Doch er hatte im derzeit auch niemanden, dem er von seinen Empfindungen hätte erzählen können, Rosie war so weit weg!
„Ich habe auch jemanden kennen gelernt!“ Er atmete tief durch und wartete auf eine Erwiderung.
„Jetzt machst du es spannend, oder. Wen denn? Wen hast du kennen gelernt? Eine Frau? Sag schon, Harry!“
„Eine Frau, ja. Ich habe sie noch nicht wirklich kennen gelernt. Ich habe erst zweimal mit ihr gesprochen aber ich habe mich eben mit ihr verabredet, ich gehe heute Abend mit ihr essen! Dein Anruf hat uns unterbrochen!“
„Mist, tut mir leid, dass ich buchstäblich dazwischen gefunkt habe! Aber die Verabredung steht, oder?“
„Ja, die steht. Acht Uhr heute Abend treffen wir uns“!

„Das nenne ich jetzt einen Zufall! Harry, wir beide schaffen das, oder? Schade, dass du nicht hier bist. Wir könnten ein Bier trinken gehen und darüber quatschen. Aber wir sehen uns morgen. Aber wer weiß, was morgen ist? Ich kann den morgigen Tag nicht abwarten, ich sehe Christopher nämlich morgen wieder! Was für eine Geschichte, Harry. Übrigens, wie heißt sie denn?“
„Geraldine!“
„Schöner Name. Mein Lieber, was wird nur aus uns werden? Wir beiden Unschuldslämmer, meinst du wir kriegen das hin? Eine solide Partnerschaft bedeutet viel, viel Arbeit!“
„Jetzt hör’ mal gut zu, Jack: Ich will auf deiner Hochzeit tanzen, klar! Du hast mir versprochen, dass ich dein Trauzeuge werde! Also halt dich ran! Sei kein Pessimist, denke positiv!“
....Ein Dinner mit Folgen.... by doris anglophil
Author's Notes:

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Who is who in Dibley?

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Er war den Rest des Tages total aufgedreht gewesen. Es hätte auch sein erstes Date überhaupt sein können, so aufgeregt war er. Der Anruf von Jack tat sein Übriges dazu. Er wünschte sich, dass sein Freund glücklich werden sollte und er hoffte, dass sowohl Jack als auch er ein erfülltes Leben würden leben können. Wäre es nicht wunderbar, wenn sie zur gleichen Zeit jemand gefunden hätten – jemanden zum Lieben und Halten, jemanden zum Umsorgen, zum Reden und jemanden, mit dem man das Bett teilen und am nächsten Morgen gemeinsam aufwachen könnte!

Er hatte nichts anderes mehr im Kopf gehabt, Jack und Geraldine, Geraldine und Jack. Dabei hatte er im Haus noch vieles tun wollen. Stattdessen war er planlos in seinem Cottage hin und her gelaufen, ohne wirklich etwas zu verändern. Ständig hatte er an den Abend denken müssen, und an das was ihn wohl erwarten würde!

Eine wunderschöne Frau hatte ihn erwartet! Harry konnte seinen Blick nicht von ihr abwenden. In ihren dunklen Haaren, schimmerte ein kleines Sternchen, das seine Augen immer wieder einfing. Sie sagte, dass sie direkt von der Arbeit kam und dabei sah sie aus, als hätte sie sich stundenlang auf diesen Abend vorbereitet!

Sie saßen sich direkt gegenüber. Harry schenkte den Wein aus und lehnte sich entspannt zurück. Seine Frage nach ihrem Beruf war heraus, bevor er es recht bemerkte. Nein, sie sollte sie nicht beantworten, er wollte sie zuerst besser kennen lernen, was sie beruflich tat, war jetzt nicht wichtig.

Konnte man einen Menschen nicht auch falsch einschätzen, wenn dieser zum Beispiel gesagt hätte, er sei ein Buchhalter? Vielleicht würde man zunächst nicht viel von ihm halten, doch möglicherweise es gab sehr viele fesselnde Buchhalter?
Geraldine lächelte und stimmte ihm sofort zu. Auch sie hatte einmal einen Buchhalter kennen gelernt und nach ihrem Dafürhalten sei er fünfzig Mal interessanter gewesen, als alle anderen Buchhalter, die sie je getroffen hatte, erklärte sie. Auf seine Nachfrage, wie er denn gewesen sei grinste sie und sagte: „Sehr langweilig!“
Beide lachten und Harry fand ihren Humor einfach bezaubernd. Und wie hinreißend sie aussah, wenn sie lachte. Ihre Augen blitzten auf und dieser Ausdruck traf ihn mitten ins Herz!

Den Mann, der plötzlich an ihren Tisch trat, erkannte Harry sofort. Es war Mr. Horton, der so vehement mit Morris gestritten hatte! Er grüßte beide und Geraldine stellte ihn als Hugo vor. Er war also nicht der frühere Besitzer von ‚Sleepy Cottage’! Irritiert bemerkte Harry, dass Hugo nicht das kleinste Anzeichen des Wiedererkennens zeigte! Erkannte er ihn denn nicht? Er konnte ihn doch unmöglich vergessen haben! Harry wunderte sich, doch er ließ sich nichts anmerken und machte lediglich eine beiläufige Bemerkung zu Hugos Krawatte.
Als er von Hugo gefragt wurde, ob er denn schon die Vikarin kennen gelernt habe, entgegnete Harry , dass er noch nicht das Vergnügen gehabt habe. Nachdem Geraldine Hugo geradezu vom Tisch gejagt hatte, äußerte er seine Verwunderung über das allgemeine Interesse an der Vikarin. War sie wirklich, so bewunderungswürdig? Er sah Geraldine fragend an und sie verneinte dies. Sie kenne die Pfarrerin schon lange und sie wisse, dass sie jede Menge großer Fehler habe!

Harry blickte tief in ihre funkelnden Augen, er versank förmlich darin. Er beugte sich nach vorn über den Tisch und seine Stimme klang sehr verführerisch tief, als er sagte: „Haben wir die nicht alle?“ Die Luft zwischen beiden knisterte regelrecht als Geraldine antwortete: „ Ich weiß nicht, an Dir habe ich noch keine entdeckt!“

Oh, wenn sie wüsste, dachte er. Er erkannte seine Stimme kaum als er zurückgab: „Und ich keine an dir!“
Ihre Züge wurden noch eine Spur weicher und in ihren Augen lag ein sanfter Schimmer - dieser Anblick warf ihn um. Wie unglaublich sie war, wie ungewöhnlich. Noch nie hatte er eine solche Frau kennen gelernt!

Jäh wurden beide aus dieser zauberhaften Stimmung gerissen, denn erneut kam ein Mann an ihren Tisch. Er stellte sich als David Horton, Vorsitzender des Gemeinderates, vor und Harry blieb die Spucke weg, als er Geraldine als Vikarin begrüßte!
Hatte er sich etwa verhört? Geraldine war die Vikarin?
Und nicht nur das, dieser Horton war der Vorbesitzer seines Cottages – noch ein Horton! Harry schaute ihn verwirrt an, der Mann verabschiedete sich und ließ ihn mit Geraldine wieder allein.

Nun blickte er verblüfft zu Geraldine. Sie sah ihn zerknirscht an, ihr Blick sprach Bände. Ja, sie war in der Tat die Vikarin und sie gab zu: „Was die Fehler angeht – hier hast du einen – ich bin eine riesengroße Lügnerin!“
Fast etwas selbstzufrieden über diese Erkenntnis lehnte Harry sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte seine Arme vor der Brust. Er war ihr nicht wirklich böse, doch ein bisschen schmoren sollte sie schon! Und jetzt kannte er natürlich auch ihren ominösen Partner, den Alice so geheimnisvoll erwähnt hatte!

Er begleitete sie nachhause. Sie war nicht nur die, nein sie war auch seine Nachbarin. An ihrer Tür angekommen, bat sie ihn nicht herein, natürlich nicht, schließlich war sie das geistliche Oberhaupt der Gemeinde, Gerede konnte sie sich nicht erlauben!
Leider wurde nichts aus dem erhofften Abschiedskuss. Sie äußerte sich geheimnisvoll in Bezug auf Verabredungen und Lippenkontakt! Harry lachte und bedankte sich für diesen wundervollen Abend, er wünschte ihr eine gute Nacht.

Er war noch nicht auf der Straße angelangt, als er innehielt. Was hatte sie gesagt? Verabredungen und Küsse ... das musste er genauer wissen, so wollte er nicht gehen. Außerdem könnte er noch einen weiteren Blick auf sie werfen. Und so drehte er sich um und klopfte an ihre Tür. Nur Sekunden später öffnete sie und er konnte sich nicht satt sehen an ihrem schönen Gesicht, den Augen, und ... ihren Lippen. Harry lehnte sich an den Türrahmen und bedankte sich erneut für den Abend, doch er bat auch um Aufklärung: „Was hat es denn nun genau mit Verabredungen und Küssen auf sich, kannst du mir das sagen?“ fragte er forsch.

Ihre Erklärung war ebenso einfach wie eindeutig „Kein Kuss bei der ersten Verabredung, bei der zweiten wahrscheinlich auch keiner, bei der dritten – ganz klar, ja ... Zungenkuss!“
Sie lächelte verschmitzt und zog ihre Augenbrauen hoch. Harry durchflutete ganz plötzlich Wärme. Er fühlte sich wie ein Primaner, der sich zum ersten Mal verliebt. Diese Versprechungen kamen ihm wie der Himmel auf Erden vor. Er hielt sich noch immer am Rahmen der Tür fest, und das war auch gut so!

Bevor er ging, nahm er ihre Hand und küsste sie. Ein letzter Blick und er verschwand. Auch dieses Mal kam er nicht weit, etwas zog ihn magisch zurück zu dieser Tür, noch einmal musste er sie sehen! Noch einmal dieses Bild in sich aufnehmen, ein Anblick, den er mit in den Schlaf nehmen könnte.
Er klopfte fest an die Tür und Geraldine erschien fast augenblicklich, hatte gewusst, dass er es war, das sah er ihr an.
„Entschuldige – ein letzter Blick – ja, das ist es!“
Seine Hände hielten sich am oberen Rand der Tür fest, sein aufgewühlter Körper brauchte diesen Halt. Er stieß den Atem heftig aus und atmete dann tief ein.
„Ich sehe dich morgen!“ Sie nickte zustimmend und er ging.
Sie rief ihm nach: „ Übrigens, ich habe gar nicht gefragt, was machst Du eigentlich beruflich?“
„Ich bin Buchhalter!“ antwortete er.
....Besuch.... by doris anglophil
Author's Notes:

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Wer gibt Harry wieder gut Ratschläge? Rosie!

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Harry schwebte auf Wolken. Egal, was er auch tat, alles ging ihm problemlos von der Hand, er fühlte sich einfach gut. Und Geraldine ging ihm nicht aus dem Kopf. Er musste auch heute wieder nach draußen, wenn er in Bewegung war und diese weiche Luft einatmete, konnte er nachdenken. Und es gab so unglaublich viel zu überlegen, manchmal wunderte er sich, wie schnell das alles gekommen war. Schließlich wohnte er erst seit ein paar Tagen hier.

Es war nicht bei dem Abendessen geblieben. Schon am nächsten Tag hatte er Geraldine zufällig während eines Spaziergangs auf der Straße getroffen. Zwar keine richtige Verabredung, doch eine gute Gelegenheit, um Hand und Hand zu gehen. Sie waren gemeinsam durch das Dorf geschlendert, ohne ein besonderes Ziel und Geraldine hatte ihm von sich und ihrer Zeit in Dibley erzählt. Sie hatte eine ganz eigene Art, ihm das zu schildern und Harry musste oft herzhaft lachen. Doch ihr Humor täuschte nicht darüber hinweg, dass es auch schwere Zeiten für sie gegeben hatte. Ein weiblicher Vikar in einem abgelegenen Dorf hatte für viele Kontroversen gesorgt.

Mittlerweile hatte er selbst fast den ganzen Gemeinderat kennen gelernt, und ihm war klar, dass Geraldine ein ordentliches Durchsetzungsvermögen haben musste, um mit diesen Menschen zurecht zu kommen. Doch scheinbar fühlte sie sich hier wohl. Während dieses gemeinsamen Spazierganges hatte sie aber auch von ihrer Einsamkeit gesprochen. Sie, die so viele Paare in den Stand der Ehe versetzt hatte, war nie selber Braut gewesen.
Er hatte ihre Hand fester umschlossen, wenn es nach ihm ginge, sollte diese einsame Zeit für Geraldine vorbei sein. Diese Worte hatten ihm auf der Zunge gelegen, doch es war zu früh, sie auszusprechen. Er wollte sich, und auch ihr noch Zeit geben. Denn an eines musste er sich auch gewöhnen – Hand in Hand mit der Vikarin zu gehen!

Stattdessen hatte er ihr von Jack erzählt. Einerseits war es wichtig, irgendwelchen Gerüchten vorzugreifen, denn sicher hatte sie von dem denkwürdigen Morgen in Pyjamas und der fremden Frau gehört. Andererseits wollte er ihre Meinung zum Thema „Liebe auf den ersten Blick“ hören. Indem er Jacks Fall schilderte, berichtete er indirekt auch von sich.
Könnte sie sich vorstellen, nach so kurzer Zeit eine feste Bindung einzugehen? Sie ging mit keinem Wort auf die Tatsache ein, dass Jack homosexuell war. Doch ja, sie könne sich gut vorstellen, sich Hals über Kopf zu verlieben. „Ja, wieso auch nicht!“ sie sprach ziemlich energisch. Sie sei sicher, schon nach kürzester Zeit würde sie wissen, wie es um sie stand und ob der Mann zu ihr gehören könnte!

Sie hatte sich zu ihm gewandt und ihn gefragt: „Und wie ist es bei Dir? Ist es Dir auch schon einmal so ergangen!“
„Ja!“ hatte er gesagt, ihre Hand zu seiner Brust gezogen und ihr tief in die glänzenden Augen gesehen. Und bevor er sich’s versah hatte er ihr von Justine und Dorothy erzählt , ohne Scheu, ohne zu zögern.

Und natürlich hatte er sie wieder getroffen. Sie hatte mit Tränen in den Augen in der Tür gestanden, er war nicht sicher, ob er überhaupt bleiben sollte, doch sie hatte ihn schließlich noch hereingebeten. Sie lachte bereits wieder, denn sie hatte ihren Lieblingsfilm Sense & Sensibility gesehen und wie immer, musste sie am Ende weinen. Beide hatten sich dann herzlich über Emma Thompsons unheimliches Geräusch amüsiert, das sie ausstößt als sie erfährt, dass Hugh Grant nicht verheiratet ist und somit noch auf dem Markt ist. In einer unnachahmlichen Art hatte sie diesen Aufschrei imitiert. Harry hatte lauthals gelacht, sie war einfach köstlich!

Doch er hatte noch eine ernste Angelegenheit mit ihr besprechen müssen. Ganz den Buchhalter rauskehrend, in welche Schulden sie sich gestürzt hatte. Sie hatte ihn angesehen und erstaunt gefragt: „Schulden?“
„Schulden! Diesen Besuch heute könnte man durchaus als unsere dritte Verabredung ansehen. Und so schuldest du mir alles in allem ... einen Kuss mit Zunge.

Sie hatte gelacht, doch zuerst hatte sie die Rechnung mit gespieltem Ernst überprüfen wollen, um ihren Rückstand dann aber umgehend auszugleichen. Sein Herz hatte kurz ausgesetzt, um dann umso heftiger weiter zu pochen. Ihre Lippen schmeckten so süß, waren so unvergleichlich weich und warm gewesen! Er war in ein seliges Sehnen abgetaucht, sein ganzer Körper war unter einer seltsamen Spannung erbebt, unerträglich fast ... unerträglich schön.

Sie hatten noch einen wunderschönen Abend miteinander verbracht. Sie hatten auf ihrem Sofa gesessen und miteinander geredet. Er musste seine Gefühle im Zaum halten, er wollte sie nicht damit überfallen. Sein Herz floss über, doch seine Zunge wollte noch nicht alles offen legen. Beim Abschied an der Tür hatte er sie wieder geküsst, hatte sich zu ihr hinunter gebeugt, ihr tief in die Augen gesehen und der Schimmer in ihnen ließen sie wie Sterne erscheinen.

Während des ganzen Spaziergangs hatte er nur die Ereignisse der letzten Tage im Sinn – Geraldine beherrschte sein gesamtes Denken. Fast zuhause angekommen, klingelte sein mobiles Telefon. Er holte es aus seiner Manteltasche und meldete sich.
Es war Rosie! Hatte sie einen siebten Sinn? Sie rief im rechten Augenblick an. Und sie war auf dem Weg nach Dibley, er hätte sie knutschen können. Endlich jemand, mit dem er alles würde bereden können, er konnte es kaum abwarten!

Die Zeit verging wie im Flug. Er hatte noch einiges im Haus erledigen können und schon bald hörte er ein Auto die Auffahrt herauf fahren. Er rannte aus dem Haus, öffnete die Autotür und nahm ihre Tasche entgegen. Sie sah einfach blendend aus, die Strapazen der Reise und den Verhandlungsstress sah man ihr überhaupt nicht an. Sie lachte ihn an und sie umarmten sich fest.

Er legte ihre Reisetasche in den Flur, schloss die Tür und hakte seine Schwester unter. „Auf, zu einem schönen, langen Spaziergang! Du wirst sehen, die Gegend hier bringt das Blut regelrecht in Wallung.“

Der Ort gefiel ihr auf Anhieb, sie strahlte über das ganze Gesicht und gratulierte ihm zu seiner Entscheidung. Natürlich hätte sie gerne zuerst sein Haus inspiziert, doch auch ihr tat die Bewegung gut und während eines Spaziergangs ließ es sich einfach prima quatschen.

Er erzählte ihr von Geraldine, schüttete ihr regelrecht sein Herz aus. Sie hörte aufmerksam zu und schwieg zunächst. Die Neuigkeiten sprudelten förmlich aus ihm heraus und er war gespannt, was sie wohl sagen würde.

„Du sagst ja gar nichts!“ sagte er ungeduldig. Sie lächelte ihn an, nahm seine Hand in ihre und drückte sie fest.
„Mein Lieber, ich bin sprachlos. Kaum lässt man dich mal allein auf dem Land, schon hast du eine Affäre!“
„Von einer Affäre sind wir weit entfernt!“
„Wieso? Du bist mit ihr ausgegangen, hast mit ihr gegessen, hast sie mit Tränen in der Augen gesehen, hast sie geküsst ... das nenn’ ich eine ausgewachsene Affäre, da kannst du sagen, was du willst!“
„Ich bin mir nicht so sicher, weißt du. Meinst du nicht, das geht alles ein bisschen schnell?“
„Schatz, wie alt bist du? Du bist doch kein Teenager mehr und sie offensichtlich auch nicht. Was gibt’s denn da zu übereilen, auf was wollt ihr den warten?“ Sie drehte sich plötzlich um.
„Was ist?“ fragte er.
„Nichts, ich dachte nur, ich hätte jemanden gesehen.“
„Also, wo waren wir? Teenager, genau. Befrag mal dein Herz, zur Abwechslung könntest du mal da drauf hören und nicht immer alles ausrechnen, vorausplanen und abwägen! Magst du sie, hast du sie lieb, oder ist es gar schon mehr?“

Er schwieg einen Moment. Was für eine Frage – er musste nicht lange überlegen, er hatte sich Hals über Kopf in diese Frau verliebt, und er wollte mit ihr zusammen sein. Er wollte sie nicht mehr hergeben.
„Ich liebe sie!“ sagte er ruhig und bestimmt.
„Das habe ich mir gedacht. Wenn’s dich erwischt, dann richtig. So und nicht anders kenne ich dich. Und was machst du jetzt?“

Er sah sie erstaunt an: „Ich dachte, du könntest mir einen Tipp geben. Ich brauche deinen Rat unbedingt. Deshalb bin ich ja auch so froh, dass du heute hier aufgetaucht bist. Quasi aus dem Nichts!“
„Das würde dir so passen. Sei versichert, hier hilft dir keiner raus, da musst dich schon selber anstrengen, mein Lieber. Niemand kann dir diese Aufgabe abnehmen. Aber du wirst sehen, hast du erst mal einen Anfang genommen, läuft es wie von selbst. Und hast du nicht gesagt, diese Zuneigung, was auch immer sie letztendlich ist, wäre nicht einseitig?“

„Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass sie etwas für mich empfindet. Keine Ahnung wie ernst das für sie ist, aber ich müsste schon ein Ignorant sein, um mich in dieser Hinsicht zu irren. Klare Anzeichen von Zuneigung!“
„Na also, worauf wartest du? Geht es dir zu schnell, oder weißt du nicht wie du’s anfangen sollst? Du bist doch nicht auf den Mund gefallen, fass’ dir ein Herz und lege es ihr vor die Füße!“ Sie lachte.

Sie stellte sich das so einfach vor, doch er hatte seine Zweifel, dass Geraldine ausgerechnet auf ihn gewartet hatte. Was könnte er ihr sagen, sollte er ihr tatsächlich nach so kurzer Zeit die Ehe vorschlagen, wahrscheinlich würde sie sich totlachen und ihm an den Kopf greifen. Das würde er sogar nachvollziehen können. Er glaubte es ja selbst kaum. Wie sollte er es dann ihr klarmachen??
Sie liefen über eine Weide und stiegen über ein Gatter um wieder zu einem Feldweg zu kommen.

Plötzlich fiel ihm Jack ein und er sagte zu Rosie „Hör mal, Hühnchen, Du wirst es nicht glauben, aber Jack...!“
„Jack ist in dich verliebt, das weiß ich schon lange!“
„Mensch Rosie, da hättest du ja auch schon mal früher den Mund aufmachen können! Warum hast du nie etwas gesagt?“
„Was hätte es genutzt, du stehst nicht auf ihn, das war klar! Hätte ich ihn dir schmackhaft machen sollen, oder was?“

Geschickt wichen die Beiden einer großen Pfütze aus, die sich mitten auf dem Weg breit gemacht hatte. Harry nahm Rosie wieder an die Hand und stutzte. Hatte er in seinem Augenwinkel nicht etwas gesehen? Er drehte sich um und blickte zurück auf den Feldweg, doch es war nichts zu sehen. Eigenartig, – er hätte schwören könne, dass sich in der Pfütze etwas bewegt hatte. Quatsch Harry, jetzt siehst du schon Gespenster!
Er antworte auf Rosies Frage: „Nein, natürlich, du hast Recht. Aber, das war es nicht, was ich dir sagen wollte. Er hat jemand auf einer Party kennen gelernt!“
„Doch hoffentlich nicht so einen Deppen, er hat irgendwie einen Hang zu Deppen, der gute Jack!“
„Lass ihn das ja nicht hören. Nein, er war ganz aus dem Häuschen. Er lernte ihn auf Max’ Party kennen. Er heißt Christopher und er hat total von ihm geschwärmt!“
„Hey, Jungs, was geht denn hier ab? Man dreht sich einmal im Kreis und ehe man es sich versieht, sind alle verliebt! Unglaublich, vielleicht sollte ich auch hier bleiben und lerne jemanden ganz Interessantes kennen!“ Sie lachte laut.

Warum nur musste Harry plötzlich an Owen Newitt denken. Meine Güte, wahrhaft ein Albtraum!

....Brüderlein und Schwesterlein.... by doris anglophil
Author's Notes:

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Traute Zweisamkeit und Alice war in Narnia

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Rosie konnte glücklicherweise ein paar Tage bleiben. Sie fand das Haus wundervoll und mit ihrer ureigenen Kreativität hatte sie Harry vieles abgenommen, und er war froh über ihre Hilfe. Sie hatte sich im Gästezimmer gemütlich eingerichtet und fühlte sich offensichtlich pudelwohl.

„Hier könnte man glatt Urlaub machen! Mir täte ein bisschen Entspannung gut. Die letzten Wochen waren echt hart für mich und ich darf gar nicht an die Zeit vor Weihnachten denken!“ sagte sie beim Frühstück am nächsten Morgen.
„Lass uns Jack und seinen geheimnisvollen Christopher einladen, dann greifen wir uns noch Geraldine, deine Heilige, und machen mal so richtig einen drauf in dieser Hütte!“
„Ich dachte, du brauchst Entspannung? Außerdem haben Jack und ich einen Job, auch wenn du frei hast, wir müssen ran!“
„Du bist ein richtiger Spielverderber. Dabei bin ich so neugierig und so gespannt auf Geraldine! Vikarin! Hattest du nicht schon mal mit einer was am laufen?“
„Nein, ich hatte mal eine Studentin kennen gelernt, die Theologie studiert hat! Aber mit der hatte ich nichts, ich hatte immer das Gefühl Gott schaut irgendwie zu!“
„Also, Harry! Wann lerne ich die geheimnisvolle Frau endlich kennen? Wollen wir sie nicht mal besuchen? Oder wir laden sie zum Tee ein, was meinst du?“

Harry grübelte. Wäre das nicht etwas zu überstürzt? Er wollte Geraldine nicht gleich mit seiner Schwester überfallen. Rosie trug das herz auf der Zunge, sie würde wahrscheinlich keinerlei Hemmungen haben, Geraldine sogleich nach dem Hochzeitskleid zu fragen.
„Du bist doch eben erst hier angekommen. Wir werden sie schon sehen, keine Sorge!“
„Hast wohl Angst, ich könnte etwas Falsches sagen! Ich seh’s dir an der Nasenspitze an. Meine Güte Harry, du bist ja richtig aufgeregt. Meinst du, es sei zu früh ihr deine Schwester vorzustellen? Mit der Familie in ihr Haus einzufallen? Gib’s zu und sieh mich nicht so an wie eine Kuh, wenn’s blitzt. Ich durchschaue dich doch immer, das weißt du doch, Schatz!“

„Du kannst in mir lesen, wie in einem Buch. Hör mal Rosie, ich will sie nicht gleich um ihre Hand bitten...“
„Das tu mal lieber schnell, bevor sie dir noch einer vor der Nase wegschnappt! Und Jack und ich richten die Junggesellenparty aus, das wird ein Spaß!“
Harry stöhnte und legte die Hand auf die Stirn: „Ihr beide habt echt eine Macke! Jetzt fängst du auch noch mit der Party an...“
„Wieso kam Jack auch schon auf die Idee, weiß er von Geraldine?“
„Der hatte die Idee mit der Party schon, bevor ich sie überhaupt kennen gelernt hatte!“
„Na also, wir wissen eben, was gut für dich ist. Vertraue uns nur voll und ganz, dann klappt das auch! Und wenn du mit dem Besuch bei ihr noch warten willst, dann tun wir das eben. Ich habe noch Zeit, und kann ein paar Tage bleiben. Vielleicht begegnen wir ihr ja auch mal ganz zufällig!“ Sie lächelte ihn verschmitzt an und klatschte in die Hände. Sie hatte richtig Spaß hier, offensichtlich war sie bester Stimmung und dann hatte sie umso ausgefallenere Ideen. Harry kannte alle ihre Launen!


Es war wie verhext. Rosie war jetzt seit drei Tagen in Dibley, doch Geraldine hatte sie noch nicht kennen gelernt. Sie wohnte nur um die Ecke, doch Harry bekam sie nicht zu fassen.
Zunächst hatte er alleine bei ihr angeklopft, sie war scheinbar nicht zuhause. Als Rosie und er von einem Spaziergang zurückkamen, versuchten sie es gemeinsam. Auch ein Anruf hatte nichts gebracht, offensichtlich war sie sehr beschäftigt. Mittlerweile war Harry so gespannt darauf, wie Rosie Geraldine wohl finde möge, dass er beim Gedanken daran richtig unruhig wurde. Und sie war einfach nicht aufzutreiben.

In seiner Verzweiflung fragte er sogar Mr. Trott, den Organisten der Gemeinde, den er bei seinem ersten Besuch in Dibley kennen gelernt hatte. Harry hatte das Orgelspiel von draußen schon gehört und die Kirche betreten. Die Musik und die Atmosphäre hatten ihn wieder zum Träumen verleitet. Dieses Mal sah er die Frau, die durch den Gang auf ihn zukam, ja es war Geraldine! Alice folgte ihr in einem Anzug – und, nein, jetzt ging die Fantasie komplett mit ihm durch. Er hatte keine Erklärung dafür, doch ihm fiel plötzlich die BBC Serie Doctor Who ein!

Der Mann an der Orgel war auch Mitglied des Gemeinderates und nach vielen nein, nein, nein ... war er endlich damit herausgerückt. Geraldine hätte niedergeschlagen gewirkt, hatte er endlich Auskunft gegeben. Harry war sich nicht sicher gewesen, was er davon halten sollte und hatte den Alten nicht weiter ausgequetscht.
Niedergeschlagen? Das konnte viele Gründe haben und musste nicht undbedingt mit ihm zusammenhängen, oder? Außerdem, was wusste Mr. Trott schon?

Er hatte die Kirche bedrückt verlassen und war schnurstracks zum Pfarrhaus hinüber gegangen. Sein Herz hatte wie wild gepocht, ein ungutes Gefühl hatte ihn ergriffen. Doch die Tür wurde nicht geöffnet und Harry hatte die Stirn gegen das kühle Holz gelehnt und tief durchgeatmet.

Am Tag danach hatte er Alice im Laden getroffen und sie dann ein Stück des Weges begleitet. Auch sie hatte er nach Geraldine befragt, schließlich waren sie gute Freundinnen. Alice hatte wie immer in Rätseln gesprochen!
„Harry! Geraldine ist eine sehr beschäftigte Frau, sie hat hier sehr wichtige Aufgaben und wird von ihnen sehr in Anspruch genommen!“
Sehr, sehr, sehr ... hatte Harry gedacht, und weiter? Er war jedoch geduldig gewesen und hatte sie nicht weiter bedrängt.

Doch sie hatte wohl offensichtlich den Verstand verloren, denn sie hatte ihn ernst angeblickt und gesagt: „Wahrscheinlich ist sie in Narnia! Dahin geht sie manchmal!“
„Narnia?“ Harry hatte sie völlig konsterniert angestarrt und war stehen geblieben. Was für eine absurde Idee!
„Jaaaaa .... glauben Sie mir, Harry – Narnia! Dieser grüne Schrank!“
Nein, sag es nicht ... doch sie sagte es.
„Der grüne Schrank in ihrer Diele! Dadurch muss sie gehen, dann kommt sie ...“
„Nach Narnia?“ hatte Harry resigniert gefragt.
„Genau, hat es bei Ihnen auch geklappt? Bei mir wohl nicht! Ich habe gerufen und gerufen ... „Mr. Tumnus“ ... aber es hat nichts genutzt, es hat sich nichts getan!“

Harry hatte sich an die Stirn gefasst, vielleicht war ja alles auch ein Traum? Ein Traum, wie in der Kirche vorhin!
„Und ich habe überlegt ... hm ... Geraldine verschwindet ab und zu und ich befürchte, sie macht dann einen Ausflug dorthin!“
“Nach Narnia?“ Harry konnte nicht wiederstehen und musste noch einmal nachfragen. Er schüttelte den Kopf, das war ganz bestimmt ein Traum – ein Albtraum!
„Ja, nach Narnia!“ hatte Alice gesagt und ihn ganz ernsthaft mit weit aufgerissenen Augen, durch ihre Brille hindurch angesehen. Harry hatte geseufzt, das hatte wohl keinen Zweck.

Alice jedoch hatte das Gespräch keineswegs als beendet angesehen, denn sie hatte ihn nun ihrerseits neugierig ausgefragt: „Sagen Sie mal, aus Geraldine war es ja nicht so recht herausbringen, aber Sie werden es mir sicher sagen: Haben Sie eigentlich schon einmal ihren lila Porsche bei ihr eingeparkt?“
Harry hatte erneut gedacht, er hätte sich verhört: „Wie bitte? Ich verstehe nicht ganz…“
Doch Alice hatte gelacht, ihn leicht in die Rippen gestoßen und ihre Frage fröhlich wiederholt: „Na, ob Sie schon einmal ihren lila Porsche bei Geraldine…“ Weiter war sie nicht gekommen, da Harry von einem Hustenanfall förmlich durchgeschüttelt worden war. Alice hatte ihn nur noch viel sagend angegrinst und war um die Straßenecke verschwunden

Jetzt im Nachhinein, erschien ihm diese Szene als unwirklich. Er konnte nicht glauben, dass er mit Alice mitten in Dibley auf der Straße gestanden und über Geraldines eventuelles Verschwinden in Narnia sowie einen eindeutig zweideutig gemeinten lila Porsche gesprochen hatte!
Er musste unwillkürlich lachen. Rosie und er saßen bei einer Tasse Tee zusammen und seine Schwester sortierte seine CD’s nach dem Alphabet.

„Hör mal Harry, gibt’s hier eine Videothek? Wir könnten uns heute Abend einen schönen Film ansehen, was meinst du?“
„Hier in Dibley doch nicht. Hier ist man über einen kleinen Laden und einen Pub froh, aber eine Videothek? Wie kommst du denn da drauf!“
„Ich hätte mal Lust auf was richtig Romantisches. Jack und du, ihr habt mich in die richtige Stimmung gebracht. Weißt du ... so was Schönes, ein bisschen verstrickt das Ganze, aber mit Happy End. So nach der Art, sie lieben sich, wissen es auch, wollen es nicht wahr haben und irgendwann raffen sie’s dann doch und fallen sich im Abendrot in die Arme, oder so!“

„Rosie, du erstaunst mich. Seit wann fährst du denn auf so was ab?“ Harry blickte sie konsterniert an, seine Schwester und eine Romanze?
„Wieso denn? Ich mag auch mal was zum Schmachten. Etwas zu Herzen gehendes braucht jeder mal!“
„Also, da musst du mit dem TV vorlieb nehmen. Schau doch mal nach, was sie bringen!“
„In der Glotze, was soll’s da schon Gescheites geben? Gib mal die Zeitung rüber, ich schau mal nach. O.k. – das ist schon mal nix Gescheites, hier auch nicht ... halt, ja genau, das ist etwas für mich und meine romantische Ader, ach! Da kommt Pride and Prejudice! Ja, ist es denn zu fassen. Der läuft schon auf BBC! Unglaublich! Und da spielt auch noch dieser unverschämt gut aussehende Macfadyen mit. Meine Güte, hab’ ich ein Glück!
„Macfadyen? Matthew Macfadyen? Das ist wirklich ein Zufall!“
„Wieso, magst du ihn? Du heißt doch nicht Jack, der fährt auf solchen großen, attraktiven Männer ab, aber du?“

„Nein, natürlich nicht, was denkst du denn? Aber du wirst es nicht glauben, ich kenne ihn! Ich meine, ich habe ihn in einem Pub in London gesehen, wir waren zusammen auf der Toilette!“
„Nein! Das ist ja der absolute Hammer! Ihr wart zusammen pinkeln?“ Rosie lachte laut los und schlug sich vor Begeisterung auf die Schenkel. „Ich stell mir das gerade bildlich vor! Ihr beide – gemeinsam auf dem Klo! Harry, du bist unschlagbar!“
„Ja, und nicht nur das. Halt dich fest: Seine Frau sieht dir unglaublich ähnlich! Ich dachte zuerst wirklich, du wärst es.“
Jetzt allerdings hatte es Rosie gänzlich die Sprache verschlagen!

....Stolz? Vorurteil?.... by doris anglophil
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Der Film würde ihn sicher ablenken. Rosie und er würden es sich gemütlich machen, zusammen essen und dazu ein Glas Wein trinken. Vielleicht würde er dann nicht mehr so oft an Geraldine denken.

Er hatte den Wein bereits eingekauft und ins Cottage gebracht, als er einer Eingebung folgend noch einmal zu Straße gegangen war. Und da sah er sie. Sie schloss die Tür zu ihrem Haus ab und sie sah einfach reizend aus. Sie trug einen Teil ihres Ornats, schwarz und grau und am Kragen blitzte ein weißes Quadrat auf. Ihm stockte förmlich der Atem, sie sah so verführerisch aus.

Er trat leise etwas näher, er wollte sie nicht erschrecken
„Wir haben uns ja einige Tage nicht gesehen“, sagte er. Sie drehte sich zu ihm um und sah ihm fest in die Augen. Dieser intensive Blick! Sie wirkte so ernst, so kannte er sie gar nicht. Er sah sie fragend an, sie antwortete ruhig: „Ich hatte nicht viel Zeit. Ich musste Predigten schreiben ... über Moral und ... Redlichkeit." Sie schwieg einen Moment. „Und ich wollte dich in deiner Privatsphäre nicht stören, jetzt, wo du so netten, gut aussehenden Besuch hast!“ Sie machte eine Handbewegung und zeigte in die Richtung seines Cottages.

Harry wandte sich um und Rosie kam ihnen entgegen. „Hier kommt sie! Rosie, das ist Geraldine!“ Die beiden begrüßten sich. Rosie strahlte und sagte: „Harry hat so viel von dir erzählt, Geraldine. Er sagte, du seiest das Beste in diesem Dorf und er liebt Dibley sehr!“
Geraldine hob ihre Augenbrauen und sah sie fragend an: „Tatsächlich? Harry, weißt du, wer nett zu mir ist, bekommt ein Sonderangebot für Hochzeiten“, sie lachte „und für Beerdigungen!“
Rosie und Harry lachten laut auf.
„Ich habe dir doch gesagt, sie ist lustig“, sagte Harry zu Rosie.

„Tja, wenn man schon nicht attraktiv ist, muss man wenigstens Humor haben!“ entgegnete Geraldine.
Harry sah sie fragend an. Wusste sie denn nicht, wie wunderschön sie war?
„Wir müssen rein, der Film fängt gleich an!“ erinnerte Rosie ihn. „Schön, dich endlich kennen gelernt zu haben, Geraldine!“
„Ja, und schön, dich schließlich kennen gelernt zu haben ... Rosie!“
„Er hat mich garantiert nie erwähnt, oder?“
„Nein, nie!“
„Männer!“ sagte Rosie mit einem verächtlichen Unterton in der Stimme
„Ja! Männer... manchmal könnte man sie...!“ Sie versetzte Harry einen kleinen Schlag in die Rippen. Er war erstaunt über ihre Reaktion. Sie war so anders heute!

Bedrückt ging er mit Rosie zum Haus. Er spürte, dass etwas nicht stimmte, konnte aber nicht sagen, was es war. Wie ein Stein lag dieser nagende Zweifel auf seiner Brust, er schüttelte den Kopf und Rosie meinte: „Was hast du, Schatz? Stimmt was nicht?“

„Keine Ahnung, sie wirkte so anders. Fast so, als ob sie sich zwingen musste, ruhig zu bleiben.“
„Sie war doch ganz locker, oder? Also ich fand sie nett!“
Rosie hatte Recht, nach außen hin hatte sie munter gewirkt, aber Harry nahm eine Veränderung an ihr wahr, die er sich nicht erklären konnte. Etwas war vorgefallen, sie wirkte niedergeschlagen, genau wie Mr. Trott gesagt hatte!

Ihr großes Herz, mit dem sie ihn gefangen hatte, war heute verschlossen gewesen und in ihren Augen hatte er eine Traurigkeit gesehen, die ihn betrübte. Die beiden Sterne hatten heute nicht gefunkelt, es hatte ein Schatten auf ihnen gelegen, als sie ihn angesehen hatte und der fast erzwungene Humor von ihr hatte das nicht überspielen können.

Harry betrat das Haus. Rosie hatte bereits alles vorbereitet und schaltete den Fernseher ein, während Harry einen wehmütigen Blick auf das Fell vor dem Kamin warf. Er hatte seiner Schwester von seiner kuriosen Vorstellung erzählt und spontan hatte sie eines besorgt. Es war zwar nur eine Imitation, doch es war der Natur täuschend ähnlich nachempfunden.
Er musste schmunzeln, Rosie war einfach eine Kanone, jemand wie sie gab es kein zweites Mal und das war auch gut so!

Im Nachhinein war er froh, dass Rosie hier war und dass sie gemeinsam diesen Film ansehen konnten. Macfadyen als Darcy, das hatte er sich zu Beginn nicht richtig vorstellen können. Ab und zu sah er Rosie von der Seite an, sie hing wie gebannt am Bildschirm und kaute auf einem Zipfel ihres Blusenärmels rum.
Darcy war doch ein sehr verschlossener Charakter, oder? Macfadyen war am Anfang auch recht einsilbig und zeigte wenig Regung. Doch später konnte man in seinem Gesicht lesen wie in einem Buch. Es wurde immer sanfter und die verwirrenden Emotionen zeichneten sein ganzes Aussehen. Der Film gefiel Harry von Minute zu Minute besser.

Er versuchte, an den Mann zu denken, dem er im Pub in London begegnet war. Mit dem Mann hier auf der Leinwand hatte er nur wenig gemeinsam. Der Gang, die Haare, sein Gesicht, alles sah anders aus. Selbst seine Stimme war fast eine andere, soweit Harry das überhaupt beurteilen konnte, nach den wenigen Worten, die sie gewechselt hatten.

Während der gesamten Länge des Films hatte Rosie sich kaum geregt. Sie lag mehr als sie saß, eingekuschelt auf dem Sofa. Ihre Füße hatte sie unter Harrys Beine geschoben, um sie zu wärmen. Als Macfadyen über die nebelverschleierte Wiese auf seine Angebetete zukam, vergoss sie sogar ein paar Tränchen.

„Hühnchen, was ist denn? Du hast ja richtig nah am Wasser gebaut!“ Harry blickte sie besorgt an.
Rosie stand auf und räumte die Gläser weg. „Ist doch wahr! Ich wollte, das wäre mein Leben! Ich will auch mal so was erleben. Warum passiert mir so etwas nicht?“
„Hör ich richtig? Ausgerechnet du? Du wolltest doch noch keine feste Beziehung. Dein Beruf würde das doch gar nicht zulassen, oder?“
„Wieso denn nicht? Diese Macfadyens können es doch auch. Die sind beide Schauspieler und oft unterwegs. Und sie haben Kinder“, sagte sie nachdrücklich.

„Ich muss mich jetzt wirklich wundern. Das waren über die Jahre auch immer meine Argumente, wenn du irgendwelche Ausreden gefunden hattest, warum du keine feste Beziehung haben wolltest. Jetzt schaust du dir diese Geschichte an und glaubst plötzlich, etwas zu vermissen! Das gibt’s doch gar nicht.“ Harry schüttelte den Kopf.

„Man kann seine Meinung ja auch mal ändern. Ich werde auch nicht jünger!“
„Ach nee, kaum zu fassen. Du wirst auch nicht jünger? Meine Rede, seit Jahren!“
Sie blickte ihn an und sagte unwirsch: „Ach ja! Interessant, Bruderherz. Vielleicht hat sich im Laufe der Jahre meine Einstellung ja doch geändert. Du hörst dich schon genauso an wie Mum und Dad!“
„Tut mir leid, Liebes. Ich wollte nicht auf dir rumhacken. Das kam nur so plötzlich. Seit ich in dieses Dorf gezogen bin, hat sich einiges geändert. Ich weiß schon nicht mehr, wo mir der Kopf steht! Ich bin total neben der Spur, seit ich diese Frau zum ersten Mal gesehen habe. Was soll ich nur machen?“ Er sah sie verzweifelt an. Er war bis zur Sofakante vor gerutscht und rieb seine Hände an den Oberschenkeln. Er presste die Lippen aufeinander und sah seine Schwester an.

„Oh Harry, bitte schau nicht so verzweifelt. Wenn du sie haben willst, dann geh’ hin und hol’ sie dir. Ich sagte es dir bereits, worauf willst du also warten? Schnapp’ sie dir, frag’ sie ob sie dich heiraten will!“ Rosie ergriff seine Hände und drückte sie sanft.
„Bist du sicher?“
„Schatz, du musst dir sicher sein! Ich gebe dir nur einen Rat, fragen musst du sie! Sie kann nicht mehr als nein sagen. Hast du das Gefühl, es ist noch zu früh oder warum zögerst du?“
„Keine Ahnung!“
„Keine Ahnung? Harry, frag dein Herz. Es wird dir die richtige Antwort geben, meinst du nicht auch? Als du mir von ihr erzählt hast, haben deine Augen geleuchtet. So etwas habe ich schon lange nicht mehr in deinen Augen gesehen, Schatz. Und wie du von ihr sprichst! Wie du sie ansiehst! Du liebst sie, ist dir das nicht klar? Du musst deinem Herzen folgen!“

„Meinem Herzen folgen! Dieses blöde Ding hat mich schon so manches Mal auf die falsche Spur gebracht! Ich weiß nicht, ob ich ihm vertrauen kann!“
Rosie stand auf und stapfte durch das Wohnzimmer. „Harry, hör mal zu! Nur weil du dir schon einmal die Finger verbrannt hast, bedeutet das nicht, dass du nie mehr jemandem vertrauen kannst! Wenn Justine wüsste, was sie in deinem Herzen angerichtet hat. Sollte mir diese blöde Tussi eines Tages noch mal begegnen, haue ich ihr eine runter – soviel ist sicher!“

Sie stellte sich hinter ihn und packte ihn an den Schultern. „Schau dich an! Du bist ein toll aussehender Mann, hast einen prima Job, hast viele Interessen, bist klug und belesen. Du bist ein guter Fang – für jede Frau! Und glaube mir, sie fährt auf dich ab! Das habe ich sofort gesehen. Wie sie dich ansah ... oh je, diese Augen!“

Harry lachte. „Du bist Gold wert, Schwesterlein! Was würde ich nur ohne dich machen?“
„Tja mein Lieber, das weiß ich auch nicht. Aber es wird Zeit, dass dir das endlich auffällt, ohne mich... bist du nichts!“
....Ein großer Tag.... by doris anglophil
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Harry hatte genug Zeit zum Überlegen. Doch so oft er sich die Geschichte auch durch den Kopf gehen ließ, er kam immer zum gleichen Ergebnis. Er wollte nicht mehr ohne diese Frau sein! Wenn das bedeutete, dass er sie um ihre Hand anhalten musste, dann würde er es tun.

In seinen Gedanken hatte er diesen Moment wieder und wieder durchgespielt. Wann sollte er zu ihr gehen, was sollte er sagen, sollte er einfach mit der Tür ins Haus fallen? In seinem Kopf ging es drunter und drüber, aber sein Herz hatte ihm den Weg gezeigt. Egal wie es auch ausgehen würde, er musste sie fragen.

Was hatte Rosie gesagt? Sie konnte nicht mehr als 'Nein' sagen! Recht hatte sie! Am Abend, eine ganze Weile nachdem sie den Film zu Ende gesehen hatten, rief überraschenderweise Jack noch an. Er redete zuerst mit Rosie, seine Stimme überschlug sich fast und obwohl Harry nicht selbst am Telefon war, konnte er fast jedes Wort verstehen. Er schwärmte in den höchsten Tönen von Christopher, und Rosie, in ihrer unvergleichlichen Art, freute sich von Herzen für ihn.
Danach sprach Harry mit seinem Freund und erzählte ihm von Geraldine und von seinen Plänen.

„Mein Gott Harry! Beim letzten Telefonat hattest du das erste Date mit ihr und jetzt willst du sie schon um ihre Hand bitten? Nicht schlecht, das ging ja ruckzuck. Bist du dir auch sicher?“ Jacks Stimme klang ein wenig verhalten.
„So sicher wie man sich nur sein kann. Ein Risiko ist zwar immer dabei, doch ich bin bereit, das einzugehen! Rosie und ich haben alles miteinander besprochen, sie ist derselben Meinung. Soll ich es wagen?“

“Wenn du dir sicher bist, mach’ es. Ich will auf deiner Hochzeit tanzen, möglichst mit Christopher ... das wäre der Hammer!“
„Er ist natürlich eingeladen, wann immer die Hochzeit stattfinden wird. Was hast du für ein Gefühl bei Christopher? Hat diese Beziehung eine Zukunft?“
Er hörte Jack atmen: „Wenn ich das wüsste! Mein Gefühl sagt mir ‚Ja’, mein Verstand will mich immer noch zurückhalten. Aber eine absolute Sicherheit gibt es nicht, du hast das schon richtig gesagt. No risk, no fun! Aber es fällt mir unendlich schwer, den Verstand auszuschalten!“
„Und Christopher, was sagt er dazu?“
„Auch er hat schon schlechte Erfahrungen gemacht, ähnlich wie ich. Er wurde auch schon so oft enttäuscht, und ein gebranntes Kind scheut für gewöhnlich das Feuer!
Wie soll ich ihm begreiflich machen, dass ich es ernst meine?“

„Sei ehrlich zu ihm, schildere ihm deine Gefühle, verschweige nichts! Und vertraue ihm – ohne Vertrauen ist eine Beziehung von vorneherein zum Scheitern verurteilt!“
„Ich werde es versuchen! Ich bin froh, dass ich dich und auch Rosie habe, um darüber zu reden. Ohne diese Gespräche wäre ich echt verloren, danke mein Lieber!“
„Gern geschehen! Wann sehen wir uns?“
„Morgen? Ich drücke dir ganz fest die Daumen! Eigentlich müsste sie dir schreiend um den Hals fallen. Ich warte auf deinen Bericht, mach’s gut, bis morgen!“
„Bye!“

Harry legte den Hörer auf den Tisch. Er lehnte sich auf dem Sofa zurück und streckte seine langen Beine aus. Sein weißes Shirt war ihm über den Nabel hochgerutscht, ihm war kalt und er zog es fröstelnd wieder herunter.

Er schloss die Augen und sann über das Gespräch mit Jack nach. War er sich tatsächlich sicher? Früh schon senkte sich der Abend zu dieser Jahreszeit über Dibley und auch in seinem Wohnraum war mittlerweile stockfinster geworden. Rosie hatte sich zwischenzeitlich in das Gästezimmer zurückgezogen und so saß er träumend und ohne Licht hier. Wie still es in diesem Ort war! Um diese Tageszeit fuhr kaum mehr ein Auto durch die Straßen. Ab und zu wachte Harry noch immer morgens auf und fragte sich, wieso alles so anders war. Bis er sich wieder zurechtfand und feststellte, dass er in seinem eigenen Haus aufgewacht war, in seinem neuen Bett. Und wie immer allein!

Er wollte nicht mehr alleine aufwachen, er wollte Geraldine in seinen Armen halten, mir ihr kuscheln, gemütlich im Bett liegen und über Gott und die Welt reden. Dieser Spruch bekam im Zusammenhang mit Geraldine nun eine ganz neue Bedeutung für ihn und sein Leben... ‚über Gott und die Welt ’!

