Wagnis einer Ehe by doris anglophil
Summary:

 

Im Spiel gewonnen - ein Herrenhaus und ein Mädchen. Justin Lord Vulcan macht das Mädchen, Serena, nach Irrungen und Wirrungen zu seiner Ehefrau, doch wird diese Ehe gut gehen?

 


Categories: Sonstige Fanfiction Characters: Keine
Genres: Drama, Romanze
Warnings: Keine
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 25 Completed: Ja Word count: 35669 Read: 92279 Published: 05 Dec 2013 Updated: 14 Aug 2014
Kapitel 9 - Eine gute Tat pro Tag by doris anglophil

 

„Ja?"

Ihre  Stimme versagte ihr fast ganz den Dienst und mehr als diese eine Silbe brachte sie nicht mehr hervor.

„Oh ja. Ich denke, du solltest ein paar Tage hier bleiben."

Serena war vollends verwirrt.

„Hier bleiben? Wie... wieso?"

Er hatte seine Zeitung bereits wieder hochgenommen, also zog er diese abermals  ein Stück nach unten, musterte sie zum wiederholten Mal an diesem Morgen und antwortete dann ungewöhnlich freundlich: „Das ist doch dein Wunsch, oder? Und ich denke, falls ich das heikle Thema ansprechen darf, dass dir momentan eine längere Kutschfahrt unangenehm sein dürfte."

Serena schoss die Röte ins Gesicht, weswegen sie sich rasch zur Seite drehte, damit Justins Blick ihre Verlegenheit nur schwer erfassen konnte. Sie fragte sich, was seinen plötzlichen Sinneswandel verursacht haben mochte, konnte und wollte natürlich unmöglich danach fragen. Sie musste froh sein, dass die Sache sich sehr zu ihren Gunsten wandelte und nahm vorerst von ihrer Absicht ihrem Mann ihre Notlügen zu beichten Abstand. Sie wollte keinesfalls seine Freundlichkeit und sein Entgegenkommen durch die Enthüllung der Wahrheit aufs Spiel setzen.

„Natürlich, Justin. Du hast Recht. Danke für... für dein großes Taktgefühl und dein Wohlwollen."

Nun faltete er die Morgenausgabe der Zeitung zusammen, erhob sich, lächelte erneut, was Serena völlig aus der Bahn warf, küsste sie zuerst auf die Stirn, dann auf die Nasenspitze und meinte: „Keine Ursache. Sobald du dich besser und in der Lage dazu fühlst auszugehen, besorge ich uns Opernkarten. Wann wird die Schneiderin die Neuanfertigungen deiner Garderobe liefern? Hat sie einen Termin genannt?"

Serena war dermaßen verblüfft, dass sie zu stottern anfing: „Ja... nein... weiß nicht... entschuldige, vielleicht sollte man nachfragen lassen, da mir eine Terminsetzung eigentlich nicht wichtig erschien."

„Gut. Ich schicke einen Gassenjungen als Boten. Etliche von ihnen lungern sowieso ständig hier am Belgrave Square herum, in der Hoffnung, es könnten ein paar Pennies für eine kleine Gefälligkeit abfallen. Nun erfüllt sich diese Hoffnung für einen von ihnen."

„Charles soll bitte nett zu dem Jungen sein, wenn er ihm den Auftrag erteilt."

Justins Lächeln verbreiterte sich sichtlich: „Das übernehme ich selbst. Ich gehe gleich hinaus, pfeife einmal laut, und der Erste, der vorm Eingang steht, wird von mir als Laufbursche eingesetzt."

Serenas Erstaunen war maßlos. Deswegen liebte sie Justin. Er war einfach wundervoll. Er tat immer nur so hart und unnachgiebig, in Wahrheit versteckte er damit nur seine Warmherzigkeit, Güte und Menschlichkeit. Und um nichts in der Welt wollte sie sich nun entgehen lassen, wie Justin Lord Vulcan mit einem Straßenjunge redete und ihm ein paar kupferne Münzen in die schmutzige Hand drückte, damit dieser ein paar Blocks weiter zur Direktrice lief.

