Wagnis einer Ehe by doris anglophil
Summary:

 

Im Spiel gewonnen - ein Herrenhaus und ein Mädchen. Justin Lord Vulcan macht das Mädchen, Serena, nach Irrungen und Wirrungen zu seiner Ehefrau, doch wird diese Ehe gut gehen?

 


Categories: Sonstige Fanfiction Characters: Keine
Genres: Drama, Romanze
Warnings: Keine
Challenges: Keine
Series: Keine
Chapters: 25 Completed: Ja Word count: 35669 Read: 90665 Published: 05 Dec 2013 Updated: 14 Aug 2014
Kapitel 18 - Wind, Wetter und sonstige Widrigkeiten by doris anglophil

 

Ein heftiges Schneetreiben mit böigen Winden hüllte Mandrake und die Küste von Dorset in ein bleiernes Einheitsgrau ein. Man konnte kaum einen Fuß vor die Tür setzen, selbst Warrior erledigte seine dringenden Geschäfte im Eilverfahren und kam danach sofort wieder ins Haus zurück gerannt. An Spaziergänge war nicht zu denken, nicht einmal an eine kleine Tour über den Schlosshof.

Serena kam sich vor wie in einer Enklave, komplett von der Welt, von allem, was draußen vor sich ging abgeschnitten.

„Wie im Kloster", seufzte sie laut.

„Kann mich nicht erinnern, dass wir hier jemals so einen starken Schneesturm hatten. Winterstürme mit Orkanböen, ja, das gibt's hier oft, ist halt die Kanalküste, aber Schnee eher selten, weil's doch trotz des rauen Klimas meist mild ist, auch in den Wintermonaten", merkte Joseph mit einem Blick aus dem Fenster an.

„Nun wollen wir mal nicht übertreiben. Der Sturm legt sich bestimmt ebenso schnell wie er gekommen ist."

Eudora versuchte sich in Zweckoptimismus, doch das war ein recht aussichtsloses Unterfangen, angesichts der bei allen anderen vorherrschenden Trübsal.

Mrs. Neath, die Köchin, schlug prompt einen gleichfalls wehklagenden Ton an.

„Wenn ich daran denke, wie's war, als Lady Harriet noch lebte: jeden Tag große Gesellschaften, das Haus voller Leute, glanzvolle Diners, für die es sich lohnte, mit einem halben Dutzend Mägde in der Küche zu schuften..."

„... dazu eine illegale Spielhölle in den Gemächern meiner Schwiegermutter und gesetzeswidriges Schmuggelgut in den zum Anwesen gehörenden Höhlen am Ufer", ergänzte Serena halb trocken, halb vorwurfsvoll.

Butler Joseph und die Köchin sahen betroffen zu Boden, während Eudora so tat, als hätte sie den Dialog nicht mitbekommen.

Lady Vulcan war klar, dass dies gewiss nicht die übliche Art war, ein so großes, stattliches Haus zu führen, dass dem Ruf der Familie Vulcan damit kaum Rechnung getragen  wurde, doch wozu sich aufregen? Justin konnte das mit Leichtigkeit in London ausgleichen, das Haus am Belgrave Square bot auf alle Fälle die entsprechenden Möglichkeiten. Wenn er große Gesellschaften geben wollte, um seiner Reputation gerecht zu werden und seinen Verpflichtungen in dieser Hinsicht nachzukommen, dann sollte er es gefälligst dort tun. Über den Winter hinweg gab es wenig Grund, Mandrake zum Dreh- und Angelpunkt solcher Geschehnisse zu machen. Niemand wollte bei Wind  und Wetter hier sein, oder auch nur eine Reise an die Küste in Betracht ziehen. Es gab nichts zu tun, es sei denn, man würde sich erneut an die Spieltische setzen. Serena hatte nichts gegen gelegentliches Glücksspiel einzuwenden, es gehörte zum Leben in ihren Kreisen schon immer dazu, doch sie scheute verständlicherweise alles, was das Spiel zur krankhaften Obsession werden ließ. Die Übergänge, so lehrte sie die eigene, leidvolle Erfahrung, waren bedauerlicherweise fließend und nur selten auf Anhieb auszumachen.