Er rappelte sich auf. Schluss mit der Grübelei, er würde jetzt sofort zu ihr gehen! Er lief die Treppe hinauf, schnappte sich frische Klamotten und zog sich rasch um. Er klopfte an Rosies Zimmertür, steckte den Kopf hinein und meinte nur: „Ich gehe jetzt rüber und frage sie!“

Rosie blickte überrascht von ihrem Buch auf und starrte ihn an: „Du machst was...?“
„Ich gehe jetzt gleich hinüber und werde sie fragen, ob sie mich heiraten will! Ob sie mich haben will und ob sie ihr Leben mit mir verbringen will!“ Und noch ehe seine Schwester etwas entgegnen konnte, hatte er die Tür geschlossen und eilte die Treppe hinunter. Im Flur griff er nach seiner dunkelblauen Jacke und seinem roten Schal, und beim Verlassen des Hauses schlüpfte er schnell in die Jacke hinein.

Es war kühl geworden und total finster, dicke Wolken verbargen das Mondlicht. Mit großen Schritten machte er sich auf den kurzen Weg. Er zögerte nicht, blieb nicht stehen, sondern ging zügig bis zu ihrer Tür. Keine Zweifel mehr, keine Fragen mehr. Er klopfte und für einen kurzen Moment schloss er die Augen und horchte. War sie zuhause? Wenn sie jetzt nicht da war, würde er vielleicht nicht noch einmal den Mut haben....

Mit flottem Schwung wurde die Tür geöffnet und Harry stieß überrascht den Atem aus. Plötzlich sackte ihm das Herz doch in die Hose, er fühlte sich elend und nervös.
„Hallo, wie geht es dir?“ fragte sie relativ unbeteiligt.
Harry schluckte: „Ganz gut, so gut es einem unter diesen Umständen eben gehen kann!“
„Und was sind das für Umstände, Harry?“
Er zog den Kopf ein und trat durch die Tür.
„Das ist ein großer Tag für mich! Einer dieser großen Tage eben, du weißt sicher was ich meine?“ Er lachte verlegen und sah sie an.
Sie zuckte mit den Schultern. „Ich glaube ich weiß, was du meinst. Was kann ich denn für dich an diesem großen Tag tun?“
„Ich werde es besser gleich los. Ich habe sehr viel nachgedacht, auch viel darüber gesprochen und ich frage mich, ob du dir vorstellen könntest..., ich meine, na ja... ich würde gerne heiraten!“ Jetzt war es endlich raus, er lächelte.

Sie hielt einen Augenblick inne, sah in an und sagte ganz ruhig, fast emotionslos: „Ja sicher, ich wäre entzückt“.
Harry blickte ihr verdutzt nach und lachte nervös. War das ein ‚Ja’, oder was?
Er folgte ihr in den Wohnraum. „Das sind tolle Neuigkeiten!“ Harry blickte sie an und war von ihrer nächsten Frage total überrascht:
„Hast du dir schon überlegt, wann das Ereignis stattfinden soll?“
Es verschlug ihm beinahe die Sprache, eigentlich wollte er dies in trauter Zweisamkeit mit ihr gemeinsam besprechen. Hilflos blickte er zu ihr rüber.

Sie machte sogleich in völlig neutralem Ton einen Vorschlag: „Na ja, die Zeit vor Weihnachten ist doch sehr romantisch!“
„Schön, wenn das für dich in Ordnung ist?“ Harry kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Er ging zum Kamin und beobachtete sie. Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und holte ein großes schwarzes Buch heraus.
„Lass uns mal nachsehen, ja hier am 22. habe ich noch einen Termin frei!“
Harry kam sich vor wie in einem Traum. Er stotterte: „Ja, ja natürlich!“
„Alles klar! Wenn du willst, können wir bei dieser Gelegenheit schon mal ein paar Formalitäten erledigen!“ Sie öffnete eine Schublade und holte ein weiteres Buch heraus. Sie schlug es auf und fragte Harry nach seinem vollen Namen.

“Harry Jasper Kennedy!“
Sie drehte sich zu ihm um und hob ihre Augenbrauen. „Na hoffentlich gibt das kein Gelächter!“
„Drück mir die Daumen!“ War das ein Spiel für sie? Vielleicht war sie aber ebenso unsicher wie er?
Sie fragte ihn nach dem Namen der Glücklichen und auf seine Antwort, dass er ihren zweiten Vornamen nicht kenne, meinte sie, dass man diesen auch noch später einfügen könne.
„Hoffentlich ist das nicht auch so ein Brüller, sonst artet diese Hochzeit noch in eine Sitcom aus! Also dann nur den Vor- und Zunamen.“
Harry druckste etwas herum.
„Harry! Wenn du heiraten willst, solltest du eigentlich den Namen der Frau kennen!“

Er atmete tief ein: „Der Name ist ... Geraldine...!“
Sie wiederholte: „Geraldine...“
„... Granger...!“
„Granger... pardon??“ Sie drehte sich um und schaute ihm entsetzt ins Gesicht. Er runzelte die Stirn und blickte eindringlich zurück.
„Geraldine Granger! Ich frage dich, ob du mich heiraten willst, Geraldine Granger?“

Mit weit aufgerissenen Augen stand sie auf und wies mit ihrer Hand zur Seite. „Ja, ja, aber .... was, was ist denn ... wer ist denn diese hübsche Frau mit der du immer zusammen bist? Rosie?“
„Meine Schwester!“
„Waaaasss???“ Sie schrie das Wort förmlich heraus.
„Ja, sie ist meine Schwester, meine beste Freundin! Ich teile alles mit ihr, und wir beide haben alles durchgesprochen, ob ich zu unbesonnen bin, oder zu schnell, ob es nicht vielleicht eine dumme Idee ist? Doch ich habe mich entschieden, ich muss meinem Herzen folgen“, er ballte die Fäuste.

Aus Geraldines Mund platzte ein ulkiges Geräusch, eindeutig von Emma Thompson aus Sense & Sensibility entliehen. Ihre Augen waren riesengroß und sie konnte nichts sagen. Harry strahlte über das ganze Gesicht.
Sie blickte ihn an und sprudelte rasch hervor: „Würdest du mich einen Augenblick entschuldigen?“ Harry konnte nur nicken, er hielt sich voller freudigem Erstaunen die Hand vor den Mund und sah ihr verblüfft nach, als sie laut schreiend das Haus verließ.
....Hochzeitsglocken?.... by doris anglophil
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Harry lauschte verwirrt. Tatsächlich, die Glocken läuteten! Er hatte sich auf die Armlehne des Sofas gesetzt und wartete auf Geraldines Rückkehr. Er hob den Kopf. Schrie da nicht jemand? Er hörte, wie die Tür geöffnet wurde und endlich stürmte Geraldine ins Wohnzimmer.
„Moment“, fragte sie „ich muss sichergehen, ob ich das richtig verstanden habe?“ Mit beiden Händen gestikulierte sie wie wild. „Du fragst mich, ob ich dich heiraten will?“

Er strahlte sie an. „Ja!!“
Wieder ließ sie dieses ulkige Geräusch los, Harry lachte laut heraus.
„Ich war mir nicht sicher. Doch ich liebe dich seit ich dich das erste Mal gesehen habe! Ich weiß einfach, dass wir zusammen gehören – für immer. Und wir werden stets glücklich sein!“

Sie schrie erneut auf und Harry auf dem Sofa zuckte zusammen. Ihre großen dunklen Augen waren noch immer weit aufgerissen, sie schrie schon wieder, dann stürzte sie sich lachend in seine Arme und küsste ihn leidenschaftlich. Er hielt sie ganz fest und drückte sie an sein Herz. Er konnte sein Glück kaum fassen, sie liebte ihn ebenso wie er sie! Ihr ganzer Körper sprach von ihren Gefühlen und er genoss ihre Küsse und Berührungen so sehr, dass sein Kopf völlig abschaltete. Seine Gefühle übernahmen die Führung und er gab sich ihnen hin.

Als Harry nachhause kam, wartete Rosie schon auf ihn, obwohl es nun schon sehr spät war. Sie saß eingekuschelt auf dem Sofa und hatte den Kamin entzündet. Eine angenehme Wärme verteilte sich im Zimmer. Die rote Stehlampe warf ein überraschenderweise gemütliches Licht in den Raum.
Rosie blickte auf und sah in erwartungsvoll an.
„Harry! Was hast du bloß mit der Frau gemacht? Sie ist hierher gekommen, ich bin nichts ahnend an die Tür gegangen, da hat sie mich geschnappt und mich voll abgeküsst!“ Sie lachte. „Wie war’s? Komm, raus mit der Sprache! Was hat die gesagt? Hat sie ‚Ja’ gesagt? Harry? So wie sie drauf war, kann das eigentlich nur eins bedeuten!“

„Ja, Rosie! Du lässt mich ja nicht zu Wort kommen! Sie hat ‚Ja’ gesagt!“
Rosie sprang vom Sofa auf, lief auf ihn zu und umarmte ihn ganz fest.
„Oh Schatz, ich freue mich so für dich! Dieses Dibley hat dir auf der ganzen Linie Glück gebracht, oder?“
„Ja! Ich fasse es selbst nicht. Ich bin so glücklich, ich kann dir gar nicht sagen wie glücklich ich bin!“

“Und – war sie überrascht? Was hat sie gesagt?“ Rosie bohrte nach. „Sie machte einen ... sehr verblüfften Eindruck auf mich!“
„Zuerst hatte sie wohl mich völlig missverstanden, doch ich habe ihr schon bald klar gemacht, dass ich es Ernst meine! Und sie liebt mich, ist das nicht ein Wunder?“ Er blickte seine Schwester aufgeregt an und lachte voller Glück.

Am nächsten Morgen öffnete Harry die Tür zu Jacks Büro und trat ein. Jack schob mit einem Ruck den Stuhl zurück und sprang auf.
„Harry!“ Er kam um den Tisch und schlang die Arme um Harry. Sie lachten beide und Harry klopfte seinem Freund auf die Schulter.

„Komm, setz dich. Erzähl, wie ist es gelaufen? An deinem Gesicht kann man schon erkennen, das es gut gelaufen ist! Es hat geklappt, stimmt’s?“
„Ja, es hat geklappt, sie hat ‚Ja’ gesagt. Kannst du das glauben, Jack? Ich werde heiraten!“
„Du Glückspilz! Ich freue mich so für dich und für sie natürlich auch. Es ist ihr wohl nichts anderes übrig geblieben. So ein hübscher Kerl, wie hätte sie da ‚Nein’ sagen können?“
„Danke für das Kompliment! Sie hätte ohne weiteres ‚Nein’ sagen können!“

„Eine Hochzeit, eine Hochzeit! Ja! Und ich habe schon alles im Kopf, alles hier drin!“ er tippte sich an die Stirn.
„Jack? Was hat das zu bedeuten? Was hast du vor, was ist in deinem Kopf?“
„Keine Sorge, alles halb so wild, reg’ dich ab! Rosie und ich werden alles im Griff haben!“ Vor Begeisterung trampelte Jack mit den Füßen auf den Boden wie ein kleiner Junge.
Es klopfte an der Tür und Jack rief „Herein!“
Die Tür öffnete sich und auf dem Gesicht von Harrys Freund vollzog sich eine völlige Wandlung. Sein Gesicht wurde weich und ein liebevolles Lächeln erschien. Er neigte sich etwas nach vorn und stand dann langsam auf.
Harry wandte sich um. In der Tür stand ein junger, sehr großer Mann, sein Kopf stieß fast an den oberen Türrahmen. Sein Gesicht strahlte, sein Mund war so breit und lächelte so, dass jeder andere Person unwillkürlich auch lächeln musste. Seine blonden Haare waren ganz kurz geschnitten und eine große Nase beherrschte sein schönes Gesicht.

„Harry!“ Jacks Stimme klang plötzlich ganz heiser. „Darf ich dir jemanden vorstellen?“
Harry stand ebenfalls auf und nickte dem Fremden zu.
„Harry – das ist Christopher! Chris, das ist mein bester Freund Harry!“ Jack schluckte nervös, es hatte ihm offensichtlich die Sprache verschlagen. Das war also der geheimnisvolle neue Freund in Jack’s Leben.
„Hallo Christopher, schön Sie kennen zu lernen. Jack hat mir schon von Ihnen erzählt!“
Die beiden sahen sich verliebt in die Augen und reagierten im Grunde nicht auf Harrys Begrüßung.
„Ähm, ja. Also, ich gehe dann wohl besser mal!“

Jack schüttelte vehement den Kopf. „Entschuldige Harry, sorry. Natürlich gehst du nicht und lass bitte das blöde ‚Sie’. Nicht wahr Christopher?“
Der so Angesprochene wandte den Blick von Jack und sah Harry an. „Natürlich, was soll das ‚Sie’? Ich bin Christopher! Lerne ich dich also endlich kennen, Jack hat echt viel von dir erzählt. Ich bin beinahe eifersüchtig geworden, so hat er von dir geschwärmt!“ Er zog in eigentümlicher Art und Weise seine Augenbrauen hoch und riss seine Augen weit auf. Kein Wunder, dass Jack ihm sofort verfallen war. Seine Nase war wirklich beeindruckend und er hatte wunderschöne, große blaue Augen, zumindest soweit Harry das beurteilen konnte.

Harry erkannte seinen Freund kaum wieder. Es hatte ihn total erwischt. Die zwei strahlten sich an, sie konnten die Augen nicht voneinander lassen. Geht es mir nicht genauso...? dachte Harry
„Dir geht was genauso?“ fragte Christopher. Mist, Harry war nicht bewusst gewesen, dass er laut gedacht hatte. Er lachte.

„Mir geht es genauso wie Euch, ich bin unglaublich verliebt. Wenn sie bei mir ist, kann ich meinen Blick auch nicht von ihr wenden! Sie hat mich regelrecht gefangen genommen, mit Haut und Haar!“
„Kapitulation auf der ganzen Linie!“ Jack nahm Christophers Hand in seine. „Ja, ich fühle mich wie verzaubert und habe das Gefühl ich schwebe!“

Harry saß allein in seinem Haus, auf seinem Sofa und dachte noch einmal an die Begegnung am Nachmittag. Sie hatten gemeinsam einen Tee getrunken und sich angeregt unterhalten. Sie hatten die gleiche Wellenlänge, Jack, Christopher und auch er. Gott sei Dank, er hatte sich sofort gut mit Chris verstanden. Es wäre sicherlich schwierig geworden, wenn Harry keinen Draht zu ihm gefunden hätte.
In Gedanken wünschte er ihnen alles Glück der Welt.

Mit einem unwiderstehlichen Lächeln hatte Christopher die Einladung zu Harrys Hochzeit angenommen und beim Anblick der Beiden hatte er das Gefühl gehabt, das er bald auch auf der Hochzeit seines Freundes tanzen würde. Christopher hatte den Arm fest um Jack gelegt und ihn zärtlich geküsst. Harry machte eine Bemerkung über eine bevorstehende Verbindung der zwei, doch sie waren nur in viel sagendes Schweigen versunken gewesen.

Harry hatte sich eine Flasche Rotwein geöffnet, er nippte genüsslich an dem leckeren Tropfen, als es klopfte. Er lief barfuss zur Tür, öffnete sie und sein Herz hüpfte vor Freude. Geraldine! Dieses Lächeln haute ihn immer wieder um, es war einfach unfassbar. Diese großen, dunklen Augen reflektierten das schwache Licht aus dem Flur und sie funkelten wie Sterne. Mein Augenstern, dachte er und lachte.

“Kann ich reinkommen?“ fragte sie leise. „Ich wollte meinen wundervollen Verlobten noch einmal sehen!“
Er hielt die Tür auf, nahm ihre Hand und zog sie langsam und mit einem verführerischen Lächeln in den Flur.
....Bed of Roses.... by doris anglophil
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„Harry!“ Geraldine sah ihn an. Schweigend nahm Harry ihr die Jacke ab und führte sie ins Wohnzimmer.
„Harry, du sagst ja gar nichts!“
Er ließ sich auf dem breiten Sofa nieder und öffnete einladend seine Arme. Sie lächelte, setzte sich zu ihm und kuschelte sich an ihn.
„Meine Süße!“, flüsterte er und presste sie fest an sich. Ihr Kopf lag an seiner Brust und er senkte sein Gesicht. Ihre Haare kitzelten ihn an der Nase... sie roch so gut!

„Harry?“
„Schhhh!“ flüsterte er und streichelte ihr zart über das Gesicht. Ihre Haut war wie Samt. Seine Finger glitten an ihrem Hals hinab, bis zum Ausschnitt ihrer Bluse. Seine Hand verharrte dort, er konnte ihren Herzschlag spüren. Sie seufzte und klammerte sich an ihn. Langsam hob sie das Gesicht und blickte auf seinen Mund. Er sah diesen Blick und das Verlangen in ihren Augen. Ihre Lippen waren leicht geöffnet und schimmerten zart. Er konnte nicht widerstehen, er musste sie küssen. Seine Augen schlossen sich nicht, er wollte sie ansehen, immerzu. Er atmete tief ein und seine Lippen berührten ihre.

Nur der Hauch eines Kusses. Sie stöhnte leise auf, umfasste mit der Hand seinen Nacken und zog seinen Kopf zu sich. Ihre Mund umschloss seine warmen Lippen und er spürte ihre Finger in seinen Haaren.
Sein ganzer Körper vibrierte, seine Hände zitterten. Er wollte mehr von ihr, jetzt und hier. Seine Hand suchte den obersten Knopf ihrer Bluse und öffnete ihn, seine Lippen erforschten ihre, seine Zunge strich vorsichtig über die Innenseite ihrer süßen Lippen.

Doch sie zuckte zurück und löste sich wieder von ihm. Im sanften Licht der roten Lampe, wirkten ihre Augen noch größer und schöner. Harry war erstaunt über dieses warme, weiche Licht, das den ganzen Raum verzauberte.
„Harry, warte einen Augenblick!“
Er sah sie fragend an. „Was gibt es, mein Herz?“
„Wo ist Rosie eigentlich? Nicht dass… dass sie unerwartet hereinplatzt, wenn…“ Sie sprach den Satz nicht zu Ende.
Harry setzte zur Erklärung an: „ Gerry, sei unbesorgt, es wird niemand hereinplatzen, denn Rosie hat sich heute früh auf den Weg zu unseren Eltern gemacht. Sie wird sie, so hoffe ich, schonend auf unsere baldige Hochzeit vorbereiten. Ich selbst werde Mum und Dad morgen dann anrufen. Du siehst, es wird uns keiner in unserer Zweisamkeit stören. Möchtest du gerne auch einen Schluck Wein?“

Geraldine nickte und er holte ein Glas aus der Küche. Zurück bei ihr auf dem Sofa schenkte er ihr ein. Sie prosteten sich zu: „Auf unser Glück“, sagte Harry. „Auf die Hochzeit“, sagte Geraldine. Er lächelte glücklich. „Ja, auf die Hochzeit, natürlich.“ Nachdem er einen Schluck des mundigen Rotweins getrunken hatte, stellte er das Glas auf dem Tisch vor ihm ab. Mit glühenden Augen schaute er seine Verlobte an, die ihrerseits gerade am Glas nippte. „Soll ich ein wenig Musik anmachen?“

Sie nickte stumm, hielt sich an ihrem Glas fest. Harry stand aber nicht auf, sondern fischte nur eine Fernbedienung zwischen den Polstern hervor und drückte kurz darauf herum. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis sich die leicht rauchige Stimme von Jon Bon Jovi vernehmen ließ, der nun im Hintergrund leise „Bed of Roses“ sang. Sehr langsam wandte Harry sich nun Geraldine zu, nahm ihr das Glas aus ihrer leicht zitternden Hand und stellte es neben sein Glas auf den Tisch.

„Wo waren wir vorhin stehen geblieben?“ fragte er mit sinnlich vibrierender Stimme. Geraldine fuhr sich nervös mit der Zunge über die Lippen und hauchte: „Ich glaube, du wolltest mich gerade von dieser zirkuszeltähnlichen Bluse befreien.“
Er grinste anzüglich: „Ach, wollte ich das? Ich kann mich gar nicht mehr erinnern!“
„Harry!“ Sie schlug ihn in gespieltem Ernst auf den Arm. „Du bist ein Scheusal! Ich bin nicht hergekommen, um mich von dir ärgern zu lassen.“
Er neckte sie noch ein bisschen weiter: „Nicht? Warum denn dann? Sag es mir, liebste Geraldine.“

Aber sie ließ sich nicht in die Falle locken. „Ich wollte mir dir über die Hochzeit reden.“
„Über die Hochzeit, soso!“ Er beugte sich weiter zu ihr rüber, strich mit seinem warmen Atem über ihren Hals, so dass sie leicht erbebte. „Ja, wenn das so ist, dann höre ich natürlich sofort auf mit allen Zärtlichkeiten und wir wenden uns sachlicheren Themen zu.“
Gerry schrie auf: „Untersteh’ dich!“ Sie umfasste sofort wieder seinen Nacken und zog ihn weiter zu sich. „Harry, können wir nicht nachher über die Planungen für die Hochzeit reden?“
„Nach was?“ fragte er. Er wollte es aus ihr rauskitzeln, unbedingt. Jon Bon Jovi ging in seine nächste Runde, Harry hatte auf Endlosschleife gedrückt.

Jetzt sah Geraldine ihn mit großen Augen an: „Liebe Güte, kannst du blöd fragen! Nach dem wir es endlich zusammen getrieben haben, natürlich!“
Harry schlang beide Arme fest um seine Verlobte und lachte laut los. „Mein Schatz, du bist einfach köstlich! Was würde ich nur ohne dich machen?“ Er sah sie an und wusste sofort, dass sie wieder eine freche Antwort auf der Zunge liegen hatte, also beeilte er sich, sie schnell zu küssen, damit sie nicht kontern konnte.

Sie schmolz unter seinen Küssen und Zärtlichkeiten hin wie Butter in der Sonne. Gut, wenn sie es darauf angelegt hatte! Harry übte keinerlei Zurückhaltung mehr. Einen kurzen Moment lang durchzuckte ihn die Frage nach der Verhütung, aber es kam ihm zu profan vor, jetzt damit anzufangen. Sie machte ihn so rasend, dass er sowieso kaum noch klar denken konnte. Alles an ihr war weich, zart, sanft, mit einem Wort traumhaft. Im Schein der roten Stehlampe und im Flackern des Kaminfeuers kam sie ihm ungeheuer schön und wie eine Märchengestalt vor. Doch sie war nur äußerlich so anzusehen. In ihren Aktionen und Reaktionen glich sie eher einer starken Raubkatze, einer Tigerin. Sie war wild, ungezügelt und fordernd. Sie ließ ihn kaum zu Atem kommen.

„I wanna lay you down on a bed of roses“. Sie kullerten beide vom ledernen Sofa herunter und landeten auf dem weichen Fell vor dem Kamin. Die Hitze der Flammen schlug ihnen verstärkt entgegen und machte es nun dringend notwendig, dass man sich der Kleidung entledigte. Harry machte sich ungeduldig an den Knöpfen der Bluse zu schaffen, doch sie kürzte den Prozess kurzerhand ab und zog sich das gut Stück einfach über den Kopf. Er kam nicht dazu, sie sich anzusehen, denn sie beugte sich über ihn, um ihn mit ihren Küssen in den Wahnsinn zu treiben. Stirn, Nase, Mund, Ohren, Hals, nichts war sicher vor ihren stürmischen Attacken. Sein Pullover folgte ihrer Bluse, sein Hemd war schneller aufgeknöpft, als er hätte ‚Harry’ sagen können. Als sich ihre Finger auf der bloßen Haut seiner Brust entlang tasteten, entfuhr ihm ein lautes Stöhnen. Das brennende Gefühl, das ihre rastlosen Finger dabei hinterließen, war sicher nicht auf die Nähe des Kaminfeuers zurückzuführen. Er gebot ihr Einhalt, indem er ihre Handgelenke festhielt. Er zog sie zu sich herunter, schenkte ihr einen feurigen Kuss. Er kostete die Süße ihres Mundes, spürte die Reihe ihrer Zähne, seine Zunge forschte jeden Winkel aus.

Er fieberte hungrig dem Augenblick entgegen, wo er mit ihr vereint sein würde. Er konnte es kaum noch aushalten, so sehr hatte sie ihn angeheizt. Sie wälzten sich wieder ein Stück herum, nun war er in der Lage, sie ebenso überall zu küssen, wie sie es zuvor mit ihm getan hatte. Langsam arbeitete er sich von ihrem Mund über ihr Kinn und ihren Hals zu ihrem Oberkörper herunter. Sie hielt stellenweise immer mal wieder den Atem an. Er sah sie an, voller Bewunderung, eine ganze Zeit lang: „Du bist so wunderschön. Wie du hier vor mir liegst, wie eine wundervolle aus Alabaster geformte Statue. Ich liebe dich, Gerry!“

„So etwas hat noch niemals zuvor jemand zu mir gesagt“, flüsterte sie ihm erregt ins Ohr. „Wie ich dich sehe, kann ich eigentlich gar nicht beschreiben. Dafür fehlen mir die Worte. Mir ist, als hätte ich eine griechische Gottheit neben mir liegen. Es kommt mir sehr, sehr unwirklich vor. Und wie sehr ich dich liebe, kann ich ebenfalls nicht in Worte fassen.“

Er hatte sich inzwischen von seiner engen Jeans befreit und kniete sich hin: „Süße, leg dich hin, ich massiere dir den Rücken!“
Das ließ sich seine Verlobte nicht zweimal sagen. Sie drehte sich wohlig seufzend auf den Bauch, während er seine Massage anfing. Alles was er da knetete und bearbeitete, wurde wieder und wieder von zarten Küssen unterbrochen. Ihr Stöhnen wurde ab und zu von seinem Seufzen begleitet. Dann legte er sich hin, zog ihren Körper ein Stück zu sich heran, so dass auch sie halbseitlich neben ihm lag. Er umschlang sie mit seinen starken Armen und sie spürte seine Wärme, besser gesagt, seine Hitze, die nun eindeutig von seiner Körpermitte ausging. Alles Weitere ergab sich nun von selbst.

David Horton machte einen abendlichen Spaziergang. Bei Geraldine im Pfarrhaus war kein Licht gewesen. David fragte sich, wo sie wohl sein konnte. Sie hatte nicht gesagt, dass sie abwesend sein würde. Komisch. Langsam schlenderte David Horton weiter, um die Ecke Richtung Sleepy Cottage. Aus einem der Fenster schimmerte ein sehr rötlicher Schein. David Horton machte sich Sorgen. Was, wenn dieser Kennedy seinen Kamin unbeaufsichtigt gelassen hatte und da nun etwas außer Kontrolle geraten war?

Dibley selbst hatte keine Feuerwehr, es hatte in den letzten Jahren, ja um nicht zu sagen Jahrzehnten, lediglich zweimal im Ort gebrannt. Einmal war ein Schafschuppen bei Owen Newitt abgefackelt, weil dieser seine Pfeife aus Versehen ins trockene Stroh hatte fallen lassen und das andere Mal hatte eine große Erle hinter der Kirche durch einen Blitzschlag Feuer gefangen. Jedoch konnte unter Umständen alles zu spät sein, bis man die Wehrleute aus Cranford hergeholt haben würde. Deswegen beschloss er, sich die Sache sicherheitshalber mal durch das Fenster anzusehen und trat näher.

Was er da sah, ließ ihm den Atem stocken! Nun wusste er auch, wo sich Geraldine herumtrieb, im wahrsten Sinne des Wortes. David Horton sah zwei ineinander verschlungene, nackte Körper sich auf einem großen, schafähnlichen Fell vor dem Kamin des Cottages winden. Ein Körper gehörte zweifelsfrei Geraldine, der andere ebenso zweifelsfrei diesem Harry. Erst lagen die beiden zwar Bauch an Rücken, was aber nicht darüber hinweg täuschen konnte, dass sie sich in eindeutigen, rhythmischen Bewegungen ergingen. David Horton wollte sich soeben konsterniert vom Fenster abwenden, als das Paar drinnen die Position wechselte. Und neugierig blieb er noch einen Moment und schaute nun mit Riesenaugen auf das sich auf und ab bewegende bloße Hinterteil von Mr. Kennedy!

Drinnen dudelte derweil Bon Jovi nimmermüde zum siebenunddreißigsten Mal „Bed of Roses“.
....Weitere Pläne by doris anglophil
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Als erstes musste er mit seinen Eltern telefonieren. Er tat dies vom Büro aus, weil es sich einfach anbot und er dort derzeit ungestörter war als im Cottage in Dibley.
Er hatte zwar Rosie als Vorboten geschickt, doch er wusste, ein persönliches Gespräch konnte ihre Ankündigung natürlich nicht ersetzen.

„Mum, schön dich zu hören. Wie geht es euch? Gute Neuigkeiten, auch von mir, ja, da hast du Recht. Was? Rosie hat euch mit ihrem Bericht verwirrt? Nun Ma, was möchtest du denn genau wissen?
Nein, ich habe nicht das Gefühl, dass ich etwas überstürze und alles überlegter hätte angehen sollen. Ich war mir schon im ersten Moment sicher, meine Traumfrau gefunden zu haben.
Wenn du Geraldine nur kennen würdest, Mum. Aber das wird sich doch sicher bald ändern, so hoffe ich.
Ja, das ist richtig, die Hochzeit wird am 22. Dezember sein. Warum so kurz vor Weihnachten? Nun, es war eigentlich Gerrys Vorschlag, wenn ich ehrlich bin, aber ich habe ihr da voll und ganz zugestimmt. Nein, wir wollten nicht noch ein bisschen länger warten.
Ja, gib mir mal Dad, danke!“ Er schöpfte kurz Atem.

„Hallo Dad! Geht es dir gut? Schön, wie wunderbar.
Das hat mir Mum auch gerade schon gesagt. Nein, es bleibt definitiv beim 22. Dezember. Wann werdet ihr kommen? Doch hoffentlich schon ein paar Tage vorher, oder?
Ach Dad, ich habe Rosie nicht vorgeschickt, keineswegs, aber wie du dir denken kannst, haben Geraldine und ich nun alle Hände voll zu tun. Mein Umzug in das Cottage ist ja nun auch erst vor kurzem gewesen und ehrlich gesagt, habe ich noch nicht einmal alle Kisten ausgepackt, es stehen noch immer welche herum, denen ich noch nicht zu Leibe rücken konnte.
Und nun kommen sogleich auch noch die Hochzeitsvorbereitungen dazu. Das ist ein bisschen stressig, deswegen hat sich Rosie angeboten, bei euch vorzufühlen. Tut mir leid, dass ich selbst nicht geschafft habe, wirklich Dad.
Wir sind erst am Anfang der Planungen, so ganz besprochen haben wir die Details noch nicht.“ Harry stand vom Schreibtischstuhl auf und lief im Raum auf und ab.

„Rosie wird sich da sicher als hilfreich erweisen und meine zukünftige Frau – oh Dad, wie das klingt, das wird mir gerade eben zum ersten Mal richtig bewusst! – hat da ganz sicher auch ihre Vorstellungen.
Dad, sie ist zwar eine Pfarrerin, aber sie kann ja nicht selbst ihre eigene Trauung vollziehen. Da wird sie wohl jemand anderen mit beauftragen müssen.
Sie hat nun mal diesen Beruf, und ehrlich gesagt habe ich nach zehn Sekunden schon bereits nicht mehr über ihren Status nachgedacht, mir ist es völlig egal, ob sie Lehrerin, Bankangestellte oder eben Pfarrerin ist. Ich liebe Geraldine und möchte mit ihr mein weiteres Leben verbringen.
Okay, dann noch mal kurz Mum. Ja, alles klar, Dad, bis bald!“ Er ließ sich auf der Kante seines Schreibtisches nieder.

„Mum? Mach’ dir keine Sorgen, wir haben das alles im Griff. Ja, in meinem neuen Haus könnt ihr leider nicht übernachten, Rosie hat das Gästezimmer belegt. Aber ich höre mich nach einem netten Gasthof in der Nähe um. Ihr werdet doch mit dem Wagen kommen, oder?
Gut, dann hoffen wir, dass es keinen Wintereinbruch geben wird. Ja, ich melde mich bald wieder, natürlich. Ich drücke dich ganz fest, und sag’ Dad noch mal liebe Grüße! Bye!“

Kaum hatte er aufgelegt, da klopfte es kurz an die Tür. Er hatte nicht einmal Zeit, ‚Herein’ zu sagen, als auch schon Jack atemlos hereingestürzt kam: „Harry, du hast ewig die Leitung blockiert. Mit wem um Himmels willen hast du denn da so lange telefoniert? Mit deiner Zukünftigen etwa? Kleines Liebesgeflüster am Vormittag? Hast du etwa letzte Nacht vergessen, ihr zu sagen, dass du sie liebst? Mann oh Mann Harry, du bist vielleicht ein schräger Vogel!“
„Halt die Luft an, Jack! Ich habe lediglich meine Eltern von meinen Heiratsplänen in Kenntnis gesetzt. Das war alles. Was gibt es denn so Dringendes? Hat Chris dich über Nacht nicht genügend gefordert, oder was?“
„Mensch Harry, ich hatte die ganze Zeit über Annabelle in der Leitung!“
„Annabelle?“
„Oooch, wo hast du eigentlich deinen Kopf, Harry? Miss Latimer – Annabelle!“
„Ach die! Was wollte die denn schon wieder?“
„Schon wieder ist gut! Sie hat deine Stadtwohnung endlich verkauft und möchte dir gerne die Unterlagen zur Unterschrift vorlegen und dir ein nettes Sümmchen auf dein Konto überweisen. Wäre das in deinem Sinne?“
„Okay, entschuldige, ich hatte an das blöde Apartment schon gar nicht mehr gedacht. Hat sie gesagt, wann sie kommt?“

„Jetzt“, tönte Miss Latimers Stimme von der Tür her. „Ich bin schon da!“
„Miss Latimer, ähm… Annabelle, schön Sie zu sehen!“
„Guten Morgen Harry, guten Morgen Jack!“ Miss Latimer grüßte lächelnd in die Runde. Mit Schwung warf sie eine dunkelbraune Aktenmappe auf den Schreibtisch vor ihr und schaute die beiden Herren erwartungsvoll an.
Jack trat den Rückzug an: „Ähm, ihr habt bestimmt einige Geschäfte abzuwickeln, also ich verziehe mich dann. Vielleicht sehen wir uns nachher noch, Annabelle.“ Damit verschwand er und zog die Bürotür hinter sich zu.

Harry war nicht ganz wohl in seiner Haut. Er blickte auf Miss Latimer wie das Kaninchen auf die Schlange. Er entschloss sich, zum Angriff überzugehen: „Hören Sie, Annabelle, ich habe nicht sehr viel Zeit, da ich in absehbarer Zeit zu heiraten gedenke und mich in einer umfangreichen Vorbereitungsphase befinde. Also lassen Sie uns das mit der Wohnung schnell abwickeln, ja?“

Annabelle Latimer saß da wie vom Donner gerührt. Dieser verdammte Jack! Davon hatte er ihr am Telefon natürlich nichts erzählt. So ein Mist! All ihre Felle schwammen ihr gerade davon. Da war wohl nichts mehr zu retten. Sie blickte ungläubig zu dem großen, dunkelhaarigen, unglaublich attraktiven Mann auf, der nun gerade seine Brille vom Schreibtisch holte und aufsetzte. Wusste er denn nicht, welchen Effekt diese simple Handlung auf eine Frau wie sie, nein, wahrscheinlich generell auf Frauen, hatte? Sie musste sich schwer zusammennehmen, um nicht augenblicklich über den Mann vor ihr herzufallen und ihm die Klamotten vom Leib zu reißen. Sie blinzelte kurz verwirrt und sagte dann mit belegter Stimme: „Ach, da sollte ich wohl gratulieren. Das ging aber schnell, oder?“

Harry nickte abwesend: „Ja, es war eine recht spontane Entscheidung, das ist richtig. Aber nun bitte rasch zum Geschäft.“
Miss Latimer merkte, dass sie definitiv auf Granit gebissen hatte und klappte seufzend die lederne Aktenmappe auf.

Eine knappe halbe Stunde später war Harry im Prinzip um ein erkleckliches Sümmchen reicher, natürlich nicht wirklich, denn das Cottage hatte mehr Geld verschlungen, als die Wohnung im Verkauf erbracht hatte. Aber das war ja von ihm auch so kalkuliert gewesen.
Recht zufrieden machte er sich am späten Nachmittag auf den Rückweg nach Dibley, nachdem er Jack hoch und heilig hatte versprechen müssen, mit ihm in den nächsten Tagen auf Shoppingtour wegen eines Hochzeitsanzugs zu gehen.

„Liebling!“ sagte Geraldine leise.
„Mmh...?“
„Wir wollen ja heiraten, nicht wahr?“
„Mmh... ich glaube, darüber hatten wir einmal entfernt gesprochen, soweit ich mich erinnere!“
„Und du hast deinen Job in London!“
„Ja, so ist es.“ Er verzog seinen Mund zu einem schiefen Lächeln.
„Und ich arbeite hier.“
„Geraldine Granger! Könntest Du mir sagen, worauf du hinaus willst?“
„Vielleicht ist es etwas zu früh, das zu besprechen, aber... ich habe nachgedacht.“

„Oh, bitte nicht,“ lachte Harry, „du hörst dich gerade wie Alice an. ‚Ich habe nachgedacht’!“
„Ja, aber es ist doch so. Du in London und ich hier! Weißt du, was ich meine?“ Geraldine rutschte auf dem Sofa hin und her und beobachtete ihren zukünftigen Ehemann.
„Nein, ehrlich gesagt nicht.“
Harry saß am Schreibplatz und starrte geschäftig auf den Bildschirm ihres Computers. Er schob seine Brille höher auf die Nase und wartete, ob sie wohl mit der Sprache rausrücken würde. Er spürte ihre Unruhe und fragte sich was es wohl war, das sie derart beschäftigte. Er wollte ihr Zeit geben, schwieg und staunte darüber, wie gut er sie eigentlich schon kannte.

Sie verstanden sich oft ohne Worte und er konnte in ihrem Gesicht lesen. Die erotischen Begegnungen mit ihr, und er dachte da immer wieder gerne an das erste Zusammensein auf dem Fell vor dem Kamin, hatten ihre Beziehung so sehr bereichert und vertieft. Und so merkte er natürlich, dass jetzt etwas in ihr brodelte!

„Wieso bist du eigentlich nach Dibley gezogen, Harry?“
Er drehte sich zu ihr um: „Gute Frage. Es war sicher keine spontane Entscheidung. Glaub’ mir, ich habe sehr lange darüber nachgedacht. Das Leben in London hat unübersehbare Vorteile, doch mit den Jahren hatte ich die Hektik der Großstadt einfach satt! Ich suchte immer öfter die Ruhe und Abgeschiedenheit, und ich konnte dies in London nicht finden. Der Wunsch nach etwas Eigenem, einem Haus vielleicht, wurde immer größer. Kannst du verstehen, was ich meine?“

Sie sah ihn an und schmunzelte: „Ich verstehe das vollkommen. Mir ging es ähnlich. Mit dem Unterschied, dass ich nicht zur Arbeit in die Stadt fahre, ich bin immer hier! Und dass ich es nicht leicht hatte, als ich hierher kam, hab’ ich dir ja bereits geschildert. Als Pfarrerin in einem Ort wie Dibley, meine Güte, das war hart!“

Er beugte sich vor, stützte die Unterarme auf den Knien ab und blickte sie abwartend an. Selbst mit diesem besorgten Ausdruck in den Augen, sah sie unwiderstehlich schön aus. Sein Herz schlug schneller.
„Die Menschen sind nicht einfach hier, das weißt du ja schon. Doch trotz aller Schwierigkeiten sind sie mir sehr ans Herz gewachsen. Selbst die Problemfälle!“
Er lächelte: „Die Problemfälle?“
„Ja! Problemfälle! Einige von denen kennst du auch.“
„Newitt!“
„Genau – das ist einer von ihnen.“
Harry kicherte und meinte: „Ich glaube, den müssen wir verkuppeln!“
Geraldine sah ihn entsetzt an: „Das meinst du doch nicht ernst? Wer würde den denn nehmen? Das müsste ein ganz schönes Schaf sein!“

“Ein Schaf, genau!“ Harry schlug sich lachend auf die Schenkel. Er erhob sich und setzte sich neben Geraldine auf das Sofa. Mit leiser, tiefer Stimme sprach er: „Ein schönes, kuscheliges Schaf vielleicht?“
Er rutschte näher zu ihr und lehnte sich gegen ihren warmen Körper. Sofort durchfuhr ihn ein wohliges, zufriedenes Gefühl.
„Kann recht gemütlich sein ... oder?“ meinte sie.
„Gemütlich vielleicht“, seine Stimme schnurrte, „aber niemals so... erotisch“, er küsste sie zärtlich, „und so erregend ... wie du!“

Geraldine stöhnte leise und gab sich seinen Berührungen hin. „Du willst mich doch nicht... mmh... mit einem... Schaf vergleichen?“
„Niemals, Geliebte!“ Er schlang seine Arme fest um sie.
„Harry, wie machst du das nur immer?“
„Was?“ fragte er erstaunt.
„Du bringst mich dauernd vom Thema ab.“
„Nun sag’ nicht, dass du dich nicht gerne vom Thema abbringen lässt!“ Harry beugte sich wieder zu ihr und knabberte an ihrem Ohrläppchen.
„Harry, bitte!“ Sie rückte ein Stück von ihm weg. „Ich kann mich nicht konzentrieren, wenn du in mein Ohr beisst.“
„Dann schütte mir dein Herz aus, mein Schatz!“ murmelte er.

“Wo war ich stehen geblieben?“ Sie legte einen Finger auf den Mund.
„Newitt,“, sagte Harry.
„Stimmt. Schafe! Also“, sie atmete tief durch, „was ich eigentlich sagen wollte. Ich mache mir Gedanken um unsere Zukunft!“
Seine warmen Lippen wanderten quälend langsam in ihre Halsbeuge. Seine Stimme klang gedämpft, als er fragte: „Gedanken um unsere Zukunft? Die wird wunderbar! Du arbeitest hier, ich in London. Wir werfen unseren Krempel zusammen und leben in Saus und Braus ... oder in Narnia!“

„Du nimmst mich nicht ernst“, klagte Gerry.
„Wie denn auch, wo du doch so verführerisch bist. Du schmeckst und riechst so gut, ich kann nicht klar denken.“
„Dann nimm deine Zunge von meinem Hals, Geliebter... und hör mir zu!“
„Ja, Ma’m! Ich höre dir zu! Du willst, das wir zusammenziehen, ist ja klar! Aber du hast keine Ahnung wie das gehen soll, oder? Ich zu dir, du zu mir, ein neues Haus, beide Häuser, oder nur ein Haus behalten? Wie wär’s mit einer Verbindung zwischen den Häuser, dann könnten wir beide behalten! Genau, wir bauen einen gläsernen Verbindungsgang hinten über die Gärten! Ist es das, was dir Gedanken macht?“

Sie sah ihn mit offenem Mund an. Das war es, worüber sie gegrübelt hatte, er sah es in ihrem Gesicht, ihre Augen verrieten alles.
„Du bist ein Wunder! Ich finde keine Worte für das, was ich empfinde, mein Schatz! Ein wahres Wunder und manchmal habe ich Angst aus diesem Traum aufzuwachen – und du bist weg!“
Er nahm ihr Gesicht ganz zart in seine schlanken Hände. „Ich bleibe bei Dir!“ Er legte alle seine Gefühle und seine Liebe in diese Worte.
„Ich liebe dich!“
„Und ich liebe dich!“ Er beeilte sich, diesen Worten auch sofort Taten folgen zu lassen.
....Die größte Katastrophe unserer Welt.... by doris anglophil
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Geraldine öffnete die Tür, zog Harry geschwind herein und warf sich an seine Brust: „Oh Harry!“ Sie barg den Kopf in seiner Jacke, ihre Stimme klang wie ein Krächzen. Noch vor zwei Stunden hatte Harry eine total glückliche Geraldine hier zurück gelassen. Mit Eifer und nervöser Vorfreude hatte sie sich in die Hochzeitsvorbe- reitungen stürzen wollen. Harry hatte sich elegant aus der Affäre gezogen, ihr einen Kuss aufgedrückt und war in den Pub verschwunden.

Nun konnte sie kaum ein Wort sagen und als sie sich endlich von ihm löste, sah er in ihrem Gesicht maßlose Enttäuschung. Harry wunderte sich, was in dieser kurzen Zeit wohl geschehen sein mochte. Im Wohnzimmer verteilt standen mehrere Kisten, auf dem Tisch lagen noch die diversen Hochzeitsmagazine die Geraldine ihm unter die Nase gehalten hatte, bevor er gegangen war.

„Und ich hatte mir alles so schön vorgestellt!“ jammerte sie. Ihre Schultern hingen herunter und sie schlurfte müde durch das Zimmer. Sie hatte Harry an der Hand mit sich geführt und hielt ihn auch dann noch fest, als sie sich auf das Sofa setzte. Harry ließ sich neben ihr nieder und wartete geduldig, was seine Verlobte ihm mitzuteilen hatte.

Bevor er gegangen war, hatte er an Geraldines Computer das Internet durchforstet. Während dessen war seine Verlobte unruhig durch das Wohnzimmer getigert und hatte sich die Hände gerieben. Dann hatte sie zwei Gläser Wein geholt, ihm eines davon auf den Schreibtisch gestellt und ihn mit ernster Miene plötzlich gefragt: „Harry, ich habe mir etwas überlegt. Wie wäre es, wenn alle die uns etwas zur Hochzeit schenken wollen, stattdessen Geld für einen guten Zweck spenden. Was sagst du dazu?“

Harry hatte kaum glauben können, was er da gehört hatte. Energisch hatte er sich Gerry zugewandt und diese Idee sofort verworfen. Über Jahre hinweg hatte sie sich schließlich um Andere gekümmert, privat wie auch beruflich. Jetzt sollte sie dieses Ereignis voll genießen können, und ja, auch Geschenke standen ihr zu! Beinahe taumelnd vor Freude, hatte sie ihm zugestimmt und in derselben Sekunde einen Zettel hervor gekramt, auf dem sie verschiedene Läden und Geschäfte vermerkt hatte. Hier sollten Freunde, Verwandte und auch die Einwohner Dibleys die Möglichkeit haben, Geschenke für das Paar auszusuchen.

Es hatte Harry nicht wirklich gewundert, dass unter diesen ganzen ausgesuchten Läden sich inmitten anderer kurioser Vorschläge, auch„Blockbuster Video“ oder Toys ‚r’ us befanden. Nur Geraldine konnte auf solche Ideen kommen, doch er hatte da schnellstens einen Riegel vorgeschoben. Begeistert war sie darüber nicht, hatte sie doch Angst, außer Bibeln und einem Dildo nichts Brauchbares geschenkt zu bekommen. Harry hatte sich jedoch nicht erweichen lassen, er war standhaft geblieben.

Sie war so süß in ihrem Eifer gewesen. Die Planung einer Hochzeit – ihrer Hochzeit – ein Traum war für sie in Erfüllung gegangen. Wer konnte ihr verdenken, dass sie total euphorisch war und auf die kuriosesten Einfälle kam. Ein ganzer Stapel einschlägiger Magazine musste als Ratgeber und Ideenschmiede herhalten, denn Geraldine Granger wollte das ganze Programm ... all inclusive!

Er hatte auf dem Stuhl gesessen und diese wunderschöne Frau in ihrer Begeisterung beobachtet. Sie war so aufgeregt gewesen, das Gesicht gerötet hatte sie hektisch geatmet, als sie ihm nacheinander die Titel der Zeitschriften vorgelesen hatte. Er war so glücklich bei ihrem Anblick gewesen, er hätte ihr stundenlang zusehen können.

Doch jetzt saß hier ein Häufchen Elend und kuschelte sich vertrauensselig an ihn. Mit seiner Hand hob er ihr Kinn und blickte sie an: „Liebes! Willst du mir nicht erzählen, was geschehen ist?“ fragte er zärtlich. Er küsste ihre Lippen und sie seufzte ergeben. „Harry! Ich bin so unglücklich! Alle meine schönen Pläne sind dahin!“
Noch konnte er nicht nachvollziehen, worum es im Einzelnen ging. Dass es die Hochzeit betraf, war ihm jedoch mittlerweile klar!
„Sie wollen die Hochzeit für mich ausrichten!“ klagte sie.

Eine Pause entstand. Wer in aller Welt wollte die Hochzeit ausrichten, fragte sich jetzt auch Harry. Er befürchtete das Schlimmste und als Geraldine weiter sprach, wurden diese Befürchtungen sogar wahr
„Na, der Gemeinderat. Alle eben! Einschließlich Alice!“ Sie schluckte heftig und räusperte sich. „Was hätte ich denn tun sollen? Ich konnte einfach nicht nein sagen.“

„Du hast zugestimmt? Geraldine! Aber du wolltest doch die Planung selbst übernehmen, das hattest du dir doch so sehr gewünscht!“ Harry verstand die Welt nicht mehr.

„Ich weiß! Das ist es ja eben. Ich fasse es einfach nicht. Sie kamen versammelt hier an, ich bat sie auch noch alle herein. Hätte ich doch die Tür nicht geöffnet. Na, ich dachte, sie wollten uns nochmals gratulieren oder so was. In meinem ganzen Leben hätte ich mir nicht vorstellen können, mit welchen Plänen sie hier anrücken!“ Sie verzog das Gesicht, neigte sich wieder Harry zu und lehnte den Kopf an seine Schulter.

„Was soll ich denn jetzt machen, was sollen wir jetzt machen? Dich betrifft es letztendlich auch! Das gibt doch eine Katastrophe höchsten Ausmaßes! Das wird der Hammer des Jahrhunderts – und das ausgerechnet zu unserer Hochzeit. Harry! Bitte halt mich fest und küss mich, sonst bekomme ich einen Schreikrampf!“

Das ließ sich Harry nicht zweimal sagen. Er verschloss ihren Mund mit seinen warmen Lippen und hoffte inständig, ihr so etwas Trost geben zu können. Sie erwiderte seinen Kuss leidenschaftlich und hielt sein Gesicht in ihren Händen.
Kurze Zeit später löste sie sich von ihm und sah in seine blauen Augen: „Mein Traum – du bist mein Traum! Alles sollte perfekt werden – für dich und für mich. Die perfekte Hochzeit. So lange Jahre habe ich darauf warten müssen und in einigen Minuten war alles vorbei. Aber das Wichtigste bleibt mir!“

„Und was ist das, mein Schatz?“
„Das bist du, Geliebter! Wenn du das mit mir durchstehst, dann packe ich das auch. Selbst ein Hochzeitskleid von Alice werde ich verkraften. Ich werde am Altar stehen, in was auch immer gekleidet, und werde wahrhaft die glücklichste Frau auf Erden sein..., weil du bei mir bist!“
Er nahm sie nun wortlos an der Hand und führte sie nach oben ins Schlafzimmer. Sie ging nur zu bereitwillig mit.