Als Serena  aufstand und sich anschickte, ihrem Gatten zu folgen, drehte dieser sich zu ihr um und fragte: „Was ist? Möchtest du nicht zu Ende frühstücken?"

Jetzt war es an ihr zu lächeln.

„Nicht unbedingt. Zuerst möchte ich sehen, wie du die eben erwähnte Sache angehst."

„Frauen sind schrecklich neugierig. Also gut, bleib aber im Vestibül, denn du hast nur ein dünnes Kleid an und weder Mantel noch Schal zur Hand. Ich möchte nicht, dass du dich erkältest. Das hätte noch gefehlt, denn wenn du schon einmal in London bist und die Gelegenheit zu Gesellschaften hast, wäre es niederschmetternd, diese Zeit hustend und schniefend im Bett liegend verbringen zu müssen."

„Natürlich. Absolut niederschmetternd. Ich kann ja durchs Fenster zusehen."

Und als wäre der Morgen nicht schon friedlich genug und über die Maßen harmonisch verlaufen, nahm Justin zusätzlich Serenas Hand auf und zog sie mit sich den Gang entlang bis in die Eingangshalle.

Die ungewohnte Harmonie war dem Streben sowohl Serenas als auch Justins nach gewissen Dingen zu schulden. Serena wollte in London an Justins Seite bleiben und möglichst wenig Zeit allein auf Mandrake Castle verbringen; er wollte vorrangig, dass sie möglichst bald schwanger wurde und ihm einen Erben gebar. Dass sich beide Wünsche nicht komplett miteinander deckten, ahnte der jeweils andere jedoch nicht. Überdies stellte sich weiterhin die  Frage, ob - trotz  des vorübergehenden Zwischenhochs - eine überwiegend auf Wünsche und Bestrebungen beider Egos fußende Ehe nicht zwangsläufig zum Scheitern verurteilt war.

Justin verließ Serena mit einer kleinen Verbeugung, die an einer der Fensterscheiben, die sich jeweils rechts und links der Eingangstür befanden, stehenblieb und nun durch diese die weitere Entwicklung draußen beobachtete.

Sie sah, wie ihr Mann die wenigen Stufen hinunter in den kleinen Vorgarten trat und einen scharfen Pfiff ertönen ließ. Die erwünschte Wirkung war jedoch nicht die erhoffte, denn es kam zunächst ein Droschkenkutscher angefahren, dem Justin rasch klarmachen musste, dass er nicht nach einer Kutsche gepfiffen hatte. Kaum hatte er sich diesem entsprechend verständlich gemacht, rannte aber auch schon ein Bursche von etwa zehn Jahren um die Ecke, gefolgt von einer Handvoll weiterer Gassenjungen, die ihm dicht auf den Fersen waren. Atemlos kam er auf dem Bürgersteig zwischen der Droschke und Justin zum Stehen, der Rest der Truppe drängte nach.

„Aye, Sir, hammse gepfeift?"

„Ich habe gepfiffen, ja. Wie heißt du, Bursche?"

„Thomas, Sir."

„Gut. Thomas, du wirst etwas für mich erledigen, ihr anderen verschwindet. Es tut mir leid, er war der Schnellste. Beim nächsten Mal hat wahrscheinlich ein anderer von euch Glück. Ich denke, das erkennt ihr an und kommt nicht auf die Idee, ihm seinen Lohn abspenstig zu machen. Das wäre überaus unsportlich. Haben wir uns verstanden?"

Die anderen nickten und trollten sich enttäuscht. Es war ein ungeschriebenes Gesetz der Straße, dass man dem den Lohn gönnte, der ihn sich fair verdient hatte. Ein anderes Mal würde Thomas das Nachsehen haben und leer ausgehen.