Harry trat nervös von einem Fuß auf den anderen. Jetzt befürchtete auch er ein Desaster. Wieselschnell flitzte Jack an den Kleiderständern vorbei, auf denen die unterschiedlichsten Anzüge hingen. Seine flinken Finger glitten über die Kombinationen, befühlten das jeweilige Material, schätzten Größe und Farbe ein und er schnupperte sogar an ihnen. Harry stand mehr oder weniger sprachlos daneben und hoffte inständig, dass Jack ihm hier auch eine wirkliche Hilfe war.

Natürlich hatte er das Angebot seines Freundes angenommen, ihm bei der Auswahl eines adäquaten Hochzeits-Outfits zu helfen. Wer konnte dazu schon nein sagen. Schließlich hatte Harry keinerlei Erfahrungen in Sachen Hochzeit. Er konnte sich nicht einmal erinnern, jemals bei einer eingeladen gewesen zu sein. In seinem Kopf war lediglich das schöne Bild eines traditionellen Anzuges, in dunkler Farbe gehalten, klassisch geschnitten mit einem weißen Hemd und einer Krawatte. Das war alles. Doch das war Jack nicht genug.

Schnell hatte er Harry klargemacht, was heutzutage angesagt war. Allerdings war Harry sich nicht sicher, ob das, was bei Jack angesagt war, auch tatsächlich das Nonplusultra in Hochzeitsdingen war. Langsam aber sicher machte sich in ihm das Gefühl breit, dass er vielleicht als Pfau vor dem Altar stehen würde. Oh Gott! Vor seinem geistigen Auge sah er schon die schmunzelnde Hochzeitsgesellschaft vor sich und Geraldine, die ihn mit entsetztem Gesicht ansehen würde. Das könnte er ihr nicht antun. Jack musste gestoppt werden!

Am Ende dieser Einkaufstortur war er so müde, als wäre er einen Marathon gelaufen. Jack hatte ihn mindestens hundert Mal in die Umkleidekabine gejagt. Der junge Verkäufer, der durchaus etwas von seinem Handwerk verstand, hatte ihnen einen Anzug nach dem anderen gebracht. Zunächst hatte Harry noch protestiert, doch schon bald hatte er aufgegeben.
Gegen Jacks Euphorie war kein Kraut gewachsen, eine Abwehr war unmöglich. So hatte er sich nach und nach der Übermacht ergeben. Ein eigens aufgestellter Kleiderständer war unter dem Gewicht der heran gekarrten Kleidungsstücke fast geborsten. Die Stange hin verdächtig durch und Harry hatte nur darauf gewartet, dass er zusammenbrach. Der junge Mann jedoch, der eine Engelsgeduld mit den beiden Kunden bewiesen hatte, hatte den Ständer im letzten Moment immer wieder geleert, so lange Jack mit neuen Hochzeitsanzügen aufgewartet hatte.

In Dibley angekommen, hatte er sich todmüde auf sein Sofa fallen lassen. Letztendlich hatte in Jacks Augen nur ein Anzug standgehalten. Ein einziger unter Hunderten. Ein hellgrauer Anzug, kombiniert mit einem weißen Hemd und einer weißen Krawatte, in dem sich Harry ein ganz kleines bisschen wie ein Pfau vorkam. Er hätte wirklich auf einen konservativen, dunklen, geschmackvollen Anzug bestehen sollen. Aber wer konnte bei Jack schon nein sagen?

Trotz aller Anstrengungen des Tages, machte er noch einen Spaziergang durch den Ort mit ihr, denn sie musste gleich zu ihrer Überraschungsparty erscheinen. Er würde sie dann vor der Tür von David Hortons Haus abliefern und sich selbst nach London begeben, wo er mit Jack, Chris und Rosie für diesen Abend verabredet war. Sein Junggesellenabschied im engsten Kreis. Er wusste nicht, ob er sich lieber etwas Spektakuläreres dafür gewünscht hatte. Vielleicht war es aber ganz gut so wie es war. Geraldine hatte ebenfalls keine Ahnung, was sie erwartete. Sie hatte weder dem Gemeinderat, noch Alice irgendetwas entlocken können.

Hand in Hand schlenderten sie also durch das abendliche Dorf.
„Harry? Was, glaubst du, ist die größte Katastrophe unserer Welt im 21. Jahrhundert?“ Sie atmete tief durch und fuhr fort: „Ist es die globale Erwärmung, der internationale Terrorismus... oder... unsere Hochzeit am Samstag?“ Mit verkniffenem Gesicht wartete sie auf Harrys Antwort.
„Ich denke es ist.. unsere Hochzeit am Samstag!“
„Genau Harry! Unsere Hochzeit!“

Er hielt an, drehte sie zu sich um und sah ihr fest in die Augen: „Schau mal, warum bist du nicht so tapfer und sagst ihnen, dass du deine Meinung geändert hast und alles selbst organisieren willst?“
„Völlig unmöglich!“ antwortete sie und schnaufte laut.
„Schatz, es muss sein und zwar heute noch!“ Er sah sie ermutigend an.
Geraldine atmete tief durch und blickte zu ihm auf: „Alles klar! Ich sag’s ihnen, bevor ich gehe. Ich atme tief durch ... und raus damit!“
Harry nickte und ein zärtlicher Ausdruck erschien auf seinem Gesicht: „Sehr gut!“

In ihrem Gesicht verblieb ein zweifelnder Ausdruck: „Gute Entscheidung!“ Sie sprach sich selbst Mut zu. „Wie wär’s mit einem kleinen Küsschen... zum Mut machen?“
Harry neigte sanft den Kopf und flüsterte mit leiser Stimme: „Das ist eine gute Idee.“ Sein Mund fand den ihren und bei der Berührung ihrer warmen, weichen Lippen durchfuhr ihn ein wunderbares Gefühl. Sie suchte Halt bei ihm und er nahm sie fest in die Arme.

Die nach und nach an ihnen vorbeikommenden Ratsmitglieder nahmen sie kaum wahr.
....Junggesellenabend....... by doris anglophil
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„Meine Güte, Harry! Stell’ dich doch nicht so an! Bleib’ mal locker, du bist ja völlig verkrampft!“ Harry tapste unsicher über einen Boden, der sich wie ein Holzbohlenboden anhörte. Unter seinen Füßen knarzte und knackte es bei jedem Schritt. Jacks Stimme hörte sich irgendwie komisch an, sie waren wohl in einer großen Halle oder einem Saal angekommen.

Jack hatte Harry in seine Wohnung eingeladen und ihm ein wunderbares Abendessen versprochen. Natürlich war Christopher auch da gewesen und
Selbstverständlich war Rosie auch anwesend. Er hatte sich auf einen gemütlichen, geruhsamen Abend gefreut – aber weit gefehlt. Nach einem kurzen Imbiss hatten die Drei ihn geschnappt, ihm eine Augenbinde verpasst und beinahe noch mit einem Wasserglas Wodka abgefüllt. Das hatte er lachend verhindern können, was immer sie mit ihm vorhatten, er wollte alles mitbekommen!

Vorsichtig hatten sie seinen langen, schmalen Körper auf die Rückbank eines Autos bugsiert. Harry war völlig orientierungslos während der Fahrt und hatte auch keine Ahnung wohin es ging. Jacks Vorhersagen über die tollen Einfälle von Rosie und ihm hatten ihn schon vorgewarnt und doch war der Bräutigam und „Noch-Junggeselle“ aufrichtig gespannt, was sich die Freunde wohl für ihn ausgedacht hatten. Hoffentlich wurde es nicht allzu peinlich!

Scheinbar ziellos waren sie durch die Stadt gekurvt. Heftigste Diskussionen über die einzuschlagende Richtung, das Tempo des Wagens und des zu erwartenden Chaos hatten Harry verunsichert. Genau – Chaos! Eine Chaostruppe hatte ihn in den Fängen, mit Rosie und Jack war in Sachen Vernunft nicht zu rechnen, Christopher war für Harry sehr schwer einzuschätzen. Vielleicht würde er den beiden Wirrköpfen Einhalt bieten können.

Ein ständiges Gelächter und Gequietsche hatte den Wagen durchflutet und Harry, in seiner Sicht völlig eingeschränkt, hatte das Gefühl, dass auch sein Gehör nach und nach aussetzen würde. Er hatte im Fond gesessen, die langen Beine angezogen, die Knie ragten ihm fast bis zum Kinn. In was für eine Minikiste hatten sie ihn denn verfrachtet? Er hatte nicht ausmachen können, wessen Wagen es war. Chris’ Auto kannte er nicht, doch er konnte sich partout nicht vorstellen, dass dieser große Mann einen solchen Kleinwagen fahren würde.

Er hatte sich in Geduld geübt und nach ewigem Herumkutschieren, waren sie endlich angekommen. Wo? Harry hatte keine Ahnung. Beim Aussteigen musste er seine Beine ausklappen wie ein Taschenmesser, gestützt von Christopher, hatte er sich gereckt und gestreckt.

„Kann ich die Binde jetzt abnehmen?“ hatte er in die Runde gefragt. Es war keine Antwort gekommen. Unter Gekicher und Gelächter hatten sie ihn ins Nirgendwo geführt. Die Augenbinde hatte ihn ganz nervös gemacht, der Knoten hatte einige Haare erwischt, die jetzt unangenehm ziepten. Beim Versuch, sie zu lösen, hatten seine Kidnapper lautstark protestiert. Danach hatten Christopher und Jack ihn gemeinsam an den Händen geführt. Damit er auf keine dummen Gedanken käme, hatten sie gemeint.

Völlig orientierungslos war er von den Dreien in ein Gebäude geführt worden, mehr hatte er zunächst nicht herausfinden können. Nach dem Aussteigen, hatten sie eine längere Strecke zurückgelegt, hatten sich ab und zu an entgegen kommenden Menschen vorbeidrängen müssen und waren dann durch eine breite Tür in dieses Haus gelangt. Dem Eingang nach zu urteilen, musste es groß sein, er und seine Händchenhalter hatten nebeneinander hindurch gepasst.

Wir in einem Irrgarten war es weiter gegangen. Treppauf und treppab, durch Gänge, über Stufen und um Ecken. Manchmal war mehr Raum zum Gehen gewesen, manchmal hatten sie hintereinander gehen müssen. Rosie, Jack und Christopher hatten kaum gesprochen, ab und zu eine leise geflüsterte Frage nach der Richtung, die einzuschlagen war oder hin und wieder ein Glucksen und Kichern. Harry hatte absolut keine Ahnung gehabt, wo er sich befunden hatte und welche Pläne sie hatten. Er hatte sich tapfer seinem Schicksal ergeben und sehr gehofft, dass dieses Abenteuer nicht in einem Debakel enden würde.

Das war ganz klar ein Bretterboden und der Raum musste sehr groß sein. Selbst ein Flüstern, schwoll hier zu einem gut hörbaren Laut an, die Akustik war prima. Harry wandte den Kopf mit den verbundenen Augen hin und her, doch er konnte nicht wirklich ausmachen, wo er war. Er stand ganz ruhig, doch um ihn herum bewegten sich mehrere Personen auf dem Dielenboden und er hörte auch das Hin- und Hergeschiebe von Tischen oder Stühlen.

Plötzlich wurde er nicht nur auf einen Stuhl gedrückt, auch seine Hände wurden festgebunden. Dabei lachten die Drei, oder waren es jetzt Vier, sich ins Fäustchen. Sie kringelten sich geradezu – und das auf Harrys Kosten. Unweigerlich musste er mitkichern, die Stimmung war einfach zu ansteckend. Er legte lautstark Widerspruch bei der Fesselaktion ein, schimpfte wie ein Rohrspatz, als seine Augenbinde nochmals fest angezogen wurde und beanstandete seine unbequeme Haltung auf dem Stuhl. Doch es half alles nichts.

Überraschend trat Ruhe ein. Harry drehte den Kopf nach links und rechts, als ob er so mehr darüber erfahren würde, was um ihn herum vorging. Nur hier und da ein leises Knacken, sonst war es absolut still. Ein Luftzug umwehte seine Nase. Er schnupperte – ein bisschen wie ein Hund fand er und grinste. Was passierte jetzt? Er spürte zwei Hände auf seinen Schultern. Die Hände einer Frau! Das würden sie ihm doch nicht wirklich antun wollen? Sie hatten doch nicht etwa eine Stripperin engagiert? Oder gar eine… Drag-Queen? Jack und vielleicht auch Chris würden sicher auf solche verqueren Ideen kommen. Harry öffnete den Mund zum Protest. Zart legten sich zwei Finger auf seinen Mund und hinderten ihn am Sprechen. Harry saß nun ganz still.


Die Hand verschwand von seinem Mund, stattdessen spürte er, wie sich jemand auf seinen Schoß setzte. Ganz sicher eine Frau, soviel war klar! Der Körper rutschte auf seinen Oberschenkeln hin und her, bis er eine bequeme Position erreicht hatte. Harry wartete ab. Die Atemzüge der Frau waren deutlich zu hören, sonst war es mucksmäuschenstill. Zwei Händen legten sich auf seine Schlüsselbeine und ganz langsam wanderten die Finger zum Kragen seines Hemdes. Der oberste Knopf wurde gelöst, dann der zweite. Eine kleine Öffnung tat sich auf und die kühlen Finger zogen den Stoff bedächtig auseinander.

Harry schmunzelte, sagte aber noch nichts. Es war sicher nicht Geraldine, er hätte sofort erkannt, wenn sie in seiner Nähe gewesen wäre. Wieder schnupperte er, er kannte doch diesen Duft, oder? Nein, er wusste ihn nicht einzuordnen! Ein weiterer Knopf wurde geöffnet. Mehr Platz für eine Hand, oder auch zwei. Er zuckte unweigerlich zurück, als sich die kleine Hand durch die Öffnung schob und auf seine Brust legte. Seine Lippen pressten sich aufeinander, ein leises Lachen stieg in seiner Kehle empor. Auch die Frau auf seinem Schoß lachte leise.

Die Hand noch immer in seinem Hemdausschnitt, lehnte sie sich etwas nach vorne und berührte seinen Kopf mit ihrem Gesicht. Sie hatte lange Haare, sie hingen bis auf seine Schultern herab. Sie roch gut und immer noch fragte er sich, wieso ihm dieser Geruch so vertraut vorkam. Eine Wange legte sich an seine. Ihr Atem glitt an seinem Ohr vorbei und sie flüsterte: „Harry!“
Mist, die Stimme – kannte er sie nicht? Sie war einfach zu leise und er hatte auch nicht damit gerechnet, dass sie etwas sagen würde.

Sie hatte ganz natürlich geklungen, aber leise eben. Nicht laut genug, um sie zu identifizieren. Im Hintergrund lachte jemand laut und es hörte sich an, als ob etwas Schweres auf den Boden geplumpst sei. Währenddessen rückte die Frau noch ein weiteres Stückchen auf seinen Schenkeln nach oben. Die Hand verschwand aus seinem Hemdausschnitt, der Oberkörper der Unbekannten presste sich jetzt an seinen, ihr Kinn barg sie an seiner Schulter. Einen kleinen Augenblick lang war er versucht, den Körper fest zu umarmen. Die gefesselten Hände machten dies jedoch unmöglich.

Nun hob sich der Kopf von seiner Schulter und er spürte ihren Atem auf seinem Gesicht. Immer näher kam ihr Mund, das konnte er fühlen. Ganz sanft legte sich ein warmes Lippenpaar auf seine. Alles klar, soweit so gut, dachte er. Das ist noch völlig in Ordnung. Doch dann wurde der Druck auf seinen Mund fester, die Lippen pressten sich jetzt auf seinen Mund und langsam öffneten sich die weichen Lippen der Fremden. Ihre Arme umfassten seinen Oberkörper und packten ihn an den Schultern, um ihn näher heranzuziehen. Ihr Kopf neigte sich ein bisschen und sie wich so seiner Nase aus. Langsam wurde ihm etwas mulmig. Das ging im fast schon zu weit.

Er hielt seinen Mund fest geschlossen, wollte aber auch kein Spielverderber sein. Die Hände lösten sich von seiner Schulter und durchwühlten sein Haar und zupften an der Augenbinde. Vielleicht würde sie das Tuch jetzt entfernen? Er nahm seinen Kopf etwas zurück, wollte sich von diesem Mund lösen, doch sie folgte ihm in der Bewegung und ihre Lippen trennten sich nicht von seinem. Er wollte etwas sagen, doch es kam nur ein unverständliches Murmeln heraus. Diese Frau gab nicht so schnell auf! Hartnäckig die Kleine, dann mal los! Jetzt legte er sich so richtig ins Zeug. Schließlich war er ja kein Kind von Traurigkeit, und noch war er nicht verheiratet!

Doch kaum hatte er das gedacht, sah er das Gesicht seiner Geliebten vor sich. Nein, das wollte er nun wirklich nicht. Er würde den Spaß hier soweit mitmachen, wie es für in tragbar sein würde – und nicht weiter! Er drückte dem unbekannten Mund noch einen Schmatzer auf, zog seinen Kopf etwas weiter zurück und meinte atemlos: „Okay Kinder! Was geht hier vor? Wer bist du? Hat man dir nicht gesagt, dass ich so gut wie verheiratet bin?“
....Eine denkwürdige Party.... by doris anglophil
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Harry war erleichtert, als die Dame von ihm abließ. Sie atmete hörbar tief aus und lachte dann laut auf. Rund um ihn herum erschallte lautes Gelächter. Harry wartete auf eine Entgegnung.

„Klar weiß ich das!“ Die Stimme lachte wieder. „Was denkst du denn? Meinst du etwas, die lassen mich hier ins offene Messer laufen? War ich dir ein wenig zu forsch, Harry?“
Die Stimme klang doch vertraut, in seinem Kopf drehten sich die Erinnerungen. Mist, wer war denn das?
„Jetzt lasst mich hier auf dem Stuhl nicht dumm sterben! Jack, du Knalltüte! Mach mir die Binde ab und erlöse mich!“

„Nö, mein Lieber! Das mache ich selbst. Nicht gerade schmeichelhaft, dass du mich nicht erkennst! Dabei dachte ich immer, ich würde überall einen bleibenden Eindruck hinterlassen!“ Sie seufzte leise und küsste ihn noch mal, dieses Mal jedoch nur flüchtig. „Ganz schön verführerisch. Schade, dass es so etwas Leckeres bei meiner Hochzeit nicht gab!“ sagte sie und schloss die Knöpfe an seinem Hemd.

„Jetzt mach’ es nicht so spannend. Harry flippt gleich aus, ich kenne die Anzeichen!“ Rosies Stimme war ganz in Harrys Nähe und er sagte streng: „Halt du dich mal raus! Warte, wenn wir erst zuhause sind, dann lege ich dich über’s Knie, Schwesterherz.“ Harry prustete trotz seiner harschen Worte los bei dieser Vorstellung und offensichtlich kriegten sich die Anderen auch nicht ein.
Meine Güte, jetzt schmiss sich die Namenlose erneut fest an seine Brust! Na ja, so konnte er es noch eine Weile aushalten – zur Not! Ihre flinken Finger machten sich am Knoten der Binde zu schaffen. Gleich ist es soweit, gleich würde er wissen, wer sich da so überaus sexy an ihn geschmiegt hatte.

Das Tuch glitt zu Boden und ihm fiel es wie Schuppen von den Augen! Dorothy! Sie saß noch immer rittlings auf ihm und grinste ihn verschmitzt an: „Da staunst du, was?“
Das kann man wohl sagen, er staunte wirklich nicht schlecht. Wie kam sie hierher, woher wusste sie...?
Sie strahlte ihn an und umarmte ihn.
„Meine Hände, willst du die nicht auch losbinden? Ich will dich auch mal knuddeln!“ Harry sah sie fragend an.
„Klar, hätte ich fast vergessen. Du bist so schön wehrlos mit den gebundenen Händen. Da kann man endlich mal mit dir machen, was man will!“

Schließlich befreite Jack Harrys Hände von den Fesseln und endlich konnte er Dorothy gebührend begrüßen. Diese Überraschung war wahrlich gelungen!
Er, Dorothy und der Stuhl auf dem sie saßen, waren in grelles Licht getaucht. Alles um ihn herum war hingegen in tiefem Dunkel verschwunden. Dorothy erhob sich von seinen Beinen und er blickte sich um. „Jetzt mal raus mit der Sprache! Wohin habt er mich geschleppt?“ Er kniff die Augenbrauen zusammen und blickte fragend in die Finsternis. Dorothy war nur ein paar Schritte zurück getreten und schon sah man nur noch ihre Umrisse. Sie schnippte mit den Fingern.

Plötzlich veränderte sich alles. Licht flammte auf, der grelle Lichtkreis um ihn herum verschwand, Scheinwerfer erleuchteten nun den Bretterboden, der die Welt bedeutete. Er war in einem Theater! In dem Theater, in dem Dorothy arbeitete. Er erkannte es jetzt! Er stand auf und drehte sich einmal im Kreis: „Ihr seid total verrückt!“ Sie hatten eine wunderschöne Kulisse aufgebaut, mit Bäumen, Hecken, angedeuteten Wegen und vielen bunten Bändern. Er fühlte sich in einen Märchenwald versetzt. Tische und Bänke waren auf der Bühne verteilt, sie waren mit Geschirr gedeckt und wunderbar geschmückt.

Die größte Überraschung, nach Dorothy, waren jedoch all die lieben Menschen, die heute hierher gekommen waren, um mit ihm zu feiern, sich zu freuen und richtig ausgelassen zu sein. Jack und Rosie hatten alle zusammen getrommelt. Kollegen, Freunde, offensichtlich auch einige vom Theater, sicher von Dorothy mitgebracht. Leute, die sich wahrscheinlich bei der Planung und Ausführung des Abends nützlich gemacht hatten.

Er nahm Dorothy an der Hand, begrüßte etwas verlegen auch ihren Mann... und schaute dann dankbar seine engsten Freunde an. Rosie, seine verrückte Schwester, Jack, sein engster Vertrauter und Christopher – der ihm bereits ans Herz gewachsen war. Da standen sie und freuten sich mit ihm.
Jack blickte ihm in die Augen und rief: „Heute Nacht feiern wir einen Sommernachtstraum... mitten im Winter!“

Es war eine wundervolle Party, es wurde viel gelacht und erzählt, natürlich auch etliches getrunken. Das Catering war exzellent, ein kleines, aber feines Buffet half gegen Hungerattacken. Harry war fast schwindelig von der zauberhaften, fast unwirklichen Atmosphäre. Er fand die Theaterwelt absolut faszinierend, so völlig anders als das, was er immer täglich machte. Er beneidete Dorothy um diesen Arbeitsplatz, es kam ihm alles irgendwie exotisch vor. Er fragte sich auch, ob die Sache vorhin mit ihr eine Inszenierung, eine Rolle von ihr gewesen war oder ob sie als Privatperson agiert hatte.

Mit einem Glas Rotwein in der Hand kam diese Lady nun auf ihn zu. Sie lächelte verhalten und zog ihn dann am Ärmel etwas abseits des allgemeinen Trubels. „Harry, ich hoffe, dass dir der Spezialauftritt nicht allzu peinlich war. Aber – ich möchte, dass du weißt, dass dies mein Hochzeitsgeschenk an dich ist. Auch der Kuss. Alles kam von Herzen. Das wollte ich nur noch schnell sagen. Ich werde nämlich jetzt gleich gehen.“

Er unterbrach schnell ihren Redefluss an dieser Stelle: „Danke. Tausend Dank. Es ist die größte Überraschung, die ich jemals erlebt habe. Ich hatte mit vielem gerechnet, aber damit nicht. Und – noch darf ich es sagen – mir war nichts peinlich. Im Gegenteil, ich fand es sehr… anregend. Nur eines würde ich noch gerne wissen: Wie ist das alles zustande gekommen? Ich meine, wie sind meine Schwester und Jack auf dich gekommen?“

Sie grinste: „Ach, Rosie gegenüber musst du unsere Bekanntschaft wohl erwähnt haben, aber das war nicht das Ausschlaggebende. Sie hat sich dann aber sofort eingeklinkt, als sie sich an das Gespräch mit dir erinnerte. Nein, Jack hat mich angesprochen. Er muss wohl beim Zusammenpacken von Sachen in deiner alten Wohnung ein Programmheft mit Widmung von mir gesehen haben und hat sich dann per Internet auf die Suche nach mir gemacht. War nicht schwer, da ich ja nach wie vor in London arbeite. Den Rest kannst du dir ja denken, oder?“

Harry nickte bedeutungsvoll: „Ja, das kann ich. Ähm, dein Mann, was hat der denn dazu gesagt? Das war übrigens das Einzige, was mir in der Tat ein wenig unangenehm war.“
Sie bedachte ihn mit einem langen Blick: „Er hat es als Theaterstück angesehen. Damit kann er umgehen.“
Harry sah sie kurz an, er musste sich mit dieser Antwort zufrieden geben, obwohl er merkte, dass diese Erklärung zu lapidar war.
Dorothy war bereits im Rückzug, umarmte ihn kurz, drückte ihm links und rechts einen Kuss auf die Wange und hauchte: „Viel, viel Glück für deine Ehe. Und niemals den Humor verlieren. Ich bin dann weg!“

Er sah, wie sie mit ihrem Mann gemeinsam den Bühnenraum verließ. Etwas bedrückt ließ er sich auf einem Stuhl am Bühnenrand nieder und beobachtete das Treiben um ihn herum. Rosie war sehr ausgelassen, sie lachte und schwätzte andauernd. Jack und Christopher hatten mal wieder die Welt um sich herum vergessen und saßen verliebt an einem Tisch auf der anderen Seite, sich gegenseitig in die Augen starrend.

Eine angenehme Stimme hinter ihm riss Harry plötzlich aus seinen Gedanken; „Oh, ich wusste gar nicht, dass hier eine Feier stattfindet. Habe ich etwas verpasst?“ Harry drehte sich um und hob den Blick. Im Gegenlicht der Scheinwerfer war nur ein recht großer, schlanker Mann auszumachen. Harry stand auf und ging ein paar Schritte auf den Fremden zu, dann fuhr ihm der Schreck in die Glieder. Niemand geringerer als Matthew Macfadyen stand da vor ihm! Na klar, die Stimme! Die war ihm gleich so bekannt vorgekommen.

„Ähm, dies ist eine Junggesellenabschiedsparty, um genau zu sein, meine Junggesellenabschiedsparty!“ Harry Stimme zitterte ein wenig bei diesen Worten. Macfadyen sah ihn an, lächelte und zog seine linke Augenbraue ein wenig nach oben: „Wow, wie nett. Hätte auch gerne so eine Party gehabt. Arbeiten Sie auch hier am Theater? Dann kennen Sie bestimmt Dorothy. Ich bin auf der Suche nach ihr, müsste dringend etwas mit ihr besprechen.“

Harry machte eine bedauernde Geste und antwortete: „Oh, das ist ungünstig, sie ist nämlich gerade vor zehn Minuten gegangen.“
Der Schauspieler blickte kurz in die ausgelassene Runde und meinte dann: „Schade. Dann werde ich sie morgen anrufen müssen. Entschuldigen Sie vielmals die Störung. Ich wünsche noch viel Vergnügen – ach ja, und Gratulation natürlich!“ Er hielt Harry die Hand hin, die dieser ergriff und schüttelte. Dann meinte er, einen Anflug des Wiedererkennens in Macfadyens Augen gesehen zu haben, aber da konnte er sich auch getäuscht haben. Bevor Harry den Mund aufmachen konnte, um den unerwarteten Gast zum Bleiben zu bewegen, war dieser auch schon in den dunklen Tiefen der Bühne verschwunden.

Harry setzte sich wieder hin und atmete tief durch. Bei Gott, welch ein Tag!
....Wer probt hier was?.... by doris anglophil
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Rosie hatte bei der Probe in der Kirche unbedingt dabei sein wollen. Sie hatte Harry eindringlich erläutert, dass sie nicht das kleinste Fitzelchen versäumen wollte. Termine hatten sie noch in London festgehalten und so war sie froh, dass sie es noch mehr als rechtzeitig geschafft hatte.

Sie wollte nicht mehr länger auf die beiden Verliebten warten, die zwei konnten einfach die Finger nicht voneinander lassen. Da wurde selbst die Hilfe beim Anziehen einer Jacke zur erotischen Angelegenheit. Außerdem löcherte Geraldine ihren Bräutigam ständig mit ihren neugierigen Fragen nach den Abläufen seiner Partynacht. Harry hatte ihr ziemlich ausführlich Bericht erstattet, hatte aber das Erlebnis mit Dorothy als etwas weniger intensiv geschildert.

Also war Rosie vorgegangen und trat jetzt durch die Kirchentür in den Innenraum. An der Orgel saß ein älterer Herr und bearbeitete die Tasten des Instruments. Durch den Gang bewegte sich die gebeugte Figur eines Mannes, der entlang der Bänke ein Kabel verlegte und einige Personen saßen bereits in den Bänken und warteten wohl auch auf die Hauptdarsteller.

Rosie ging langsam durch den Gang nach vorne, um einen möglichst guten Platz zu erwischen. Neben der Kanzel stand ein Mann, der in seinen Taschen wühlte. Sie sah ihn an und in diesem Augenblick hob er den Kopf und lächelte ihr zu. Sie atmete tief ein und lächelte zurück. Dann wandte sie verlegen die Augen ab und blickte auf den Steinboden. Sie schürzte ihr Lippen, trat einen Schritt zurück und stolperte über das blöde Kabel auf dem Boden. Der Mann sprang nach vorne, konnte sie jedoch nicht mehr erreichen. Mit einem dumpfen Geräusch landete sie in der Kirchenbank. Na prima, dachte sie. Wieder mal die Aufmerksamkeit Aller erregt. Sie blickte sich unsicher um, doch außer ihm hatte sie zum Glück niemand beobachtet.

Er kam auf sie zu und sah sie freundlich an. Sie seufzte und hoffte im Stillen, er würde gleich wieder verschwinden. Der Typ machte sie nervös. Doch er ging nicht! Er sah sie an, neigte den Kopf und meinte: „Hallo! Ich bin Jeremy!“
„Ja, schön ... Jeremy!“ Demonstrativ blickte sie in eine andere Richtung. Doch er folgte ihrem Blick und schaute in ihre Augen: „Ich bin Geraldines Freund. Ich werde Geraldine und... äh... Harry trauen!“
Rosie wusste nicht, was an ihm sie so irritierte! Hoffentlich zischte er bald ab. „Na, das ist ja Spitze!“ Ihre Stimme klang gereizt.
„Braut oder Bräutigam?“ Er konnte es wohl nicht lassen.
„Was?“ Rosie runzelte die Stirn, sie sah ihn an.

„Gehörst du zur Braut ... nein, das wüsste ich. Du gehörst zum Bräutigam, oder? Richtig geraten?“
Oh Mann, jetzt nerv’ nicht. Sie stand auf und drehte sich zur Tür um. Wo waren die Zwei denn nur? Sie hier so warten zu lassen und dieser ... dieser ... Mann, ja ... der machte sie ganz zappelig! Nervös trat sie von einem Fuß auf den andern, schüttelte den Kopf und setzte sich wieder. Nutzte ja auch nichts, wenn sie hier rum stand und Maulaffen feilhielt.
Also dann: „Ja! Bravo! Richtig geraten. Ich bin Harrys Schwester!“
„Hallo, Harrys Schwester!“ Er reichte ihr die Hand und lachte.
Fing der nun total an zu spinnen? „Ich heiße Rosie!“ Sie nahm seine Hand und auf ihrem rechten Unterarm bildete sich eine Gänsehaut. Es kribbelte überall, ihre Härchen standen alle stramm. Ruckartig ließ sie seine Hand los, schaute auf ihre Finger und dann in sein Gesicht.

„Alles klar mit dir, Rosie?“ fragte er leise. Auf seinem Gesicht erschien ein kleines Lächeln und Rosies Herz machte einen Satz.
„Ja. Alles klar. Mir geht’s gut! Wirklich!“ Jetzt lächelte sie auch, sie konnte gar nicht anders. Sie lehnte sich zurück, die Holzbank quietschte ein bisschen und sie war froh, als Harry und Geraldine endlich durch die Kirchentür traten.

„Aha ... da kommen ja die Beiden. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, was die Zwei zusammengeführt hat. Wenn das mal kein Unglück gibt. Die liebliche Geraldine und dieser ... äh...!“
„Sag’ nichts Falsches! Was die zusammengebracht hat? Da fragst du noch? Die Liebe selbstverständlich, das sieht doch ein Blinder! Die Beiden lieben sich!“ Rosie wurde immer unsicherer, jetzt ging er ihr allmählich auf den Keks.

Aber ... gleichzeitig war sie auch angetan von ihm! Angetan! Auf ihrem Gesicht erschien ein entsetzter Blick, sie konnte geradezu spüren, wie er sich ausbreitete. Jeremy sah ihn wohl auch, er tat einen Schritt zur Seite. Angetan – hatte sie völlig den Verstand verloren?

„Ihr habt Euch schon kennen gelernt?“ Harrys Stimme unterbrach die konfusen Gedankengänge seiner Schwester. Erleichtert atmete sie auf und fuhr sich mit der Hand über die Stirn.
„Alles in Ordnung mit dir, Kleines?“
„Klar doch. Mit mir schon, aber alle warten auf Euch! Geraldine, du musst raus“, kommandierte sie „und Harry, ab nach vorne!“ Beide nahmen ihre Positionen ein und auch die Nervensäge Jeremy begab sich auf seinen Platz. Jeremy klatschte in die Hände: „So, jetzt kann es los gehen!“ Er blickte an Harry vorbei zu Rosie und wandte sich dann an den Orgelspieler am Ende des Kirchenschiffs.

Die schlanke Gestalt ihres Bruders stand ein wenig verloren in der Kirche. Nicht mehr lange und sie würde eine Schwägerin haben. Sie freute sich ungemein für die Zwei, doch der Gedanke, dass ihr Bruder bald schon verheiratet sein würde, machte sie auch etwas melancholisch. Sie hatten über die Jahre so viel miteinander geteilt, Höhen und Tiefen ausgelotet und so manchen Stein aus dem Weg geräumt. Bald würde er eine andere Vertraute haben, jemanden dem er sein Herz geschenkt hatte. Und wie groß dieses Herz war, dass wusste Rosie genau.

Jeremy gab dem Organisten erneut ein Zeichen und es erklang... ein Trauermarsch! Geraldine wurde von David in die Kirche geführt, beide blieben irritiert stehen. Jim Trott entschuldigte sich. Nun gab Jeremy den Takt an und Geraldine stand nach einigen Schritten neben ihrem zukünftigen Mann. Sie blickte vertrauensvoll zu ihm auf und er gab diesen liebevollen Blick zurück.

Mit einigen Worten stimmte er das Paar auf die Trauungszeremonie ein und kam recht schnell zum Ehegelübde der Beiden. Bei der Frage nach den vollen Namen, antwortete Harry zuerst, was dem Typen rechts neben ihrem Bruder ein Prusten entlockte, wie Rosie irritiert bemerkte. Wer war das denn? Meine Güte, was für ein Verein. Was gab es denn an Jasper auszusetzen? Viel peinlicher würde es sein, wenn bei der Trauung am nächsten Tag der gesamte Name Geraldines vorgelesen werden würde?

Jeremy konnte nicht anders und las den Namen zumindest heute vollständig vor! Na, der würde was erleben! Er sollte ihr in die Finger kommen, dieser Fatzke! Was bildete er sich ein? Im Geiste rieb Rosie sich schon mal die Hände, sie freute sich auf ein offenes Gespräch mit ihm.

Der Rest der Probe verlief reibungslos und Rosie sah Erleichterung in den Augen von Harry und Geraldine.
„Und – aufgeregt?“ fragte Rosie und sah ihre zukünftige Schwägerin an.
„Aufgeregt ist kein Ausdruck! Ich bin mit den Nerven am Ende und wenn Hugo bei der Hochzeit auch so nett über unsere Namen lacht, ist der Tag gelaufen! Oh Rosie, was musst du von dieser Gemeinde denken?“
Rosie nahm Geraldine bei den Händen und lachte sie an. „Mach dir mal keine Sorgen, die sind doch ganz in Ordnung!“ Sie blickte an Gerry vorbei und sah Jeremy an, der mit diesem Hugo sprach. Sie seufzte, drückte Geraldines Hände und biss sich auf die Lippen.
„Rosie?“ Geraldine sah sie fragend an. Sie antwortete nicht.
„Rosie!“
„Äh, ja?“ Rosie schluckte, schüttelte den Kopf und versuchte sich auf Geraldine zu konzentrieren. „Ja, geht ihr schon mal vor. Ich komme gleich nach!“
„Du kommst gleich nach??“
„Ja!“ Ihre Antwort war kurz und knapp.

Geraldine nahm Harry am Arm und zog ihn aus der Kirche. Rosie blieb zurück und wartete, bis Jeremy das Gespräch mit Hugo beendete.
Sie ging langsam zur Kirchentür, doch sie ging noch nicht hinaus, sondern beobachtete von ihrem Standpunkt diesen Pfarrer mit Argusaugen. Er verabschiedete sich von Hugo, drehte sich um und griff nach seiner Jacke, die über einem Stuhl hing. Im Hinausgehen, grüßte er sich auch noch den Organisten und den Kabelleger.

Rosie sah ihn auf sich zukommen und spürte schon wieder dieses komische Flattern. Sie rieb sich tatsächlich die Hände, aber nicht weil sie sauer war. Nein, sie war ungemein zappelig. Reiß dich zusammen, um Himmels willen! Er ist nur ein... Pfarrer!
„Nun, wie gefiel es dir? Warst du zufrieden mit der Probe?“
„Mit der Probe an sich schon!“ Sie schaute ihn streng an. „Aber musste das sein? Das mit den Namen, meine ich?“
„Oh je ... was für ein Gesicht du machst! Als ob du mich auffressen willst. Ein kleiner Scherz am Rande. Glaub mir, Geraldine kann auch austeilen, ich musste einfach ein bisschen darauf herumreiten. Wer benennt seine Tochter schon nach eine m ganzen Musikfilm?“ Er lachte und fasste sie am Arm.

Rosie zuckte zusammen. Sie wollte ihn eigentlich richtig zusammen stauchen. Aber, das gelang ihr nicht. Sie schüttelte ihren Arm, als ob sie die Hand loswerden wollte. Doch er ließ nicht los, sondern führte sie hinaus. „Komm, lass uns ein Stück gehen!“
„Nö, lass mal. Ich möchte jetzt zu Geraldine und Harry“, erwiderte sie energisch
„Die Beiden kommen ganz gut ohne dich zurecht, meinst du nicht?“ Er wandte sich nach rechts und nahm sie einfach mit sich.

„Klar kommen die ohne mich zurecht, ich...“
„Dann ist ja gut. Ich dachte schon, du traust dich nicht mit mir einen Spaziergang zu machen!“
„Ich... was? Ich traue mich nicht, mit dir spazieren zu gehen? Was bringt dich denn auf diese kuriose, vollkommen aus der Luft gegriffene, wahnwitzige...!“
„Ja, ja, schon gut. Krieg dich wieder ein und erzähle mir lieber von Harry und Gerry! Huch, hört sich lustig an ... Harry und Gerry!“ Seine Hand rutschte an ihrem Arm herunter, fasste ihre Hand und hielt sie fest.

Rosie kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, lief sie doch jetzt Hand in Hand mit einem Pfarrer durch Dibley. Einem Vikar! Sie konnte es nicht glauben. Eine Überraschung nach der anderen – und das lag allein an diesem Dorf!

....Einmal noch schlafen… .... by doris anglophil
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Harry blickte träumend vor sich hin, in seinen Armen hielt er seine zukünftige Frau. Seine Frau... in Gedanken hatte er die Worte schon oft benutzt, in einigen Stunden würde sie es wirklich werden. Alle Zweifel an ihrer gemeinsamen Entscheidung, waren verflogen, Nichts und Niemand würde diese Ehe verhindern können.

Dass er Geraldine heiraten würde, stand natürlich fest. Die allgemeine Zustimmung jedoch, die unverhohlene Freude seiner Familie und Freunde, würden dieses Ereignis perfekt machen! Er hatte ein Leben lang darauf gewartet, er war einfach wunschlos glücklich. Er zog Geraldine näher zu sich und umfasste sanft ihre Wange: „Mhm... ich fühle mich... so...?“
„Rundum glücklich?“ fragte sie leise.
„Ja! Rundum glücklich und zufrieden. Und du, mein Schatz?“

„Nachdem ich Alice die Sache mit dem Hochzeitskleid aus Kiefernholz und dem Bart ausreden konnte, geht es mir auch besser!“ Sie seufzte und verzog das Gesicht. „Sie kam doch tatsächlich mit den unmöglichsten Ideen hier an. Manchmal weiß ich echt nicht, ob sie das ernst meint, oder ob das alles für sie nur ein einziger Witz ist.“

Und doch war sie ihre beste Freundin, dachte Harry. Die Beiden verstanden sich gut, ohne Alice wäre Geraldines Leben wesentlich langweiliger und Gerry bereicherte auch Alices Leben. Sie würden immer Freundinnen bleiben, er würde sich sicher nicht dazwischen drängen. Er hoffte, dass er sich mit ihr genauso gut verstehen würde und dass auch er ein Freund für Alice werden würde. Er verzog das Gesicht. Wenn man von Narnia, ihrer Abstammung und den Hochzeitskleiderentwürfen absah, war sie ein richtig guter Kumpel.

Geraldine hob den Kopf und schaute zu ihm auf. „Hier, neben dir, erscheint mir alles so einfach. Doch dann denke ich an die Trauung morgen und ganz langsam steigt ein Gefühl der Panik in mir hoch, Harry!“
„Was kann ich tun?“ fragte er vorsichtig.
„Och, da fällt mir so dies und das ein!“

Ihre Hand wanderte ganz langsam zum Bund seines grauen Pullovers, zupfte sein Hemd aus der Hose und schmuggelte sich unter die Kleidungsstücke. Seine Haut fühlte sich so zart und warm an, sie konnte nicht anders, immer weiter nach oben glitt ihre Hand. Harry stöhnte und zog seine Nase kraus.

„Mhm... ein perfektes Trostpflaster“, murmelte sie und ihr Kopf lehnte sich an seine Brust. „Alles, einfach alles ist vergessen, wenn ich nur bei dir bleiben kann und ab und zu diesen wunderschönen Körper berühren darf!“
„Wann immer du willst, Geliebte! Und glaube mir – der morgige Tag wird der schönste in deinem Leben!“ Er sah sie an und drückte sie an sich. Ihre Hand verharrte auf seiner Brust, sie atmete tief ein und entgegnete: „Darüber reden wir, wenn ich weiß, dass alles gut gegangen ist!“
„Alles wird gut gehen. Die Probe hat doch auch prima funktioniert, oder?“

„Wenn man davon absieht, dass Trott einen Trauermarsch spielte und Jeremy sich über meinen Namen total amüsiert hat... dann ja!“
„Ja, davon mal angesehen.“ Harry lachte.
„Mittlerweile bin ich der festen Überzeugung, dass diese Hochzeit tatsächlich zu einer Sitcom ausartet. Was werden wohl deine Eltern sagen? Sie sind so wahnsinnig nett und lieb, aber ich glaube, sie haben immer noch Zweifel an unserer Hals über Kopf getroffenen Entscheidung. Und Rosie? Ich darf gar nicht daran denken.“

Sie stöhnte leise auf und fügte hinzu: „Und übrigens - Rosie! Ist dir nichts aufgefallen – ich meine, bei der Probe heute?“
„Was soll mir denn aufgefallen sein? Neben den verlegten Kabeln für die Knalleffekte, dem Trauermarsch und deinem netten Freund, dem lieben Pfarrer Jeremy? Nein, mir ist sonst nichts aufgefallen!“
„Na ja, vielleicht hab’ ich es mir auch nur eingebildet. Für einen kurzen Moment dachte ich...“
„Was dachtest Du?“
„Ach, ich weiß auch nicht. Vergiss es. Wahrscheinlich nur die alberne Aufregung vor der Hochzeit. Oder meine Befürchtungen, dass irgendetwas schief geht!“

„Darling! Alles wird gut gehen. Es wird keine Sitcom werden, meine Eltern haben dich schon in ihr Herz geschlossen, da bin ich ganz sicher. Und Rosie mag dich, so wie du bist. Nein, lass doch deine Hand, wo sie ist!“
Doch Geraldines Hand schlüpfte unter seiner Kleidung hervor und sie stand auf. „Ich ziehe mir nur schnell etwas Bequemeres an, bin gleich wieder da!“ Sie verschwand nach oben.

Harry lehnte sich zurück und schloss die Augen. Alle Vorbereitungen waren abgeschlossen, alle Gäste darunter auch seine Eltern waren untergebracht. Gemeinsam hatten sie einen schönen Landgasthof gefunden, in dem für alle Auswärtigen Hochzeitsgäste Zimmer gebucht worden waren. Nur seine Schwester hatte er in seinem Gästezimmer einquartiert.

Kurz nach der Hochzeitsprobe waren außer seinen Eltern auch Jack und Christopher eingetroffen. Die beiden sahen so glücklich aus. Jacks Gesicht war ein einziges Lächeln, er strahlte von innen heraus. Er ging beschwingt und aufrecht, er sah einfach wunderschön aus. Hatte er sein Glück gefunden?

Geraldine kam zurück.
„Richtig entspannt siehst du aus!“
„Ja!“ bestätigte Harry und griff nach seinem Weinglas. Alices Steuerabrechnung hatte ihn Nerven gekostet, doch auch das hatte er noch geschafft.
„Ich denke, es ist besser, wenn du jetzt gehst. Morgen ist unsere Hochzeit – und du kennst die Regeln!“
Er stellte sein Glas ab und erhob sich: „Oh, mein Lieblingspyjama!“ Er kam langsam auf sie zu. „Eine solche Gelegenheit kann ich mir nicht entgehen lassen.“ Er griff nach ihr, zog sie an sich und versuchte, das Oberteil des Pyjamas zu greifen.
„Nix da, Hände weg! Sei brav!“ Sie lachte und Harry ließ von ihr ab. Er setzte sich auf die Armlehne des Sofas und sah sie an.

„Liebling, machen wir wirklich das Richtige?“ fragte sie und schaute ihm in die Augen. In ihrem Blick lag Zweifel. Harry wurde gerade bewusst, wo er sich da gerade eben niedergelassen hatte. Hier hatte er auch gesessen, als sie ihm nach seinem Heiratsantrag in die Arme gefallen war. Er lächelte. „Ja – wir machen genau das Richtige!“ sagte er mit leiser Stimme. Er sah ihr tief in die Augen: „Schau! Gabriel Oaks sagte zu Bathsheba in Far from the madding crowd – ‚Immer wenn ich aufblicke, bist du da – und immer wenn du aufschaust, werde ich da sein’. Das ist es, was ich mir wünsche.“

Es wurde ganz still. Harry richtete sich auf, er legte seine Hand ganz sanft auf ihre Wange und schenkte ihr einen liebevollen Blick.
Vertrauensvoll blickte sie zu ihm auf: „Also, lass uns heiraten!“
„Ja!“ entgegnete er.

Er schnappte sich seine Jacke vom Haken, zog sie an und ging zur Haustür. „Wenn ich dich das nächste Mal sehe, wirst du zum Altar schweben... als eine himmlische Braut!“ Er duckte sich unter der Tür durch und drehte sich zu ihr um. Sie verharrte ganz still an der Tür und sah ihn an.
„Noch nie waren die Worte ‚Erwarte nicht zuviel’ so bedeutungsvoll wie heute!“
Harry lachte sie an. Sie sollte jetzt nicht so bedrückt sein.
„Wahrscheinlich wird mein Hochzeitskleid aus Polyester, wenn nicht sogar aus Schlimmerem, sein“, fuhr sie fort.

Er beugte sich zu ihr hinab und küsste sie sanft. Er wollte sich zum Gehen wenden, ihre Stimme hielt ihn zurück.
„Harry!“ Er blickte sie fragend an und sie setzte hinzu: „Eins wollte ich dir noch sagen, bevor du gehst.“ Ihre Stimme wurde ernst, sie fixierte seine blauen Augen.
„Ich bin wirklich die glücklichste Frau der Welt! Zum Teil, weil ich diese gigantischen Brüste habe.“ Sie grinste ihn an und Harry lachte laut auf.
„Aber hauptsächlich, weil ich dich habe! Mit dir werde ich für immer und ewig glücklich sein. Ohne dich würde ich für immer einsam sein!“ Sie schwieg für einen Moment und diese wunderschönen, großen Augen leuchteten nur für ihn. „Danke!“ sagte sie leise.

Er neigte den Kopf, sein Blick traf sie mit voller Wucht. Seine tiefe, warme Stimme ließ sie erschauern.
„Unsinn! Ich wette, tausende von Männern haben dich heiraten wollen!“
Ihr flehentlicher Blick sprach Bände, sie lächelte und erwiderte:“ Nein! Für mich gibt es nur dich – dich allein!“

Langsam und in Gedanken versunken schlenderte Harry zurück zu seinem Cottage. Im seinem Wohnzimmer brannte noch Licht. Er blieb stehen, wandte sich um und blickte hinüber zur Kirche. Die Fenster dort waren auch noch erleuchtet! Waren dort noch Vorbereitungen im Gange, wunderte sich Harry. Am Bordstein, vor der Kirche stand ein großer weißer Lieferwagen. Die beiden Flügel der Ladetüren standen weit offen, er konnte nicht anders, ging über die Straße und schaute hinein. Der Wagen war leer. Außer einigen einzelnen Blumen und etwas Grünzeug konnte er nichts erkennen.

„Hey, mein Lieber! Was spionierst du hier rum?“ Jacks Stimme ließ Harry erschrocken zusammenzucken. Er hatte ihn nicht kommen hören. Christopher hatte seinen Arm fest um Jacks Schultern gelegt, die zwei Männer schritten langsam auf Harry zu.
„Was heißt hier spionieren, ihr schleicht euch ja auch ganz schön leise an. Wollte nur kurz mal hier reinschauen, wer weiß was da drinnen vor sich geht?“ Er zeigte mit der Hand auf die Kirche, in der in diesem Augenblick die Dissonanz mehrerer in die Tasten der Orgel gehämmerter Töne erklang.