„Was verlangen'se von mir, Sir?"

„Ich bin Lord Vulcan, Thomas, und du bekommst einen Schilling, wenn du zu Lady Vulcans Schneiderin in der Dover Street läufst, sie in meinem Auftrag fragst, wie viel Zeit sie für die Fertigstellung der restlichen Roben für Mylady braucht und dann wieder hierher zurückkehrst und mir Bericht erstattest. Ich schätze, es sind hin und zurück zusammengenommen etwa zwei Meilen."

„Geht klar, Sir."

„Dann los. Deinen Schilling erhältst du bei deiner Rückkehr."

Als Justin Lord Vulcan mit zufriedener Miene ins Haus zurückkehren wollte, kam der Butler angestürzt, dem das ungewöhnliche Tun und Treiben seines Herrn suspekt war.

„Mylord, hat es Ärger gegeben? Wie ich sehe, mussten sich Euer Lordschaft mit einem Droschkenkutscher und einem Gassenjungen auseinandersetzen. Ich hoffe, es ist glimpflich für Mylord verlaufen und das Straßengesindel war nicht allzu unverschämt. Soll ich Stuart herschicken, damit er denen Beine macht, Sir?"

„Nein danke, das ist nicht nötig, Charles. Ich habe alles selbst geregelt und nur einen Laufburschen für einen Schilling zu Myladys Schneiderin geschickt."

Der Butler schnappte nach Luft: „Aber Mylord, das ist doch keine Aufgabe für Sie! Hätten Sie nur etwas gesagt, hätte ich das alles erledigt. Und einen Schilling, sagten Sie, Mylord? Das ist recht viel Geld für so einen Schlingel von der Straße, fürwahr."

„Tadeln Sie mich nicht, Charles."

„Natürlich nicht, Mylord, das würde ich mir niemals anmaßen. Aber erwähnen möchte ich doch, dass dieser Lohn in keinem Verhältnis steht und zu hoch ist."

„Was verdienen Sie bei mir?"

„Zwanzig Pfund pro Jahr, Sir. Ein vollkommen gängiger Lohn für einen Butler, wenn ich mir das erlauben darf anzumerken."

„Ja. Das entspräche vierhundert Schillingen. Also vierhundert Botengänge dieser Art, Charles."

Der Butler zog indigniert seine Brauen nach oben: „Mylord, das kann man wirklich nicht miteinander vergleichen."

„Völlig richtig. Und ich sehe, dass ich Thomas höchstens einen halben Schilling hätte geben dürfen."

„Thomas?"

„Der Junge. Ich erwarte ihn in einer halben Stunde zurück, dann erhält er das Geld. Ich habe ihm den Schilling versprochen und er wird ihn auch ausgezahlt bekommen."

„Soll ich dafür sorgen, Sir?"

„Nein, auch das würde ich noch gern selbst erledigen bevor ich los muss. Die Zeit dafür dürfte gerade noch ausreichen. Sie rufen mich bitte, sobald der Junge auftaucht, ja?"

„Selbstverständlich, Mylord."

Zufrieden baute sich Justin innen im Haus vor seiner Gattin auf.

„Bestens, sobald er mit der Nachricht von deiner Schneiderin wieder erscheint, erhält er sein Geld."

„Charles schien mir erstaunt darüber zu sein, dass du dich in Verhandlungen mit Straßenvolk begeben hast."

Justin lachte trocken: „Manchmal tut er vornehmer als seine Herrschaft. Ich habe noch Zeit, eine Tasse Tee zu trinken, dann wird Thomas sicherlich zurückkommen und anschließend muss ich  mich sputen, denn ich werde im Handelsgericht erwartet."

„Im Handelsgericht? Das hört sich bedenklich an."

„Ich bin nicht direkt involviert, du musst dich also nicht sorgen. Aber es geht um eine Summe, die ich ungern als Verlust verbuchen möchte."

„Verstehe. Doch gleich wird der Tee kalt."

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