Alle drei schauten sich fragend an. „Wollen wir mal einen Blick rein werfen?“ Fragte Christopher und auf seinem Gesicht erschien ein verschmitztes Lächeln.
„Oh nein, das lass ich lieber bleiben – und ihr Beiden auch, klar!“ sagte Harry nachdrücklich.
„Aber, willst du denn nicht wissen, was sie vorbereiten?“ Jack war erstaunt über Harrys Reaktion.

„Was immer sie auch geplant haben, was immer da drinnen auch vor sich geht, ich werde es nicht mehr abwenden können. Geraldine und ich müssen uns in unserer Schicksal fügen!“ Harrys Stimme klang etwas erschöpft.
„So schlimm wird es doch nicht werden, was kann schon passieren?“ fragte Christopher unschuldig.

“Ha!“ platzte Jack heraus. „Du kennst die Dorfbewohner nicht! Ich hatte das Vergnügen bereits, zumindest lernte ich diesen Owen kennen. Und ich im Schlafanzug und Hosenträgern!“
„Hosenträger?“ Christopher nahm Jack am Arm und drehte ihn zu sich rum. „Was machst du denn in Dibley mit Pyjama und Hosenträgern?“
„Pyjamahose und Hosenträger!“ Harry lachte.
„Aha ... nur Hose und die Hosenträger. Interessant!“

„Mein Gott, das ist eine lange Geschichte, Chris!“ Jack verdrehte die Augen.
„So – eine lange Geschichte! Dann ist es ja gut, dass wir noch viel Zeit haben. Die ganze Nacht, wenn erforderlich. Jede Menge Zeit, mir diese lange Geschichte in aller Ausführlichkeit zu schildern!“ Christopher ließ nicht locker, doch sein Grinsen zeigte Jack, dass er es nicht so ernst nahm, wie es klang.
„Die ganze Nacht? Schatz – da fielen mir aber ganz andere Sachen ein. Reden, reden, reden – das wird auf die Dauer langweilig!“ Jack sah Chris verliebt in die Augen, trat einen Schritt näher zu ihm und berührte ganz zart Chris’ Wange.

„Ach herrje“, stöhnte Harry. „Ihr zwei Turteltauben! Ich glaube ich lasse euch allein und verschwinde mal ins Bett. Das wird ein harter Tag morgen!“
„Bett – gute Idee! Auch wir brauchen unseren Schönheitsschlaf! Und Harry, ruh’ dich aus. Mensch, ich kann mir gar nicht vorstellen, wie du dich jetzt fühlst, so kurz vor deiner Hochzeit!“ Jack drehte sich zu Harry um.
„Wer weiß“, sagte Chris leise.
„Wer weiß was???“ Harry sah die Beiden abwechselnd an. „Was geht hier vor, was soll das bedeuten? Los ihr Zwei, raus mit der Sprache!“
„Unsere Lippen sind versiegelt, mein Lieber. Gute Nacht.“ Jack wandte sich zum Gehen und zog Chris mit sich. „Wir sehen uns morgen!“
.... … bringt mich bitte pünktlich zum Altar! .... by doris anglophil
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Hochzeit! Geraldines und seine Hochzeit! Er lag im Bett und lachte. Harry fühlte sich so gut, so gelöst aber auch erwartungsvoll. Er verschränkte die Arme hinter seinem Kopf und streckte sich genussvoll. In einigen Stunden war er ein verheirateter Mann! Hätte ihm das jemand vor Monaten prophezeit, hätte er Denjenigen ausgelacht und für verrückt erklärt. Nun lag er hier in seinem Haus, weit weg von London und seinem früheren Leben und es war der Morgen seiner Hochzeit

Trotz der kalten Jahreszeit war wieder ein wunderschöner, sonniger Tag aufgezogen, einem Ereignis wie dem heutigen würdig. Er drehte sich zur Seite und zog die Decke über seine nackte Brust. Jetzt lugten seine Füße unter der Decke hervor, er zog die Knie an und seufzte entspannt. Rosie würde ihm heute Morgen zur Hand gehen und beim Ankleiden helfen. Beim Anblick seines Anzuges hatte sie unwillig die Nase gerümpft und kaum merklich den Kopf geschüttelt.

Selbstverständlich war es ihm aufgefallen und er hatte sich wissend am Kopf gekratzt. Er hatte sie mit fragendem Gesicht angesehen und sie hatte nur gemeint: „Nichts mehr dran zu ändern. Da musst du jetzt durch! Aber wehe, Jack heiratet mal – dann kann er was erleben!“ Sie hatte gegrinst und dann hinzugefügt, dass sie doch tatsächlich schon schlimmere Outfits gesehen hätte. Ein richtiger Trost war das nicht gewesen, aber immerhin hatte Alice seinen Anzug nicht ausgesucht! Der Gedanke war ihm tatsächlich einmal kurz durch den Kopf geschossen. Er versuchte sich vorzustellen, was sie wohl für ihn ausgesucht hätte. Einen Taucheranzug? Eine Rüstung?

Es klopfte an seiner Zimmertür und bevor er noch antworten konnte, stürzte Rosie ins Zimmer. „Du Schlafmütze! Mach, dass du aus den Federn kommst!“ Sie ging zum Fenster, zog die Gardine zurück und drückte ihre süße Nase an der Scheibe platt. „Wunderschöner Tag heute. Richtig tolles Wetter um euch unter die Haube zu bringen!“
Harry sah sie mit einem liebevollen Blick an und dankte ihr stumm. In seinem Leben war einiges schief gelaufen, doch Rosie war immer für ihn da gewesen. Jetzt war sein sehnlichster Wunsch, dass sie auch einen Partner fand den sie lieben konnte.

„Ach nee! Sieh mal da!“
„Was meinst du?“
„Der Herr Pfarrer ist auch schon unterwegs. Sieht gar nicht übel aus in den schwarzen Klamotten!“
„Rosie? Alles klar soweit?“
„Mhm.“
„Rosie!“
„Ja! Was ist denn?“
„Der sieht gut aus in den schwarzen Klamotten?“
„Jaaa – ich mein ja bloß. Ach du meine Scheiße, was ist denn das? Ich glaube das einfach nicht?“ Rosie stützte sich mit den Händen am Fensterrahmen ab und lachte lauthals. „Wessen Idee war das denn?“
„Meine Güte, was meinst du? Jeremy? Was ist denn?“ Harry wurde ungeduldig.
„Ach nichts“, sie kicherte leise. „Nur etwas Dekoration, glaube ich!“ Aus ihrem Mund quoll ein komisches Quietschen, die schlug sich die Hand vor den Mund.

„Rosie – jetzt treib mich nicht zum Wahnsinn. Raus aus meinem Zimmer, ich will aufstehen!“ Harry setzte sich auf und sah Rosie abwartend an.
„Ja, ich gehe ja schon. Du kannst auch aufstehen, wenn ich hier bin. Es gibt nichts, was ich nicht schon an dir gesehen hätte!“ Sie trat an sein Bett und zog ruckartig die Decke weg. Harry fluchte, schwang die Beine aus dem Bett und schnappte nach seiner Schwester. Sie war schneller und schlüpfte aus dem Zimmer.
„Beeil dich, ich muss dich pünktlich zum Altar bringen“, ließ sie durch die geschlossene Tür verlauten.

Eine Stunde später fühlte Harry sich ziemlich kribbelig. Er fummelte an den Knöpfen seiner Hose rum, hatte Probleme mit den Manschetten seines Hemdes und bei der Krawatte gab er ganz auf. Wo war nur Rosie?
„Rosie! Wo treibst du dich rum?“ Er ging zur Tür und rief nochmals nach ihr. Zurück vor dem Spiegel, fingerte er erneut ungeschickt an seinem Schlips herum. Verzweifelt gab er auf und ließ die Arme sinken, als sich die Tür zu seinem Zimmer langsam öffnete, und seine Schwester endlich hereinkam

Wortlos trat sie zu ihm, drehte ihn zu sich um und lächelte. Sie griff nach der Krawatte und band ihm geschickt einen perfekten Knoten. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn sanft auf die Wange. „Ich freue mich so für dich!“
„Und ich bin so unglaublich glücklich, Rosie!“

„Und, wie gefalle ich dir?“ Rosie drehte sich einmal um sich selbst und sah ihn dann erwartungsvoll an.
Harry trat zu ihr, nahm sie in den Arm und drückte sie an sich. Dann hielt er sie auf Armeslänge vor sich fest und sah sie bewundernd an.
„Du siehst einfach bezaubernd aus!“ Seine Schwester trug einen eleganten, klassisch geschnittenen blauen Hosenanzug und wenn ihn sein Auge nicht trog, war er aus edler Seide.
Sie beugte sich verschwörerisch zu ihm hin und flüsterte: „Habe ich in Mailand entdeckt. Als hätte ich es geahnt! Hat eine Stange Geld gekostet! Und unten hängt noch ein weißen Pelzjäckchen, damit es mir nicht kalt wird. So – jetzt aber los!“

Harry sah sie an und nahm sie noch einmal in den Arm, Worte reichten nicht aus, um das auszudrücken was ihn bewegte.
„Schatz, wenn du so weiter machst, stehen wir total verknittert vor dem Altar!“
„Was schert mich das? Falten oder nicht, Hauptsache ich heirate heute!“ Er lachte und Rosie stimmte mit ein. Sie ging um ihn herum, zupfte hier und da, schnippte einen vermeintlichen Fussel vom Revers und nickte dann zufrieden mit dem Kopf.

Jacks Stimme scholl von unten zu ihnen herauf. Sie klang etwas gereizt. Die Geschwister sahen sich an und lächelten. „Komm, lass uns gehen, bevor er noch das ganze Dorf alarmiert!“ Harry fasste die Hand seiner Schwester und gemeinsam verließen sie sein Schlafzimmer.

Am Fuß der Treppe warteten Jack und Chris auf sie.
„Na, hab’ ich zuviel versprochen?“ Jack sah seinen Freund abwartend an.
„Nein, Darling! Er sieht wirklich umwerfend aus. Aber ich denke, er könnte auch in einem Pyjama zum Altar schreiten, er sähe immer fantastisch aus!“
Chris’ Nase kräuselte sich etwas aber seine Augen strahlten.
„He! Mal langsam, mein Lieber! Du schwärmst mir zuviel!“ Jack legte seine Hand auf Christophers Wange und drehte seinen Kopf in seine Richtung.
„Schau lieber mich an! Der da ist schon vergeben!“
Chris lachte: „Du bist doch nicht etwa eifersüchtig? Es ist noch nicht so lange her, da...“

„Chris!“ Aus allen drei Mündern erschallte sein Name und Chris hielt die Klappe,
bekam aber einen tröstenden Schmatzer von Jack mitten auf den Mund.
„Wo sind denn unsere Eltern?“ fragte Harry.
„Keine Sorge, sie sind schon in der Kirche. Sie wollten einen vorteilhaften Platz erwischen. Wir haben sie bereits hingebracht, bevor wir dich abholen kamen. Stell dir vor, eine ganze Meute von Vikarinnen sitzt schon in der Kirche. Sie haben fast die Hälfte der Sitzplätze eingenommen! Na, das kann ja was geben. Falls der Pfarrer ausfällt, gibt es auf jeden Fall genug Nachschub!“

Das Quartett sah sich an, fasste sich an den Händen und verließ das Haus.
Vor der Haustür hielt Harry an, schaute sich um und bemerkte gedankenvoll: „Dieses Dorf und dieses Haus haben mir Glück gebracht!“ Er sah seine besten Freunde an. „Und diesen Tag mit Euch zu erleben, ist das größte Geschenk!“
Sie gingen zur Straße und Harry warf einen verstohlenen Blick zum Pfarrhaus hinüber. Von Geraldine war nichts zu sehen. Sein Herz klopfte plötzlich heftig, seine Hände zitterten. Wie es ihr jetzt wohl ging?
War sie auch so aufgeregt wie er? Trug sie bereits ihr Hochzeitskleid? Bei diesem Gedanken verzog er den Mundwinkel zu einem Grinsen.
„Komm Harry!“

Er machte eine Kehrtwendung und folgte den anderen zur Kirche. Der Eingang war mit einer aus viel Grünschmuck, bunten Blumen, einigen Ziergemüsearten und etlichen weiteren Dekoteilen bestehenden Girlande geschmückt und wies so auf dieses besondere Ereignis hin. Harry blieb kurz stehen, atmete tief ein und trat in das Gotteshaus. Die Sitzplätze waren bis auf den letzten Platz gefüllt. Viele Bewohner Dibleys waren gekommen, um ihre Vikarin heiraten zu sehen. Auch der Mittelgang der Kirche war mit eigenartigen blumen – und gemüsetragenden Bögen geschmückt. Harry duckte sich unter ihnen hindurch und ging den Gang entlang.

Er blickte kurz über die Schulter - Trott saß natürlich an der Orgel. Die beiden Hortons waren da, Hugo und sein Vater David. Aber auch Owen und Morris saßen bereits andächtig in der Bank. Er lächelte und suchte in der Menge nach weiteren bekannten Gesichtern. Jack hatte Recht, links von ihm saß eine große Gruppe Frauen, alle in entsprechenden Gewändern. Das waren wohl die Freundinnen und Bekannte seiner zukünftigen Frau.

Jack und Christopher nahmen bereits Platz, Harry und Rosie gesellten sich zu ihren Eltern. Sie begrüßten einander herzlich, Harrys Mutter nahm ihren Sohn liebevoll und gerührt in den Arm und sein Vater klopfte ihm stolz auf die Schulter. Im Augenwinkel nahm er wahr, wie seine Schwester zurückhaltend Jeremy begrüßte, schnell entzog sie dem Vikar im Talar ihre Hand und suchte sich einen Platz.

Vor ihm im Altarraum stellte sich der Chor auf, Harry setzte sich neben seine Mutter. Er rieb seine Hände, lehnte sich in der Bank zurück und wippte nervös mit den Füßen. Immer wieder sah er verstohlen über seine Schulter. Rosie nickte ihm beruhigend zu und wies auf ihre Uhr. Sie hatten noch Zeit! Doch die Minuten zogen sich in die Länge und kamen ihm wie Stunden vor. Bei einem erneuten Blick, sah er, wie David etwas zu Hugo sagte und dann aus der Kirche verschwand. Holte er jetzt Geraldine ab?

Harry spürte die Unruhe im ganzen Körper. Seine Mutter drückte seine zitternde Hand, sie sah ihn an und lächelte. „Ich bin fast so aufgeregt wie bei meiner eigenen Hochzeit!“ Flüsterte sie ihm zu. Sie strahlte ihren Sohn an.

Die Minuten zogen sich und nun war es bereits deutlich über der vereinbarten Zeit. Erneut drehte Harry sich um und bemerkte Hugo, der durch den Mittelgang nach vorne kam und dem Bräutigam verstohlen ein Zeichen gab. Harry konnte an seinen Lippen ablesen, dass es losging. Er atmete noch einmal tief durch, richtete seine Krawatte, stand auf und stellte sich an seinen Platz. Die Musik setzte ein, Harry wandte sich um ... und da kam sie!
....A Marriage made of Brick .... by doris anglophil
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Alle Blicke ruhten auf der Braut. Harry konnte Geraldine zuerst nicht richtig sehen. Die üppigen Dekorationen, die sich über den Mittelgang spannten, versperrten ihm den Blick.
Doch endlich sah er ihr strahlendes Gesicht, die großen, dunklen Augen, ihren lächelnden Mund. Sie trug eine große rote Blume im Haar. David führte sie bis zum ersten Blumenbogen und ließ sie los. Als Geraldine durch den Bogen ging, wusste Harry wofür Owen die Kabel verlegt hatte. Mit einem lauten Knall schien die Dekoration in die Luft zu fliegen. Konfetti wirbelte herum und landete auf Geraldines Haaren. Er war froh, dass sich das Gemüse nicht auch selbständig machte und wohlmöglich die Gäste traf.

Harrys Augen wanderten an Geraldine herunter, er erstarrte für einen Moment – sie trug einen Pyjama! Harry schluckte. Tapfer ertrug sie nicht nur die Knalleffekte, auch ihren Pyjama trug sie mit Würde. Was musste jetzt in ihrem Kopf vorgehen? Sie verzog nur unmerklich die Mundwinkel, man sah es kaum, doch Harry konnte in ihrem Gesicht lesen. Was hatte Alice sich ausgedacht? War dies ihre Idee gewesen oder war das Hochzeitskleid eine solche Enttäuschung gewesen, dass Geraldine sogar lieber ihren als auch seinen Lieblingspyjama trug?

Der nächste Knall, noch mehr Konfetti segelte herum. Harry zog die Augenbrauen hoch, doch er lächelte seiner Braut Mut zu und sie kam hocherhobenen Hauptes weiter auf ihn zu. Alice folgte ihr, gekleidet in einen merkwürdigen Anzug und zwei ungewöhnliche Objekte bewegten sich direkt hinter ihr. Träumte er, hatte er ein Dejá vu? Ein kurzer Blick zu seinen Eltern ließ ihn das erstaunte Gesicht der Beiden erkennen. Rosie grinste frech und Jacks Blick schien ihm sagen zu wollen, dass er ja wohl mit seinem Anzug gut bedient sei.

Hier kam seine Braut! Harry sammelte sich und blickte der Frau ins Gesicht, mit der er sein Leben teilen würde. Sie war die Erfüllung all seiner Träume. Was kümmerte es ihn, was sie trug, wie sie hieß oder wo sie lebte – er würde sie immer lieben!

Sie trat auf ihn zu und er sah liebevoll in ihre Augen. Kein Funken Zweifel lag darin, sie wollte ihn genauso so wie er sie!
Jeremy nahm seinen Platz ein, stand nun vor dem Paar, das ihn erwartungsvoll ansah. Er hob zum Sprechen an, als Geraldine sich zur Gemeinde und den Gästen umdrehte und mit der Hochzeitsansprache begann. Sie erstarrte, schwieg und drehte sich wieder zu Jeremy um.
Heute war sie die Braut! Sie blickte Harry so erstaunt an, als könne sie nicht fassen, dass sie hier und heute die Hauptdarstellerin war.
Ihre Augen blitzen, sie beugte sich vor und wies auf Jeremy: „Du bist dran!“

Jeremy geriet bei der Begrüßung der Gemeinde, den Gästen und des Brautpaares mehrmals in Stocken, doch unter Geraldines scharfem Blick und mit Hilfe der Vikarinnen beendete er seine Rede glücklich. Er bat um die Ringe und Hugo trat beschwingt nach vorne. Das Brautpaar sah ihn erwartungsvoll an, doch der Ringträger und Trauzeuge hatte sichtliche Probleme, die beiden Ringe von seinem Finger zu ziehen. Seine Idee, die Ringe so auf keinen Fall zu verlegen oder gar zu vergessen, wurde damit unfreiwillig zu einem Lacherfolg.

Harry atmete tief ein, rollte mit den Augen und hob den Kopf zur Decke. Auch Jeremy wurde unruhig, doch Geraldine meinte gelassen: „Bis hierhin ist ja wenigstens alles glatt gegangen!“ Sie sah Harry aufmunternd an. Er hob die Augenbrauen und erwiderte ihren Blick.
Für Harry verging der Gottesdienst wie im Flug. War er es, der hier stand? War er es, der neben dieser Traumfrau saß und die Eigenkomposition von Mr. Trott lauschte, der von Owen an der Orgel und dem Chor begleitet wurde?

Er fühlte sich wie in einem Traum. War er es, der mit Geraldine in den Altarraum trat und das Hochzeitgelübde schwor? Er hörte seine eigene Stimme... er sprach ruhig und klar: „... dich zu lieben und zu ehren, bis dass der Tod uns scheidet!“ Er hielt sich an ihrem Blick fest, er vergaß alles um ihn herum, sah nur ihr schönes Gesicht, ihre Augen! Die Gäste, seine Eltern, Rosie, Jeremy... alle waren vergessen. Nur noch diese Frau zählte und er konnte es kaum erwarten, dass auch sie diese Worte sprechen würde, ihm dieses Versprechen, das Eheversprechen, geben würde.
Ihre Hände lagen in den seinen, fest umschlungen... er würde sie nicht mehr loslassen. Er spürte die Wärme und den Druck ihrer Finger, als er die letzten Worte sprach „... das verspreche ich dir im Angesicht Gottes!“

Wie von fern hörte er Jeremys Stimme, der jetzt Geraldine zum Ablegen des Ehegelübdes aufforderte. Auch ihre Stimme klang ruhig und gefasst.: „... nehme ich dich Harry Jasper Kennedy... von diesem Tage an, in guten wie in schlechten Zeiten, in Krankheit und Gesundheit... dich zu lieben und zu ehren, bis dass der Tod uns scheidet... das verspreche ich dir im Angesicht Gottes!“

Harry strahlte. Er konnte es nicht fassen! Die Frau mit ihrem strahlenden Gesicht, die ihn so unendlich glücklich ansah... sie war jetzt seine Frau!
Sein Herz pochte und hämmerte, sein ganzer Körper vibrierte. Bis in seine Zehen breitete sich dieses unglaubliche Gefühl aus und er fühlte sich so lebendig, voller Leben!

Er verlor sich in Geraldines dunklen Augen, die er so sehr liebte. Jeremy unterbrach seine Gedanken: „... hiermit erkläre ich euch zu Mann und Frau! Du darfst die Braut jetzt küssen!“

Das ließ er sich nicht zweimal sagen. Er näherte sich Geraldines Gesicht, beugte sich zu ihr hinab, legte seine Hände auf ihr liebliches Gesicht und küsste seine Frau zart. Applaus erklang in der Kirche. Das Ehepaar drehte sich lachend zu seinen Gästen um, fasste sich an der Hand und schritt langsam den Gang entlang. Alle Anwesenden hatten sich von ihren Plätzen erhoben. Hände streckten sich ihnen entgegen – fassten sie und gratulierten ihnen. Harry musste sich unter den Dekorationsbögen hindurch mühevoll seinen Weg bahnen.

Mit Tränen in den Augen griff Alice nach ihrer Freundin und küsste sie ganz ergriffen auf den Mund. Geraldine hatte Mühe, sich von ihr zu trennen. Schon war der nächste Gratulant zur Stelle. Auch Owen bemühte sich um einen Kuss von der Braut, doch Geraldine hatte für seine Späße keine Zeit... sie folgte ihrem Mann Richtung Ausgang.

Sie hielten sich an den Händen, traten durch das Kirchenportal in den Sonnenschein. Harry zog Geraldine in seine Arme und beide hatten das Gefühl zu schweben.
Nach und nach verließen auch die Gäste und Freunde die Kirche und versammelten sich um das Brautpaar. Von allen Seiten prasselten die Glückwünsche auf sie ein. Die meisten Gäste kannte Harry nicht, doch er würde sie wohl noch kennen lernen. Seine Mutter drückte ihn und Geraldine, sie weinte an Harrys Schulter, als sie ihrem Sohn und seiner Frau Glück wünschte.

Sein Vater hob eben zu einem Glückwunsch an, als Rosie aus der Kirchentür stürmte und ihrem Bruder mit einem Schrei um den Hals fiel. Er hob sie hoch und wirbelte sie herum. Sie lachte und kreischte und als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte, warf sie ihre Arme um ihre Schwägerin. „Herzlichen Glückwunsch,
Schwägerin ... !“
„Danke Schwägerin! Es kommt mir vor, als hätte ich eine ganze Familie geheiratet!“ In Geraldines Augen standen Tränen.

„Du wirst doch an diesem wunderbaren Tag nicht weinen!“ David Horton löste Rosie ab und umarmte die Vikarin. „Dabei dachte ich, wir seien Deine Familie, Geraldine! Ich wünsche Dir alles Glück der Erde. Aber dass du mir nicht abhebst!“ Er schüttelte Harry kräftig die Hand: „Sie müssen sie festhalten, Harry. Sie ist ein Goldstück!“
„Ich gebe sie nicht mehr her und abheben wird sie auch nicht, das verspreche ich Ihnen!“

Geraldine zupfte an ihrem Pyjama und sah Harry an: „Wenn ich mir meinen Ehemann so betrachte – da fällt es mir wirklich schwer, nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren!“
Harry grinste verlegen, zog Gerry an sich und flüsterte ihr ins Ohr: „Ich könnte platzen vor Glück!“
„Nein! Wo kämen wir da hin?“ Sie legte den Kopf an seine Schulter und fuhr mit ihrer Hand an seinem schlanken Rücken entlang. „Mhm ... du fühlst dich gut an und du siehst so lecker aus! Da komme ich auf ganz schlimme Gedanken!“

„Hmh, du kennst meine Gedanken nicht, die könnten in der Tat noch eine Spur schlimmer sein! Sehr praktisch – im Pyjama zu heiraten. Da muss man sich in der Hochzeitsnacht nicht mit dem Ausziehen eines voluminösen Kleides aufhalten!“ Er lachte. „Wie kam es eigentlich dazu?“
„Lange, schmutzige Geschichte! Erzähle ich dir heute Nacht!“
„Tja, Mrs. Kennedy – ich befürchte, dazu wirst du nicht kommen!“ Ein anzügliches Grinsen unterstrich seine Worte.

„Kaum sind sie verheiratet – und schon sündige Gedanken! Und das im Angesicht dieses Gotteshauses!“ Jack legte seine Arme und die Beiden und grinste.
„Ich kenne dich noch nicht lange, doch du scheinst mir auch kein Kind von Traurigkeit zu sein.“ Geraldine gab ihm einen kleinen Schubs.
„Allzu wahr! So... und jetzt los Kinder! Die Gäste sind hungrig!“

Harry beobachtete seine Eltern, die sich wie selbstverständlich um die Gäste kümmerten, sich vorstellten, sie begrüßten und ihnen den Weg zum Gemeindesaal erklärten. Die Aufgabe machte ihnen offensichtlich Spaß.
„Schatz! Ehemann! Huch, wie sich das anhört! Mein Mann!“ Geraldine japste vor Freude.
Harry wandte sich ihr lachend zu: „Lass uns gehen, Eheweib!“

Das Brautpaar trat zuerst ein. Geraldine und Harry rissen die Augen auf, Gerrys Mund bliebt vor Staunen offen stehen. Was hatten das Organisationsteam bloß aus dem schmucklosen Saal gemacht? Tränen traten in die Augen seiner Frau und Harry griff nach ihrer Hand und hielt sie ganz fest.
„Oh Harry!“ Gerührt sah sie ihn an. „Wie wunderschön!“
Im Gemeindesaal wiederholte sich die üppige Gemüse- und Blumendekoration. Gewundene Girlanden hingen an der Decke, überbordender Schmuck an der Kante der Bühne, selbst das Seitpferd am Fenster war über und über dekoriert.

Das Paar schritt in den Saal hinein. Die Gäste folgten ihnen. Harry warf einen Blick auf die Bühne. Musik würde es wohl auch geben. Er hoffte im Stillen, dass sie auf einen gängigen Alleinunterhalter verzichtet hatten. Vielleicht würde der Gemeinderat auf der Bühne stehen und sie mit eigenwilligen Kompositionen verwöhnen.

Die Tische standen nicht in einer eintönigen langen Reihe. Sie waren im ganzen Raum verteilt, Stühle drum herum gruppiert und auf stilgerechten Tischdecken war die rustikale Dekoration platziert. In der Mitte der Sitzgruppen erkannte Harry den Tisch, an dem das Hochzeitspaar sitzen würde. Sie würden von ihren Freunden und Verwandten umringt sein und sich allen Gästen widmen können.

Alice zündete mit Eifer die Kerzen auf den Tischen an.
Er sah Geraldine an, dass sie vollauf mit den Arrangements zufrieden war. Welch ein perfekter Rahmen für ihre Hochzeit!
....Überraschungen zu Hauf .... by doris anglophil
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Das Buffet war vor der Bühne aufgebaut und sah einfach ungemein einladend aus. Harry hatte keine Ahnung, woher es kam oder wer es ausgesucht und bestellt hatte. Es war wohl für jeden Geschmack etwas dabei. Er würde das Buffet gemeinsam mit Geraldine eröffnen, sobald alle einen Platz gefunden und sich gesetzt hatten. Doch augenblicklich ging es im Saal noch richtig rund. Einige der Gäste hatten sich schon seit längerer Zeit nicht gesehen und sich in der Kirche nicht begrüßen können. Das holten sie jetzt anscheinend nach.

Der gesamte Gemeinderat, Alice und auch Harrys Eltern kümmerten sich rührend um alles. So kam sich niemand verloren vor. Zur Begrüßung wurde jedem ein Glas Champagner gereicht. Im Stillen dankte er allen Helfern von Herzen, denn Harry wusste, dass Geraldine und er so mehr von ihrer Hochzeitsfeier haben würden. Er saß neben seiner Frau und hielt ihre Hand. Ganz langsam trat Ruhe ein, nach und nach hatten alle Platz genommen und Harry machte sich bereit, die Gäste zu begrüßen.

„Liebes Brautpaar!“ Jacks Stimme unterbrach ihn in seinen Überlegungen. „Mr. und Mrs. Kennedy, liebe Rosie, liebe Gäste! Ich bin zwar nicht der Trauzeuge, doch ich bin Harrys bester Freund und kenne ihn schon länger als die meisten hier!“ Jack hatte sich erhoben und stand am Nebentisch.

„Noch vor wenigen Monaten quengelte mein lieber Freund Harry herum. Er war unzufrieden mit sich und seinem Leben. Er hatte die Nase voll von London – dieser quirligen Stadt, in der er sich allein fühlte. Ich bedauerte es sehr, dass er damals so mir nichts, dir nichts den Abflug machte. Er hatte ein Haus gefunden, in einem Ort, den ich vorher nicht kannte... er wahrscheinlich auch nicht!“ Jack drehte sich beim Sprechen mehrmals um, so dass alle Gäste ihn gut verstehen konnten.

„Ich hing ganz schön in den Seilen! Keine spontanen Partys mehr. Niemand, dem man den Kühlschrank ausräumen konnte, wenn man vergessen hatte einzukaufen. Er verschwand Gott sei Dank nicht völlig aus meinem Leben und als ich zum ersten Mal hier in Dibley war, wusste ich, was er gesucht hatte. Okay, es war nicht mein bester Tag, das gebe ich zu!“ Er schwieg einen Moment und lächelte, er sah Geraldine und Harry an.

„Nicht nur ein Haus hatte er gesucht, auch die Stille, die Ruhe. Die Menschen hier, die ihn aufgenommen hatten, auch wenn er ein verdammter Städter war! Wieder einer, der sich eines ihrer schönen Cottages geschnappt hatte. Sie nahmen ihn trotzdem mit offenen Armen auf. Und er fand etwas Anderes, etwas viel Wichtigeres! Er fand die Frau seines Lebens! Er kam hierher mit Nichts als der Hoffnung glücklich zu werden. Und er wurde glücklich... er ist glücklich! Dafür danken wir dir Geraldine!“

Jack hob sein Glas, kam die wenigen Schritte an den Tisch des Hochzeitspaares und stieß mit ihnen an. „Auf euer Glück, ihr Beiden!“
Alle Gäste standen auf und prosteten Geraldine und Harry zu. Die Beiden saßen ganz still und ruhig da, gerührt von der Zuneigung, die ihnen entgegen gebracht wurde!
Harry stand auf, wandte sich den Gästen zu und sprach laut: „Meine Frau und ich sind einfach sprachlos. Wir sind so froh, dass Ihr alle bei uns seid! Danke an Alle, die diesen Tag so perfekt für uns machen. All die Mühe, die ganze Arbeit, die tolle Dekoration, das Essen und die Getränke! Ihr seid einfach spitze! Herzlichen Dank!“

Seine Stimme klang schon etwas brüchig vor Rührung als er hinzufügte: „Und jetzt ran an das Buffet, lasst es euch schmecken!“ Dazu machte Geraldine eine auffordernde Handbewegung.

„Wird auch Zeit“, meinte Owen mit lauter Stimme und alle lachten. Er stellte sein Glas ab und machte sich auf den Weg.
„Halt!“ Christopher unterbrach die Hochzeitsgäste in ihrem Drang ans Buffet. „Es sind noch nicht alle Gäste eingetroffen!“
“Harry sah Geraldine erstaunt an. „Wer könnte das sein? Haben wir jemanden vergessen?“
„Sicher nicht! Hoffentlich nicht so eine blöde Idee von Alice oder den anderen. Ich hatte mich gerade so an diese normale Feier gewöhnt!“

„Eine besondere Überraschung! Ich habe ihn gefragt und er hat ja gesagt. Also bitte!“
Chris wies auf die Bühne, der Vorhang öffnete sich ein wenig und heraus trat...niemand geringerer als - Sting!
Harry fiel vor Überraschung mit einem Plumps zurück auf seinen Stuhl, Geraldine stieß einen spitzen Schrei aus, der jedoch im allgemeinen Getümmel unterging. Harrys Mund stand offen, er sah von Sting zu Geraldine, von Geraldine zu Sting und dann zu Christopher. Er schüttelte ungläubig den Kopf, doch Christopher und Jack grinsten nur.

Sting hob seine Gitarre und schlug die ersten Akkorde an. Unverwechselbare Rifs erfüllten den kleinen Gemeindesaal des Dorfes Dibley, das wahrscheinlich noch nie so einen berühmten Gast beherbergt hatte.
Die Rifs vereinigten sich zu einer Melodie, die Melodie eines Liedes, das die meisten in diesem Raum kannten. Harry nahm die Hand seiner Frau, er kannte den Song. „Sacred Love“ erklang und schon die ersten Worte ließen das Brautpaar auflachen:

Take off those working clothes
Put on these high heeled shoes
Don't want no preacher on the TV baby
Don't want to hear the news …

Der Rhythmus des Liedes ließ niemanden im Saal unberührt, die Stimme des genialen Künstlers flutete durch den Raum und bezauberte jeden.

…. So I got down on my knees and I prayed to the skies
When I looked up could I trust my eyes?
All the saints and angels and the stars up above
They all bowed down to the flower of creation ….

Harry blickte seine Frau an, doch sie konnte die Augen nicht von Sting abwenden. Sie sah ihn an, als sei er von einem anderen Stern. Sie hing regelrecht an seinen Lippen. Doch wer konnte sich seiner Musik und seiner Stimme schon entziehen.

… Don't need no doctor, don't need no pills
I got a cure for the country's ills
Here she comes like a river in flood
The word got made into flesh and blood …

Der Song neigte sich dem Ende zu, Sting sang die letzten Worte:

I been thinking 'bout, thinking 'bout - Sacred love, sacred love

Die letzten Akkorde verklangen und unendlicher Jubel brauste in dem kleinen Dorfsaal auf. Die Gäste erhoben sich von ihren Sitzen, niemanden hielt es auf seinem Stuhl. Füße stampften und Applaus brandete auf.
Chris und Jack kamen zum Hochzeitspaar herüber. Christopher nahm Geraldine an der Hand um sie zwischen den Tischen hindurch bis zur Bühne zu lotsen.
„Mach den Mund zu, Kennedy!“ Jack lachte.
„Jack! Das ist, das... das ist, das ist unfassbar! Wie hat er...?“
„Hab’ ich dir denn nicht erzählt, dass Chris Musikproduzent ist? Und ziemlich erfolgreich! Es war seine Idee.“

„Chris...?“
„Japp... ich wusste auch nicht, dass er so berühmte Persönlichkeiten kennt.“ Er wies mit dem Finger auf die Bühne, wo Geraldine in diesem Moment Sting die Hand reichte.
„Christopher hat wohl einen kleinen Gefallen eingefordert“, erkläre Jack.
Harry blickte zur Bühne und beobachtete Geraldine, die Sting ehrfürchtig ansah. Sie, die sonst nie um Worte verlegen war, bekam offensichtlich keinen Ton heraus. Mit ihrem Rosen-Pyjama wirkte sie ganz verloren dort oben.
„Na geh schon, Harry!“

Harry machte sich auf den Weg zur Bühne. Owen hielt ihn kurz auf und fragte: „Wann gibt’s denn endlich was zu essen?“
Harry stutzte, sah Owen irritiert an und antwortete: „Bedienen Sie sich!“ Er wollte seinen Weg fortsetzen, doch Owen hielt ihn am Arm fest.
„Wer hatte denn diese geistreiche Idee? Das sprengt doch wohl den Rahmen dieser Feier, oder?“
Harry verzog wortlos den Mund, schüttelte die Hand ab und betrat die Bühne. Er gesellte sich zu seiner Frau und begrüßte den Musiker.

Jack saß bereits wieder an seinem Tisch, als Rosie sich zu ihm setzte. Sie bedankte sich ergriffen für diese sensationelle Überraschung.
Jack winkte ab und stellte klar: „Du solltest lieber Christopher danken! Offensichtlich hatte er den richtigen Riecher!“ Jack blickte zur Bühne.
Rosie nickte. „Volltreffer!“
Eine Stimme unterbrach die Beiden: „Wohl etwas über das Ziel hinaus geschossen, finde ich.“
Jeremy drängte sich zwischen Jack und Rosie. Die junge Frau verzog das Gesicht und antwortete schnippisch: „Wohl neidisch, was? Da verblasst natürlich jedes andere, billige Geschenk von dir!“

Jack blickte überrascht auf und wunderte sich über Rosies harsche Reaktion. Was ging denn hier ab? Er grinste in seiner unnachahmlichen Art.
„Grins nicht so blöd, Jack! Ist doch wahr!“
Jeremy versuchte einzulenken, doch Rosie ließ ihn nicht zu Wort kommen. Sie schob den Stuhl zurück, stand auf und verließ mit einem letzten vernichteten Blick den Tisch.
Jack sah Jeremy fragend an. Der hob die Schultern und schüttelte den Kopf.
„Ups“, meinte Jack, „bei der haben Sie ja keinen Stein im Brett! Und sie ist nachtragend, glauben Sie mir.“
„Ich bin mir keiner Schuld bewusst, ehrlich!“

Erneut erklang Musik im Festsaal und Sting machte dem Brautpaar das schönste Hochzeitsgeschenk. Es blieb nicht sehr viel Platz zum Tanzen, doch wenn die Musik passte, wurde jedes kleine Eckchen ausgenutzt, um das Tanzbein zu schwingen. Die meisten Gäste, die an den Tischen sitzen geblieben waren, wippten mit den Füßen, klatschten im Takt und sangen die bekannten Textstellen lauthals mit.

Den Abschluss dieses Sonderkonzertes bildete das wunderschöne Lied “Ghost Story” Geraldine hatte Tränen in den Augen, als Sting sang:

You were my compass star
You were my measure
You were a pirate's map
A buried treasure ...

Sie kuschelte sich an ihren Mann und seufzte. „Ich fasse nicht, dass ER hier ist!“
„Ich auch nicht! Ist er nicht wunderbar?“
„Kein Ausdruck. Ich bin total überwältigt. Was für ein Erlebnis! Das kann ein einfaches Herz wie das meine gar nicht verkraften! Ich bin die Ehefrau eines anbetungswürdigen Mannes, die Feier geriet nur anfänglich aus den Fugen und Sting spielt auf unserer Hochzeit! Das wird in die Annalen Dibleys eingehen!“

Christopher schlenderte an ihrem Tisch vorbei, Geraldine griff nach seiner Hand, zog ihn zu sicher herunter und küsste ihn mitten auf den Mund. „Damit hast du Harry und mir eine riesige Freude gemacht! Du hast in mir nun eine Freundin für’s Leben!!“

Endlich waren alle wohl versorgt, aßen und tranken, schwatzten vergnügt und feierten ausgelassen. Geraldine war oberglücklich, dass der Tag, der so verdreht begonnen hatte, sich doch noch zu einem wahren Glückstag, einem Hochzeitstag wie man ihn sich immer erträumt, entwickelt hatte. Gerade stand sie hinter Harry am Buffet an, als sich die Tür zum Saal öffnete. Man hätte dies im allgemeinen Stimmengewirr sicher nicht bemerkt, wäre nicht die Tür versehentlich zu weit aufgestoßen worden, weswegen es einen ordentlichen Rumms tat.

Alle Köpfe wandten sich dem Eingang zu. Das Geschwätz verstummte schlagartig, es kehrte wie auf Kommando völlige Ruhe ein. Harry wurde leichenblass und musste sich an der Tischkante festhalten, um einigermaßen Halt haben zu
....Ein harter Schlag .... by doris anglophil
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„Das glaub’ ich jetzt nicht! Na die hat Nerven!“ Rosies entsetztes Gesicht schaute hinüber zur Tür.
Harry stöhnte. „Ach du Scheiße!“ Er lockerte seine Krawatte, sein Kopf fühlte sich plötzlich heiß an.
Geraldine sah ihn an und folgte seinem Blick quer durch den Raum.
„Wer ist das Schatz?“
„Harry?“ fragte Geraldine erneut.
„Jemand aus den Tiefen meiner Vergangenheit. Jemand, den ich lieber nicht wiedergesehen hätte, glaub mir!“

„Dieser Jemand ist ganz schön hübsch! Eine Verflossene? Sie trägt eine Uniform?“ Ihr Stimme klang irritiert. „Ich muss jetzt nicht mit unangenehmen Enthüllungen rechnen, oder?“
Harry war die Kleidung seiner ehemaligen Freundin sofort aufgefallen. Er blickte seine Frau an. „Sie ist wohl immer noch Flugbegleiterin bei Air Canada. Darling! Keine Enthüllungen, keine Skandale, glaub’ mir! Ich liebe Dich!“ Harry beugte sich zu ihr, sah ihr tief in die Augen und küsste sie zärtlich.
„Vertraust du mir?“

„Uneingeschränkt!“ war ihre knappe Antwort. Er umfasste ihr Gesicht mit seinen Händen und folgte den Konturen mit seinen Fingern. Im Augenwinkel sah er Rosie. Sie war aufgestanden und hatte die Hände entschlossen in die Seite gestemmt.
„Schatz, ich muss da mal hin, bevor ein Unglück passiert, okay?“ Harry machte sich auf den Weg und schlängelte sich zwischen den Tischen hindurch bis zur Eingangstür.
Einen ungünstigeren Zeitpunkt hätte Justine wirklich nicht wählen können. Sie stand noch immer in der Nähe der Tür und sah ihn kommen.

Ihr Aussehen hatte sich kaum verändert. Doch trotz ihres Lächelns lag ein harter Zug um ihren Mund und den hatte sie früher nicht gehabt.
„Jas!“ Ihre Stimme klang tatsächlich ein bisschen unsicher.
Harry atmete tief durch, diese blöde Anrede! „Mein Name ist Harry!“
„Entschuldige Liebling“, jetzt klang ihre Stimme so, wie er sie kannte – gereizt und harsch. Komisch, dass ihm das früher nicht so aufgefallen war.
„Schön dich zu sehen! Ich bin so froh, dass ich dich endlich gefunden habe. War ein ganz schöne Sucherei!“
„Wie hast du mich gefunden und wieso hast du mich überhaupt gesucht?“
„Deine Firma…“

Na, die werden was erleben, dachte Harry.
„Ich wollte dich wiedersehen, Harry!“ Dieses Jammern stieß ihn total ab.
„Und hatte ich nicht am Telefon schon gesagt, dass ich nichts mehr mit dir zu tun haben will?“
„Ähm... na ja, ich dachte du hättest es nicht so gemeint. Wir waren doch so gute Freunde!“
„Waren, Justine... waren!“
„Jetzt sei doch nicht so. Lass uns doch zumindest mal miteinander reden!“ Ihr Blick schweifte durch den Saal, sie rümpfte die Nase: „Da bin ich wohl in einen Dorftanz geraten?“
„Nein Justine... du bist in meine Hochzeitsfeier geraten!“
„Deine... waaas?“ Ihr Gesicht erstarrte, ihr Unterkiefer klappte herunter. „Du bist verheiratet?“
„Das kann man so sagen! Ein Hochzeitsfest setzt für gewöhnlich eine Heirat voraus!“ Irgendwie tat es gut, ihr das sagen zu können, er grinste.

„Was will die denn hier?“
Harry blickte über seine Schulter und sah Rosie heranstürmen. Oh Gott, jetzt kam die Kavallerie!
„Hallo Rosie, schön dich zu sehen!“ Auch Justines Aufmerksamkeit lag jetzt bei Harrys Schwester. Bei dem Anblick der nahenden Frau wich sie einen Schritt zurück.
„Halt die Klappe Justine! Nicht schön, dich zu sehen. Das du dich überhaupt hierher traust!“ Rosie schob ihren Bruder zur Seite. „Schon immer eine deiner Spezialitäten: Zur falschen Zeit am falschen Ort aufzutauchen!“

Justine startete noch einen Versuch: „Lange nicht gesehen...!“
„Wäre mir bedeutend lieber, wir hätten uns gar nicht mehr gesehen!“ Sie trat näher an Justine heran.
„Rosie!“ Harry legte beschwichtigend eine Hand auf den Arm seiner Schwester. Doch Rosie war voll in Fahrt und nicht zu stoppen. Sie fixierte Justine mit ihrem Blick.
„Andererseits habe ich mich Jahre auf diesen Moment gefreut!“
„Wie meinst du das?“ Justines Stimme klang gepresst.
„Wie ich das meine? ... So!“
Rosie holte aus und verpasste Justine eine kurze Gerade.

Harry blickte entsetzt auf seine Schwester: „Rosie!“
„Klasse! Das hat gesessen!“ Owen stand hinter den Geschwistern und beobachtete genüsslich, wie Justine rückwärts an die Wand kippte und dann langsam, wie in Zeitlupe, an ihr herunter rutschte. Der Schlag hatte sie förmlich umgehauen. Ihre Augen waren offen, ob sie etwas wahrnahm, war eine andere Frage.
Rosie ging in die Hocke und gab Justine einen Schubs. „Hallo? Jemand zuhause?“ Ihre Stimme klang amüsiert.

Mittlerweile hatte die Aufregung an der Tür die Aufmerksamkeit aller Gäste erregt. Es bildete sich ein Auflauf.
„Wow!“ Geraldine blickte auf die niedergeschlagene Frau. „Harry! Was geht denn hier vor sich? Was hat sie deiner Schwester denn getan?“
„Komm Schatz, setzen wir uns.“ Fragend richtete er sich an Owen: „Könnten Sie sich um Miss Armstrong kümmern?“
„Mit Vergnügen!“ Ein anzügliches Grinsen erschien auf dem Gesicht des Farmers.
„Oweeeen!“ Geraldines Stimme ließ ihn aufhorchen.
„Okay, okay... ich kümmere mich um die Lady!“

„Um die kümmere ich mich! Diesen Tag wird sie nie vergessen!“ Rosie Stimme klang so eindringlich, dass sie sich fast schon überschlug.
„Rosie! ... Rosie!“
„Waaas?“ Sie richtete sich auf, drehte sich um und blickte in das Gesicht von Jeremy. „Misch du dich nicht ein!“
„Doch, das tu ich. Krieg dich wieder ein, Rosemary Kennedy!“

Er nahm ihre Hand und zerrte sie ungeachtet ihrer Proteste durch die Tür.
„Hey... was soll das? Nimm deine Finger von mir. Lass mich sofort los!“
Jeremy zog sie schweigend ins Freie. Er schlug den Weg zur Kirche ein.
„Ich glaub’ du hast eine Meise! Zerr’ nicht so an mir rum. Wohin gehen wir? Ich will wieder zurück. Ich will der Schl...“
„Halt den Mund, Rosie!“
„Ich soll waaaas? Was erlaubst du dir? Denkst du, nur weil du Vikar bist, könntest du hier den Moralapostel raushängen lassen? Äh... was willst du in der Kirche?“
„Mit dir reden.“
„Aber ich will nicht mit dir reden! Sie hat es verdient, diese Schnepfe! Du weißt ja gar nicht, was sie Harry angetan hat!“

„Nein, weiß ich nicht.“ Jeremy öffnete die Kirchentür und schob Rosie vor sich her. „Doch eines weiß ich, was immer es war – es ist kein Grund, die Hochzeit der Beiden damit zu belasten!“
„Ach ja? Du hast ja keine Ahnung. Was willst du denn hier?“ Rosie schaute sich in der leeren Kirche um, in der noch überall die Dekoration der Hochzeit zu sehen war.
„Mit dir reden, hab’ ich doch schon gesagt. Hier kannst du so viel herum schreien, wie du willst. Hier hört dich keiner!“
„Das werden wir ja sehen! Du kennst mich nicht. Wenn ich erst mal loslege, kann mich so schnell nichts stoppen. Ich geh’ ab wie eine Rakete, mein Lieber! Das wirst du schon sehen, dann kann mich auch ein Gotteshaus nicht aufhalten – und schreien kann ich so oft, so lange und so laut wie ich will. Damit das klar ist... hey... rück mir nicht so auf die Pelle. Jeremy!“

Der Vikar stand jetzt ganz nah vor ihr: „Wenn du nicht für eine Sekunde die Klappe halten kannst, muss ich andere Mittel einsetzen!“ Mit einem Ruck zog er sie an sich und drückte ihr einen Kuss auf den Mund. Sie schnappte nach Luft und stieß einen Fluch aus.
„Hast du den Verstand verloren? Was ...?“
Er nahm ihr Gesicht in die Hände und wieder legte er seine Lippen auf ihre. Sie versuchte wieder etwas zu sagen, doch er ließ ihr keine Möglichkeit. Mit seinem Mund, erforschte er zärtlich ihr Gesicht und landete dann wieder auf ihrem warmen Mund. Ihre Lippen wurden weicher, doch sie gab noch nicht völlig nach. Die Spannung ihres Körpers ließ nach und er bemerkte, wie sie sich an ihn lehnte. Sie stöhnte und öffnete ihre Lippen ein winziges bisschen.

Schamlos nutzte er dies aus, öffnete seinerseits die Lippen und vorsichtig tastete sich seine Zunge vor. Sofort verspannte sich ihr ganzer Körper, ihre Hände drückten gegen seine Schultern, sie schloss die Lippen und drehte den Kopf zur Seite.
„Jeremy! Lass mich jetzt sofort los! Auf der Stelle!“ Sie klang total sauer, doch er lockerte seine Umklammerung nur, ließ sie aber nicht ganz los.
„War dir das unangenehm? Also ich fand es... mhm... wunderbar. Ich will mehr!“
„Hast du ne Macke? Träum weiter!“

Jeremy ließ sich nicht so schnell aus der Fassung bringen. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er so hartnäckig sein würde. Was dachte er sich denn? Dass sie in seine Arme fallen würde wie ein Stück reifes Obst? Da hatte er sich aber geschnitten, der Gute. Andererseits... es hatte sich gar nicht sooo schlecht angefühlt, oder? Doch sie war noch so erfüllt von der Wut auf Justine, dass sie momentan keinen klaren Gedanken fassen konnte.
Jeremys Arme hielten sie noch immer, obwohl Rosie versuchte sich von ihm zu lösen. Sie seufzte und gab auf.

„Und jetzt? Willst du mir eine Standpauke halten? Über das Thema ‚wie versaue ich meinem Bruder die Hochzeit?’ Ein zaghaftes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht.
„Hatte ich eigentlich vor, ja. Aber jetzt... habe ich andere Dinge im Kopf!“ Er lachte und zog sie wieder näher zu sich.
„Ganz nett – hier bei dir!“
Er konnte ihre Stimme kaum hören. „Was hast du gerade gesagt?“
„Nix. Vergiss es!“
„Nein, so kommst du mir nicht davon. Rück’s raus, sei kein Frosch!“

Ihre Stimme war nun erheblich lauter: „Nett hier bei dir, habe ich gesagt!“
„Ach so? Schön! Ich finde es auch nett. Hab’ gar keine Lust wieder zurück zu gehen!“
„Na, sooo gemütlich ist es hier auch nicht. Und wenn jemand rein kommt? Kriegst du keinen Ärger, wenn dich jemand so sieht?“
„Das Risiko gehe ich gerne ein! Komm noch ein bisschen näher, es ist so kühl hier drinnen.“ Er lachte verschmitzt.
„Stimmt! Ziemlich kalt! Aber nicht, dass du denkst ich hätte diese blöde Tussi vergessen! Da ist noch eine Rechnung offen!“
„Meinst du nicht, dass sie genug bezahlt hat? Diesen Schlag wird sie nie in ihrem Leben vergessen!“
„Hoffentlich! Na ja... habe wohl genug angerichtet, oder? Aber ich habe kein schlechtes Gewissen. Na ja, höchstens Geraldine und Harry gegenüber. Was die wohl jetzt machen?“

„Mir egal... ich weiß, was ich jetzt mache!“ Jeremy verschloss Rosies Mund mit einem leidenschaftlichen Kuss... und dieses Mal gab sie gerne nach.
Sie schlang ihre Arme fest um ihn, denn der Boden unter ihren Füßen begann zu schwanken. Ihr Herz schlug so heftig und so fest, sicher würde es gleich aus ihrer Brust hüpfen.

Dieser Vikar in seiner schwarzen Kluft sah so harmlos aus! Doch er hatte es faustdick hinter den Ohren! Rosie konnte nicht fassen, was mit ihr geschah, was er mit ihr machte ... seine Küsse waren so erregend! Sie zog ihn noch etwas näher, presste ihren Körper fest an ihn und vergaß alles um sie herum. Die Hochzeitsfeier, Harry, Geraldine und sogar Justine rückten plötzlich in ziemlich weite Ferne.
....Schäfchen zählen… .... by doris anglophil
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Im Gemeindesaal hatte kaum jemand die Abwesenheit von Rosie und Jeremy bemerkt. Ihr Verschwinden war im allgemeinen Tumult untergegangen.
Eine ausgelassene Stimmung herrschte im Festsaal, die Wenigsten hatten den eigentlichen Grund für das Durcheinander mitbekommen. Die Meisten waren noch total hin und weg von dem musikalischen Highlight des Tages, zumal Sting sich sogar zum Essen niedergesetzt und somit in die Menge gemischt hatte.

Harry hatte Geraldine in kurzen Sätzen seine Beziehung zu der Dame im blauen Kostüm, mit dem Air Canada Emblem auf dem Revers, erklärt. Sie hatte ihm ruhig zugehört und ihn nicht unterbrochen. Nur ihr Gesicht sprach von ihren Gefühlen. Als Harry geendet hatte, nahm sie seine Hand in ihre und hauchte einen Kuss darauf. Er konnte nicht anders, als sich dafür bei ihr mit einem sehr innigen Kuss zu bedanken, der beide beinahe vergessen ließ, dass sie sich mitten unter ihren Hochzeitsgästen befanden.

Das Paar setzte sich zu Harrys Eltern. Die Beiden waren noch etwas blass von der Aufregung um Justine. Natürlich hatten sie die frühere Freundin ihres Sohnes erkannt. „Es wundert mich, dass Rosie diese Frau nicht mit ihrem elenden Halstüchlein erdrosselt hat. Ich glaube, sie hasst sie wie die Pest. Wo ist Rosie überhaupt?“ Harrys Mum blickte suchend im Saal umher.

„Ich vermute, Jeremy hat sie mit nach draußen genommen. Sie musste sich ein wenig abkühlen!“ Gerry grinste. „Machen Sie sich keine Sorgen, er wird gut auf sie aufpassen!“
Mr. Kennedy wandte sich an seine Schwiegertochter: „Hör mal Geraldine. Meinst du nicht, es ist an der Zeit uns zu duzen? Wir sind jetzt eine Familie, da kannst du nicht immer Sie zu uns sagen. Schließlich werden wir die Großeltern eurer Kinder sein!“ Verschmitzt sah er von Geraldine zu Harry.
„Dad! Das mit dem Du ist eine gute Idee. Alles andere wird sich ergeben. Ich denke, das hat noch Zeit.“

„Zeit? Wie lange wollt ihr denn warten? Ich will endlich ein Enkelkind haben. Auf so etwas Kleines, Süßes habe ich schon so lange gewartet!“ Harrys Mum bekam einen melancholischen Zug um den Mund. Harry sah Geraldine an. Seine Frau bemühte sich um Haltung und verzog den Mund zu einem Lächeln.
„Mum, bitte!“
„Was denn? Man darf doch mal träumen, oder? Von Rosie ist wohl in der nächsten Zeit auch nichts zu erwarten. Noch nicht mal einen Mann findet sie!“
„Mum!!“
„Na, stimmt doch!“
Geraldine unterbrach beschwichtigend: „Manchmal geht das schneller als man denkt!“ Sie grinste und wies mit dem Kopf zur Eingangstür, durch die eben Rosie und Jeremy traten. Die junge Frau hatte ein verklärtes Lächeln auf den Lippen und der Vikar grinste wie ein Honigkuchenpferd.
Harry Eltern sahen erstaunt zu den Beiden hinüber und dann zu Geraldine. „Weißt du etwas, was wir nicht wissen?“

„Keine Ahnung! Ich weiß absolut nichts! Mich dürft ihr nicht fragen!“
Jeremy begleitete Rosie zum Tisch ihrer Eltern und sie stellte ihnen Jeremy vor.
„Schatz, wir kennen den Vikar bereits!“ Ihr Vater griff trotzdem nach Jeremys Hand. „Wollen Sie sich nicht zu uns setzen?“
„Ja, komm Jeremy. Setz dich doch mal zu uns!“ Geraldine schob einen Stuhl zurück.
„Liebling, gibt es etwas Neues?“
Rosie sah ihren Vater schweigend an und schüttelte den Kopf.
„Was soll’s denn Neues geben? Außer, dass ich Justine k.o. geschlagen hab’, ist während der letzten halben Stunde nichts Wichtiges passiert, warum? Übrigens... wo ist sie hin, die Schnepfe?“
„Rosie!“ sagte ihre Mutter vorwurfsvoll.
„Ist doch wahr!“ Rosies ließ sich auf einen der freien Stühle fallen, ihre Stimme klang trotzig: „Also... wo ist sie, die liebe Justine?“

„Owen war so nett, sich um sie zu kümmern!“ antwortete Geraldine. Sie neigte den Kopf nach vorn und kicherte leise.
Rosie stützte sich auf den Tisch ab und blickte fragend in die Runde. „Owen, der Farmer? Der Owen?“
„Er zeigte ein lebhaftes Interesse an der jungen Dame. Nachdem sie einigermaßen fit war, sind sie nach draußen verschwunden. Keine Ahnung wo sie abgeblieben sind.“
„Er wird ihr das Dorf zeigen!“ sagte Rosie kalt.
Geraldine prustete los und stieß Harry mit dem Ellenbogen an. „Es war Harrys Idee! Er bat Owen, sich um Miss Armstrong zu kümmern. Ja... und er tat es gern.“

„Wer ist Owen?“ fragte Mrs. Kennedy leise. Harry lachte seine Mutter an und erwiderte: „Das ist der, der die Sprengkabel verlegt hat!“
„Die Sprengkabel?“
„Harry meint, er hat die Kabel für die Knalleffekte verlegt. Er hat Mr. Trott dann auch auf der Orgel begleitet!“
„Ach so! Na, der sah doch ganz nett aus. Da wird sich Justine sicher wohl fühlen. Sie hing ja ganz schön in den Seilen!“ Sie blickte ihren Sohn beunruhigt an.
„Es ging ihr schon wieder viel besser. Ich habe sie schon streiten hören, da waren sie noch keine drei Schritte gegangen!“ Auch Harry konnte sich ein Grinsen nicht vergreifen.

“Die arme Frau! Kommt den ganzen weiten Weg von Kanada hierher, nur um sich einen Kinnhaken abzuholen. Und Rosie... das war nicht nett von dir!“
„Nö, da hast du Recht, Mum. War auch nicht nett gemeint. Sie hätte dort bleiben sollen, wo sie war. Niemand hat sie eingeladen!“
„Ja aber... !“
„Nix aber, Mum!“

Mrs. Kennedy blickte etwas säuerlich, doch Rosie ließ sich nicht erweichen. Für sie war die Sache damit erledigt. Sie hatte ihre kleine Rache ausgiebig genossen. Sie lehnte sich zurück und verschränkte zufrieden die Arme vor der Brust. Sie atmete tief ein und wandte sich Jeremy zu. Bei seinem Anblick wurde ihr ganz warm ums Herz und auf ihrem Gesicht erstrahlte ein breites Lächeln, das sogleich liebevoll von Jeremy erwidert wurde.

Justine hingegen war das Lächeln mittlerweile gründlich vergangen. Seit sie britischen Boden betreten hatte, war wirklich alles schief gegangen. Sie hatte ihren Trolley im Taxi vergessen, hatte dem Fahrer das falsche Hotel genannt und als sie endlich die richtige Adresse gefunden hatte, musste sie feststellen, dass ihre Buchung nirgends registriert worden war. War sie vorher noch recht ruhig geblieben, so war sie an der Rezeption des Hotels richtig stinkig geworden. Die sollten ruhig merken, dass sie bei ihr auf Granit bissen.

Doch der lautstarke Protest hatte ihr nicht zu einem Zimmer in ihrem Stammhotel in London verholfen. Sie hatte sie sich mit einem einfacheren Etablissement begnügen müssen.
Trotz allem hatte sie sich beschwingt auf den Weg zu Jas’ Apartment gemacht, nur um dann entsetzt festzustellen, dass er nicht mehr dort wohnte. Zumindest stand jetzt der Name ‚Latimer’ an der Tür. Sie hatte trotzdem geklingelt und an der Tür gehämmert, doch geöffnet hatte ihr niemand. Konnte es sein, dass Jasper tatsächlich ausgezogen war? Etwas ratlos hatte sie vor der verschlossenen Tür gestanden, die Hände in die Seite gestützt und wütend mit dem Fuß aufgetreten.

Das war offensichtlich nicht ihr Tag gewesen. Doch sie war hartnäckig. So schnell gab sie nicht auf. Sie suchte in ihrem Adressbuch nach Jaspers Telefonnummer im Büro. Vielleicht konnte sie ihn dort erreichen. Er hatte doch sicher seinen Job nicht aufgegeben?
Nach mehrmaligem Läuten wurde abgenommen, doch es war nicht Jas’ Stimme. „Mr. Kennedy ist heute nicht im Haus!“
Auf ihre Frage, ob man denn wisse wo er sei, hatte man ihr keine Antwort geben können. Sie bohrte weiter. Sie sei extra aus Kanada her geflogen, nur um ihren alten Freund zu besuchen und nun habe sie feststellen müssen, dass er anscheinend umgezogen war.
Der freundliche Mann hatte ihr endlich bereitwillig Auskunft gegeben. Ob sie denn nicht wisse, dass Mr. Kennedy nicht mehr in London lebe... und ja, wenn sie einen Augenblick Geduld habe, würde er selbstverständlich die neue Adresse heraussuchen... wo sie doch so einen weiten Weg hinter sich habe.

Justine hatte dem netten Herren natürlich nicht erläutert, dass ihr regulärer Flugplan sie hierher geführt hatte. Sie hatte sich die Adresse notiert und war zum nächsten Taxistand geflitzt.
Sie hatte nun wirklich keinen Nerv gehabt, auf der linken Straßenseite zu fahren und dann auch noch mit einem rechtsgelenkten Auto! Sie hatte diese blöde Fahrerei in England schon immer gehasst. Ihr war auch gleichgültig gewesen, wie hoch die Rechnung für das Taxi ausfallen würde. Ihr war bisher immer noch etwas eingefallen, womit sie die Kosten bei ihrer Spesenabrechnung hatte begründen könne.

Sie hatte auf dem Rücksitz des Taxis gesessen und an den Nägeln gekaut. Eine leichte Nervosität hatte sie ergriffen, schließlich hatte sich Jasper vor einiger Zeit nicht sehr freundlich am Telefon angehört. Doch das würde sich ändern, wenn er sie erst einmal wieder sehen würde. Sie war fest davon überzeugt gewesen, dass sie ihn würde umstimmen können.

Wie hatte sie sich nur so täuschen können? Ihre Intuition hatte sie doch sonst nie getäuscht!
Sie war in dem Kaff angekommen und hatte das Taxi zurückgeschickt. Das hatte sich als weiterer Fehler erwiesen! Sie hatte sich auch in diesem Dibley durchfragen müssen. Misstrauisch hatte man sie angesehen, als ob sie eine Terroristin sei. Dabei wollte sie nur wissen, wo Jasper abgeblieben war!

Letztlich hatte sie den Gemeindesaal gefunden und zu Beginn noch gedacht, in ein blödes Dorffest geraten zu sein. Doch schnell musste sie feststellen, dass der ganze weite Weg umsonst gewesen war. Der gute, liebe, nette, wundervolle Jasper war verheiratet! Sie konnte es nicht fassen. Er hatte doch tatsächlich eine gewöhnliche Landpomeranze aus einem winzig kleinen Provinznest geheiratet. Und dazu war diese Frau – seine Frau! – nicht einmal sonderlich attraktiv, die hatte garantiert mehr als nur einige Pfund zu viel auf den Rippen.

Die Erinnerung an Rosies Schlag, war etwas verschwommen. Sie hatte plötzlich registriert, dass sie auf dem Boden saß, mit dem Rücken an der Wand. Irgendjemand hatte ihr eine Plastiktüte mit einigen Eisstücken auf den Mundwinkel und den Unterkiefer gedrückt. Dann hatte sie Jaspers Stimme vernommen, der einen Typen bat, sich um sie zu kümmern.
Hätte er sich nicht wenigstens selbst um sie kümmern können? War das wirklich zuviel verlangt? Wo sie doch extra wegen ihm aus Kanada gekommen war!

Stattdessen stand sie nun mit diesem Kretin in einem Schafstall. Sie konnte nicht wirklich nachvollziehen, wie es dazu gekommen war. Er hatte unermüdlich auf sie eingeredete, hatte sie total zugequatscht und ihr Schädel hatte so gebrummt, dass sie einfach zu jedem Vorschlag ja gesagt hatte.
Er stank so widerlich hier, dass selbst ihr angeschlagener Geruchsinn auf Hochtouren lief. Sie wagte nicht durch die Nase zu atmen, der Geruch würde sie sonst sicher ein zweites Mal umhauen. Und während dessen redete dieser Mann ohne Unterlass. Er quetschte sie aus. Woher sie käme, was sie so tue, warum sie hierher gekommen sein, woher sie Harry kenne...?

Irgendwann stellte sie ihre Ohren auf Durchzug und als er bei der Erläuterung der einzelnen Schafrassen angekommen war, hatte sie total abgeschaltet. Sie hängte sich an seinen Arm und stolperte neben ihm her – von einer Schafbox zur anderen.

Schließlich lud er sie ein, einen Tee mit ihm zu trinken. Sie nickte nur und folgte ihm in das kleine Farmhaus. Hier sah es kaum besser aus als im Stall. Er hatte sich Mühe gegeben, das Haus zumindest etwas wohnlich erscheinen zu lassen. Gelungen war es ihm nicht.
Resigniert stapfte Justine hinter Owen in die Küche. Sie setzte sich müde an den Tisch. Was würde sie für ein Glas Whiskey geben! Stattdessen stellte er den Wasserkocher an und brühte eine dünne Brühe auf. Er knallte den Teebecher vor sie auf den Tisch, die Hälfte der Flüssigkeit schwappte bei dieser Aktion heraus. Dann ging er zum Küchenschrank und holte aus einem Fach eine Flasche heraus.

Vorsichtig kippte er etwas von der goldenen Flüssigkeit in den Tee, gab zwei Löffel Zucker hinzu und hielt ihr den Becher vor die Nase. Der angenehme Duft von Alkohol stieg ihr in die Nase. Justine umfasste den Becher mit den Händen und zum ersten Mal, seit sie diesen Mann kennen gelernt hatte, lächelte sie schwach.
....Nacht über Dibley I .... by doris anglophil
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Geraldine und Harry schlenderten heimwärts durch das nächtliche Dibley. Es war richtig kalt geworden und Geraldine kuschelte sich in den Arm ihres Ehemannes. Der bisher wichtigste Tag ihres Lebens war vorbei und sie waren glücklich.

Es war ganz still im Dorf, sie hörten nur ihre eigenen Schritte und die Steinchen, die unter ihren Sohlen knirschten. Ein friedvoller Moment, den Beide genossen. Sie sprachen nicht und doch wussten sie was im Kopf des anderen vor sich ging.
Harry sagte plötzlich: „Die Dekoration! Und Trott mit einem komischen Lied!“
„Mhm... Alice! Sie kam viel zu spät und ich geriet in Panik!“ erläuterte Geraldine.
„Sting!“
„Sting!“ gab seine Frau zurück. Sie drückte seine Hand. „Das werden wir unseren Enkeln noch erzählen können“, kicherte sie.
„Ein bisschen vorschnell, oder? Zuerst erzählen wir es unseren Kindern! Unsere Enkel werden nicht wissen wer Sting überhaupt war!“ Harry blieb kurz stehen und sah seine Frau an. Das Licht einer einzelnen Straßenlampe fiel auf ihr schönes Gesicht.
„Was reden wir da überhaupt?“ Seine Stimme war lauter geworden.

“Psst... Harry! Nicht so laut! Die Häuser in Dibley haben Ohren. Wenn du nicht leise bist, geht morgen schon das Gerücht um ich sei schwanger!“ Sie zog ihren Mann an sich.
„Dann lass uns einfach daran arbeiten“, lachte er. Doch er wusste, dass sie das Thema bei weitem ernster nahm. Sie war doch schon ein gutes Stück über vierzig, und somit auch um etliches älter als er. Und obwohl er ihr einmal bereits verdeutlicht hatte, dass die Frau des Premierministers sogar mit 45 noch ein Kind bekommen hatte, war Geraldine keineswegs davon überzeugt gewesen, dass dies nun auch bei ihnen unweigerlich der Fall sein würde. Mrs. Blair war ja da letztendlich mit dem vierten Kind gesegnet gewesen und keine Erstgebärende mehr.


Hugo hatte Alice aus dem fast leeren Saal ziehen müssen. Sie war nur unfreiwillig mitgegangen, wollte eigentlich bis zum bitteren Ende bleiben. Murrend folgte sie ihrem Mann nachhause. Ständig brabbelte sie etwas von Sting vor sich hin.
Zurück blieben Rosie, Jack, Christopher und Jeremy. Das Quartett räumte letzte Gläser zusammen und verstaute die zurückgebliebenen Geschenke an einem sicheren Ort.
Zuletzt standen sie in dem verwaisten Saal und sahen sich noch einmal um.
„Komm, wir bringen dich noch schnell nachhause“, schlug Jack Rosie vor. „Du musst doch müde sein!“
„Fahrt ihr nur. Ich bringe sie nachhause. Von hier sind es nur ein paar Schritte!“ Jeremy sah Rosie fragend an.

Sie erwiderte seinen Blick trotzig. „Ich kann alleine gehen!“
„Ich weiß“ Jeremy hielt ihr die Jacke hin.
„Ehrlich! Es muss mich niemand begleiten, ich bin schließlich kein kleines Kind!“ protestierte sie und nahm Jeremy die Jacke aus der Hand.
Jack und Chris sahen einander vielsagend an.
„Keine Widerrede! Jeremy bringt dich heim“, bestimmte Jack. „Gute Nacht, Schatz. Sei brav und schlaf schön.“
Rosie murmelte vor sich hin: „Sei brav und schlaf schön!“ Sie stapfte zur Tür. Die drei Männer folgten ihr und vor der Tür des Gemeindesaals verabschiedeten sich die Vier voneinander.


Justine rümpfte die Nase. Hunger hatte sie eigentlich keinen. Was brutzelte dieser Knilch denn da? Sie wusste auch überhaupt nicht, was sie hier noch tat. Morgen würde ihre Uniform total unbrauchbar sein. Der Geruch des Fleisches in der Pfanne würde in sämtlichen Kleidungsstücken hängen. Sie hatte sie überhaupt nur deshalb anbehalten, weil Jasper – nein Harry – immer so darauf abgefahren war. Fast ein Garant für seine Widerstandslosigkeit ihr gegenüber. Und jetzt – der totale Reinfall! Sie stütze den Kopf in ihre Hände und beobachtete Owen beim Hantieren mit Töpfen und Pfannen.

Dieser hatte sich zwischenzeitlich immer wieder nach ihrem Befinden erkundigt. Sie hatte nur lapidar auf seinen Fragen geantwortet. Ihr Schädel brummte ganz ordentlich, ab und zu fasste sie sich an den geschwollenen Mundwinkel. Sie griff erneut zu ihrem Teebecher, aus dem dampfend angenehmer Alkoholgeruch aufstieg. Sie nahm einen kräftigen Schluck daraus.

Geräuschvoll stellte Owen zwei Teller auf den Tisch, knallte Messer und Gabel dazu und legte sogar zwei Servietten, allerdings reichlich verknautscht, dazu. Sanfter Knoblauchgeruch wehte durch die kleine Küche. Justine spürte nun doch ein leichtes Hungergefühl. Ihr Magen meldete sich, seit Stunden schon hatte sie nichts zu sich genommen. Owen brachte eine Pfanne zum Tisch, in der vier Lammkoteletts zischten. Dazu gab es eine undefinierbare Soße und frisches Brot.
„Selbst gebacken“´, erläuterte er stolz.

Er legte das Fleisch auf ihren Teller, gab einen Klacks Soße und Brot dazu. „Noch einen Tee?“ fragte er. Sie nickte. Er ließ einen Teebeutel in die Tasse fallen, goss kochendes Wasser darüber und gab auch hier einen Schuss Whiskey hinein.
Justine rutschte auf der Bank hin und her, mittlerweile war sie richtig hungrig. Owen setzte sich zu ihr und schob sich langsam näher. Justine versuchte auszuweichen und als ihr das nicht gelang, weil sie am Ende der Bank angelangt war, protestierte sie lautstark: „Ich habe hier keinen Platz mehr! Rück ein Stück rüber, verdammt!“

Owen grummelte, doch er rutschte ein Stück von ihr weg. „Iss – damit mal was auf deine Rippen kommt!“
Justine schnupperte an dem Lammkotelett, ihr lief das Wasser im Mund zusammen. Das Fleisch war butterzart, der Knoblauch passte hervorragend und die grüne Pampe stellte sich als leckere Kräuter-Minzesoße heraus. Überraschenderweise gab diese Soße den leckeren Fleischstücken den letzten Kick. Als ihr Teller geleert war, wischte Justine sich den Mund ab, lehnte sich gesättigt zurück und griff nach einem letzten Schluck aus ihrem Becher.


Jack betrat das Schlafzimmer und stellte sich hinter den Mann am Fenster. Er war fast einen ganzen Kopf kleiner als Christopher, der aus dem Fenster auf den Weg vor dem Gasthaus hinaus schaute. Jacks Hände wanderten an Chris’ Rücken hinauf. Er umfasste die Schultern und zog den großen Mann zu sich heran.
“Das Hemd... es stört!“ Seine Stimme war leise und dunkel. Mit seinem Kopf lehnte er sich an den breiten Rücken. Er umfasste Chris’ Oberkörper und begann den Knoten der Krawatte zu lösen. Das schwache Licht, das durch das Fenster fiel, umschmeichelten die muskulösen Schultern.

Christopher blieb ganz still stehen und genoss Jacks Berührungen. Er seufzte, als Finger begannen sein Hemd aufzuknöpfen. Eine Gänsehaut lief über seinen Rücken. Die Hände hatten ihre Arbeit bald erledigt, zogen die Krawatte über seinen Kopf und das Hemd von seinen Schultern. Die Erwartung weiterer Zärtlichkeiten schnürte Chris die Kehle zu. Er schluckte, seine Brust hob und senkte sich, sein Herz schlug schnell. Jeden Zentimeter seiner Brust erforschten die Finger. Er hielt es nicht mehr aus, drehte sich ruckartig um und nahm Jack in seine Arme.

„Mein Liebling“, flüsterte er und strich Jack mit dem Zeigefinger über die Nase und die Wange. „Weißt du überhaupt, was für wunderschöne Augen du hast?“ Jack neigte ein wenig verlegen den Kopf. Chris legte seinen Finger unter Jacks Kinn und hob ihn wieder an. Er sah ihm in die Augen und lächelte sanft.
„Wenn du mich so ansiehst, bin ich völlig hilflos, weißt du das? Du ahnst nicht, was du damit anrichtest!“
Jack blickte ihn fest an. „Dann zeig es mir!“ Er streckte sich ein wenig, legte seine Hand in Chris’ Nacken und küsste ihn.


Rosie steckte den Schlüssel in die Tür und öffnete sie. Sie ließ eine Hand auf der Klinke liegen und wandte sich zu Jeremy um. „Danke, dass du mich begleitet hast. Gute Nacht und schlaf’ gut!“
Er kam einen Schritt auf sie zu. „Es gibt keinen Gutenachtkuss?“
Sie zögerte einen Augenblick, beugte sich dann vor und drückte Jeremy blitzschnell einen Kuss auf die Wange.
„Das ist alles? Dann vielleicht einen Schlaftrunk?“
„Erstens Ja und zweitens Nein! Ich bin müde und muss schlafen. Das war ein langer, anstrengender Tag!“
„Keinen richtigen Gutenachtkuss, keinen Schlaftrunk... Rosemary, Rosemary – was soll ich nur mit dir machen?“

“Gar nix! Ich gehe jetzt ins Bett!“
„Ich geh’ mit!“
„Du machst waaas?“
„Hörst du schlecht? Ich komme jetzt mit rein. Mach’ nicht so einen Lärm, du weckst noch die Nachbarschaft auf!“
„Hast du ’nen Knall?“ Sie trat einen Schritt ins Cottage und wollte die Tür schließen. Doch es gelang ihr nicht, Jeremys Fuß blockierte die Tür, er schob sie mit der Hand immer weiter auf. Rosie versuchte von innen dagegen zu halten, doch Jeremy war wesentlich stärker.

„Was soll denn das werden, Jeremy?“
„Das werden wir noch sehen!“ Noch ein kleines Stück, dann war er drinnen. Rosies Abwehr ließ nach, sie streckte die Waffen und ließ ihn ein. Sie ging rückwärts vor ihm her und fühlte sich plötzlich ziemlich schwach. Sie presste die Lippen aufeinander und traute sich nicht, in seine Augen zu blicken. Jeremy folgte ihr in das Wohnzimmer und sofort fiel sein Blick auf das Schaffell vor dem Kamin. Er schmunzelte und wies mit der Hand auf das Fell. „Sieht viel versprechend aus!“

Rosie war unsicher. Was sollte sie tun? Einerseits verlangte es sie nach Zärtlichkeit. Jeremys Küsse in der Kirche hatten ihr gefallen. Bei der Erinnerung daran wurde ihr auch jetzt noch warm. Andererseits konnte sie sich nicht vorstellen, was das mit Jeremy werden sollte. Sie kannte ihn doch überhaupt nicht!

Jeremy nahm sie an der Hand, holte sie so zu sich heran und schmiegte sich an sie. Er neigte den Kopf und liebkoste ihren zarten Hals. Sie roch so gut und ihre Haut war so weich. Sie gab ein leises, quietschendes Geräusch von sich und versuchte, seinem Mund und seiner Nase auszuweichen. Doch er hielt sie fest und sein Mund wanderte an ihrem Hals empor, knabberte an ihrem Ohr und suchte ihren Mund. Seine Lippen tasteten sich langsam vorwärts, bis sie auf ihren lagen. Er streichelte ihr Gesicht und legte seine Hand auf ihre Wange.

Rosie stöhnte und lehnte sich gegen ihn. Die Schwäche in ihren Beinen nahm noch zu. Es war völlig ungewohnt für sie, so die Kontrolle über ihren Körper zu verlieren. Was tat er mit ihr? Sie war schon öfter geküsst worden, doch seine Küsse, seine Lippen riefen ein ungeahntes Zittern in ihr hervor! Sie konnte dieser Reaktion nicht Herr werden und das beunruhigte sie. Wenn es ihm gelang allein durch seine Küsse ihren Körper in Aufruhr zu versetzen, was würde erst geschehen, wenn er...? Nein, sie wollte nicht daran denken, sie wollte die Kontrolle nicht verlieren!


Schon von weitem erkannten Geraldine und Harry eine Veränderung an der Tür zum Pfarrhaus. Erst beim näher kommen sahen sie jedoch die wunderschöne Girlande, gewunden aus lauter roten Rosen. Sich an den Händen haltend standen sie sprachlos davor.
Harry öffnete die Tür und ließ seine Frau eintreten. An der Tür des grünen Wandschrankes hing etwas Dunkles, Langes. Es musste wohl ein Kleidungsstück sein, doch mehr war nicht auszumachen. Stumm zeigte er auf das dunkle Objekt. „Frag’ lieber nicht. Das ist... war mein Hochzeitskleid!“
Harry wandte sich der Frau im Pyjama zu und küsste sie. „Du wolltest mir die Geschichte doch erzählen...!“

„Das erzähle ich dir nachher!“ versprach sie. Harry spürte etwas unter seinen Füßen und blickte auf den Boden. Er war übersät mir Rosenblüten. Dunkelrote Rosenblätter soweit das Auge reichte. Er nahm Geraldine an die Hand und ging mit ihr zur Treppe.
„Oh nein! Wie wunderschön!“ Gerry schlug die freie Hand vor den Mund, Tränen schossen in ihre Augen. Langsam erklommen sie die Treppe, auf jeder Stufe lagen Rosenblüten. Die rote Spur führte sie bis in das Schlafzimmer. Die Tür stand offen und ihr Blick galt ihrem Bett. Es war über und über mit Rosenblüten bedeckt.

„A bed of roses!“ flüsterte Geraldine ergriffen. Die Tränen liefen an ihren Wangen herunter. Harry küsste jede einzelne weg. Vorsichtig nahm er seiner Frau die rote Rose aus dem Haar und strich ihr über die Wange.
„Komm, mein Schatz!“ Er führte sie zum Bett, sie setzte sich und strich mit ihrer Hand über die Blüten. Ein süßer Duft stieg auf und Geraldine atmete tief ein. Ein Schauer lief über ihren Rücken. Dies war eine besondere Nacht, sie würde sie nie vergessen. Die perfekte Krönung für einen perfekten Tag. Sie sah ihrem Mann tief in die Augen und knöpfte langsam die Pyjamajacke auf. Sie ließ das Oberteil ganz zaghaft über ihre Schultern gleiten und Harry sah sie stumm an. Sein Blick sprach Bände.

Er konnte sich nicht satt sehen an dieser wunderschönen Frau. Sie trug einen BH aus feiner weißer Spitze, der im diffusen Licht des Schlafzimmers leuchtete. Geraldine richtete sich auf und zog auch die Hose über die Hüften. Sie glitt an ihren Beinen herab, mit ihren Füßen schob sie sich aus den Hosenbeinen heraus. Beim Zurückschlagen der Decke flogen die Rosenblüten in alle Richtungen, einige landeten auf dem Laken.

Immer weiter schob Gerry die Decke zurück und legte sich auf das Bett. Sie schob sich das Kissen in den Nacken, so dass sie aus dieser Position ihren Mann ansehen konnte.
„Jetzt du!“ forderte sie ihn leise, aber unmissverständlich auf.
Er lächelte dieses unvergleichliche Lächeln, sie konnte das Blau seiner Augen nur erahnen und doch schlug ihr Herz schneller.
Er zog die graue Anzugjacke aus und löste die Krawatte. Er schlüpfte aus den Schuhen und stieß sie von sich. Er schloss die Augen einen Moment und seufzte.
„Weiter“, sagte sie.

Er begann beim obersten Knopf seines Hemdes und es dauerte, bis er den letzten geöffnet hatte. Doch er zog es nicht aus. Stattdessen öffnete er langsam seine Hose und entledigte sich auch dieses Kleidungsstücks. Geraldine bewunderte seine langen Beine mit den kräftigen Schenkeln. Bei diesem Anblick biss sie sich auf die Lippe.
Sie nickte ihm zu und forderte ihn auf, sich auch des Hemdes zu entledigen. Er schlüpfte bedächtig aus den Ärmeln und ließ das Hemd zu Boden fallen. Er tat einen Schritt nach vorne.
“Nein“ hielt sie ihn auf. „Ich will dich erst noch ansehen!“

Er war einfach perfekt. Niemals zuvor hatte sie einen so schönen Mann gesehen. Sie hätte ihn auch geliebt, wenn er nicht so vollkommen gewesen wäre... vielleicht war er es auch nicht. Doch für sie war er der schönste Mann auf Erden. Sie streckte verlangend ihre Hand nach ihm aus....


Justine konnte nicht glauben, wie viel sie gefuttert hatte. Das Essen war erstaunlich gut gewesen und sie war über ihren Teller regelrecht hergefallen. Owen hatte sie von der Seite betrachtet und hin und wieder gelacht. Es hatte sie nicht gestört. Das lag wohl größtenteils an dem Tee mit Schuss, den er immer wieder nachfüllte.
Eigenartigerweise hatte das Getränk prima zu dem Essen gepasst. Eine ganze Weile hatte sie auf der Bank gesessen und kein Wort gesagt. Offensichtlich erwartete er auch keine Dankesworte oder so etwas. Er hatte ebenfalls ganz ruhig neben ihr gesessen und hin und wieder angeblickt.

Justine ließ ihren Blick über das Chaos in der Küche gleiten und merkwürdigerweise störte sie das überhaupt nicht. Dabei war sie doch sonst so überaus penibel. Doch hier und jetzt war ihr das vollkommen gleichgültig.

Sie spürte eine Bewegung neben ihr und wandte den Kopf zur Seite. Der Farmer war ein ganzes Stück näher zu ihr gerutscht und sein Kopf war jetzt nur noch einige Zenitmeter von ihrem entfernt. Sie starrte ihn ungläubig an, doch es war schon zu spät. Seine rauen Lippen pressten sich auf ihre. Justine reagierte etwas verhalten und dem Alkoholkonsum entsprechend langsam. Doch sie reagierte! Sie holte aus und verpasste Owen die Backpfeife seines Lebens.

....Nacht über Dibley II .... by doris anglophil
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„Jack?“
Der warme Körper neben ihm regte sich nicht.
„Jack? Schläfst du?“ flüsterte Christopher.
„Nein“, murmelte Jack, „ich bin hellwach!“
„Geht es dir gut?“ Chris griff nach der Hand auf seiner Brust und zog sie zu seinem Mund.
„Mhm... mir geht es... hervorragend!“
„Bist du gar nicht müde?“
„Warum fragst du?“
„Na, darum!“ war die knappe Antwort.
„Aha... !“ Jack kuschelte sich mit seinem Kopf wieder an Chris’ Schulter. „Du bist offensichtlich nicht müde! Lust auf eine zweite Runde?“
Jack presste seine Finger zusammen. Er drehte den Kopf etwas zur Seite und sah den Mann an, der entspannt neben ihm lag. Sie hatten eine kleine Lampe auf dem Nachttisch brennen lassen, sein Gesicht war deutlich zu sehen. Jack spürte, dass Christopher etwas anderes auf dem Herzen lag.

„Jack! Wir zwei passen doch gut zusammen, oder? Wir ergänzen uns irgendwie, meinst du nicht?“
Seine Stimme klang verhalten, fast unsicher und Jack blickte erstaunt zu ihm auf. War es das, was Chris bedrückte, hatte er Zweifel an seiner Zuneigung?
„Ich finde, wir passen hervorragend zusammen... in jeglicher Hinsicht!“ Jack kicherte und zupfte spielerisch an Christophers Brusthaaren.
„Ich weiß... in jeglicher Hinsicht. Aber lassen wir den Sex mal außen vor. Nicht, dass Sex nicht wichtig sei. Ich hatte noch nie soviel Spaß mit einem Mann, konnte mich noch nie so vollkommen fallen lassen. Aber ich meine eigentlich noch etwas anderes.“

„Was denn, mein Schatz?“ Jack richtete sich etwas auf und stütze seinen Kopf auf seine Handfläche. Aufmerksam betrachtete er Chris und forderte ihn auf: „Rück schon raus mit der Sprache, du weißt, du kannst mir alles sagen!“
„Aber das hier ist echt schwer!“
Eine leise Angst beschlich Jack. Sollte er diesen Schatz schon wieder verlieren? Er hatte ihn doch vor kurzem erst gefunden und sich hoffnungslos in ihn verliebt. Vom ersten Augenblick an hatte Christopher sein Herz gefangen und dieser wunderbare Mann hatte ihn fest in seinen Fängen. Jacks Herz klopfte aufgeregt, er traute sich kaum in Christophers Augen zu sehen.
„Wenn es etwas Schlimmes ist, dann spanne mich bitte nicht auf die Folter. Das könnte ich nicht ertragen, weißt du!“

„Nichts Schlimmes, wirklich nicht. Aber ich traue mich nicht, dich etwas zu fragen!“
„Es wird nicht besser, wenn du so lange rumdruckst! Spuck’s aus!“ Jack verzog unwillig das Gesicht, die Spannung stieg ins Unermessliche, sein Herz sprang ihm fast aus der Brust.
„Willst du mich heiraten?“ Die Stimme von Christopher war so leise, dass Jack die Frage fast überhört hätte.
„Was? Sag das noch mal! Ich fasse das gerade nicht!“ Die letzten Worte klangen zweifelnd und verhalten.
„Ich will dich heiraten. Ich will mit dir leben, mein Leben mit dir teilen. Ich will, dass wir immer zusammen sind. Ich liebe dich!“


Er hatte Rosie regelrecht die Treppe hinauf gedrängt. Oben angekommen, blickte er sie fragend an und wies mit dem Kopf auf eine Tür. „Die da?“ fragte er.
Sie schüttelte den Kopf und zeigte auf eine andere Tür: „Die!“
Er nahm ihre Hände in seine, und während sie ihren Weg fortsetzten, küsste und liebkoste er weiter ihr Gesicht und ihren Mund. Sie schloss die Augen und stolperte rückwärts vor ihm her durch den halbdunklen Flur.

Er ließ eine Hand los und griff um Rosie herum, um die Türklinke niederzudrücken und die Tür zu öffnen. Er schob sie langsam in das Zimmer, ohne mit den Zärtlichkeiten aufzuhören. Sie stöhnte und versuchte etwas zu sagen, doch Jeremy verschloss ihren Mund mit weiteren Küssen.
Erst als sie mit dem Rücken zum Bett stand, machte er halt. Er trat einen Schritt zurück, fasste mit der Hand an die Wand und kippte den Lichtschalter um.
„Nein“, sagte sie.
„Ja!“ sagte er.

Sie wollte sich vom Bett abwenden, doch er fasste nach ihr und zog sie an sich. Ihr weißes Pelzjäckchen lag bereits unten im Hausflur. Jetzt war die Jacke des Anzugs dran. Wieder umschmeichelte er mit seinen weichen Lippen ihren Mund, drückte sie auf ihre Augen und küsste ihre Nase. Dabei hörte er nicht auf, ihre Jacke aufzuknöpfen. Er zog die Jacke aus, warf sie hinter sich auf den Boden, und auch den nächsten Protest ihrerseits stoppte er mit Küssen.

An den kleinen Knöpfen ihrer Bluse tat er sich schwerer. Er musste beide Hände zu Hilfe nehmen. Doch auch sie waren kein wirkliches Hindernis. Die Bluse ging denselben Weg wie zuvor die Jacke. Jeremy umfasste ihre Schultern, zog sie näher zu sich und wanderte mit seinen Lippen entlang ihres schmalen Halses hinab zu ihrer Schultergrube. Er spürte, wie sich ihre zarten Härchen aufrichteten, wie sie erschauerte. Der Mund zog eine feuchte Spur bis zum Ansatz ihrer Brüste. Rosie bog ihren Kopf etwas zurück und murmelte etwas Unverständliches.

Er sah sie kurz an, wandte sich dann aber schnell wieder ihrer zarten Haut zu. Er ließ von den Schultern ab, umschlang ihren Oberkörper und geschickt öffnete er ihren BH. Er zog die Träger von den Schultern und ließ ihn fallen. Sie hatte die Augen geschlossen, ihre Arme hingen regungslos an der Seite herunter. Jeremy trat einen Schritt zurück und betrachtete sie.

„Mach die Augen auf! Bitte!“
Sie öffnete ihre Augen. Sie sah ihn einen Moment lang so hilflos an, als wüsste sie nicht was sie jetzt tun sollte. Dieser Anblick rührte ihn so sehr, er konnte kaum glauben, was er sah. Doch da war noch etwas in ihren Augen! Etwas, was er bisher vermisst hatte. Sie verlangte nach ihm. Sie wollte ihn. Das sah er jetzt. Sie hatte es bisher gut verborgen, oder es war ihr bis jetzt selbst nicht bewusst gewesen.

Jetzt war sie es, die den Abstand zwischen ihm und ihr verringerte. Sie fasste nach seinen Schultern und zog ihn zu sich. Sie öffnete sein Hemd, als hätte sie es schon tausend Mal gemacht. Sie trat noch näher und presste ihre nackten Brüste gegen seine warme Brust. Dieser erste wirkliche Kontakt der beiden Körper ließ Beide aufstöhnen. Immer fester umschlang sie ihn, immer leidenschaftlicher wurden ihre Küsse. Gemeinsam überbrückten sie die Distanz zum Bett, ohne von einander zu lassen. Flink entledigten sie sich der letzten Kleidungsstücke und eng umschlungen sanken sie auf das Bett.

Rosie wusste nicht wirklich, wie ihr geschah. Dieser Mann hatte eine Fähigkeit, die sie bisher in ihrem Leben vermisst hatte. Sie war sicher kein Kind von Traurigkeit gewesen, doch noch nie kam sie sich so ausgeliefert vor wie bei ihm. Er hatte die Fähigkeit, alle ihre tiefsten Empfindungen zu wecken. Seine Hände, sein Mund... und der Rest seinen Körpers, brachten sie an den Rand des Wahnsinns. Ihre Vernunft war wie abgeschaltet, sie konnte einfach nicht mehr klar denken.

Er sah so harmlos aus! Doch wenn er sie berührte, wenn er sie küsste, erlitt sie einen totalen Verlust über ihre eigene Kontrolle. Ihre Selbstbeherrschung ging den Bach runter, so als hätte sie nie existiert. Selbst in ruhigen Minuten wie dieser schlummerte diese Leidenschaft in ihm weiter. Sie spürte sie, sie vibrierte regelrecht. Und sie war nie sicher, wann sie wieder zum Ausbruch kam. In kurzen Verschnaufpausen wie dieser kreisten ihre Gedanken unermüdlich in ihrem Kopf. Bis er sich ihr wieder zuwandte und die Gefühle in ihr anknipste, wie kurz zuvor die Lampe.

Sie hatte Angst. Angst vor der totalen Hingabe. Angst davor, von den eigenen Gefühlen überrollt zu werden. Angst davor, was aus der Affäre eventuell werden könnte. Sie schreckte hoch! O je! Was daraus werden könnte… war sie nun völlig übergeschnappt? Jeremy zog sie bei dieser kleinen abwehrenden Bewegung sofort wieder zärtlich an sich, küsste ihre Bedenken schnell weg. Sie wollte den Kopf nicht abschalten, sie wollte diese Emotionen nicht, sie wollte nicht… aaaaaaaah, verdammt, sie wollte diesen Mann, jetzt hier und sofort! Sie zerfloss wie Butter in der Sonne unter seinen Berührungen. Für einen Pfarrer beherrschte er die Klaviatur der Erotik ziemlich gut, war Rosies letzter Gedanke bevor sie endgültig allen Widerstand aufgab.
Das Paar auf dem Bett verschmolz langsam zu einer Einheit…


Jack wagte kaum zu atmen. Er war völlig ergriffen. Aus seinem rechten Augenwinkel rollte eine Träne, direkt auf Christophers nackte Brust. Dieser hob überrascht den Kopf: „Hallo, junger Mann? Was habe ich nur angestellt, meine Güte! Ich wollte, dass du glücklich bist und nicht, dass du hier in Tränen ausbrichst!“
Jack schniefte und murmelte nahe an Chris’ Herzen: „Das bin ich! Ich bin total glücklich! Stell’ dir vor, ich dachte eben fast, du wolltest einen Schlussstrich unter die ganze Sache ziehen. Ich war so furchtbar angespannt, hatte richtig Angst.“
Chris lächelte still: „Und jetzt?“
„Jetzt? Bin ich, glaube ich, der glücklichste Mann auf Erden! Abgesehen von dir, mein Darling, so hoffe ich doch.“
„Genau, abgesehen von mir. Ich wäre aber noch tausendmal glücklicher, wenn ich eine ganz bestimme Antwort von dir erhalten würde!“

Jack hielt es nicht mehr im Bett. So wie Gott in schuf, sprang er auf und hüpfte übermütig wie ein kleines Kind im Zimmer umher. „Chris, oh Chris, was soll ich sagen? Natürlich ist dies ein ‚Ja’, ein dickes, fettes, doppelt unterstrichenes ‚Ja’, meine Güte!“
Chris lachte nun laut und klopfte mit der Hand auf die Bettdecke: „Dann mach gefälligst, dass du wieder ins Bettchen kommst, mein künftiger Gemahl, es ist scheißkalt hier ohne dich an meiner Seite!“
Das ließ sich Jack nicht zweimal sagen und kuschelte sich sogleich wieder an die Seite seines Liebsten: „Meinst du, Gerry würde uns verheiraten? Ist nicht üblich in der Church of England, ich weiß, aber vielleicht macht sie eine Ausnahme?“
Chris entfuhr ein tiefer Seufzer: „Ehrlich gesagt, habe ich nicht die geringste Ahnung, wie die Lage da genau ist, aber ich schätze, dass sie vermutlich gehörig mit ihrem Amt in Konflikt kommen würde. Aber fragen können wir sie ja mal.“
„Tausend Dank“, murmelte Jack schläfrig. Er küsste Chris noch einmal ausgiebig und schlief dann mit seligem Lächeln ein.


Owen hatte sich brummend wieder in der Küche zu schaffen gemacht, während Justine mittlerweile zu Whisky pur übergegangen war. Ihre Blessur von Rosies Schlag war deutlich mehr zu sehen als ihr Handabdruck auf Owens stacheliger Wange. Die Wirkung des Alkohols trat schon bald ein und sie schwankte bereits etwas, als sie sich den Weg zur Toilette zeigen ließ. Über den Hof, was war das denn für ein Klo? Sie zuckte zusammen, als sie im Schein der Taschenlampe das Holzhäuschen mit dem Herz in der Tür ausmachte. Das konnte doch nicht wahr sein! Dieser Hinterweltler hatte nicht einmal ein WC, sondern nur ein Plumpsklo! Sie wurde von Ekel ergriffen, musste aber so dringend, dass ihr kein Ausweg blieb. Voller Abscheu erledigte sie ihr Geschäft und wankte dann zurück zu den Gebäuden. Sie kannte sich absolut nicht aus. Wohin musste sie denn nun? Sie öffnete eine Tür, und Wärme strömte ihr entgegen. Ach, das war wohltuend. Und es stank auch bei weitem nicht so, wie eben auf dem gewissen Örtchen. Sie ließ sich fallen und atmete einen aromatisch duftenden Geruch ein. Schön! Sie streckte ihre müden Beine aus und wurde schläfrig…


Harry merkte jetzt erst, wie anstrengend die letzten Tage, und besonders der mittlerweile vergangene Hochzeitstag, gewesen waren. Er hielt Geraldine in seinen Armen und atmete ihren wundervollen Duft ein. Zufrieden kuschelte er sein Gesicht an ihre Seite und konnte sein Glück noch immer nicht so recht fassen. Sie war so wunderbar, in jeder Hinsicht. Und die Geschichte mit dem unerwartet so wohl geratenen Brautkleid, dass sie letztendlich wegen der Dusseligkeit von Owen doch nicht hatte anziehen können, da hatte sie ihm regelrecht leid getan. Doch seine Frau wäre nicht seine Frau, wenn sie nicht eine außergewöhnliche, zugleich aber praktikable Lösung für dieses Problem gefunden hätte. Er lächelte, wenn er an die Erzählung dieser Begebenheit dachte. Er hätte nicht gewusst, ob er in der gleichen Situation nicht alles kurz und klein gestampft hätte vor Enttäuschung
. Aber Gerry hatte sich kurzerhand in diesen schnuckeligen Pyjama geworfen und war ohne viel Zeit zu verlieren in dieser Montur zu ihm an den Traualtar geeilt! Er liebte sie dafür! Unendlich!
...Allgemeines Heiratsfieber... by doris anglophil
Die Kirchenglocken läuteten und Geraldine fuhr aus den Kissen hoch. Mist, der Gottesdienst! Doch ein fester Griff hielt sie im Bett fest. Sie blickte aus noch schlaftrunkenen Augen auf und sah verwuschelte, fast schwarze Haare auf dem Kopfkissen neben ihr. Dann kehrte ihr Erinnerungsvermögen zurück. Natürlich, die Hochzeit! Und heute musste sie den Gottesdienst gar nicht halten, es war eine Vertretung für sie da. Sie atmete erleichtert aus. Ihr Mann schien noch zu schlafen, also legte sie sich leise wieder hin.

Heute Abend würden sie in die Flitterwochen verreisen, die Überraschung war Harry gestern wunderbar gelungen, als er ihr das Flugticket in die Karibik als sein Hochzeitsgeschenk präsentiert hatte. Die Freude in ihren Augen war nicht zu übersehen gewesen. Sie zuckte wieder zusammen: Meine Güte! Sie musste ja noch so viel packen! Und die Gäste mussten auch noch verabschiedet werden! Sie wollten sich alle drüben im anderen Ort im Hotel treffen, zu einem schönen, gemeinsamen Frühstück.

Verstohlen blickte Geraldine auf den Wecker, als sie die leicht heisere Stimme ihres Mannes vernahm: „Oh nein, du schaust jetzt nicht auf die Uhr, Madame Kennedy! Es ist noch genügend Zeit, bis wir uns mit den anderen treffen.“
Sie drehte sich zu Harry um, und blickte in ein Paar liebevolle, strahlend blaue Augen. „Was schlagen Monsieur Kennedy dann vor, um die verbleibende Zeit tot zu schlagen?“
Er packte sie um die Taille und rollte sie komplett zu sich herum: „Da fallen mir spontan ein paar ganz wundervolle Sachen ein, Madame!“

Mit einem Kopf wie ein Hochhaus wachte Justine benommen auf. Sie hatte die Augen noch geschlossen, nahm aber plötzlich wahr, dass irgendetwas, IRGENDWER? ihr das Gesicht abschleckte. Sie riss in Panik die Augen auf und sprang in die Höhe: „Owen, wie kannst du es wagen!“ Doch von Owen war weit und breit nichts zu sehen. Sie stand bis zu den Knien in Heu und Stroh und war von einigen schwarzköpfigen Schafen umgeben. Voller Ekel fuhr sie sich mit dem Ärmel über das nasse Gesicht: „Igitt! Oh, wie grauenhaft! Ich habe im Schafstall geschlafen! Shit, shit, tausendmal shit!“ Sie fluchte sehr undamenhaft und sah an sich herunter. Na bravo! Die Uniform war ein für alle mal hin, nicht nur zerknittert und voller Dreck, sondern es stank alles auch dementsprechend. Sie schüttelte sich voller Abscheu. Eine löcherige Wolldecke lag neben ihrem Lager, offensichtlich hatte Owen sie irgendwann gesucht und gefunden und ihr dann die Decke gebracht. Diese Decke hätte sie normalerweise nicht einmal mit einer Kneifzange angefasst.

Sie hielt sich den schmerzenden Kopf und trat nach draußen. Im Hof herrschte völlige Ruhe. Von fern erklangen Kirchenglocken. War heute Sonntag? Sie bemühte sich, mit verkatertem Kopf und erheblichem Jetlag nachzurechnen und kam zu dem Ergebnis, dass dem so sein musste. Sie wankte ins Haus, die Hintertür war nur angelehnt. Auf dem Küchentisch lag ein Zettel. Sie ließ sich seufzend auf die Holzbank sinken und las das Gekritzel, das Owen ihr hinterlassen hatte:

Hallo Missy! Super, nicht mal ihren Namen hatte der Blödian hingeschrieben! Bin jetzt in der Kirche. Haben ja heute eine Vertretungskraft für den Gottesdienst, da man der frischgebackenen Mrs. Kennedy nicht zumuten konnte, auch noch am Tag nach ihrer Hochzeit ihrem Beruf nachzukommen und den Gottesdienst abzuhalten. Waaas? Die Frau von Jas war Pfarrerin? Ach du dickes Ei! Auch das noch! Justine rieb sich die Augen und las weiter. Und da der andere Vikar auch zu den Hochzeitsgästen zählte, konnte man den ebenfalls schlecht bitten. Wie auch immer, ich dachte, du würdest dir sicher gerne ein Taxi rufen. Das Telefon ist im Flur am Haupteingang und da ist auch ein Telefonbuch. Handyempfang hat man hier hinten bei mir nicht. Funktioniert nur unten im Dorf. Würde mich aber auch freuen, wenn du es noch zur Kirche schaffen würdest. Wenn nicht – auch gut. Hat mich sehr gefreut (abgesehen von der Ohrfeige!), Owen.

Justine stieß schnaubend den Atem aus. Nicht einmal einen Kaffee hatte der Stoffel gekocht! Sie tappte zum Telefon und blätterte entnervt im Telefonbuch. Dann endlich hatte sie die Seite mit den Taxiunternehmen gefunden und wählte mit nervösen Fingern die Nummer.

Rosie traute sich nicht, die Augen aufzuschlagen. Sie spürte ganz deutlich den warmen, weichen, wundervollen Männerkörper neben sich. Aber sie war zu feige, Jeremy jetzt in die Augen zu sehen. Sie lag starr da und dachte nach. War sie eine Närrin gewesen, dem Drängen Jeremys so schnell nachzugeben? Ja und Nein. Es war einfach wundervoll gewesen, sie hatte sich in seinen Armen so wohl gefühlt, war von seiner Wärme so eingehüllt worden, war von seiner Leidenschaft überwältigt und von seiner Liebe... sie erschrak bei dem Gedanken an dieses Wort… überrascht gewesen. Und doch – so schnell war sie normalerweise nicht bei der Sache. Sie war eher der misstrauische Typ und sie wollte damit verhindern, dass man ihr das Herz brach. Bislang erfolgreich aufgegangene Taktik.

Im Gasthof herrschte schon viel Betrieb. Jack und Christopher strahlten aus allen Knopflöchern und konnten es kaum abwarten, den anderen ihren Entschluss mitzuteilen. Dauernde nervöse Blicke auf die Uhr ließen die Zeit aber auch nicht schneller vorbeigehen.

Zuerst kreuzten Rosie und Jeremy auf. Sie waren beide so offensichtlich damit beschäftigt, nicht miteinander beschäftigt zu sein, dass es schon regelrecht auffällig war. Jack ergriff das Wort: „Na, gut geschlafen Rosie? Und auch brav gewesen?“
Das reichte, um ihr eine gehörige Portion Röte in das Gesicht zu treiben. Jack grinste Christopher zufrieden an. Jeremy knetete sich nervös die Hände und versuchte, seine Verlegenheit hinter einigen blöden Scherzchen zu verbergen.

Mr. und Mrs. Kennedy senior waren im Anmarsch und begrüßten ihre Tochter liebevoll. Der Vikar wurde erst gar nicht so recht registriert, bis Mr. Kennedy ihn dann ansprach: „Ach Jeremy, schön, dass Sie auch da sind! Haben Sie unsere Tochter etwa hergebracht?“
„Ja, ich nahm mir die Freiheit, Mr. Kennedy.“
„Dann danke, dass Sie sie mitgenommen haben.“ Er wandte sich wieder Rosie zu, doch seine Frau hatte ihre Tochter und den Vikar genauer beobachtet und stellte Vermutungen an, die den Sachverhalt so ziemlich genau trafen.

Als Harry und Geraldine das Haus verließen und ins Auto stiegen, erblickten sie ein Taxi, das die Hauptstrasse entlang sauste, mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit. In Dibley eine Seltenheit. Geraldine fragte Harry: „Meinst du, das war deine holde Verflossene?“ Harry zuckte leicht mit den Schultern und meinte lapidar: „Gut möglich. Würde jedenfalls zu ihr passen.“

„Warum hast du so eine hübsche Frau sausen lassen?“
„Liebes, nicht ich habe sie sausen lassen, sondern sie mich! Sie war anscheinend schon längst verheiratet und als es brenzlig wurde, hat sie sich aus dem Staub gemacht. Und nun, wo sie geschieden ist, dachte sie, sie könnte mich wieder einfangen. Nur Pech, dass ich bereits eingefangen bin.“
„Und jetzt tut es dir leid, dass du nicht mehr frei für sie bist?“
“Geraldine! Sag so etwas nie wieder! Für mich zählst nur du, du ganz allein! Mich interessiert Justine nicht mehr die Bohne. Du hast mich verzaubert, dich habe ich gewollt und zum Glück auch bekommen. Ich kann mir nichts Schöneres auf der Welt vorstellen. Außer vielleicht – dich endlich in der Karibik in das grünblaue Meer eintauchen zu sehen.“ Er lachte verhalten.

Sie kuschelte sich kurz an ihn, dann beugte er sich zu ihr und küsste sie liebevoll: „So, und nun müssen wir aber los, die anderen warten sicher schon auf uns.“ Er setzte sich ins Auto und startete den Motor.

Endlich waren alle um den Frühstückstisch versammelt. Jack war schon extrem unruhig, völlig überdreht und nervös, er wollte endlich in alle Welt hinaus posaunen, was Christopher und er beschlossen hatten. Dass Harrys und Rosies Eltern dabei waren, kümmerte ihn recht wenig, wenn die älteren Leute damit nicht klar kamen, war das wohl alleine deren Problem.

Rosie hatte sich nicht neben Jeremy gesetzt, hatte ihn ziemlich links liegen gelassen. Was ihn erst einmal nicht zu stören schien. Dafür klebten Jack und Chris zusammen wie Pech und Schwefel. Was den Kennedys senior in der Tat merkwürdige Blicke entlockte. Das frisch vermählte Paar war freudig begrüßt worden und nun war es ein klein wenig ruhiger am Tisch geworden, da alle vor ihrem Frühstück saßen.

Als sichergestellt war, dass jeder mindestens einen Tee oder Kaffee getrunken und etwas Essbares im Magen hatte, räusperte sich Jack vernehmlich: „Ähm, also ich, nein, wir wollten die Gelegenheit nutzen, euch allen etwas mitzuteilen. Bitte, Christopher…“
Der grinste schief in die Runde und fuhr fort: „Ja, wir haben uns wohl von der schönen Hochzeit gestern anstecken lassen und deswegen… kurz und gut, um es direkt zu sagen: Wir haben beschlossen, zu heiraten!“

Alle klatschten wie verrückt in die Hände, nur Mr. und Mrs. Kennedy schauten irritiert in die Runde. Rosie beugte sich rasch zu ihren Eltern: „Mum, Dad, das ist heute so üblich, glaubt mir!“ Mrs. Kennedy schüttelte ungläubig den Kopf: „Ach Kinder, ich glaube, wir sind hier fehl am Platze, komm Winston, wir gehen ein bisschen an die frische Luft und lassen die jungen Leute das alles unter sich ausmachen.“

Als Jack dann Geraldine nach der Möglichkeit der Heirat in der Kirche fragte, winkte diese bedauernd ab: „Leider, leider, da sehe ich nicht einen Silberstreif am Horizont für euch. Es ist nur die eingetragene Lebenspartnerschaft auf einem Standesamt möglich, alles andere ist irrwitzig und natürlich nicht offiziell anerkannt.“
Doch Jeremy rückte seinen Stuhl ein wenig näher: „Gerry, hör mir mal einen Moment zu. Mir ist da eine zugegeben ziemlich verrückte, aber vielleicht durchführbare Idee gekommen.“

Rosie blickte misstrauisch zu ihrer Schwägerin und Jeremy, die die Köpfe zusammen gesteckt hatten. Harry lächelte seine Schwester abwesend an und rührte versonnen mit dem Löffel in seiner Kaffeetasse herum.
Er war rundum glücklich, das konnte sie ihrem Bruder ansehen. Und hatten er und Gerry nicht auch nach ganz kurzer Bekanntschaft schon gewusst, dass sie füreinander bestimmt waren? Sie schielte kurz zu Jeremy rüber. Unsinn! Was für Harry galt, musste nicht auch zwangsläufig für sie gelten. Oder? Warum eigentlich nicht? Sie bereute zwar nicht, die Nacht mit Jeremy verbracht zu haben, aber heute war ein anderer, ein neuer Tag und morgen… wer weiß, was morgen sein würde!

Geraldine nickte eifrig und blickte hin und wieder zu Rosie. Diese fühlte sich immer unbehaglicher. Dann schien Jeremy mit seinen Ausführungen am Ende zu sein, denn er schaute auf und sein Blick traf Rosie bis ins Mark. Ihr kroch eine wohlige Gänsehaut über den Körper und bevor sie wusste, wie ihr geschah, hatte ihr sein zärtlicher Blick ein Lächeln auf die Lippen gezaubert.

Jack und Christopher hatten dem Frühstück zwischenzeitlich erneut zugesprochen, doch waren sofort ganz Ohr, als Jeremy das Wort ergriff: „Hmh, ich habe ausführlich mit Gerry das Problem besprochen und wie sie schon sagte, gibt es da im Prinzip nur eine Möglichkeit, an der kommt ihr auf keinen Fall vorbei. Ohne die Eintragung, also eine standesamtliche Heirat, geht es gar nicht.“
Enttäuschung machte sich in den Gesichtern der beiden jungen Männer breit. Doch Jeremy war noch nicht am Ende seiner Mitteilung: „Jedoch kann man ein kirchliches Zeremoniell daran anschließen. Nur darf es kein extra Traugottesdienst sein, das würde die Church of England nicht dulden. Allerdings kann man euch den gleichen Ritus und Segen gewähren, den man einem anderen Paar, einem heterosexuellen Paar, während einer Trauung gewährt.“

Alle außer Geraldine blickten jetzt vollends irritiert auf Jeremy. Was redete der da, um Himmels willen? Jeremy grinste triumphierend: „Ja, wenn ihr gleichzeitig mit einem anderen Paar, bestehend aus Mann und Frau, vor den Altar tretet, dann kann uns keiner an den Karren pinkeln, auf gut Englisch gesagt! Dann kann man euch im gleichen Gottesdienst verheiraten. Aber natürlich nur, wenn ihr vorher brav auf dem Standesamt gewesen seid!“

„Jeremy“, Christopher wandte sich nun an den Vikar „das ist alles eine tolle Idee und ehrt dich und Geraldine wirklich sehr, danke euch dafür, aber… welches andere Paar würde sich auf so eine komische Doppelhochzeit einlassen?“

Christopher erhielt keine Antwort und blickte daher fragend von einem zum anderen. Dann blieb sein Blick an Jeremy haften, der sich schuldbewusst auf die Lippen biss und seinerseits auf Rosie starrte. Der Groschen fiel bei Christopher endlich. Doch er grinste nur und sagte erst einmal nichts.

Rosie war das plötzliche Schweigen unheimlich, sie hatte zugegebenermaßen auch nur mit halbem Ohr allem zugehört, war mit ihren Gedanken etwas weiter weg gewesen. Sie fühlte, dass Jeremy sie anschaute und hob ihren Blick. Da merkte sie erst, dass alle anderen Blicke ebenfalls auf ihr ruhten. Sie fuhr wie von der Tarantel gestochen auf: „Nein! Das kann nicht euer Ernst sein! Jeremy!“ Sie warf den Stuhl kurzerhand um und rannte los.

Doch Harry und auch Jeremy hatten diese Reaktion vorausgesehen und holten sie noch vor der Ausgangstür ein. Harry erwischte sie am Arm, den er hart umklammerte. Sie heulte auf: „Du tust mir weh, du Scheusal! Lass mich sofort los! Ihr könnt mich doch hier nicht verschachern wie auf einem orientalischen Markt!“ Inzwischen war Jeremy hinzugekommen, schlang beide Arme fest um sie und Harry konnte seine Schwester loslassen. Jeremy führte seinen aufgebrachten Schatz nach draußen, während Harry wieder zu den anderen zurückging. Jeremy würde in der nächsten Stunde nicht zu beneiden sein!

Während drinnen weiter beratschlagt wurde, wann und in welchem Rahmen das wundervolle Ereignis denn nun stattfinden sollte, war Rosie einer Ohnmacht nahe. Ein Gefühl, das ihr eigentlich völlig unbekannt war. Sie hatte toben und schreien wollen, sie hatte auf Jeremy losgehen und ihm die Augen auskratzen wollen, aber all das wollte ihr partout nicht gelingen. Sie fühlte sich nur müde und leer. Und vor allen Dingen – willenlos. Jeremy hingegen hatte mit allem gerechnet, nur nicht damit, dass sich eine hilflose Rosie an ihn klammerte und hemmungslos seine linke Schulter nass weinte. Er strich ihr sanft über den Rücken, der von tausend Schluchzern geschüttelt wurde.

Erst als der schlimmste Ausbruch überstanden war, verstand er überhaupt ein Wort von dem, was sie immer wieder stammelte: „Es – war – das – Un- roman- tischste – über – haupt – wie – kann – man – nur – einer – Frau – so – merk - würdig – zu – ver - stehen – geben – dass – man – sie – hei – raten – möchte!“
Jeremy konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Dennoch beeilte er sich, zu fragen: „Würdest du das denn nun überhaupt noch in Betracht ziehen?“
Sie schniefte laut und sagte dann: „Natürlich nicht, du Idiot!“
Er musste lachen, zog sie noch fester in seine Arme. Sie hob ihr tränennasses Gesicht zu ihm auf: „Und wenn du mich jetzt nicht sofort küsst, schreie ich die ganze Gegend hier zusammen!“

Er tat, wie ihm geheißen. Rosie seufzte beruhigt und sagte nach dem endlos langen Kuss: „Ich möchte zuerst und bevor ich endgültig Ja oder Nein sage, Mr. Ogilvy, mit meinem Bruder sprechen. Er hat sich in dieser Hinsicht immer an mich gewandt und ich glaube, ich brauche diesmal seine Hilfe. Wie viel Zeit gibst du mir?“
Jeremy blickte auf die Uhr: „Reichen zehn Sekunden?“
Sie knuffte ihm in die Seite: „Da sind selbst zehn Minuten viel zu wenig. Können wir uns auf eine halbe Stunde einigen?“

Jeremy nickte zögerlich: „Aber nur, wenn deine Antwort nicht Nein lautet!“
„Pah, ich lasse mich doch nicht erpressen, soweit kommt es noch!“ Ihre alte Kratzbürstigkeit kehrte zurück. Jeremy wusste nicht so recht, ob er froh darüber sein, oder sich wieder die sanftmütige, fast willenlose Rosie wünschen sollte.
Er ging nach einem kurzen Abschiedskuss nach drinnen, um Harry raus zu bitten.
....Alles und der Dach und Fach.... by doris anglophil
Harry ahnte in etwa, was in seiner Schwester vor sich ging. Er nahm sie wortlos in den Arm und ging mit ihr ein paar Schritte. „Rosie, was kann, was darf ich für dich tun? Nachdem du stets ein offenes Ohr für meine Belange gehabt hast, kann ich dir endlich auch mal meine Dienste anbieten. Das freut mich, auch wenn das Problem, das du auf dem Herzen haben magst, durchaus ernsthafter Natur sein dürfte. Also, wo drückt denn der Schuh?“

„Also, ich… also, Jeremy und ich…“, sie geriet beim ersten Satz bereits ins Stottern. „Meine Güte, du bist ja völlig durcheinander. Was ist mit dir und Jeremy?“
Sie blickte Harry hastig an und senkte dann den Kopf: „Ähm, er war… ich war… wir haben… heute Nacht miteinander geschlafen!“ Jetzt war es raus. Rosie fühlte die Last von ihrem Herzen purzeln.

Harry unterdrückte ein Lachen, er wollte ihre Angelegenheit ernst angehen, das hatte er ihr versprochen. Trotzdem erwiderte er: „Schwesterherz, meinst du etwa, das wäre den meisten von uns verborgen geblieben? Ich glaube, das hat sogar Mum gemerkt.“ Rosie richtete einen entsetzten Blick auf ihren Bruder. „Was?“
„Komm schon, krieg dich wieder ein. Mum lebt nicht hinter’m Mond. Erzähl weiter. Was regt dich an der Tatsache, dass ihr zusammen geschlafen habt, denn so auf? Hast du es nicht gewollt, oder was?“
„Doch, ich habe es gewollt. Na ja, erst nicht, aber dann… schon. Sehr sogar.“
„Wunderbar. Wo liegt das Problem? Er hat sich doch nicht etwa als Niete entpuppt?“
Rosie stampfte verärgert mit dem Fuß auf: „Mensch, sei doch mal ernst! Natürlich ist Jeremy keine Niete im… Bett. Er ist… er ist… es war einfach herrlich!“

„Gut. Nachdem ich nun alle intimen Details weiß und meine Neugier dahingehend befriedigt ist, scheint mir die Sache auf einen Punkt hinauszulaufen: Du traust deinen Gefühlen nicht über den Weg, stimmt’s?“
Rosie nickte verzweifelt: “Harry, es kann doch nicht sein, dass ich einen Mann liebe, den ich erst seit wenigen Stunden kenne! Das gibt es einfach nicht!“
„Nicht? Und was ist mit Geraldine und mir? Da war es kaum anders. Sie kam zu meiner Tür herein und alles war glasklar für mich. Diese Frau oder keine! So einfach kann das sein, Süße!“
Sie schaute ihn mit großen, noch recht verweinten Augen an: „Bei dir klingt das auch einfach. Bei mir aber scheint das alles unendlich kompliziert.“

„Hmh, hat Jeremy dir denn gesagt, dass er dich liebt?“
Rosie zuckte unbestimmt mit den Schultern und murmelte undeutlich: „Heute Nacht schon, so ein oder zwei Mal, glaube ich. Aber heute früh kein Wort mehr davon. Stattdessen plant er heimlich still und leise eine Doppelhochzeit mit Jack und Chris und hat nicht einmal die Courage, mich um meine Zustimmung zu fragen. Ich hasse ihn!“ Erneut traten ihr die Tränen in die Augen.

Harry legte tröstend den Arm um seine Schwester. „Na, das glaube ich weniger. Ich glaube eher, dass du ihn so sehr liebst, dass du selbst von deiner eigenen Gefühlslawine überrollt worden bist. Könnte ich damit Recht haben?“
„Möglicherweise“, sie druckste noch immer herum, „aber es geht doch nicht, dass ich auf einen hereinfalle, nur weil er ein süßes Kerlchen ist und weiß, wie er eine Frau im Bett zu nehmen hat. Ich meine… deswegen muss ich ihn doch nicht gleich heiraten, oder?“

„Du musst nicht, aber du kannst! Hast du ihm denn gesagt, dass du ihn liebst?“
“Bist du verrückt? Ich doch nicht!“
„Rosie! Sag mal, hast du einen Stein an der Stelle, wo andere ein Herz haben? Warum verhärtest du dich so? Nur, damit dich keiner da“, er tippte vorsichtig auf ihren linken Brustansatz „verletzen kann? Und die, die es ehrlich mit dir meinen, die dich aufrichtig lieben, haben dann ja gar keine Chance! Ach Rosie, ich muss sagen, Jeremy tut mir aufrichtig leid.“
„Wirklich?“ Rosie schniefte laut.

Harry blieb stehen und nötigte seine Schwester, ihn frontal anzusehen: „Mein letztes Wort in dieser Sache: Du setzt dich jetzt fünf Minuten lang ganz alleine irgendwo hin und denkst darüber nach, was du anderen mit deiner unterkühlten Einstellung antust! Die Mauer um dein Herz kann vielleicht dich vor Schaden schützen, aber anderen, wie z.B. Jeremy, tust du diesen Schaden unbekümmert an, oder wie soll ich das sehen? Bitte Rosie, überlege genau, was du tust! Und laufe deinem Glück nicht einfach davon!“
Er drückte sie kurz fest an sich und ging dann zum Hoteleingang zurück. Von dort aus rief er ihr hinterher: „In genau fünf Minuten schicke ich ihn dir raus!“

Jeremy hatte sich zwischenzeitlich nicht anmerken lassen, wie nervös er tatsächlich war, er hatte mit den anderen gescherzt und die vermeintliche Doppelhochzeit im Geiste schon ein wenig geplant. Doch er hatte eiskalte, schwitzige Hände. Harrys Gesichtsausdruck war vollkommen neutral, als er von draußen hereinkam. Darin konnte man absolut keine Tendenz ablesen. Er setzte sich neben Jeremy und sagte: „Ich habe ihr noch fünf Minuten Bedenkzeit gegeben. Ich hoffe, sie trifft die richtige Entscheidung. Du solltest dann aber bald zu ihr gehen.“

Die Kratzbürste regte sich wieder in Rosie. Was zum Teufel bildeten sich diese Kerle eigentlich ein? Warum sollte sie denn gleich ihre Freiheit aufgeben für diesen... diesen Pfaffen? Nur weil er netter Fick war? Sie lief ruhelos vor dem Hotel auf und ab. Sie war ungerecht, ja, und sie wusste es. Verdammt, verdammt! Sie hielt sich die Geschichte ihres Bruders und ihrer Schwägerin vor Augen. Das schien doch wunderbar zu funktionieren. Warum sollte es bei ihr dann schief gehen? Sie war nahe dran, sich die Haare zu raufen. Gepeinigt von tausend wirren Gedanken ließ sie sich auf einer Bank nieder. Ihr war elend schlecht.

Aber – wenn er sie heiraten wollte, und das musste sie ja seiner geheimen kleinen Aktion heute beim Frühstück entnehmen, war das dann nicht wunderbar? Sie kam zu keinem brauchbaren Ergebnis. Die Zeit raste dahin. War sie wirklich so unnachgiebig und hart? Sie war sich dessen bislang nicht bewusst gewesen. Wahrscheinlich jedoch hatte Harry Recht. Sie hielt sich beide Hände vor die Augen und stöhnte auf.

Jemand setzte sich zu ihr auf die Bank und nahm vorsichtig ihre Hände auf. Sie öffnete die Augen nicht, auch nicht, als sie Jeremys Stimme vernahm: „Darf ich mir nun eine Antwort abholen?“
Sie holte tief Luft, schlug langsam die Augen auf, ohne ihn anzusehen, und erwiderte: „Ich weiß ja nicht einmal, wie die Frage lautet, auf die ich antworten soll!“
Er zitterte am ganzen Körper, als er langsam vor der Bank und Rosie auf die Knie sank: „Rosemary Gwendolyn Kennedy, willst du meine Frau werden?“ Er wusste, es war etwas völlig anderes, als aus lauter Blödsinn Geraldine zu fragen, ob sie ihn heiraten wollte. Das hier war komplett anders. Die Angst vor dem Nein schnürte ihm förmlich die Kehle zu.

Rosie musste ihn jetzt ansehen, es ging gar nicht anders. Und doch kam das erwartete Wort nicht aus ihr heraus. Sie fragte nur schnippisch, obwohl sie sich vorgenommen hatte, nicht diesen Ton anzuschlagen: „Und aus welchem Grund möchtest du, dass ich deine Frau werde?“ Sie wollte es nicht, aber sie hatte es trotzdem gesagt, sie wollte ihm noch eine weitere Demütigung, eine Abreibung verabreichen. Er schluckte nervös: „Bei Gott, Rosie, du kannst einem ganz schön quälen. Natürlich weil ich dich liebe, weswegen denn sonst!“

Sie blickte zur Seite, er sollte ihr jetzt nicht in die Augen sehen, sie würde sich sonst vielleicht verraten. Sie nickte daher nur abschätzig. Doch sie hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Jeremy kam zum Stehen, riss sie von der Bank hoch und presste sie hart an sich: „Rosie, ich frage nur noch dieses eine Mal und dann nicht mehr: Ich liebe dich, sehr sogar. Willst du mich heiraten?“

Sie hauchte ein fast unhörbares ‚Ja’, dann spürte sie seinen hungrigen Mund auf ihrem. Als sie wieder zu Atem kamen, grinste er sie an und sagte: „Und warum, wenn ich fragen darf, möchtest du mich heiraten?“
Sie grinste bösartig zurück und fauchte: „Damit ich zwei Schwulen zu ihrer Traumhochzeit verhelfen kann!“

Dann riss sie sich schnell los und raste in Richtung der Felder davon. Jeremy hatte Mühe, ihr hinterher zu rennen. Sie stolperte prompt über die erste Unebenheit und wäre fast im matschigen Acker gelandet, konnte sich in letzter Sekunde gerade noch halten. Dann war er bereits bei ihr.
„Oh nein, junge Frau, so haben wir nicht gewettet! Du hast vielleicht bislang die Männerwelt an der Nase herumgeführt, aber mit mir wird dir das definitiv nicht gelingen! Da halte ich dagegen!“ Er küsste sie bis fast zur Bewusstlosigkeit, dann frage er erneut: „Also, warum heiratest du mich nun?“

Sie war atemlos von seinen ausdauernden Küssen und sog heftig die Luft ein: „Um einem schwulen Paar…“ sein drohender Blick durchbohrte sie förmlich „und uns beiden eine Traumhochzeit zu bereiten!“
„Schon besser“, knurrte er „aber es ist noch nicht ganz das, was ich eigentlich hören wollte. Also, wenn ich bitten darf, ein letzter Versuch: Warum wirst du mit freudigem Herzen meine süße Frau?“ Nun spie ihr Blick Dolche und Schwerter. Doch sie kam näher und ergriff seine Hand, dann lehnte sie ihren Kopf an seine breite Schulter und flüsterte: „Weil ich eine schöne Hochzeit für Jack und Chris und dich und mich möchte… und… und weil… ich dich wahnsinnig liebe!“

Mit einem zufriedenen Lächeln zog er einen Ring aus seiner Hosentasche. Rosie schaute ihn verdattert an: „Wo hast du denn den jetzt her?“
„Von Geraldine. Sie hat ihn mir ausgeliehen, bis ich dir einen eigenen kaufen kann.“ Er schob ihr den Ring an den Finger, wovon er sogleich wieder herunterrutschte.
„Oh Jeremy, er ist viel zu groß! Meine Schwägerin in Ehren, aber ihr Format habe ich wahrlich nicht. Es tut mir so leid.“

„Macht nichts, Süße.“ Jeremy betrachtete den Ring für einen Moment, dann grinste er und steckte ihn kurzerhand an seinen Finger, wo er ziemlich gut passte. Rosie konnte das Lachen nicht mehr unterdrücken. Jeremy raunte ihr zufrieden ins Ohr: „Sieht ein bisschen ulkig aus, aber ich fühle mich jetzt sehr verlobt mit dir. Waren wir eigentlich schneller als Harry und Gerry?“
Rosie dachte nach: „Hmh, soweit ich weiß, hat mein Bruder eine Woche lang hin und her gebrütet, nachdem er sie kennen gelernt hatte und ihr dann den Antrag gemacht.“

Jeremy machte einen freudigen Luftsprung: „Juhu, dann sind wir auf alle Fälle schneller als die beiden! Zwei Tage, das macht uns so schnell keiner nach!“
„Zweieinhalb“, verbesserte sie ihn rasch.
„Du musst wohl immer das letzte Wort haben, zukünftige Mrs. Ogilvy, was?“
„Nicht, wenn du Mittel und Wege findest, damit das Wort erst gar nicht aus meinem Mund heraus kommen kann!“
„Da kann ich dir doch sofort dabei behilflich sein!“ Er verschloss ihren Mund mit einem sehr leidenschaftlichen Kuss.

Die Eltern waren höchst erstaunt, dass auch das zweite ihrer Kinder sich Hals über Kopf und zudem abermals mit einem Pfarrer verlobt hatte. Sie hatten bereits ihre Taschen gepackt und waren gerade dabei, die Hotelrechnung zu begleichen, als Rosie mit dem Vikar zur Tür herein gestürmt kam. Sofort entstand ein Riesentrubel um die beiden Neuverlobten und Mr. und Mrs. Kennedy verstanden zunächst gar nicht, um was es eigentlich ging. Doch dann mussten sich alle noch einmal gemeinsam an einen Tisch setzen und mit Champagner anstoßen.

Da aber auch Harry und Geraldine dringend ihre Sachen für die Reise packen mussten, blieben bald nur noch die beiden Hochzeitspaare Jack und Christopher sowie Rosie und Jeremy übrig, um ihren gemeinsamen Verlobungstag zu feiern. Erst jetzt konnte Rosie sich mit der Idee der Doppelhochzeit anfreunden. Selbstverständlich sollte Geraldine die beiden Paare trauen, sobald sie und Harry aus der Karibik wieder da waren.

Alice hielt Geraldine und Harry noch länger als erwartet auf, sie hatte sich ausgiebig für die nächsten beiden Wochen verabschieden wollen und zudem hatte Geraldine ihr einen tollen Witz zum Abschied versprochen. Doch typisch für Alice, sie verstand weder den Sinn des Witzes, noch dessen Pointe. Harry zeigte sich sehr geduldig und erklärte Alice das eigentliche Wortspiel, das hinter dem Witz stand. Und da endlich – Alice hatte den ersten Witz ihres Lebens kapiert! Nun drängte aber Harry zum Aufbruch, schließlich wollte man das Flugzeug nicht noch versäumen.

Etliche Stunden bevor Harry und seine Frau zum Flughafen Heathrow aufbrachen, war Justine in eben jenem Taxi aus Dibley geflohen, dass Geraldine am Morgen bemerkt hatte.

Sobald sie wieder Empfang auf ihrem Handy hatte, rief sie die Nummer ihrer Kollegin Maud an: „Wie, du hast meinen Trolley? Gott sei Dank! Der Taxifahrer hat ihn am Flughafen am Serviceschalter von uns abgegeben? Klasse! Ich bin in einer halben Stunde bei dir zum Umziehen. Nein, frag bloß nicht! Es war alles ein Desaster. Jas ist verheiratet und ich bin mitten in seine Hochzeitsfeier geplatzt. Und meine Uniform ist völlig ruiniert und seine Schwester, die Kuh, hat mir einen gehörigen Kinnhaken verpasst. Ich sehe aus als hätte ich gegen Regina Halmich geboxt. Eines weiß ich: Ich fliege nie mehr wieder Europa, bzw. London an! Ich habe die Schnauze voll. Ich lasse mich auf die Südamerika-Routen versetzen, ich schwör’s dir!“

Knapp drei Stunden später zog eine frisch geduschte, gestylte und in einer neuen Uniform steckende Justine Armstrong ihren Trolley durch das Terminal von London Heathrow. Sie hatte nur noch einen Wunsch: Weg von England, heim nach Kanada!

Zielstrebig ging sie auf die Abfertigung der Air Canada zu, stoppte nur kurz, als sie ihren Trolley von der linken und die rechte Hand wechselte. In diesem Moment sprach sie eine Stimme an, die sofort eine Gänsehaut überall bei ihr verursachte: „Sie verzeihen, aber so kurz vor Weihnachten ist die Hölle los hier und ich muss dringend meinen Flug nach Toronto erreichen und Sie sehen aus, als könnten Sie mir diesbezüglich weiterhelfen.“

Justine drehte sich um, setzte dabei ihr schönstes, professionelles Air Canada Lächeln auf und wäre beinahe in Ohnmacht gefallen angesichts des Prachtexemplars von Mann direkt vor ihr. Meine Güte, diese Engländer waren wirklich größtenteils waffenscheinpflichtig! Erst ein Traummann wie Jas, ja gut, Harry, und jetzt der hier! Ihr Lächeln wurde noch eine Spur breiter, als sie dem großen, blauäugigen Kerl vor ihr zuckersüß ihre Hilfe anbot. Ihr Herzschlag geriet völlig außer Kontrolle, als sie zudem noch eine entzückende kleine Narbe an seiner Oberlippe ausmachte. Oh, wenn sie da nur einmal zart dran knabbern würde können. Was würde sie dafür geben!

Er zeigte ihr sein Ticket und sie dachte schon ernsthaft daran, sich noch schnell vom Flug nach Vancouver auf den Flug nach Toronto umbesetzen zu lassen, als ihr Blick auf den breiten, goldenen Ehering an seinem linken Ringfinger fiel. Ihr blieben die freundlichen Worte im Halse stecken, es traten ihr sofort die Tränen der Enttäuschung in die Augen und um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, erging sie sich in wüsten Tiraden: „Es ist nicht zu glauben! Wenn ich nicht frei bin, laufen hier die tollen Männer scharenweise ungebunden herum! Und nun, da ich endlich geschieden bin, hat man dann alle, die mir gefallen könnten, wohl an die Kette gelegt. Es ist nicht fair! Das Leben ist so verflucht ungerecht!“ Sie zerrte wütend ihren Trolley weiter, heulte und schimpfte, ohne auch nur im Geringsten auf die Leute links und rechts von ihr zu achten.

Sie hinterließ einen recht verdatterten Matthew Macfadyen, der mit ratlos hochgezogener Augenbraue vor den überfüllten Schaltern der Air Canada stand.
....Nur keine Panik!.... by doris anglophil
Rosie stützte ihren Kopf in die Hände und schloss die Augen. Was hatte sie sich an nur angetan, was um alles in der Welt hatte sie sich dabei gedacht?
Wieder überkam sie ein Gefühl der Panik und sie versuchte, an etwas Schönes zu denken. An irgendetwas, nur nicht an die bevorstehende Hochzeit. Es war ihr ein Rätsel, wie sie sich in diese Lage hatte manövrieren lassen können.

Die letzten Tage kamen ihr vor, als wäre sie in einem bösen Traum gefangen. Sie war ständig angespannt, ihre Stimmung war im Keller und nichts konnte sie aufheitern. Diese ständigen Zweifel an ihrer Entscheidung ließen sie nicht zur Ruhe kommen. Lediglich in der Zeit die sie mit Jeremy verbrachte, war sie einigermaßen gelöst. Sie wagte jedoch nicht, mit Jeremy über ihre Ängste zu reden. Er war so glücklich, so heiter und so froh. Er würde wohl aus allen Wolken fallen, wenn er wüsste was in ihr vorging.

Wie hatte sie Gerry und Harry beneidet! Gemeinsam mit Jeremy hatte sie die Beiden zum Flughafen gebracht. Die Frischvermählten hatten um die Wette gestrahlt und waren so offensichtlich glücklich, dass ihr Anblick Rosie fast schon wehtat.

Und sie? Sie war mit Jeremy auf dem voll gestopften Flughafen zurückgeblieben und vor ihr lag ein riesiger Haufen ungelöster Probleme und offener Fragen.
Dabei hätte sie eigentlich glücklich sein sollen! War man denn nicht unverschämt glücklich, wenn man frisch verlobt war? War man denn nicht aus dem Häuschen, wenn man den Menschen gefunden hatte, mit dem man sein Leben verbringen möchte?

Doch keine Spur von Glück bei mir, dachte Rosie. Diese überstürzte Entscheidung würde sie sicher bereuen – im Grunde bereute sie sie jetzt schon! Sie hatte sich doch tatsächlich überreden lassen, zu heiraten! Wie hatte das nur passieren können? Ausgerechnet ihr?

Sie sah aus dem Fenster auf die grauen, verregneten Straßen Londons. Nasskalter Sprühregen ließ die Stadt in einer Einheitsfarbe versinken. Nicht der kleinste Lichtstrahl erhellte die Stadt, und schon gar nicht Rosies Gemüt.

Es klingelte an der Tür. Rosie sprang erschrocken auf. Oh Gott, wer wird denn jetzt kommen, dachte sie. Sie war nun wirklich nicht in der Stimmung, Besuch zu empfangen. Ein Blick in den Spiegel ließ sie zusammen zucken. Auweia – sie sah ja geradezu verboten aus!
Sie öffnete vorsichtig die Tür und starrte in ein breit grinsendes Gesicht. „Du hast mir gerade noch gefehlt“, seufzte sie und ließ Jack herein.

„Das ist ja schön, mein Schatz! Wie geht es dir? Um Gottes Willen, du siehst ja ziemlich matschig aus, Rosie!“
„Genauso fühle ich mich auch!“
„Schlecht geträumt, schlecht geschlafen, oder überhaupt nicht geschlafen?“ Jack grinste anzüglich und folgte Rosie in den Wohnraum.
„Wenn es nur das wäre! Weißt du Jack, du bist ein richtiges Scheusal!“

“Was? Wieso das denn? Ich bin mir wirklich keiner Schuld bewusst!“
„Keiner Schuld bewusst? Was denkst du denn, wem ich diesen Schlamassel zu verdanken habe! Dir und Chris natürlich. Ihr mit eurer spinnerten Idee von einer Eheschließung in der Kirche! Nur wegen euch bin ich so mies drauf, das kann ich dir sagen! Brauchst gar nicht so blöd zu grinsen!“

„Sei nicht böse Rosie, aber ich glaube du hast echt eine Macke! Wenn jemand Schuld an irgendeinem Dilemma deinerseits hat, dann bist du das und nicht ich und auch nicht Christopher. Der Süße hat nun wirklich überhaupt nicht den geringsten Anteil an deiner Misere!“
Jack ließ sich auf einen Stuhl fallen und streckte die langen Beine aus.

Seufzend setzte sich die junge Frau ihm gegenüber und griff nach einer Tasse Kaffee. „Ich werde das sicher noch bitter bereuen,“ sagte sie anklagend und blickte ihrem Gegenüber in die Augen.


Die Wand bebte regelrecht. Es würde sicher nicht lange dauern, und sie würde zu Staub zerfallen. Jeremy kniff gequält die Augen zusammen und steckte sich die Zeigefinger in die Ohren. Doch der Lärm ließ nicht nach. Er klang etwas dumpfer und abgeschwächter, doch das nutzte überhaupt nichts. Seit er Geraldines Vertretung in Dibley angetreten hatte, machte er das nun schon mit. Es waren gerade zwei Tage vergangen, als die Arbeiten am Umbau der beiden Häuser begonnen hatten.

Er hatte gemütlich in der Küche des Sleepy Cottage gesessen, als ein schrecklicher Lärm ihn hatte aufschrecken lassen. Die Tasse wäre ihm fast aus der Hand gerutscht. Er war aufgestanden und hatte in den angrenzenden Garten des Pfarrhauses geblickt.

Was er dort zu sehen bekommen hatte, hatte ihm das Blut in den Adern gefrieren lassen. Ein mehr oder minder aktiver Mensch hatte Holzbretter von einer Handkarre abgeladen und sie nacheinander mit lautem Knall aufeinander gestapelt.

Bei jedem fallenden Brett war Jeremy zusammengezuckt. Außerdem hatte der gute Mann schon jede Menge anderer Werkzeuge und Utensilien in den Garten bugsiert. Nach einer kleinen Reparatur sah das nicht aus. Das würde definitiv eine größere Sache werden. Jeremy hatte sich unwillkürlich die Augen gerieben, doch der Spuk war nicht verschwunden.
Hätte er jetzt Geraldine und Harry in den Händen gehabt, er hätte sie wohl in der Luft zerrissen.

Mittlerweile waren einige Tage vergangen und der Albtraum nahm einfach kein Ende. Dieser Mensch, der sich bei ihm als Morris vorgestellt hatte, schleppte jeden Tag mehr und mehr Kram in den Garten. Schon bald war kein freies Fleckchen mehr zu sehen, überall lag, stand oder stapelte sich etwas. Den Gerätschaften und der Menge des Materials nach zu urteilen, hatte Morris wohl vor, ein weiteres Gebäude im Garten zu errichten.

Jeremys erstaunte Nachfrage quittierte er mit einem unverständlichen Gemurmel, gefolgt von einem höflichen Lächeln. Morris kratzte sich an der Stirn und Jeremy konnte in seinem Gesicht lesen, dass er sein Gegenüber wohl für etwas gestört hielt. „Ein weiteres Haus – hier in den Garten? Natürlich nicht! Wie kommen Sie denn auf diese absurde Idee?“
Mit einer hilflosen Geste wies Jeremy auf die Anhäufung von Arbeitsmaterialien.
„Ach so... das! Das gibt eine Verbindung zwischen den beiden Häusern. Nette Idee, oder?“
Nette Idee! Jeremy nickte müde. Er würde also auf einer Baustelle leben müssen!

Jemand schlug die Tür ein. Entsetzt sprang Jeremy auf, rannte in den Flur und riss die Haustür auf. Vor ihm stand ein grinsender Morris. Das hatte nichts Gutes zu bedeuten. In der einen Hand hielt er Zollstock und Bleistift, in der anderen einen Plan oder ähnliches.
„Morgen! Muss ausmessen!“
„Äh... guten Morgen Mr. Morris! Sie müssen ausmessen...?“
„Ja, ja, ja!“ Er drängte sich an Jeremy vorbei und verschwand im hinteren Teil des Hauses.

Etwas verdattert blickte Jeremy ihm nach. Schnell schloss er die Tür und folgte dem Mann.
„Moment, mein Guter! Was müssen Sie denn ausmessen?“
Morris antwortete nicht und zeigte auch keinerlei Reaktion. Hatte er überhaupt verstanden, was Jeremy ihn gefragt hatte? Stattdessen murmelte der Mensch vor sich hin, legte den Zollstock hier und dort an und notierte sich Zahlen auf dem Plan.

„Hallo? Jemand zuhause? Haben Sie gehört was ich sagte?“
„Mhm ....“
„Na also dann! Was hat das zu bedeuten? Was machen Sie hier?“
„Messen!“
„Jaaa! Das sehe ich! Aber was messen Sie in Gottes Namen?“
„Nehmen Sie den Namen des Herrn nicht so leichtfertig in den Mund, Vikar!“
„Mein Gott! Raus mit der Sprache! Was geht hier vor? Wissen die Kennedys, was Sie hier treiben?“

Langsam aber sicher wurde Jeremy sauer. Er hatte schließlich besseres zu tun, als diesem Typen hinter her zu laufen. Eine Predigt musste geschrieben werden und er war schon erheblich in Verzug!

„Himmelherrgott, noch mal!“ Jeremy blickte zur Decke und schickte ein Stoßgebet zu seinem Boss. Morris legte in aller Seelenruhe den Zollstock beiseite und ging in die Küche. Auf dem Tisch breitete er den Plan aus und fuchtelte mit dem Bleistift vor Jeremys Nase herum. Umständlich klärte er Jeremy über die bevorstehenden Umbaumaßnahmen auf: „Hier wird ein Durchbruch gemacht, verstehen Sie? Deshalb musste ich ausmessen!“

“Ein Durchbruch? Heißt das, was ich denke, dass es heißt?“ Jeremys entsetzter Blick ließ Mr. Morris stutzen: „Hä?“
„Heißt das, Sie reißen hier eine Wand ein?“
„Was denken Sie denn, was das heißt? Natürlich reißen wir nicht die ganze Wand ein, nur ein kleiner D-u-r-c-h-b-r-u-c-h!! Klar?“

Jeremy schloss die Augen und knöpfte sich den Hemdkragen auf. Irgendwie wurde ihm plötzlich sehr warm.
“Werden Sie heute damit fertig?“ Einen Tag würde er wohl aushalten, und die Umbaumaßnahmen hinten im Garten würden wohl nicht so schlimm werden.
Morris blieb stumm, doch sein Blick sprach Bände. Er faltete die Hände und bat jetzt wohl seinerseits um Hilfe von oben!

Nach einem tiefen Atemzug und der Hoffnung, von weiteren blöden Fragen verschont zu bleiben, sprach er nun ganz ruhig: „Wissen Sie Vikar! Natürlich dauert es etwas länger! Wir reißen zwar nur einen Teil der Wand heraus, das wäre schnell geschehen! Doch bedenken Sie, dass wir den Durchbruch sichern müssen. Sie wollen doch bestimmt nicht, dass Ihnen das Cottage über dem Kopf zusammenbricht. Und mit so einem alten Gemäuer muss man sehr, sehr vorsichtig umgehen. Wie mit rohen Eiern, so vorsichtig müssen wir sein. Wo kämen wir denn da hin? Mr. und Mrs. Kennedy wären sicher nicht begeistert darüber, meinen Sie nicht auch?”

Morris klang, als ob er mit einem kleinen Kind reden würde!
Der Vikar seufzte und nickte ergeben: „Tja – wo kämen wir da hin?“
Mit Euphorie in der Stimme, erklärte er dem angeschlagenen Jeremy die wunderbaren Pläne der Kennedys und wie er sie ruckzuck umsetzen würde. Der wunderbare Wintergarten, der überdachte Verbindungsweg zwischen Pfarrhaus und Cottage, die einzigartigen Möglichkeiten, die sich daraus ergeben würden.

Er und seine Mitarbeiter würden nur ein- bis zweimal am Tag in das Cottage kommen, alles würde sorgfältig abgedeckt werden, damit kein Staubkorn durch die Räumen würde fliegen können. Der Schutt würde durch das Gartentor des Pfarrhauses abgefahren werden. Der Vikar selbst würde kaum etwas von den Umbaumaßnahmen mitbekommen. Und wenn es einmal lauter werden würde, könne er ja einen kleinen Spaziergang machen, nicht wahr?

Jeremys Traum von ein paar geruhsamen Tagen in Dibley, möglichst in den Armen seiner Verlobten, zerplatzte da gerade wie eine Seifenblase.


In London saß eine ebenso frustrierte Rosie einem total heiteren Mann gegenüber, der vor Lebensfreude und Glück regelrecht übersprudelte. Sie fragte sich ebenfalls, ob mit ihrem Gehör irgendetwas nicht in Ordnung war.

„Das meinst du doch nicht im Ernst? ... Jack?“
„Doch Schatz, das ist mein Ernst! Wieso fragst du? Gefällt dir unser Plan nicht?“
„Nicht gefallen? Das ist die Untertreibung des Jahres... nein, des Jahrhunderts... oder besser noch, des Jahrtausends! Jack!“
„Ich verstehe dich nicht. Du bist doch sonst nicht so kleinlich!“

Rosie Stimme wurde immer lauter: „Das hat mit Kleinlichkeit überhaupt nichts zu tun! Ich bin die Großzügigkeit in Person und du weißt, ich bin für allen Unsinn zu haben! Aber das setzt diesem überstürzten Unterfangen doch die Krone auf, Jack! Das kannst du doch nicht wirklich wollen?“

„Sei doch keine Spielverderberin! Das wird klasse, glaub mir. Ich sehe es schon förmlich vor mir. Du... wie du an der Hand deines Vaters den Gang entlang schreitest. Jeremy, der vor dem Altar auf dich wartet! Und dann Christopher und ich! Geraldine macht das sicher prima! Ich freue mich wie ein kleines Kind. Nie hätte ich gedacht, dass mir so etwas mal passieren würde!“ Er rutschte aufgeregt auf dem Stuhl hin und her. Rosie sah ihn wütend an.

„Wenn du glaubst, du könntest mir Honig ums Maul schmieren, dann hast du dich geschnitten, mein Lieber! Ich mache das nicht mit, glaub mir! Ich halte das nicht aus! Echt! Ich will nachhause! Och, Mensch!“
....Kann ein Traum zum Alptraum werden?.... by doris anglophil
In Rosies Kopf verschwammen die Bilder einer Katastrophen-Hochzeit. Und das würde sie unweigerlich werden, falls sich Jack und Chris mit ihren Ideen durchsetzen würden. Wie sollte sie das nur Jeremy erklären? Oh, wie beneidete sie jetzt Geraldine! Im Gegensatz zu den verrückten Ideen der beiden Männer, waren Geraldine und Harry noch glimpflich davon gekommen.

Sie schloss die Augen und sah im Geiste die fürchterliche Dekoration vor sich: Rosa Ballonherzen an den Enden der Sitzbänke, versehen mit Schleifen aus rosa Tüll! Eine Girlande aus rosa und weißem Krepp, rosa Herzen und Schleifen um die Kirchentür?
Viele Meter von weißem und rosa Tüll, der sich von der Kanzel ergoss! Doch der Altarschmuck schoss den Vogel ab, im wahrsten Sinne des Wortes: Ein weißer, riesiger Schwan in einem Meer von Tüll, der über den Altar floss. Dazu rosafarbene und weiße Kerzen in Massen, überall in der Kirche verteilt.
Die Lacher würden sie auf jeden Fall auf ihrer Seite haben. Rosie sah bereits jetzt die grinsenden Gesichter der Gäste vor sich.

Jack hatte Rosie regelrecht bekniet! Zuerst hatte er ihr von allem in den höchsten Tönen vorgeschwärmt. Seine Augen hatten gestrahlt, wie die eines Kindes an Weihnachten. Rosies entsetztes Gesicht hatte ihn keinesfalls von seinen Erläuterungen abgehalten. Wahrscheinlich hatte er gedacht, sie sei in ehrfürchtiges Schweigen versunken!

Das dem nicht so war, wurde Jack spätestens dann bewusst, als er mit seinen Schilderungen geendet hatte. Rosie war aus allen Wolken gefallen und hatte sich kaum noch beherrschen können. Jack hatte säuerlich dreingeblickt und die Nase gerümpft, Rosies Schimpftiraden hatte er tapfer über sich ergehen lassen.

Erst als Rosie ihrerseits die Worte ausgegangen waren, hatte er erneut nachgehakt. Doch alles Flehen half nicht. Sie blieb stur und das zu Recht, wie sie fand!
Zuerst hatte sie noch geglaubt, das alles sei ein übler Scherz, doch sie war bald eines Besseren belehrt worden.

Letztendlich hatte sich Rosie auch geweigert, die gemeinsame Feier im Gemeindesaal von Dibley stattfinden zu lassen. Sie wollte auf gar keinen Fall mehr auch nur ein weiteres Wort darüber verlieren. Dies machte sie ganz energisch klar. Jack war ziemlich enttäuscht abgerauscht.

Nun saß sie hier und grübelte. Nicht nur, dass sie an dem Entschluss zu heiraten an sich zweifelte, nein, auch die Durchführung der Zeremonie ging ihr gegen den Strich!

Plötzlich sprang sie auf, schnappte sich Schlüssel und Jacke und verließ die Wohnung. Sie stieg in ihr Auto und machte sich schnurstracks auf den Weg nach Dibley. Sie brauchte einfach Jemanden zum Quatschen, zum Anlehnen, Jemanden zum Ausheulen! Und wer wäre dafür besser geeignet als ihr Verlobter?


Miss Latimer saß an ihrem Schreibtisch und biss auf einem Kugelschreiber herum. Vor ihr lag ein ganzer Stapel Geschäftspapiere. Aus dem Schreiben, das ganz oben drauf lag, sprang ihr ein Name entgegen. Das konnte doch kein Zufall sein. Zweimal derselbe Name und das in kürzester Zeit. Sie nahm den Brief auf und las ihn durch. Na also! Sie hatte es doch geahnt! Diese Miss Kennedy berief sich in ihrer Anfrage auf die guten Erfahrungen, die ihr Bruder mit der Maklerin gemacht hatte! Gute Erfahrungen?

Diese Kennedys gingen ihr allmählich auf die Nerven! Jetzt suchte die Schwester dieses bildschönen Mannes eine größere Wohnung in London. Miss Latimer nahm den Stift aus dem Mund, hieb auf den Knopf der Gegensprechanlage und blaffte ihre Assistentin an: „Kaffee bitte! Und stellen Sie niemanden durch!“

Es musste doch möglich sein, während dieser Transaktion nochmals in Kontakt mit Harry zu treten, oder? Nachdenklich blickte sie aus dem Fenster und sinnierte. Da musste doch noch was drin sein! Dass er jetzt verheiratet war, sollte kein Hindernis sein. Einmal würde er schon schwach werden und dann - walte ihm Gott!


Der Kies unter den Reifen spritze auf, als Rosie schwungvoll in die Einfahrt des Cottages fuhr. „Sleepy“ – das war der richtige Ausdruck für diese Idylle! Hier würde sie endlich Ruhe finden. Jeremy wusste zwar nicht, dass sie kam, doch freuen würde er sich auf alle Fälle!

Offensichtlich war er zuhause, die Haustür stand weit offen. Sie stieg aus dem Wagen und betrat das Haus. Ihr Herzschlag beschleunigte sich bei dem Gedanken, ihn schon bald wieder zu sehen. Sie stand im Flur und rief seinen Namen. Sekunden später stürzte er die Treppe herunter und riss sie in seine Arme.

Schlagartig ging es Rosie besser. Der ganze Ärger und alle Zweifel waren verschwunden. Er hielt sie so fest, dass sie kaum atmen konnte. Doch das war ihr schnuppe, sie genoss es einfach, so gehalten zu werden. Sein heißer Mund fand den ihren und er küsste die leidenschaftlich. Rosie schmolz wie Butter in der Sonne und wieder hatte sie das Gefühl, ihre Beine würden zu Gummi. Sie klammerte sich an ihn, um nicht plötzlich umzukippen.

Er ließ von ihr ab, trat mit dem Fuß die Haustür zu, nahm sie bei der Hand und zog sie die Treppe hinauf. Heute musste er nicht nach dem richtigen Zimmer fragen, denn er kannte es mittlerweile gut. Er drängte sie in den Raum und während dessen zog er ihr den Pulli über den Kopf. Er nahm sie in die Arme, umfasste sie und öffnete den BH. Er berührte ihre zarte Haut und stöhnte auf. Wie sanft sie sich anfühlte. Er spürte das leichte Beben unter seinen Fingern.

Mit Bedacht schob er sie weiter Richtung Bett und als sie mit den Beinen dagegen stieß, warf er das schwarze Kleidungsstück aus Spitze weg und gab ihr einen leichten Schubs. Sie landete sanft auf dem Bett und Jeremy betrachtete sie erregt. Sie lächelte und streckte ihre Arme nach ihm aus. Schnell knöpfte er sein Hemd auf und als ihm dies nicht schnell genug gelang, riss er es sich von seinem Körper. Sie sagte immer noch nichts – nur ihre Hände reckten sich ihm immer noch entgegen. Er legte sich zu ihr.


Mr. Morris wunderte sich nicht über den Wagen in der Auffahrt. Der Herr Vikar hatte wohl Besuch. Auf den Schultern trug er einen massiven, kurzen Balken, den er geschickt am Auto vorbei in Richtung Cottage manövrierte. Vorsichtig stellte er ihn an der Hauswand ab. Die Tür war verschlossen, doch Morris wusste wo der Schlüssel lag. Der Vikar hatte mit ihm vereinbart, den Schlüssel in einem Blumentopf zu deponieren, damit er ungehindert ein- und ausgehen könnte, falls erforderlich.

Er schloss die Tür auf und hievte den Balken durch den Flur bis zu der Stelle, wo der Durchbruch durch die Wand erfolgen sollte. Er ließ ihn langsam von der Schulter ab, als er ein undefinierbares Geräusch hörte. Morris stutzte! Da stöhnte doch jemand? Vorsichtig lugte er um die Ecke und warf einen Blick in die Küche und den Wohnraum. Nichts war zu sehen.

„Das gibt’s doch gar nicht!“ murmelte er und runzelte die Stirn. Wieder ein Stöhnen! Wenn nun etwas passiert war? Vielleicht war der Vikar krank, oder schlimmer noch – vielleicht hatte er einen Unfall gehabt und war verletzt? Dieses Geräusch – das seltsame Stöhnen kam aus dem oberen Stockwerk! Der Mann in den groben Arbeitsklamotten überlegte nicht lange. Mit schweren Schuhen erklomm er die Treppe und oben angelangt spitzte er seine Ohren. Vorsichtig näherte sich einer Tür, aber nein, aus diesem Raum drang kein Laut.

Ein kleiner spitzer Schrei, gefolgt von einem erneuten Stöhnen ließ Morris auf der Stelle verharren. Nun wusste er, welche Tür er öffnen musste. Er wandte sich um, stieß die Tür auf und polterte in das Gästezimmer.

Jeremy hatte irgendwie das Gefühl bersten zu müssen. Ein Lachen stieg in seiner Kehle herauf, doch er unterdrückte es mit aller Gewalt. Er wusste, würde er jetzt lachen, wäre seine schöne Verlobte auf und davon.
Ihr zartes Gesicht war verzerrt vor Wut und Enttäuschung. Dabei hatte sie vor zehn Minuten noch so entspannt und glücklich ausgesehen. Ihr Mund war so verführerisch, er konnte kaum an sich halten. Er wollte ihn mit seinem berühren. Er spürte ihre leidenschaftlichen Küsse noch immer. Ihr Mund hatte seinen ganzen Körper erforscht!

Von ihrer anfänglichen Zurückhaltung und Scheu war nichts mehr zu spüren gewesen. Und nun war dieser Trottel ins Gästezimmer gestört – und aus war der Traum!
Morris machte ein verstörtes, irritiertes Gesicht, grinste kurz und verschwand unter tausend Entschuldigungen aus dem Schlafzimmer, er flüchtete regelrecht.
Sie hatten ihm nun wirklich nicht viel Sehenswertes geboten, doch trotzdem war Rosies Laune auf dem Nullpunkt.
„Ich könnte jetzt echt eine Zigarette gebrauchen!“
Jeremy stützte den Kopf auf seine Hand und sah sie erstaunt an: „Ich wusste gar nicht, dass du rauchst!“
Rosie seufzte: „Tu ich auch nicht. Aber wenn... dann wäre dies der perfekte Zeitpunkt!“ Ihr Blick wanderte über die Decke, so musste sie ihn nicht ansehen.

“Rosie?“ fragte er leise. „Geht es wieder?“ Er hoffte, dass seine Stimme nicht allzu besorgt klang.
„Heute ist nicht mein Tag. Eine Katastrophe jagt die andere! Dabei hatte alles gut angefangen. Ich habe Pläne gemacht, mit Stella gesprochen... wegen des Hochzeitskleides, doch dann...!“
„Stella?“
„Ja, die kenn’ ich ganz gut. Sie ist Designerin und entwirft tolle Klamotten. Ich habe schon einige Aufträge für sie an Land gezogen und dafür hat sie mir hin und wieder einen guten Tipp gegeben! Sie war ganz begeistert über meine Anfrage!“
„Stella wer?“ fragte Jeremy erneut.

„Na, Stella McCartney! Kennst du die nicht?”
Jeremy grinste. Seine zukünftige Frau hatte wohl ebenso gute Verbindungen wie Chris!
„Wie kommt der Kerl eigentlich hier herein? Hat der einen Schlüssel?“ wechselte Rosie das Thema.
Jeremy senkte verlegen die Augen. Zögernd erzählte er über seine Vereinbarung mit dem Handwerker.
„Aber das gibt ihm noch lange nicht das Recht, hier herein zu platzen!“ Rosie klang sauer. „Und dann auch noch bevor ich dir alles erzählen konnte! Du hast mich gar nicht zu Wort kommen lassen. Direkt hier rauf, ab in die Falle... das ist der Hammer, Jeremy!“

Er konnte nicht anders, er musste grinsen. Sie war so süß in ihrem Zorn. Schon zu Beginn ihrer Bekanntschaft war ihm dieses Temperament aufgefallen. Wenn sie auf hundertachtzig war, gefiel sie ihm am besten! Noch nie hatte er eine Frau kennen gelernt, die so aufbrausend war wie sie. Sie hatte einen solchen Schwung, es hatte ihn einfach mitgerissen.

„Okay! Ich merk’s mir, Schatz! Als ich dich dort unten an der Treppe stehen sah, konnte ich einfach nicht anders! Du sahst so verführerisch aus, Kleines! Schau mich an, bitte!“
Sie wandte den Kopf zur Seite und sah ihn an. Kleine Falten hatten sich auf ihrer Stirn gebildet, sie war immer noch sauer.
Jeremy gab natürlich nicht auf: „So! Und nun erzähle mir bitte, was dich bedrückt. Warum bist du hergekommen? Was ist passiert? Raus mit der Sprache und berichte mir auch alles über das Hochzeitskleid von Stella!“
....Verstimmungen.... by doris anglophil
Rosies Miene hellte sich ein kleines bisschen auf. War das etwa ein Lächeln auf ihrem Gesicht?
Nein – das war es nicht. Sie kuschelte sich an ihn und zog sich die Bettdecke fast vollständig über den Kopf.
„Das glaubst du nie!“ Murmelte sie unter der Decke.
„Erzähl’s mir erstmal und dann sage ich dir, ob ich es glaube oder nicht!“
„Okay... gut. Also, Jack und Christopher haben sich folgendes ausgedacht...“ Und Rosie berichtete ihrem Verlobten von den chaotischen Plänen der beiden Freunde. Dabei verzog sich ihr Gesicht zu einer Grimasse und sie sah aus, als ob sie eben eine fette Spinne erschlagen hätte.

Jeremy hielt ihre Hand und hörte ihr zu, ohne sie zu unterbrechen. Er musste sich hier und da ein Lächeln verkneifen, so absurd kamen ihm die Vorstellungen dieser Hochzeitsdekoration vor. Jack und Chris hatten wirklich einen an der Waffel, soviel war klar. Doch andererseits fand er die Ideen auch lustig und verstand nicht recht, warum Rosie sich so ereiferte.

„Und dann der Schwan! Kannst du dir das vorstellen? Ein Schwan... auf dem Altar? Wie kommt man denn auf eine solche Idee? Das gibt es doch nicht! Das wird doch ein totaler Reinfall!“
Rosies Stimme überschlug sich fast und sie schloss ihre Augen.
„Schatz! Was ist denn da zu machen?“
„Das sag’ ich dir! Das ist ganz einfach! Wir sagen die Hochzeit ab und dann sollen sie sehen, wie sie zu Rande kommen!“ Sie stieß die Worte geradezu heraus.
Jeremy wandte sich ihr zu und schmunzelte.

“Wir heiraten ganz für uns allein, in einer kleinen Kapelle, irgendwo... wo uns keiner kennt! Nur du und ich!“ Erklärte sie jetzt ernst. Nur ihre Augen lugten unter der Decke hervor und Jeremy fand sie einfach zum Anbeißen. Doch er hielt sich zurück und fragte sie stattdessen: „Du willst ohne deine Familie heiraten? Das kannst du doch nicht wirklich wollen? Niemand wird dich dann in deinem wunderschönen Brautkleid bewundern können! Wo kommen wir denn da hin?“

Er stupste sie mit dem Finger an die Nase: „Wie soll es denn aussehen, dieses Kleid?“
„Hör mal! Wenn wir tatsächlich heiraten sollten, wenn ich mich wirklich zu dieser wahnwitzigen Hochzeit entschließen sollte... nein, lass mich ausreden! Wenn ich wirklich einen mir fast unbekannten Mann heiraten sollte, dann darf dieser natürlich absolut nichts von diesem Kleid erfahren! Klar?“

Jeremy lupfte die Decke, fasste Rosie um die Taille und kitzelte sie. Rosie quietschte, lachte und wehrte seine Hände ab.
„Ich soll nichts erfahren von dem Kleid? Na warte!“ Nun zog er die Decke vollständig weg und begann mit einer regelrechten Kitzelattacke.
„Ist gut, ist gut, Jeremy“, lachte sie. „Ich gebe auf!“

Beiden wälzten sich ungezwungen auf dem Bett herum und kicherten.
„Wenn ich von dem Entwurf des Kleides sprechen soll, dann musst du jetzt Ruhe geben, du Scheusal!“ Rosie hob warnend den Finger. Jeremy legte sich ruhig neben sie und wartete auf Rosies Bericht.
„Ich will ein ganz einfaches Kleid, weißt du? Ohne viel Schnickschnack! Am besten ein ganz zartes Creme, ich möchte lange Ärmel... habe echt keine Lust zu bibbern in der Kirche! Es soll figurbetont geschnitten sein...!“
“Figurbetont?“ unterbrach er sie und sah sie fragend an.
„Ja! Es soll halt eng anliegen. Natürlich nicht so eng, dass ich nicht mehr atmen kann. Ich möchte auch noch ausschreiten können und nicht hinter dir her trippeln müssen. Der Rock darf nur ein kleines bisschen schwingen!
„Soweit klar. Keine Rüschen, Spitzen oder aufgenähte Blümchen?“

„Hej ... du kennst dich ja aus! Nein – keine Rüschen, Spitzen oder Sonstiges!“
„Du hast also schon genaue Vorstellungen. Und wird Miss McCartney die umsetzen können?“
„Natürlich. Für sie ist das leicht. Ich soll ihr allerdings Freiheit bei der Auswahl des Stoffes lassen, also wird auch für mich noch der Überraschungsmoment kommen. Aber ich bin sicher, sie weiß was sie tut! Und du wirst staunen!“
Jeremy himmelte sie an. „Ich staune jede Minute mehr! Du bist einfach wunderschön, du würdest selbst in einem alten Fetzen noch verführerisch aussehen und ich freue mich schon so sehr auf meine Braut!“

Ein unbeschreibliches Gefühl machte sich in Rosie breit. Sie umschlang Jeremy mit ihren Armen und drückte ihn ganz fest an sich. Sie presste ihren Mund auf seine Halsbeuge und liebkoste ihn mit ihren Lippen. Jeremy stöhnte leise auf und gab sich diesem warmen Gefühl hin.
„Jeremy ...?“
„Ja, Schatz!“
„Ich hätte Lust...!“
„Worauf denn?“ Er lachte.
„Auf dich...!“
„Na dann los!“

Im Erdgeschoss schlich Morris hin und her. Er versuchte, völlig lautlos zu arbeiten, was ihm natürlich schwer fiel. Doch ein solcher Fauxpas sollte ihm nicht noch einmal passieren. Immerhin konnte er zumindest die Umrisse des Durchbruchs einzeichnen und den Balken markieren. Als dies erledigt war, schlich er sich lautlos aus dem Haus, nicht ohne eine Blick zu Treppe und dem oberen Stockwerk zu werfen.


Harry klopfte an die Tür des Badezimmers. Keine Antwort!
„Darling! Kannst du mich hören?“
Ein unverständliches Murmeln, gefolgt vom Geräusch der Toilettenspülung, drang aus dem Raum. Harry war besorgt. Das war schon der dritte Tag, an dem Geraldine im Zimmer blieb, weil sie sich unwohl fühlte. Sie behauptete steif und fest, sie hätte irgendetwas gegessen, was sie nicht vertragen habe. Doch Harry glaubte das kaum. Irgendwann sollte es doch besser werden.
„Schatz! Kann ich dir helfen?“
„Mir ist nicht zu helfen, Harry. Zisch ab und lass mich allein. Schon ärgerlich genug, dass ich nicht mit dir zum Strand kann...“ sie öffnete die Tür einen Spalt und sah ihn von oben bis unten an. „Du siehst einfach klasse aus!“ Ihre Hand berührte seinen nackten Oberkörper, der zart gebräunt in ihren Augen noch verführerischer aus sah als sonst.
„Ich lasse dich nicht allein hier!“

„Mach’ dass du raus kommst, Harry Jasper Kennedy! Wenigstens du sollst die Sonne und das Meer genießen können. Ich beobachte dich vom Balkon aus! Also... keine Dummheiten, mein Lieber. Ich sehe alles!“
„Dummheiten mache ich nur mit dir zusammen!“ versprach er, zog ein Hemd über, klemmte sich ein Handtuch unter den Arm und verließ das Zimmer.

Aufseufzend schloss Geraldine die Tür des Badezimmers. Unglücklich betrachtete sie ihr Gesicht im Spiegel. Sie war total blass, den Schweiß hatte sie schnell abgewischt, bevor sie mit Harry gesprochen hatte. Er sollte nicht wissen, wie schlecht es ihr wirklich ging.
Vor drei Tagen hatte es angefangen. Sie waren erst einige Tage in ihrem wunderbaren Stranddomizil gewesen, als sie sich offensichtlich den Magen verdorben hatte. Eigentlich konnte sie so schnell nichts aus der Bahn werfen, doch in diesen tropischen Gefilden, hatte sie diese Verstimmung total umgehauen.

Sie spritze sich am Waschbecken Wasser ins Gesicht und ließ sich das kühle Nass auch über die Unterarme laufen... ahh... das tat gut. Das waren vielleicht Flitterwochen! Sie hatte sich das wirklich anders vorgestellt. Und Harry... er war so süß und so fürsorglich! Doch sie wollte nicht, dass er die ganze Zeit hier auf dem Zimmer rum hing. Wenigstens er sollte Spaß haben.
Sicherheitshalber hatte sie auch den Arzt im Hotel aufgesucht. Schließlich wollte sie nicht mit einer schweren Vergiftung nachhause fliegen müssen.

Der Arzt hatte sie beruhigt. Nur eine Magenverstimmung, wie sie schon vermutet hatte! Doch es ärgerte sie ungemein, dass sie heute wieder nicht mit zum Strand kommen könnte. Irgendwann müsste es ihr doch mal endlich besser gehen. Sie nahm ganz brav die Tabletten ein, trank viel Mineralwasser und hielt sich mit den leckeren Speisen zurück.

Sie zog sich etwas Leichtes an und setzte sich auf den bequemen Liegestuhl auf dem Balkon. Sie konnte die gesamte Hotelanlage bis zum Strand hin überblicken. Sie sah ihren Mann, der sein Handtuch unter einem Sonnenschirm ablegte und langsam zum Wasser schritt. Seine langen, schlanken und doch muskulösen Beine schritten weit aus, seine Füße versanken im weichen Sand. Sie konnte dieses warme Gefühl an den Füßen fast spüren. Sie liebte es, am Strand entlang zu gehen.

Harry schritt ohne zu zögern ins Wasser. Die tropischen Temperaturen erwärmten das grünblaue Wasser so sehr, dass es eine Wonne war hinein zu schreiten. Die Wellen umspielten seine Unterschenkel und schnell stand er bis zu den Hüften im Wasser. Die Brandung war kräftig, doch er schwankte keinen Moment.

Sie könnte ihm stundenlang so zusehen und sie war so dankbar, dass dieser Mann nun an ihrer Seite war. Sie genoss diese Perspektive auf ihn und sie war stolz auf alle Blicke, die ihrem Mann folgten. Und das waren nicht wenige!
Harry stieß sich jetzt vom Boden ab und mit weit ausholenden Armbewegungen schwamm er los.

....Ecken und Kanten.... by doris anglophil
Gemeinsam saßen sie am Frühstückstisch und konnten kaum die Augen voneinander lassen. Grinsend bestrich sich Jeremy seinen Toast mit Butter, während Rosie lächelnd in ihrem Tee rührte. Sie waren beide müde, viel geschlafen hatten sie nicht. Doch das störte sie nicht, sie waren einfach glücklich.

Doch eines musste Jeremy noch ansprechen. Vielleicht würde Rosie wieder abgehen wie eine Rakete, doch es führte kein Weg daran vorbei!
„Liebes...? Ich wollte dich noch etwas fragen!“
„Mhm...,“ antwortete sie kauend.
„Wegen Jack und Christopher!“
„Mhm...?“

„Wir sollten uns noch einmal ganz in Ruhe darüber unterhalten, Schatz!“
„Was gibt’s denn da noch zu quatschen. Ich habe zu dem Thema alles gesagt, was zu sagen ist! Und damit basta!“
Jeremy wollte nicht so leicht aufgeben. „Vielleicht können wir einen Kompromiss mit den Beiden schließen?“
„Und wie soll der aussehen? Sie lassen den Tüll weg und wir erlauben den Schwan? Keine Ballons an den Kirchenbänken, aber dafür rosa und weiße Kerzen? Nein – nicht mit mir! Ich werde keinen Fuß in die Kirche setzen, wenn es da drinnen so aussieht. Ich will nicht zum Gespött der Leute werden, Jeremy!“

Rosie griff nach der Teekanne und goss sich ein. Mit einem Rumms stellte sie die Kanne wieder auf den Tisch und trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte.
Oh je ... jetzt war sie wieder auf hundertachtzig! Jeremy war sich bewusst, dass er am Rande eines brodelnden Vulkans balancierte. Jeden Moment konnte er ausbrechen.
Er ließ einige Minuten des Schweigens vergehen und wagte dann einen neuen Versuch: „Aber wäre das nicht ein toller Kontrast zu deinem schlichten Hochzeitskleid?“ fragte er leise.

Rosie riss die Augen auf und schlug mit den geballten Fäusten so fest auf den Tische, dass die Teetassen auf den Untertassen hüpften.
Jeremy wich instinktiv etwas zurück und wartete auf ein Donnerwetter. Offensichtlich keine gute Idee!
Schnell durchforstete er sein Gehirn nach einem guten Einwand. Ihre Augen funkelten so wütend, ihm wurde ganz anders bei ihrem Anblick. Das konnte ja heiter werden, wenn sie erst einmal verheiratet sein würden... wenn es überhaupt jemals dazu kommen sollte!

Im Moment sah es jedenfalls nicht danach aus. Ein Lösung musste er her, aber wie und was? Okay, nur nicht aufgeben, Jeremy!
„Findest du die Dekoration denn so furchtbar? Also ich muss zugeben, das wäre doch mal was Anderes, oder? Stelle mir das ziemlich romantisch vor, so mit rosa und weißem Tüll, hier und da noch ein Seidenbändchen und den Schwan auf dem Altar... das gab’s ja auch noch nie...!“
Rosie sah ihn an. Ihr Gesicht wirkte eine Spur gelöster. Hatte er sich getäuscht oder sah er wirklich ein Zucken der Mundwinkel?

Er presste die Lippen aufeinander und schaute sie mit großen Augen an. Nein, er hatte sich nicht getäuscht, ein winziges Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. Dann hob sie die Augenbrauen, faltete die Hände und prustete los!
Jeremy musste sich gestehen, dass er doch recht riirtiert war über ihre Reaktion. Eben noch kurz vor einem Tobsuchtsanfall, lachte sie jetzt so heftig, dass ihr die Tränen aus den Augen liefen.

„Ich stell’... ich stell ... ha, ha, ha... ich stelle mir dich gerade in Tüll und Seide vor... du, mein romantischer Held!“
Jeremy sah sie mit großen Augen an und schüttelte den Kopf. Das war ja eine Kehrtwendung – da kam er nicht mehr mit! Eben noch stinksauer und jetzt lachte sie sich hier kaputt.

Dieses Lachen ließ ihr Gesicht so schön aussehen, eine Veränderung, die Jeremy kaum für möglich gehalten hatte. Er hielt in seiner Bewegung inne und sah sie faziniert an.

“Und nun?“ fragte er laut. „Was wird nun aus der Hochzeit, Rosie?“
Rosie sprang von ihrem Stuhl auf, kam um den Tisch herum, umarmte Jeremy stürmisch und küsste ihn auf den Mund. Dann nahm sie sein Gesicht in beide Hände und sah ihn liebevoll an.
„Gut! Überredet! Wir machen es, mein Süßer!“

Jeremy lachte erleichtert auf und zog seine Verlobte auf seinen Schoß. Er umarmte sie und legte seinen Kopf auf ihre Brust.
„Eine weise Entscheidung!“ murmelte er.
Ein Ruck ging durch Rosie Körper und er blickte überrascht auf.

“Oh mein Gott...!“
„Waaas?“
Was war ihr jetzt wieder eingefallen? Definitiv zu viele Stimmungswechsel an einem Morgen, und er war noch so müde!
„Wenn Stella das erfährt! Meine Güte! Die schlägt mir die Entwürfe um die Ohren und präsentiert mir wohlmöglich ein passenderes Gewand! Mit Tüll und Rüschen. Mit Reifrock und ellenlangem Schleier. Mit aufgestickten Rosenblüten! Entsetzlich!“

„Mhm...würde sie das wirklich tun?“
„Ich traue ihr alles zu! Für gewöhnlich gefallen mir ihre Entwürfe sehr gut, sonst hätte ich sie ja gar nicht erst gefragt. Doch wenn ihr das zu Ohren kommt... wer weiß?“
„Dann darf sie es nie erfahren! Du darfst ihr nichts davon erzählen. Ein schlichtes Kleid für ein pompöses Fest ist viel besser!“
„Ich werde mich hüten, auch nur ein Wort darüber zu verlieren! Und von wem sollte sie es auch erfahren?“

Jeremy fasste sie am Kinn und drehte ihren Kopf langsam in seine Richtung. Ein verkniffener Zug lag wieder um ihren Mund und der musste weg! Mit seinem Mund tastete er sich langsam und zärtlich zu ihrem vor. Ihre Lippen waren so warm und weich... am liebsten hätte er sie wieder mit nach oben genommen. Doch sein Blick fiel eine Sekunde lang aus dem Fenster und dort sah er Morris bereits bei der Arbeit. Vergiss es, mein Lieber, sagte er zu sich selbst.

„Jeremy! Ich weiß nicht wie ich das überstehen soll!“ Sie kuschelte sich an ihn.
„Darling! Wir beide schaffen das schon!“


Harry schloss die Tür hinter sich, warf Handtuch und Buch auf den Sessel.
„Gerry? Wo bist du?“ rief er.
Eine leise Stimme drang an sein Ohr. Er blickte zum Bett. Seine Frau hatte sich fast vollständig zugedeckt und nur ein Teil ihres hübschen Gesichtes schaute hervor.
Er umrundete das Bett, krabbelte zu ihr hin und hob die Decke an. Die Klimaanlage lief und eine Decke konnte man ohne weiteres gebrauchen. Doch Harry spürte, dass es nicht das kühle Zimmer war, das seine Frau veranlasst hatte sich so zuzudecken.

„Schatz! Wie geht es dir?“
„Scheiße! Entschuldige, dass ich das so derb ausdrücke. Doch so geht es mir nun mal! Ich dachte zwischenzeitlich, es sei besser – aber dann!“
„Mein armer Spatz! Komm her, ich tröste dich ein bisschen!“ Er schob sich noch näher an sie heran, raffte ihr Shirt und presste seine nackte Brust an ihren Rücken. Sie stöhnte auf und wand sich ein bisschen unter der Decke.
„Mhm... das tut so gut!“

Nach einigen Minuten drehte sie sich um und sah ihrem Mann in die Augen: „Es tut mir so leid, Harry! Ich wünschte fast, ich wäre zuhause! Wir beiden hatten überhaupt nichts von unseren Flitterwochen. Ist das nicht gemein? Und wir hätten es so verdient!“

“Das wird auf jeden Fall nachgeholt, glaube mir! Von mir aus können wir morgen schon nachhause fliegen. Aber ich denke, wir sollten noch ein, zwei Tage warten, bis es dir etwas besser geht, meinst du nicht?“
„Ja, sicher! Aber zuhause ist halt zuhause, vor allem, wenn man krank ist! So ein verfluchteter Mist!“ maulte sie.
„Komm her, meine Süße!“ Harry nahm ihre Hände in seine und drückte sie sanft. „Mach dir bitte keine Sorgen – alles wird gut! Du wirst sehen! Wer weiß, wofür das alles gut war?“


Seit dem Eintreffen des Briefes waren einige Tage vergangen und Miss Latimer hatte zwischenzeitlich mehrfach versucht, Miss Kennedy ans Telefon zu bekommen. Doch erst heute war es ihr gelungen, sie unter der angegebenen Nummer zu erreichen.
Die junge Frau hatte ganz genaue Vorstellungen von ihrer zukünftigen Wohnung. Darin ähnelte sie eindeutig ihrem Bruder, Er hatte sich auch nicht von seiner Meinung abbringen lassen! Ihr gefiel einerseits diese Hartnäckigkeit, andererseits war er dadurch ein schwerer Brocken, eine Nuss, die sie bisher nicht hatte knacken können.

Meist hatte sie ja bekommen, was sie wollte. So war das auch bei Männern, die ihr gefielen. Doch Harry Kennedy hatte sich nicht beeindrucken lassen. Selbst der Besuch in Dibley und ihr Angebot ihm zu helfen, hatten ihn nicht umstimmen können.
Sie seufzte und lehnte sich auf dem Sofa zurück. Er hatte einfach umwerfend ausgesehen an diesem Morgen. Dieser Typ hatte einen begehrenswerten Körper und sie hätte gerne noch etwas mehr von ihm gesehen. Sie erinnerte sich an jedes Hautfetzchen, als wäre es gestern gewesen!

Und nun saß sie hier, in seiner frühren Wohnung und bekam ihn immer noch nicht aus dem Kopf! Das erstaunte und erschreckte sie ein wenig. Sie konnte es selbst nicht fassen, doch dieser Mann machte sie noch wahnsinnig!

Von seiner Schwester hatte Miss Latimer erfahren, dass er mit seiner Frau verreist war. Sie hatte also noch ein bisschen Zeit, Pläne zu schmieden. Sie wusste noch nicht wie, doch ihr würde schon noch etwas einfallen, so viel war sicher. Spätestens, wenn sie Miss Kennedy ein passendes Angebot machen könnte, würde sie dafür sorgen auch den Bruder wieder sehen zu können!

Dieser Gedanke tröstete sie ein wenig. Es war ärgerlich, dass sich sie bei diesem speziellen Auftrag, nicht auf das Projekt selbst konzentrieren konnte, immer wieder tauchte das Bild von Harry vor ihr auf und lenkte sie von ihrer eigentlichen Arbeit ab!

Sie war heute zeitig nach Hause gefahren, was die Angelegenheit nicht besser machte. Doch ihr kam eine Idee! Sie könnte genauso gut hier nach passenden Wohnungen suchen. Wozu gab es das Internet? Schließlich wurde mittlerweile der größte Teil ihrer Arbeit via Internet getan.

Sie sprang auf und stürzte zu ihrem Schreibtisch. Der Rechner war schnell hochgefahren, die Verbindung zum Netz hergestellt. Bei dieser Gelegenheit schaute sie sich auch ihr Emailkonto an und auf der Titelseite ihres Providers sprang ihr ein Bild ins Auge.

Miss Latimer glaubte zu träumen. Unter all den bunten Bildchen auf der Startseite, sprang ihr eines direkt ins Auge – das Bild eines lächelnden Harry Jasper Kennedy!
....Von Süchten und Sehnsüchten.... by doris anglophil
„Jack! Ich bin’s, Rosie!“
Schweigen.
„Jack, bitte! Ich muss mit dir reden!“
„Worüber?“ fragte Jack ruppig.
„Worüber schon! Ach komm, Jack. Bitte sei nicht mehr böse!“
„Ich glaube, ich gebe dir mal Chris. Ich habe das Gefühl, ich platze gleich!“

„Jack, nein! Bitte lass uns das zuerst noch klären. Wir sind doch Freunde, oder? Kannst du mir denn nicht verzeihen? Du kennst mich doch! Du weißt doch genau, wie ich reagiere, wenn mir etwas nicht passt!“
„Das dachte ich auch. Doch dieses Mal bis du wohl etwas zu weit gegangen!“
Rosie drehte sich mit dem Hörer am Ohr zu Jeremy um und sah ihn schulterzuckend an.
„Es tut mir leid, dich war tatsächlich ziemlich geschockt von euren Ideen und Vorstellungen. Ich hatte mir etwas anderes...“
„Ja! Das hast du deutlich gemacht! Aber was denkt den Jeremy darüber, oder hat er nix zu sagen?“
„Ähm...“, Rosie kratzte sich am Kopf. „Ja, also... er hat mich sozusagen... überredet!“
„Überredet hat er dich? Wie hat er denn das gemacht, der Gute? Muss ja ein hartes Stück Arbeit gewesen sein!“
Zum ersten Mal seit Beginn des Telefonats, hörte sie in leichtes Lächeln in Jacks Stimme. Doch im Hintergrund schimpfte Chris.

“Ist ja schon gut“, sagte Jack offensichtlich zu Christopher. Rosie wartete einen Moment ab, bevor sie erneut fragte: „Jack?“
„Also gut! Raus mit der Sprache, was hast du mir zu sagen?“
„Also... ähm... ich bin, also... wir sind mit der Dekoration in der Kirche einverstanden! Wenn...!“
„Ah – also doch. Und schon macht sie wieder ein Geschäft!“
Jacks Reaktion ließ sie erneut aufhorchen. Dabei war sie so erleichtert gewesen, als sie den Wünschen der Beiden zugestimmt hatte.

„Also was, wenn?“
Es vergingen ein paar Sekunden, bevor Rosie wieder sprach: „Vielleicht könnte die Feier im Hotel stattfinden, statt im Gemeindesaal ...?“
„Schön!“
„Mehr hast du dazu nicht zu sagen?“
„Nö... eigentlich nicht! Du Chris?“ Rosie hörte eine Diskussion entbrennen, dann offensichtliches Gerangel um den Telefonhörer.

Jetzt war Chris an der Reihe. Seine Stimme klang fest: „So! Jetzt ist Schluss mit diesem Blödsinn! Wie lange soll das denn noch weitergehen? Rosie, gib mir bitte Jeremy, dann regele ich alles Weitere mit ihm. Das ist ja nicht zum Aushalten!“
„Also hör mal, Chris. Das kannst du genauso gut mit mir besprechen !“ wehrte Rosie ab.
„Nein, kann ich nicht. Da kommen wir ja nie auf einen grünen Zweig. Also, her mit Jeremy!“

Ohne ein weiteres Wort übergab Rosie den Hörer an ihren Verlobten. Dieser grinste schon wieder frech, dieses Lächeln ließ sein Gesicht noch hübscher erscheinen, geradezu zum Fressen!
Doch das Lächeln verlor sich rasch und Jeremy hob warnend den Zeigefinger, bevor er Christopher herzlich begrüßte. Er nahm den Hörer und verschwand.


Das gibt es doch nicht! Annabelle Latimer bekam den Mund nicht mehr zu. Er hatte die gleiche Haarlänge, die Farbe stimmte auch. Diese blauen Augen und die hinreißende Nase. Auch der Mund ähnelte Harrys verblüffend!
Sie scrollte den ganzen Bildschirm ab, doch es gab nur dieses eine Foto. Sie las den winzigen Textbeitrag neben dem Foto und ihre Augen blieben an dem Namen hängen: Richard Armitage... noch nie gehört! Hatte Harry vielleicht einen Bruder? Vielleicht sogar einen Zwillingsbruder? Diese Ähnlichkeit war wirklich ungewöhnlich!

Absurd – ein Bruder, der Schauspieler war? Denn soweit war die Sache klar: Dieser Armitage war Schauspieler und glich Harry bis aufs Haar. Sie beugte sich vor, um näher an dem Bildschirm zu sein. Ihre Augen wanderten über das Bild und saugten die schönen Gesichtszüge des Mannes förmlich auf.

Wer war das? Warum kannte sie ihn nicht? Ein britischer Schauspieler, so ein Schmuckstück noch dazu und offensichtlich in ihrer Heimat nicht unbekannt. Da wird doch noch mehr herauszufinden sein, sagte sie sich.
Schnell öffnete sie ihre Suchseite und gab den Namen ein.

Was war denn nun los? Wer war denn dieser Fettklops? Hatte sie den Namen falsch geschrieben? Nein – doch die Suchmaschine zeigte ihr immer wieder diesen Typen aus der amerikanischen Regierung! Wo aber war der hübsche Kerl? Verflixt noch mal!

Sie fügte dem Namen das Wort „Schauspieler“ bei und drückte auf „suchen“. Aha! Jetzt zeigte ihre Suchmaschine die von ihr gewünschten Einträge. Na also! Annabelle Latimer lehnte sich zufrieden in ihrem Schreibtischstuhl zurück und verschränkte zufrieden die Hände vor ihrer Brust.


Rosie und Jeremy waren auf dem Weg zum Flughafen. Am Morgen sollte die Maschine aus der Karibik ankommen und beide freuten sich auf die Rückkehr der Frischvermählten.
„Was hast du Chris denn nun gesagt?“ fragte Rosie neugierig und sah Jeremy von der Seite an. Dieser lenkte den Wagen sicher durch den hektischen Verkehr. Je näher sie der Stadt und Heathrow kamen, desto schlimmer wurde es.
Der Mann am Steuer blickte konzentriert auf die Straße und antwortete ruhig: „Genau das, was wir miteinander besprochen hatten. Das die Zwei die Kirche nach ihrem Gutdünken schmücken und wir die Hochzeitsfeier im Hotel planen!“
„Und?“
„Chris hat es Jack so weitergegeben und jetzt ist die Sache klar!“
„So einfach?“
„So einfach!“

Rosie schaute nach vorn. Sie konnte es kaum glauben. Sie hatte tatsächlich zugestimmt. Und eigentlich fühlte sie sich gut dabei. Der Gedanke an diese aberwitzige Dekoration war nicht mehr so schlimm wie zu Anfang. Vielleicht könnte sie ja hier und da etwas Schadensbegrenzung üben! Noch war nicht alles verloren.

Sie freute sich schon auf Geraldine. Endlich könnte sie mit einer Frau darüber sprechen. Frauen verstanden das einfach besser, fand Rosie. Gerry hatte ihr – natürlich im Vertrauen – erzählt, dass sie sich ihre Hochzeitsfeier auch anders vorgestellt hätte und dass ihr der Gemeinderat einen Strich durch die Rechnung gemacht hätte. Doch letztendlich war diese Hochzeit harmlos im Vergleich zu der bevorstehenden eigenen.

„Und sie hatten überhaupt keine Einwände mehr?“ hakte Rosie nach.
„Chris nicht. Anders sah die Sache bei Jack aus. Aber Chris hat ihn überhaupt nicht mehr zu Wort kommen lassen und einfach über seinen Kopf hinweg entschieden. Ich sollte das in Zukunft wohl aus so handhaben!“ Er kicherte.
„Untersteh’ dich! Du bist gemein! Soll unsere Ehe vielleicht schon zu Beginn gleich scheitern?“ jammerte sie. Er gab ihr keine Antwort auf diese Frage.

„Bin ich denn wirklich so schlimm?“ fragte sie leise.
„Ja! Bist du! Aber weißt du was?“
„Nein! Weiß ich nicht!“ In ihrer Stimme lag eine Spur von Trotz.
„Deshalb liebe ich dich!“ sagte er schlicht.

Rosie Wangen wurden rot. Das wusste sie, ohne in den Spiegel zu sehen. Sie lehnte den Kopf gegen die Kopfstütze und atmete tief durch: „Du machst mich richtig verlegen!“
„Warum denn? Ich habe nur die Wahrheit gesagt, mein Schatz! Ich habe mich auch wegen deines Trotzkopfs in dich verliebt. Ich liebe es, wenn in dir das Feuer hochsteigt! Ach, ... einfach klasse!“

„Na, so schlimm bin ich ja auch nicht... oder?“ Sie klang wie ein kleines Mädchen.
„Nein! Aber du bist so herrlich aufbrausend und das liebe ich an dir! Sei nicht böse deshalb. Ich bin selbst ein so ruhiger Mensch, ich kann ein bisschen Feuer gut gebrauchen!“

Sie blieb für einige Minuten ganz ruhig. Sie blickte aus dem Seitenfenster. Straßen, Häuser und Menschen flogen regelrecht vorbei. Sie biss sich auf die Unterlippe und fühlte sich etwas verunsichert. Das war doch zu schön, um wahr zu sein. Und wie so oft in den letzten Tagen und Wochen befürchtete sie erneut, aus diesem Traum aufzuwachen. Doch scheinbar war es wirklich so, wie viele Menschen es behaupteten: Irgendwann fand jeder Topf seinen Deckel. Und dieser süße, liebenswerte Mann, der neben ihr saß, war offensichtlich ihrer!


Sie musste unbedingt etwas essen. Die Sonne ging schon auf und sie saß immer noch hier. Es fiel ihr unglaublich schwer, sich von den Bildern auf dem Bildschirm zu trennen. Immer wieder fand sie ein Neues, das noch schöner war als die vorhergehenden. Mindestens hundert hatte sie sich mittlerweile auf ihrem PC gespeichert.

Ihr Mund war trocken, ihre Hände zitterten und ihr Kopf war heiß. Sie hatte diesen Platz nur verlassen, um kurz auf die Toilette zu gehen.
Die rechte Hand auf der Maus war total steif, von ihrer Nacken- und Schultermuskulatur ganz zu schweigen!

Wo hatte dieser Armitage die ganze Zeit nur gesteckt? Lebte sie denn auf dem Mond? Der Mann war in den letzten Jahren weiß Gott nicht untätig gewesen, doch Annabelle hatte davon nichts mitbekommen. Höchstwahrscheinlich wäre dies auch weiterhin so geblieben, hätte sie heute – vielmehr gestern – dieses kleine Bild nicht entdeckt. Und das wäre ihr nicht weiter aufgefallen, hätte es nicht in höchstem Maße ihrem Harry geähnelt.

Sie seufzte! Ihrem Harry? Das konnte ja heiter werden! Jetzt war sie zwei Männern verfallen!
Miss Latimer sann über die letzten Wochen und Monate nach. Was hatte sie nicht alles angestellt, um mit Kennedy in Kontakt zu bleiben? Anrufe und Nachfragen, Briefe und Besuche. Sie hatte ihr eigenes, schönes Apartment aufgegeben und war in Harrys Wohnung gezogen.

Wie im Traum war sie Tage nach ihrem Einzug durch die Zimmer gelaufen, auf der Suche nach Spuren von ihm. Sie hatte in der Badewanne gelegen und sich vorstellt, wie sich sein nackter Körper im warmen Wasser räkelte. Und dann hatte sie sich tatsächlich dazu herabgelassen, einen zurück gebliebenen Beutel Müll zu durchforsten. Nun bewahrte sie ein paar Papierfetzen auf, die mit Harrys handschriftlichen Notizen versehen waren. Sie hütete sie wie einen Schatz!

So weit war es mit ihr gekommen – und jetzt das! Was sie zusätzlich belastete, war die Tatsache, dass sie buchstäblich niemanden hatte, mit dem sie darüber reden könnte. Abgesehen davon, dass sie nicht viele Freunde besaß – wem hätte sie eine solche Peinlichkeit erzählen können?
Plötzlich blitzte in ihrem Hirn eine Idee auf. Sie blickte auf den Zettel, der neben der Tastatur auf dem Schreibtisch lag. Sie hatte alle Filme und Fernsehproduktionen des Schauspielers notiert.

Doch sie würde noch weiter forschen müssen und sie war sich sicher: sie würde sicherlich noch mehr finden!

....Rückkehrer und Rückblicke.... by doris anglophil
Gespannt warteten Rosie und Jeremy auf die Rückkehr von Geraldine und Harry. Hand in Hand standen sie in der Ankunftshalle und blickten erwartungsvoll auf die automatische Tür, die sich hin und wieder öffnete.
„Die Zwei sind bestimmt total braun! Ob wir sie überhaupt wieder erkennen? Oh je, ich bin total aufgeregt!“ Rosie hüpfte ungeduldig hin und her.

„Sag mal Liebes, wohin werden wir denn verreisen in unseren Flitterwochen?“ fragte Jeremy.
Rosie drehte sich zu ihm um und schaute ihn mit großen Augen an. Die gerunzelte Stirn ließ auf heftiges Grübeln schließen.
„Wir werden nicht verreisen!“
„Bitte? Ich höre wohl nicht richtig?“ Jeremy verschlug es fast die Sprache, diese Frau war eine einzige Herausforderung.
„Kommt überhaupt nicht in Frage! Da habe ich auch noch ein Wörtchen mitzureden!“ widersprach er laut.

„Pst... Jeremy! Ist ja...“
„Genau! Ja und nochmals ja! Was sollen denn die Leute von mir denken? Dass wir uns keine Hochzeitsreise leisten können?“ Er sah sie entsetzt an. Rosie hob den Kopf und kicherte.
„Nicht aufregen, Schatz! So habe ich das doch nicht gemeint!“ Jetzt lachte sie sogar.
„Rosie!“ Mit vorwurfsvoller Miene stemmte er die Hände in die Seiten.

„Ich hab’ doch nur gemeint, dass wir hier in England bleiben! Ich habe einfach genug vom Herumreisen, weißt du? Am liebsten würde ich mich mit dir in einem kleinen, einsam gelegenen Hotel verkriechen und... na ja, und das Zimmer überhaupt nicht verlassen! Höchstens zum Essen, wenn du weißt was ich meine!“

Jeremy grinste über beide Ohren: „Ich weiß genau was du meinst! Verlockende Vorstellung. Wenn wir die Beiden nachhause gebracht haben, suchen wir uns so ein schnuckeliges, kleines Hotel! Super Idee von dir!“
Rosie wandte sich von ihm ab und wedelte mit den Armen: „Na endlich! Da sind sie ja!“ Sie lief dem auf britischem Boden angekommenen Ehepaar entgegen.

Geraldine wirkte erschöpft, das bemerkte Jeremy sofort. Kein Wunder nach diesem langen Flug und den Strapazen, die eine solche Rückreise mit sich brachten. Doch sie strahlte und umarmte die heranstürmende Rosie herzlich.
Sogleich belegte seine Verlobte Gerry mit Beschlag. Sie war an allen Einzelheiten der Reise interessiert, jedes Detail war scheinbar sehr wichtig und Geraldine beantwortete alle Fragen mit einer Engelsgeduld.

Jeremy schaute verständnisvoll zu Harry. Die Männer kümmerten sich um das Gepäck, während sich die beiden Frauen auf dem Weg zum Wagen lebhaft unterhielten.
„Und wie war es?“ fragte Jeremy den braungebrannten Mann.
„Eigentlich gut!“
„Gerry?“
„Nicht so gut!“ antwortete Harry leise.
„Dachte ich mir“, gab Jeremy zu verstehen.

„Ach, übrigens Leute! Schönes neues Jahr!“ Rosie strahlte in die Runde


Die Seiten des Blocks, der neben ihrer Tastatur lag, wurden voller und voller. Sie hatte schon eine Menge Links und Querweise notiert, Informationen über das Leben des Schauspielers hatte sie sorgsam auf einem einzelnen Blatt vermerkt, auf einem anderen alle Film- und Fernsehproduktionen, an denen Armitage seither beteiligt gewesen war.

Mittlerweile hatte sie so viele Bookmarks gesetzt, dass sie die Übersicht nach und nach verloren hatte.
Sie hatte viele Blätter beschrieben, genauso viele waren auch im Mülleimer gelandet. Ihre Augen brannten, ihre Zunge klebte am Gaumen und ihr Magen schrie nach Essen, doch das alles brachte sie nicht von ihrer Arbeit am Rechner ab.
Akribisch folgte sie jeder noch so kleinen Spur! Sie hatte massenweise Bilder abgespeichert und Clips auf der Festplatte abgelegt. Sie hatte seine Stimme zum ersten Mal in einem Radiointerview gehört. Schauer waren ihr den Rücken herunter gelaufen und sofort hatte sie sich auf die Suche nach mehr Material begeben.

Eines war klar, sie würde alles haben müssen! Sei es nun ein Film, eine TV-Serie oder ein Hörbuch. Sie würde eine Menge Geld dafür ausgeben müssen, doch das war ihr die Sache wert!
Annabelle Latimer lehnte sich zurück und lockerte ihre Schultern.


„Stimmt! Wir haben ein neues Jahr! Wieder ein Jahr – und was für eines!“ Harry lachte.
„Das kannst du laut sagen", entgegnete Geraldine und gähnte. Eine kurze Nacht in einem Flieger war keineswegs erholsam, aber trotz bleierner Müdigkeit fügte sie hinzu: „Möge das Jahr 2007 genauso schön werden sie das Jahr 2006!“

„Für uns wird es das auf alle Fälle“, meinte Rosie und strahlte, „aber sagt mal, wie war denn eure Silvesterparty in den Tropen?“
„Unglaublich schön. So etwas haben wir hier natürlich noch nie erlebt. Was für ein Gefühl, das Silvesterfeuerwerk in Shorts und T-Shirt an einem Sandstrand zu erleben! Einmalig!“ Gerry kam ins Schwärmen. „Und bei Euch?“

„Regen, Graupelschauer, annähernd Null Grad! Was will man mehr!“ teilte Rosie mit feiner Ironie mit.
Jeremy schaltete sich in das Gespräch ein: „Wir haben den Jahreswechsel in London erlebt. Dibley im Winter ist genial, doch mit dem Feuerwerk in London können sie nicht mithalten!“
„Na, das wäre ja auch ein Wunder, nicht wahr? Doch du hast Recht, Schatz. Wenn man nicht in den Tropen feiern kann, ist London zumindest die zweitbeste Lösung! Wir waren mit Jack und Chris zusammen. Ich kann euch flüstern, da ging was ab!“

„Meine Güte!“ Jeremy umfasste das Steuer fester und stöhnte. „Erinnere mich nicht daran!“
„So schlimm?“ fragte Harry interessiert nach.
Rosie grinste: „Oh Mann! Wir sind total versackt! Ich kann mich nicht mehr an alles erinnern, muss ich gestehen. Chris hatte so ein eigenartiges Gebräu gemixt. Hat mich voll umgehauen!“
„Die Beiden hatten alles perfekt organisiert. Ihr kennt ja Jack! Der überlässt nichts dem Zufall. Und eine nette Truppe hatten sie zusammen getrommelt. Und wäre der Alkohol nicht gewesen – na ja, dann hätte ich auch die Kloschüssel nicht umarmen müssen!“ Sie kicherte leise.

Unverdrossen plapperte sie weiter: „Oh Gott! Eins weiß ich noch! Jack musste mich zur Toilette führen. Ich hätte den Weg nicht alleine gefunden. Das war vielleicht peinlich, kann ich euch sagen!“
Sie machte eine kleine Pause und begann erneut: „Aber dann!“ Rosie lachte.
„Was dann?“ fragte Geraldine neugierig.
„Du wirst es nicht glauben – ihr werdet es beide nicht glauben!“ Also ich hatte mich so richtig ... na, du weißt schon! Danach ging es mir erheblich besser! Jack und Christopher begleiteten uns nach Hause. Wir alle hatten frische Luft dringend nötig!“

„Das kannst du laut sagen! Wir waren alle miteinander etwas angegriffen“, unterbrach Jeremy sie, „muss um die drei Uhr in der Nacht gewesen sein, oder?“
„Könnte auch schon nach drei gewesen sein, keine Ahnung. Auf die Uhrzeit habe ich nun wahrlich nicht mehr geachtet. Auf den Straßen waren noch jede Menge Menschen unterwegs. Und als wir in Soho an dem neuen Pub am Denmark Place vorbei gekommen sind... kennt ihr den?“

„Nein, ich glaub’ nicht“, antwortete Harry.
„Und ich erst recht nicht! Also, was ist passiert? Mach es doch nicht so spannend, Rosie!“ Geraldine wurde richtig ungeduldig.
Rosie fuhr fort: „Egal. Wir sind also zu viert an diesem Pub um die Ecke zur Charing Cross Road gegangen und was glaubt ihr, wem wir da in die Arme gelaufen sind?“ Sie blickte triumphierend zunächst Gerry an und beugte sich dann zwischen den Rückenlehnen der Vordersitze zu ihrem Bruder nach vorn.
„Harry! Du kennst ihn!“

„Ich kenne viele Leute. Wen meinst du denn?“
„Na, den Schauspieler! So viele Schauspieler kennst du sicher nicht!“
„Nein, oder?“ Harrys Stimmer klang plötzlich ganz tief.
„Ja! Er war’s!“
„Na, nun spannt mich doch nicht so auf die Folter. Ihr seid wirklich unmöglich! Habe ich euch das eigentlich schon mal gesagt? Wenn ihr nicht gleich mit der Sprache raus rückt, dann schlafe ich aus Protest ein!“ klagte Geraldine laut.

„Es war Macfadyen!“
„Mac-Wer?“ Geraldine rollte mit den Augen und gab auf.
Und aus drei Mündern erschallte ein Name: „Matthew Macfadyen!“ Lautes Lachen erklang von allen vier Autoinsassen. Rosie klopfte sich auf die Schenkel und meinte: „Und er hatte auch einen im Tee! Ganz sicher!“
„Woher willst du das denn wissen?“ fragte ihre Schwägerin erneut.

„Ich bin ja quasi in ihn reingerasselt. Zack – um die Ecke und rumms – war’s passiert! Ich konnte gar nicht so schnell reagieren. Und das Beste war... seine Frau, von der Jeremy meint, sie sähe mir ziemlich ähnlich, ha! - war auch dabei!“
„Er hat eine Frau?“
„Geraldine! Du stellst Fragen! Klar hat der eine Frau! So einer wie der bleibt nicht lange allein! Diese Augen, diese Wimpern, diese Narbe...!“
„Und diese Frau!“ Jeremy lachte.

„Augen, Wimpern, Narbe – das alles hast du in der kurzen Zeit und mitten in der Nacht erkennen können? Ein Wunder!“
„Nein! Natürlich nicht. Ihr nehmt mich nicht Ernst! Ich habe ihn doch schon spielen sehen! Erinnerst du dich an den Film, den Harry und ich uns angesehen hatten, als wir uns das erste Mal in Dibley vor deinem Haus begegnet sind? Das war ein Film mit Matthew!“ Sie machte eine kurze Pause, atmete scharf ein und lehnte sich zurück.

„Du meinst Pride and Prejudice“?“ Harry drehte sich zu seiner Schwester um. „Dieser Mann verfolgt mich, das könnt Ihr mir glauben! Das hat sicher etwas zu bedeuten!“
„Wieso verfolgt er dich, Schatz?“
„Ich habe ihn das erste Mal im Spätsommer im White Swan draußen an der Themse gesehen. Dort war er ebenfalls mit seiner Frau. Da dachte ich zunächst auch, es wäre Rosie. Die beiden haben eine verblüffende Ähnlichkeit miteinander, das stimmt. Sie war damals hochschwanger. Das Baby, ein Junge, ist mittlerweile auf der Welt, gesund und munter. Danach traf ich ihn im Theater. Er kennt Dorothy und ist zufällig in meine Junggesellenparty reingeplatzt. Und jetzt lauft ihr ihm über den Weg! Unfassbar!“

„Dazu noch mit einem Schwips! Er war so süß! Hat sich tausend Mal entschuldigt als er mit mir zusammengerasselt ist. Und seine Liebste stand neben dran und zupfte ihm ständig am Ärmel rum. Scheinbar war es ihr peinlich, dass er so los gequasselt hat!“
„Der hat sich doch köstlich amüsiert, angesäuselt wie er war“, warf Jeremy ein.
„Und er hat geredet und geredet! Wollte alles Mögliche wissen! Wer wir sind, wo wir gewesen waren, wohin wir gehen, und, und, und – er hörte gar nicht mehr auf! Er ist wohl redselig, wenn er einen über den Durst getrunken hat.“

„Jack und Chris haben sich köstlich amüsiert und fanden ihn klasse. Jack stand zwischen Christopher und Macfadyen – die beiden jeweils ein ganzes Stück größer als er! Er wusste gar nicht, wen er zuerst anhimmeln sollte, seinen Schatz oder den Schauspieler!“ Jeremy blickte durch den Rückspiegel zu Geraldine und lachte.
„Das kann ich mir lebhaft vorstellen! Die Beiden haben sicher geschmachtet!“
„Und ich auch“, meldete sich Rosie zu Wort. „Kein Wunder! Der ist aber auch ein Schätzchen! Und völlig natürlich!“
„Na, das wäre ich auch, mit ein bisschen Schampus intus werde ich zum Charmeur der ganzen Stadt!“ Jeremy grinste in sich hinein.
„Nein, wirklich? Da muss ich dich wohl öfter abfüllen!“
„Süße! Ich bin doch immer lieb zu dir!“

In dem Moment bremste er und brachte den Wagen zum Stehen: „Hier Dibley! Endstation! Bitte alles aussteigen!“
Doch Rosie hielt nach dem Aussteigen kurz ihren Bruder am Arm fest: „Harry, du hast mir nie erzählt, dass Macfadyen im Theater auf der Party für dich war. Denkst du denn kein bisschen an mich?“
„Schwesterlein, der gute Mann ist verheiratet! Und du – wirst es auch bald sein! Außerdem hast du dich köstlich mit Jack und Chris amüsiert damals und ich wollte keinerlei Aufhebens um sein Erscheinen dort machen. Okay?“
„Okay“, gab sie leicht patzig zurück, bevor sie seufzend ihm und allen anderen ins Haus folgte.
....EIn wirklich großer Tag.... by doris anglophil
Zugegeben, sie war nervös, so nervös wie noch nie in ihrem Leben. Genau wir ihr Bruder hatte sie sich oftmals gefragt, wie es dazu gekommen war. Die Liebe war wie ein Wirbelwind über sie hinweg gefegt und nichts hatte ihr Schutz davor geben können.

Jetzt stand sie hier im Gästezimmer eines völlig neuen und doch bekannten Hauses. Das Pfarrhaus und „Sleepy Cottage“ waren zu einer Einheit zusammen gewachsen und bot nun eine Menge Platz für Geraldines und Harrys Gäste.

Lächelnd erinnerte sie sich an ihren ersten Besuch hier. Harry hatte ihr freudestrahlend von Gerry erzählt. Und wie dann alles Schlag auf Schlag gegangen war. Geraldines und Harrys Hochzeit, die erste Nacht mit Jeremy! Das alles war nicht lange her und doch erschien es ihr wie eine Ewigkeit. Die Planung der Hochzeit, die Unstimmigkeiten mit Jack und Christopher, die Gott sei Dank behoben worden war! All dies schwirrte in Rosies Kopf herum.

Der große Spiegel reflektierte das Bild einer hochgewachsenen, blonden Frau in einem wunderschönen, schlichten Hochzeitskleid. Farbe und Schnitt betonten ihre schlanke Figur und wie sie sich auch drehte und wendete, es gab keinen Makel an diesem Kleid. Schon beim ersten Anblick, hatte sie sich in das edle Gewand verliebt und sie dankte Stella im Stillen für diese Arbeit.

Sie hatte noch ein paar Minuten Zeit - Zeit um sich zu sammeln und ihre Gedanken fließen zu lassen. Der Gottesdienst würde erst in einer halben Stunde beginnen.
Zwei Seelen wohnten in ihrer Brust. Einerseits freute sie sich unbändig auf diese Hochzeit und wenn sie ehrlich war, freute sie sich auch auf den ganzen Rummel. Andererseits wäre sie am liebsten mit Jeremy auf eine einsame Insel geflüchtet!

Sie hatte ein langes Gespräch mit Geraldine geführt, von Frau zu Frau. Ihre Schwägerin hatte sie noch einmal in ihrem Entschluss bestärkt. Sie kannte Jeremy schon seit Jahren und wusste ihn einzuschätzen. Jedoch hatte Gerry sich geweigert, ihr irgendwelche Tipps zu geben, wie sie mit ihrem zukünftigen Ehemann umzugehen hatte.
„All diese Erfahrungen musst du selbst machen, da kann und will ich dir keinen Rat geben. Doch Jeremy ist ein wirklich liebenswerter Mensch und er hat es verdient, glücklich zu werden!“

Sie wagte es nicht. sich zu setzen, aus Angst ihr Kleid könnte zerdrückt werden. Langsam trat sie an das Fenster und dachte an die standesamtliche Zeremonie von Jack und Christopher zurück. Zunächst war das Paar noch ruhig und gelassen gewesen. Sie hatten Familie und Freunde begrüßt, hatten sich wie Kinder über Glückwünsche und Geschenke gefreut.

Doch dann war der Moment der Wahrheit gekommen. Die beiden hübschen Männer, in edlen Zwirn gekleidet, hatten endlich vor dem Standesbeamten ihres Stadtteils gestanden. Bewusst hatten sie sich für die Einfachheit eines ganz normalen Trauungszimmers entschieden. Ein Tisch, davor zwei Stühle, etwas Blumenschmuck und Sitzplätze für die Gäste. Nichts hatte von der Bedeutung dieser Feierlichkeit abgelenkt!

Jack und Christopher hatten vor dem schlichten Tisch gestanden, Hand in Hand, während der Beamte versucht hatte, die reine Formalität des Ereignisses in schöne Worte zu packen. Sie hatten sich gegenseitig Halt gegeben und doch auch etwas hilflos und sehr nervös gewirkt.

Dieser Anblick hatte Rosie zutiefst gerührt und ihr die Tränen in die Augen getrieben. Sie freute sich für diese beiden Menschen, die so glücklich waren. Sie hatten einander gefunden und ergänzten sich perfekt. Sie hatten ganz offensichtlich, trotz all ihrer Nervosität, dieses Ereignis in vollen Zügen genossen. Die Menschen, die dem Paar am wichtigsten in ihrem Leben waren, hatten sie auf diesem Weg begleitet.

Es war ein erhabener Moment gewesen und doch konnte Rosie den Wunsch des Paares verstehen, dieser Verbindung in der Kirche einen würdigen Abschluss zu verleihen. Letztendlich war sie froh, dass sie der wahnwitzigen Dekoration der Kirche zugestimmt hatte.

Nun war der Zeitpunkt für sie gekommen zum Altar zu schreiten. Wie rasch waren die Tage und Wochen verflogen? Diese traumhafte Zeit der ersten Liebe war einfach rasend schnell vorbei gegangen. Jeder Tag hatte für Rosie neue Überraschungen gebracht, nie hätte sie geglaubt, dass ein Mann ihr Leben so auf den Kopf stellen könnte. Und was hatte sich nicht alles verändert! Sie hatte ihren Arbeitgeber darum gebeten, in den nächsten Wochen keine Auslandsaufenthalte für sie einzuplanen. Sie war zufrieden mit der Stille ihres Büros in der City! Ausgerechnet sie!

Jeremy und Rosie hatten beschlossen, eine gemeinsame Wohnung in London zu kaufen und hatten sofort an die hilfsbereite Miss Latimer gedacht. Jack hatte sie ihnen wärmstens empfohlen, doch Rosie fragte sich oftmals, ob dies wohl die richtige Wahl gewesen war.

An den Wochenenden war sie oft in Dibley gewesen, was sie zunächst damit entschuldigt hatte, den Umbau des Hauses beaufsichtigen zu müssen. Unsinn natürlich! Sie hatte bei ihm, bei Jeremy sein wollen! Außerdem hatte Mr. Morris auch allein alles im Griff. Oh je! Mr. Morris. Sie lächelte bei der Erinnerung an den Moment, als Morris in die intime Zweisamkeit des verliebten Paares geplatzt war! Gott, war das peinlich gewesen!

Immer wenn ihr Morris später über den Weg gelaufen war, hatte er sich schnellstens aus dem Staub gemacht und wenn dies nicht möglich gewesen war, so lange herumgedruckst, bis sie ihn allein gelassen hatte. Wahrscheinlich war er froh gewesen, wenn sie in London geblieben war und Jeremy lediglich am Wochenende besucht hatte.

Sie blickte auf die Straße hinaus, doch es war keine Menschenseele zu sehen. Sie wandte sich um und sah zur Uhr. Es war soweit, sie musste los. Sie stellte sich keine Fragen mehr, sie wollte diesen Schritt jetzt wagen, hinüber zur Kirche und zu dem Mann, den sie heiraten würde.

Langsam stieg sie die Treppe hinab. Unten erwarteten sie ihr Bruder und ihre Freunde Jack und Chris. Ihre Blicke sprachen Bände, nichts als Bewunderung stand in ihren Augen!

„Rosie, du siehst bezaubernd aus!“ Jack riss die Augen weit auf. „Wenn Jeremy dich so sieht, der kippt glatt um!“
„Aber du siehst auch umwerfend aus, mein Lieber!“ Sie drehte sich zu Chris um: „Und du nicht minder. Ihr werdet würdige Begleiter sein!“
Chris nahm sie an der Hand und führte sie zu Harry.

Ihr Bruder blickte sie freudestrahlend an und küsste sie auf die Wange. Sie zitterte vor Erwartung und war froh, dass sie an seinem Arm Halt fand.
„Kann es losgehen?“ fragte er leise.
Sie nickte stumm und sah ihm fest in die Augen. „Warst du auch so aufgeregt?“
„Unheimlich. Keine Ahnung wie ich das überhaupt überstanden habe!“

Rosie war froh, dass Geraldine sie trauen würde. Ihre Schwägerin und Jeremys gute Freundin, einen besseren Start in ihre Ehe konnte es nicht geben, oder?
„Seid ihr auch bereit? Jack? Chris? Schließlich gehört ihr auch zu den Hauptpersonen! Heute wird es ernst. Ich glaube, ich bin mir über die endgültige Konsequenz des heutigen Tages noch nicht recht bewusst, sonst würde ich hier nicht so gelassen stehen!“ Sie lachte nervös und schaute von einem Mann zum andern.
Dann jedoch atmete sie tief ein, streckte sich und nahm die Schultern zurück: „Lasst uns gehen, Jungs!“

Die Vier verließen das Haus, überquerten die Straße und den Kirchplatz. Mr. Kennedy wartete an der Kirchentür auf seine Tochter und sah ihnen erwartungsvoll entgegen.

Rosie bemerkte die Unruhe ihres Vaters, er presste seine Finger zusammen und wechselte von einem auf das andere Bein. Beim Näherkommen entdeckte sie den Schimmer von Tränen in seinen Augen und das rührte sie selber zu Tränen. Na, das fing ja toll an. Sie weinte schon, bevor sie noch die Kirche betreten hatte! Mit Stolz in seinen Augen, nahm Mr. Kennedy die Hand seiner Tochter und legte sie über seinen Arm.

Harry, Christopher und Jack betraten die Kirche. Die Orgel erklang – das Zeichen für Rosie und ihren Vater los zu gehen. Sie blickten sich noch einmal an und Mr. Kennedy fragte: „Bist du bereit, mein Kind?“
„Ja, Dad! Ich bin bereit! Es kann losgehen!“

Sie traten durch das Portal, das mit rosa und weißen Girlanden geschmückt war. Ebenso gefärbte Luftballons bewegten sich hin und her. Riesige Schleifen aus Tüll und Seide waren an den Enden der Kirchenbänke befestigt und kaum waren sie um die Ecke in den langen Gang zum Altar eingebogen, da entdeckte Rosie auch den Schwan, der auf dem Altar platziert war.

Doch die entsetzt geweiteten Augen schwenkten zu dem Mann, der dort auf sie wartete. Er sah einfach hinreißend aus. Der dunkle Anzug sah umwerfend aus und Rosie erkannte ihren Verlobten kaum wieder. Ihr Herz schlug wie ein Hammer und sie war froh, dass sie sich auf den Arm ihres Vaters stützen konnte.

Sie nahm die Gäste in den Kirchenbänken kaum war und selbst die Dekoration, die sie so verflucht hatte, trat in den Hintergrund.

Im Gegenteil! Tatsächlich schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, dass dieses ganze pompöse Material letztendlich gar nicht so verheerend aussah, wie sie vermutet hatte. Langsam schritt sie auf Jeremy zu. In seinen Augen sah sie all die Liebe, die er für sie empfand. Sein Gesicht drückte unendliche Freude aus und sie konnte es kaum erwarten, seine Frau zu werden.

Hinter Jeremy stand Geraldine ihn ihrem Ornat und lächelte Rosie aufmunternd zu. Sie sah so feierlich aus, dass es Rosie ganz warm ums Herz wurde. Doch ihr Blick wandte sich wieder dem Bräutigam zu. Ihre Lippen zitterten vor Nervosität, doch sie fixierte tapfer Jeremys Augen, in denen sie fast versank. Wahrscheinlich würde sie sich später nicht an alle Einzelheiten erinnern können, doch jetzt brannte sich der Blick aus diesen Augen in ihren Kopf und sie hielt sich daran fest.

Ihr Vater lockerte ihren Griff um seinen Arm und legte ihre Hand in Jeremys. Rosie nickte ihrem Vater dankbar zu. Mr. Kennedy beugte sich vor uns küsste seine Tochter auf die Wange: „Werde glücklich, mein Schatz!“ flüsterte er. Niemand außer ihr hatte seine Worte gehört, doch sie gaben ihr soviel Mut! Tränen stiegen ihr in die Augen, doch sie wollte jetzt nicht weinen!

Hilflos sah sie Jeremy an. Doch ein Blick in seine schönen Augen genügte, um ihr Kraft zu geben, diese Zeremonie durchzustehen. Warum auch nicht? Schließlich war sie kein Kind mehr, obwohl sie sich heute schon mehrmals so gefühlt hatte.

Das Orgelspiel endete, Geraldine begrüßte die Gemeinde und hieß die beiden Paare herzlich willkommen. Doch sie konnte auch nicht umhin, ihren Mann Harry liebevoll anzusprechen und ihn ebenso liebevoll willkommen zu heißen. Schließlich wandte sie ihre Aufmerksamkeit ganz Rosie und Jeremy zu.

„Liebe Gemeinde! Wir haben uns heute hier versammelt, um diese Frau und diesen Mann im heiligen Bund der Ehe zu vereinen...!“ Ihre Stimme erstarb, sie ging einen Schritt auf das Paar zu, streckte ihre Hand nach ihnen aus und... brach wie in Zeitlupe zusammen!
....Diagnose.... by doris anglophil
Ein kollektives Aufstöhnen erklang durch die Kirche. Harry sprang auf und erreichte seine Frau noch vor Rosie und Jeremy, die wie erstarrt vor dem Altar standen.
Harrys Stimme überschlug sich fast, als er neben Geraldine nieder kniete und sie verzweifelt fragte: „Liebes, was ist? Was hast Du? Bitte, mach die Augen auf!“

Er tätschelte leicht die blasse Wange seiner Frau und befühlte ihre feuchte Stirn. Rosie drehte sich zu den Gästen um und sah diese mit entsetztem Gesicht an. Sie rief laut: „Holt einen Arzt!“
Der Zustand ihres Kleides war ihr jetzt völlig gleichgültig! Sie kniete sich neben Harry auf den steinernen Kirchenboden und nahm Gerrys Hand in ihre. Das bleiche Gesicht ihrer Schwägerin erschreckte sie.

„Was hat sie nur?“
Gerrys Lider flatterten, doch sie öffnete die Augen nicht.
„Ich weiß es doch nicht!“ Die Stimme ihres Bruders brach fast, sie sah Tränen in seinen Augen.
„Schon in den Flitterwochen war es ihr nicht gut gegangen. Dieser Arzt im Hotel meinte, sie hätte eine Magenverstimmung! Aber das kann doch nicht sein! Oh Gott, mein Liebling! Bitte, mach’ doch die Augen auf!“

„War sie denn hier nicht noch mal bei einem Arzt gewesen?“
„Nicht dass ich wüsste! Ich weiß überhaupt nichts. Das gibt es doch nicht!“
Rosie ergriff eine Jacke aus Jacks Händen, legte sie zusammen und bettete Geraldines Kopf vorsichtig darauf. Bisher regte sich nichts in ihrem Gesicht. Sie wollte Harry nicht zusätzlich ängstigen, doch Rosie war über die Dauer der Ohnmacht sehr besorgt. Geraldine atmete zumindest gleichmäßig, die Wangen waren blass und auf der Stirn standen Schweißtropfen.

Harry beobachtete seine Frau mit sorgenvoller Miene und zuckte erschrocken zurück, als Geraldine plötzlich die Augen aufschlug. Sie versuchte, den Kopf zu heben und flüsterte leise: „Harry! Die Trauung!“
Erleichtert stieß Harry den Atem aus und drückte die Hände seiner Frau. Er beugte sich vor und küsste sie zart: „Mach’ dir keine Sorgen, mein Liebling!“

Mittlerweile hatten sich alle von ihren Plätzen erhoben. Jack und Christopher hielten die beunruhigten Gäste davon ab, zu nahe an den Altar heran zu treten.
„Ich will aufstehen!“ verlangte die Vikarin.
„Vergiss es!“ antwortete Rosie kurz. „Du bleibst wo du bist! Erst müssen wir wissen, was mit los dir ist!“
„Aber... eure Hochzeit!“ protestierte Geraldine.
„Heiraten können wir immer noch. Aber nur, wenn du uns traust! Und dazu musst du erst wieder fit sein!“

„Bitte! Mir geht es wirklich gut! Ich kann aufstehen!“
Harry hielt sie sanft zurück: „Bitte, hab’ Geduld, Liebes! Der Doktor ist gleich da!“
„Ach, dieser Quacksalber! Habt ihr nicht etwas Junges, Knackiges für mich?“

Ein Lächeln erschien auf Harrys Gesicht.
„Wen soll ich dir denn holen lassen, Süße?“ Sie war wieder zu Scherzen aufgelegt und Harrys Spannung ließ langsam etwas nach.
„Schatz, wenn du so schaust, werde ich wieder ganz schwach – hach, du bist einfach eine... Augenweide! Da kommt so schnell keiner mit!“ Geraldine schloss grinsend die Augen und seufzte.

„Der alte Brent kann auf keinen Fall mithalten. Da bist du schon ein anderes Kaliber! Und jetzt lasst mich aufstehen, bitte!“
Dieses Mal hielt Rosie sie zurück: „Ein jüngerer würde deinen Kreislauf besser in Schwung bringen, meinst du?“
„Niemand bringt den so gut in Schwung wie Harry!“ Gerry blickte ihrem Mann tief in die Augen.

Eine laute Stimme schallte durch das Kirchenschiff und ließ die drei Menschen am Boden zusammenzucken.
„Hört mal her, Herrschaften!“
Harry richtete sich etwas auf und rief entnervt: „Halt die Klappe, Owen!“
Owen schreckte zurück und... war still.

Jack schritt hinüber zu dem erstaunten Farmer und legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm: „Hab Nachsehen mit dem besorgten Ehemann, Owen! Was wolltest du sagen?“
Mit wesentlich leiserer Stimme wandte Owen sich abermals an die Gäste: „Da wir offensichtlich noch nicht in den Genuss einer weiteren Traumhochzeit kommen, können wir ebenso gut etwas essen, oder?“

Er blickte sich fragend um und fuhr fort: „Reicht ja, wenn die Vikarin umkippt! Für alle, die Hunger haben, werden wir etwas Essbares organisieren – und an Durst soll auch niemand leiden müssen!“
Gemeinsam mit den Hortons führte er die Gäste nach draußen.

Nur wenige Zeit später stürzte Alice mit Dr. Brent in die Kirche.
„Unsere Pfarrerin am Boden! Dass ich das noch erleben darf! Davon habe ich immer geträumt!“ Mit einem Blick hatte der Arzt erkannt, dass die Situation nicht wirklich ernst war, doch ein weiterer Blick auf den Ehemann zeigte ihm, dass er wohl besser keine weiteren Scherze mehr machen sollte!

Doch so schnell ließ er sich nicht einschüchtern. Energisch vertrieb Brent die Umstehenden und sogar Harry schickte er weg.
Widerwillig ließ Harry sich von seiner Mutter wegführen. Besorgt schaute er immer wieder zu seiner Frau hinüber, die leise mit dem Arzt sprach.
„Komm, Harry! Gib ihm ein bisschen Zeit!“ meinte seine Mum mit gefasster Stimme.

Brent legte Geraldine eine Blutdruckmanschette um den Oberarm, während Harry aufgewühlt hin und her lief. Seine schönen blauen Augen hatte die Sorge verdunkelt und selbst seine karibische Bräune schien verblasst. Er hasste es, so untätig herum zu stehen, er wollte zu seiner Frau! Jetzt! Doch seine Eltern und seine Schwester hielten ihn zurück.

Während dessen hatten sich auf dem Kirchplatz die Gäste versammelt. Sie standen in Grüppchen herum, schweigend oder auch in ein leises Gespräch vertieft.
Vater und Sohn Horton, Alice und der Rest des Gemeinderates hatten sich spontan für einen improvisierten Imbiss vor der Kirche entschlossen.

Eilfertig hatte man sich auf den Weg gemacht und alles besorgt, was für eine zünftige Mahlzeit benötigt wurde.
Auf dem Rasen konnte man nicht sitzen, es war viel zu kalt. Doch die vorhandenen Bänke wurden aufgestockt mit herbei geschafften Klappbänken. Tische wurden aufgestellt, die sich nach und nach mit köstlichen Speisen füllten.

Owen brachte seinen selbst hergestellten Schafskäse und einige große Stücke, seiner berühmten Schafssalami. In den umliegenden Häusern sammelte man auf die Schnelle alles Brauchbare ein, so dass schon bald Teller, Besteck und Gläser in ausreichender Menge bereit standen. Viele Gemeindemitglieder hatten gar ihre Vorräte geplündert.

Schon bald sah es auf der Kirchenfreiheit aus wie bei einem fröhlichen Dorffest, während Geraldine in der Kirche gegen das Getue des Arztes lauthals protestierte.
„Mein Gott – im wahrsten Sinne des Wortes – warum hast du mich verlassen? Kann mir denn niemand diesen Kerl vom Hals schaffen? Rettet mich!“
Geraldine hatte sich mittlerweile aufsetzen dürfen und schüttelte die Hände von Dr. Brent ab.
„Und hören Sie mit dem Gefummel auf! Mir geht es wirklich gut. Eine leichte Schwäche vielleicht, niedriger Blutdruck oder so was. Schließlich habe ich eine harte Zeit hinter mir! Schatz – hilf mir!“ Sie streckte flehentlich die Hände nach ihrem Mann aus.

„Jetzt stellen Sie sich bitte nicht so an, Vikarin! Wie ein kleines Kind führen Sie sich auf. Herrje... wie hält Ihr Mann das nur mit Ihnen aus?“
„Jetzt lassen Sie aber Harry aus dem Spiel, mein Lieber! So nicht! Wenn Sie nicht wissen, was ich habe, dann sagen Sie es und lenken Sie stattdessen nicht ab!“

Harry hörte seine Frau schimpfen und war unendlich erleichtert, dass es ihr offensichtlich so gut ging, um einen verbalen Schlagabtausch mit dem Arzt zu führen.
Dieser neigte sich jetzt Geraldine zu und flüstere ihr etwas ins Ohr.
Gerry schnappte nach Luft und stieß sie dann mit einem pfeifenden Geräusch wieder aus.
„Waas? Sie haben wohl eine Meise? Sie Quacksalber, Sie!“

Was der Arzt dann zu der Pfarrerin sagte, konnte Harry nicht hören. Doch das Gesicht seiner Frau wurde erneut blass, wie die Tünche an der Kirchenwand. Erstaunt blickte Harry sie an. Was hatte der Arzt zu ihr gesagt? Etwas Schlimmes konnte es nicht sein, dass hätte er ihr sicher nicht hier und jetzt offenbart.

Geraldine sah ihren Mann mit weit aufgerissenen Augen. Ganz offensichtlich war sie sprachlos. Ihr Mund stand offen, doch es kam kein einziges Wort heraus. Sie konnte den Blick nicht von ihm abwenden. Er trat einige Schritte vor und neigte fragend den Kopf.

„Ha...rry!“ Geraldine räusperte sich. Ihre Stimme klang wie ein Reibeisen.
„Harry!“
„Was ist, mein Liebling?“
„Harry!“
„Ja – ich bin hier, Schatz. Was ist denn?“
„Harry?“
„Geraldine – nun sag schon! Doktor, können Sie mit denn nichts sagen?“ Entnervt wandte sich Harry dem Arzt zu.
„Fragen Sie nur ihre Frau, Mr. Kennedy!“
„Schatz?“
„Harry?“
„Liebes, treib mich nicht zum Wahnsinn! Jetzt spuck’s in Gottes Namen aus!“
„Harry, wir sind schwanger!“
....Glück pur.... by doris anglophil
Harrys Miene erstarrte, er taumelte einige Schritte rückwärts, hielt sich mit einer Hand an der Lehne der Kirchbank fest und plumpste auf dieselbige.
„Harry? Alles klar? Du wirst doch nicht schlapp machen, oder?“ Geraldine stand inzwischen wieder fest auf beiden Beinen und berührte Harry am Arm.

Er öffnete den Mund: „Ähm...“ und schloss ihn wieder.
„Ich glaube, er macht schlapp!“ flüsterte Rosie und griff nach Jeremys Hand. Alle Umstehenden waren mehr oder minder sprachlos, nur aus Jack’s Mund drang ein aufgeregtes Schnaufen.

„Aber...?“ Harrys Frage verklang, barsch unterbrochen von seiner Frau.
„Aber? Kommt mir jetzt bloß nicht mir „Aber!“
„Ich wollte...!“
„Du wolltest nur fragen, wie das passieren konnte?“ Geraldine stemmte ihre Arme in die Seite. Von der Blässe in ihrem Gesicht keine Spur mehr. Sie hatte ihre Stärke recht schnell zurück gewonnen.
„Sag bloß nichts Falsches, Harry! Das wäre ein großer Fehler!“

„Mach mal halblang! Ich wollte nur wissen, wie der Arzt das auf dem harten Steinboden einer Kirche hat feststellen können?“
„Ach, du zweifelst? Dir wäre es wohl lieber, er hätte sich getäuscht? Vergiss es. Brent ist eine Koryphäe auf seinem Gebiet. Er weiß genau, was er sagt und tut!“ Die anfängliche Abgeneigtheit Dr. Brent gegenüber schien plötzlich verflogen.

„Geraldine!“ unterbrach Rosie die zornige Tirade.
„Waas?“
„Ich glaube, du missverstehst Harry – und zwar gründlich!“
„Ach ja? Schau ihn dir doch an! Er wünscht sich gerade auf einen anderen Stern. Er wünscht sich, nie hierher gekommen zu sein!“

Im Hintergrund prustete Jack jetzt lauthals los. Sein Lachen unterbrach die hitzige Debatte. Er krümmte sich vor Lachen, so dass Chris ihm besorgt auf den Rücken schlug.
Geraldine schaute ihn wütend an: „Und du, halt dich bitte raus!“

Harry stand auf, schnappte sich die Hand seiner Frau und zog sie an sich.
„Liebes! Was ich meine, ist Folgendes: wieso sind wir denn nicht auf die Idee gekommen, dass du schwanger sein könntest? Warum ist uns beiden das nicht eingefallen?“
„Na ja...!“ Die Vikarin strich eifrig ihr Ornat glatt und zupfte an ihrem Kragen. Sie schaute Harry nicht an, ihr Blick verlor sich im Kirchenschiff.

„Na ja – und? Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?“
„Jetzt hetz’ mich halt nicht! Ich... ich... ich bin halt auch zum ersten Mal schwanger, mein Gott!“
„Ja, ich weiß“, Harry strahlte.
„Offensichtlich habe ich das Offensichtliche übersehen! Na ja, und Doc Brent musste mich nur noch mit der Nase darauf stoßen! Verdammt noch mal, das konnte ich doch nun wirklich nicht ahnen!“

„Wann ist es denn passiert?“ fragte Harry leise nach.
Geraldine konnte auf Grund soviel offensichtlichem Unwissens nur laut herausplatzen: „An dem Abend auf dem Fell natürlich!“
Die Kirchentür fiel mit einen laut vernehmlichen Knall zu und im Mittelgang der Kirche stand wie erstarrt David Horton. Aus Jacks Richtung kam erneut ein undefinierbares Geräusch und auch alle Anderen stießen überrascht den Atem aus.

„Entschuldigung!“ Alle Köpfe drehten sich zu ihm um und sahen einen grinsenden David Horton.
„Mist! Er hat doch hoffentlich nichts mitbekommen?“ flüstere Gerry ihrem Mann ins Ohr.
“Keine Ahnung“, flüsterte er ebenso leise zurück.
„Was machen wir denn jetzt?“ Geraldines Gesicht sah besorgt aus.
„Wir werden Eltern, mein Schatz!“

Sie standen vor dem Altar, hielten einander die Hände und schauten sich verliebt an. Diesen stillen Moment würden sie wohl nie vergessen. Sie konnten ihre Augen nicht voneinander lösen, reines Glück stand in ihnen geschrieben.

„Du machst mich so glücklich, Darling!“
„Wirklich? Ich hatte Angst, das ginge dir vielleicht ein bisschen schnell. Als Brent mich eben nach meinen Beschwerden und den Symptomen fragte und mir dann die Wahrheit sozusagen ins Gesicht schleuderte, da wollte ich einfach nur hier weg, aus Angst vor dem, was du sagen würdest!“

„Ich werde Vater, Geraldine! Wir bekommen ein Kind! Was kann es denn noch Schöneres geben?“

„Was machen wir denn jetzt?“ fragte Horton unschuldig und sah in die Runde.
„Halt die Klappe, David!“ fuhr Geraldine ihn an, griff ihren Mann am Revers, zog ihn zu sich herunter und küsste ihn.


Die Trauung würde nicht mehr unterbrochen werden!

Geraldine war vollkommen wohlauf und es schien, jetzt, da sie wusste wie es um sie bestellt war, ging es ihr so gut wie nie zuvor.
Mit ihrem Lächelnd sandte sie nur eine Botschaft aus: Ich bin glücklich! Und dieses Gefühl würde sich in Kürze auf die beiden Ehepaare und alle Gäste in der Kirche übertragen!

Doch ganz besonders... auf Harry. Er saß in der Kirchenbank und konnte seinen Blick nicht von seiner wunderbaren Frau wenden. Natürlich freute er sich für seine Schwester, für Jeremy, Jack und Christopher. Doch am allermeisten freute er sich für diese tolle Frau, die die Mutter seines Kindes werden würde. Und er konnte sein Glück kaum fassen.

Vor Monaten war ihm dieses Leben – sein Leben, öde und schal erschienen. London hatte ihn ermüdet, sein Job hatte ihm nicht mehr das gegeben, was er sich erhofft hatte. Er hatte etwas gesucht, doch im Grunde nicht gewusst, was genau !

Durch den Umzug nach Dibley hatte er sich keine Wunder erhofft, doch dann war sie in sein Leben getreten. Sein eigenes, persönliches Wunder war geschehen – so unfassbar, dass er sich täglich fragte, womit er dies verdient hatte.

Vom ersten Moment an hatte sie ihn verzaubert! Er hatte die Tür von seinem Cottage geöffnet, hatte sie angesehen und es war um ihn geschehen gewesen! Irgendetwas Magisches lag auf diesem Ort, er wusste wie unglaubwürdig sich das anhörte, doch für ihn war es so! Was immer dies auch war, es würde ihn wohl für den Rest seines Lebens begleiten.

Und heute hatte diese Frau, seine Frau Geraldine, ihn zum glücklichsten Mann auf der Erde gemacht!

Den Gästen war diese wunderbare Überraschung nicht verborgen geblieben. David Horton hatte die Kirche klammheimlich verlassen. Ungefähr eine Minute hatte er still draußen vor der Kirchentür verharrt, bis ein Raunen durch die Menge gegangen war. Alle hatten ihn gespannt angesehen, fast so, als hätten sie Worte aus ihm herausziehen wollen. Gläser klirrten, Teller wurden abrupt abgestellt. Wer noch nicht gestanden hatte, war aufgestanden.

Doch David war nicht ein einziges Wort entschlüpft. Schließlich war sein Sohn vorgetreten und hatte laut gerufen: „Dad! Jetzt sag schon!“

Und so hatte David sich lachend auf die Schenkel geschlagen: „Sie ist schwanger!“

Die Überraschung noch angehalten, als Alice mit dem Doktor zusammen die Kirche
Verlassen hatte. Ein Gewitter aus Fragen war auf die junge Frau eingeprasselt und nur zu gerne hatte Alice die Fragen beantwortet: Ja, Geraldine ginge es wieder gut, sie sei putzmunter, ja, sie sei schwanger... und selbstverständlich von Harry! Ja, die Trauungszeremonie werde fortsetzt und ja... sie habe es ja schon immer gewusst!

„Was hast du schon immer gewusst?“ Ihr Mann hatte die hatte sie erstaunt angesehen.
„Na, dass sie schwanger ist! Das war doch klar, oder nicht?“
„Das war klar, ja? Woher willst du das denn gewusst haben! Offensichtlich hatte die Vikarin selbst nicht die leiseste Ahnung!“
„Ich habe... Fähigkeiten! Meine Vorfahren hatten allesamt hellseherische...“
David Horton hatte seine Schwiegertochter abrupt unterbrochen und hatte die alles entscheidende Frage gestellt: „Können wir nun alle wieder reingehen, Alice?“
„Jaaa... deshalb bin ich doch hier. Ich soll Euch herein holen. Alle!“

Die Gäste hatten nach und nach, in Reih und Glied die Kirche erneut betreten. Viele hatten ein wissendes Lächeln auf dem Gesicht gehabt und hätten Geraldine und Harry am liebsten gratuliert.
Doch dies war der Tag der beiden Paare – und jeder Anwesende schenkte diesen vier Menschen seine volle Aufmerksamkeit.


Die Nacht war bereits fortgeschritten. In einem Zimmer des neuen Zuhauses von Geraldine und Harry brannte noch Licht. Ein zartes, rotes Licht erleuchtete den gemütlichen Raum. Und in ihm versammelt waren wohl die glücklichsten Menschen in ganz England!

Sie standen gemeinsam in einer Runde, wie eine verschworene Gemeinschaft und jeder hielt ein Glas Champagner in der Hand. Im Hintergrund lief leise ein wunderschönes klassisches Musikstück, eines von Harrys Lieblingsstücken.
“Jupiter, the Bringer of Jollity…”, sagte Harry leise. “Wenn das nicht passt.” Die sechs stießen miteinander und wünschten sich gegenseitig Glück!

„Sting wäre auch nicht schlecht gewesen, oder? Als Reminiszenz an unsere Hochzeit, Schatz!“ Geraldine sah ihrem Mann tief in die Augen.
„Kommt mir irgendwie so unwirklich vor!“ Sinnierte Jeremy.
Fünf Augenpaare blickten ihn fragend an.

Er zuckte die Schultern, nahm einen weiteren Schluck und meinte: „Na ja, eben noch Pfarrer, allein stehend, ein bisschen einsam manchmal, und jetzt? Verheiratet!“
„Bereust Du es? Ging vielleicht alles ein bisschen schnell, oder?“ Rosie ergriff Jeremys Hand.
„Nein! Ich hätte es nicht anders haben wollen!“ Er hob Rosies Hand an seinen Mund und küsste den Finger, an dem sie den Ehering trug.

„Schön, oder?“ Christopher seufzte. „Und so romantisch, so ruhig... wunderbar!“
Jack ließ seine Augen über die Freunde gleiten und flüsterte: „Ist Euch eigentlich bewusst, dass wir hier heute Abend zu siebt sind?“ Er lachte über das ganze Gesicht und suchte Geraldines Blick.

Die Vikarin atmete tief ein und aus, Tränen traten in ihre Augen.
Die Gläser erklangen erneut und alle tranken stillschweigend auf dieses wunderbare Geschenk.


In London beleuchtete das kalte Licht eines Computerbildschirms ein funktionelles Zimmer. Die Vorhänge an den großen Fenstern waren geschlossen, nur hier und da stahl sich das Licht eines Autoscheinwerfers durch den Stoff.
Der Bildschirm stand auf einem Schreibtisch, der übersät mit zerknülltem Papier und zahllosen leeren Verpackungen war. Es war lediglich noch Platz für die Tastatur und die Maus des Rechners. Ebenso viele leere Essensbehälter und Papierschnipsel lagen im Zimmer verteilt.

Vor dem Schreibtisch saß eine junge Frau, deren Haare strähnig herabhingen. Die hatte ihr Kinn die Handflächen gelegt, ihre Ellenbogen stützten sich an der Kante des Tisches ab.
Nur ab und zu änderte sie die Stellung ihres Körpers. Dann hob sie die Hände um einige Worte zu tippen oder die Maus zu bedienen.

Auf dem Bildschirm suchte sie nach Bildern und Worten. Worte in einer Sprache, die sie zwar kannte, aber nicht wirklich sprechen konnte.

Mis Latimer presste die Lippen fest zusammen. Ob sie es wagen sollte? Sollte sie sich wirklich dort anmelden, das passte so gar nicht zu ihr!
Die Möglichkeit bestand zumindest. Eine gute Seele hatte sich der englischsprachigen Fans erbarmt und die Registrierungsformalitäten in gut verständliches Englisch übersetzt.

Es war wirklich entgegen all ihrer Gewohnheiten, fast wie ein Zwang!
Doch es blieb ihr wohl nichts anderes übrig! Dieser Mann machte sie wahnsinnig! Er hatte ihr den Kopf total verdreht.

Sie würde sich auch auf dem deutschen Richard-Armitage-Board anmelden!
End Notes:

 

 

....Epilog.... by doris anglophil
Es war ein wirklich schöner Septembertag, sehr sonnig und warm, als Harry den Kinderwagen an der Themse entlang schob.

Er hatte seine Tochter mit zu einem Besuch bei Rosie und Jeremy genommen, damit Geraldine mal ein wenig zur Ruhe kommen konnte und Zeit für sich ganz allein hatte. Seit der Geburt waren sie beide ganz schön am Rotieren, die Kleine hielt halb Dibley auf Trab.

Doch nun genossen Vater und Tochter den Ausflug, das Baby war ruhig und nuckelte selig am Schnuller, gleich würden dem kleinen Fräulein durch das leichte Wagengeschaukel sicher die Augen zufallen.

Er konnte nicht fassen, dass er ein Jahr nachdem er hier in der Nähe die ersten Immobilienanzeigen durchgesehen hatte, mit einer Ehefrau und einer Tochter gesegnet war. Wen ihm das jemand vor einem Jahr prophezeit hätte, hätte er ihn laut ausgelacht. Unglaublich! Ein Jahr voller Neuerungen! Und fast ein ganzes Jahr voller Glück!

Weiter vorne saß ein Mann auf einer Bank, einen Sportbuggy vor sich, ein kleines Kind auf dem Arm, das aber schon sehr viel größer als seine kleine Madlyn war. Das Kind konnte sogar schon stehen, so viel war beim Näherkommen zu erkennen. Wohl noch ein Daddy auf Ausflug mit seinem Sprössling.

Als er nur noch wenige Meter von der Bank entfernt war, blickte der Mann hoch und schaute ihn an. Ein Zufall, wie er einem nur vom Leben geboten werden konnte – es war niemand geringerer als Macfadyen!
Er grinste ihm entgegen: „Hallo, noch ein Daddy beim Wagenschieben. Ich glaube sogar, ich kenne Sie von irgendwoher!“

Harry blieb stehen und nickte: „Oh ja, wir sind uns bereits einige Male zufällig begegnet. Ich bin übrigens Harry Kennedy.“
„Und ich Matthew!“ Er nannte seinen Nachnamen wohl extra nicht, aber das war auch gar nicht notwendig.

„Ihr Kind?“ Er wies auf den Kinderwagen.
Harry nickte wiederum: „Ja, meine Tochter. Sie ist erst knapp fünf Wochen alt.“
„Oh, gratuliere! Mein Sohn hier wird nächste Woche ein Jahr alt. Darf ich mal einen Blick in den Wagen werfen?“
Harry hatte das Gefühl, nur am Nicken zu sein. „Bitte.“
Der Schauspieler erhob sich mit seinem Söhnchen auf dem Arm und blickte in den Wagen: „Hey, sie hat pechschwarze Haare. Kommt sie ganz nach Ihnen?“
Harry wunderte sich kein bisschen über das Gespräch, das man normalerweise eher bei zwei Müttern mit Kinderwagen ansiedeln würde. Er antwortete: „Nicht nur, meine Frau ist ebenfalls dunkelhaarig.“

Matthew Macfadyen packte seinen Sohn in den Buggy und schaute Harry kurz an: „Kleine Runde gemeinsam?“
Harry war das Nicken leid und sagte daher schnell: „Gerne doch.“
„Sie müssen mir erzählen, wo wir uns schon begegnet sind, unbedingt.“
Und Harry fing mit seinen Aufzählungen an.
Ab und zu lachte der Schauspieler kurz und warf ein: „Ja natürlich! Daran kann ich mich auch erinnern!“

Sie verabschiedeten sich auf dem Parkplatz des White Swan Pubs. Hier hatte Harrys Geschichte mit Dibley quasi ihren Anfang genommen, Und wenn man es genau nahm, seine Bekanntschaft mit Macfadyen ebenfalls. Harry platzierte vorsichtig seine Tochter im Babysitz des Autos, Macfadyen winkte und bog seinerseits um eine Ecke. Er hatte gesagt, er würde nur ein paar Schritte weg von hier wohnen.

Harry fuhr nach Dibley zurück, in sein Haus, nein, besser gesagt in sein Zuhause. Er freute sich auf Geraldine, auf den Abend mit ihr und Madlyn. Auf seine wundervolle Familie!


THE VERY AND HAPPY END!
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