Im Sommer und Herbst sah die Sache auf dem Landsitz der Vulcans natürlich anders aus, da waren vielfältige Aktivitäten draußen möglich, von Spaziergängen an Strand und Klippen, über kleine Bootstouren bis hin zur Jagd fand man gut Beschäftigung. Überdies war dann die Reise nach Dorset nur halb so beschwerlich und aufreibend.

Doch zugeben musste es Serena: Ihr momentanes Leben und ihr Alltag waren in der Tat sterbenslangweilig. Zwar versuchte sie, den wahrlich nicht sehr erbaulichen Zukunftsaussichten tapfer ins Auge zu sehen, doch das war alles andere als einfach. In ihrem noch recht jungen Leben hatte sie ohnehin mit überdurchschnittlich vielen, teils harten Schicksalsschlägen zu kämpfen gehabt; allein wenn sie das vergangene Jahr Revue passieren ließ, kamen etliche solcher Bürden zusammen. Sie hatte gehofft, dass mit ihrer Eheschließung diese unglücklichen Vorkommnisse endgültig der Vergangenheit angehören würden, doch diese Hoffnung hatte nur ein paar wenige Wochen angehalten. Wochen, eigentlich zusammengerechnet nur Tage, in denen sie recht glücklich gewesen war. Doch  diesen schienen nun auf immer vorbei... vergangen... passé.

Einem plötzlichen Impuls, einer inneren Aufwallung folgend, warf sie ihre Stickarbeit beiseite, sprang auf und bedeutete dem Hund mit einer kleinen Geste, ihr zu folgen. Dieser gehorchte wie immer, freudig mit dem Schwanz wedelnd und Frauchen mit Hund verschwanden hastig, noch bevor eine andere Person im Raum überhaupt reagieren konnte.

Eudora sah die mit ihr im Zimmer Verbliebenen an: „Sollen wir sie aufhalten?"

Joseph schüttelte den Kopf: „Der Hund hätte sowieso noch einmal hinaus gemusst, und vielleicht tut es Ihrer Ladyschaft gut, kurz ihren Kopf auszulüften."

„Bei dem Wetter?"

„Sie wird sicher nicht weit gehen, nur an der Hausfront entlang, damit es sie nicht  umweht."

„Nun gut. Geben wir ihr zehn Minuten."

Die anderen nickten ihre Zustimmung.

Nein, so konnte es definitiv nicht weitergehen! Justin Lord Vulcan tigerte unruhig in seinem Arbeitszimmer auf und ab. Alle Ablenkungen Londons nutzen nichts, rein gar nichts. Er konnte die Gedanken an seine misslungene Ehe nicht abstellen, vor allem der Gedanke an Serena quälte ihn zusehends. Die  Erkenntnis, dass er womöglich zu heftig und vor allem falsch reagiert hatte, machte ihm schwer zu schaffen. Alle Rechtfertigungsversuche vor Dritten und vor sich selbst hatten zu immer mehr Gewissensbissen geführt und ihm nach und nach bewusst gemacht, dass er eine Fehlentscheidung getroffen hatte. Er dachte daran, wie geduldig sein Vater gewesen war, der seine eigene Person immer hinten angestellt hatte und alle Fehler, Charakterschwächen und Eigenheiten seiner Gattin, Lady Harriet, entweder stillschweigend toleriert oder aber großzügig übersehen hatte. Natürlich hatte der selige Lord Vulcan auch Fehler gemacht, er hatte sich viel zu stark unterbuttern lassen, doch bewundernswert war seine Einstellung allemal gewesen. Justin beschloss, etwas mehr von dieser Einstellung seines Vaters für sich selbst zu übernehmen. Ja, er galt in der Gesellschaft als aalglatter Egoist und nur wenige - sehr enge Freunde vor allem - wussten, dass ein großes Herz hinter dieser kalten Fassade schlug. Mehr von diesem Herz zu zeigen, musste zu seiner Devise werden. Und anfangen konnte er, indem er Serenas Motive, die zu ihrer Lügerei geführt hatten, kritisch, ja, selbstkritisch, wenn's denn sein musste, hinterfragen würde.

Er war bereit, ihr noch eine Chance zu  geben, er war bereit, seiner Ehe mit ihr noch eine Chance zu geben und dazu musste er unverzüglich nach Mandrake. Thunderbolt hatte er bei seinem letzten, wenig erbaulichen Aufenthalt dort gelassen und mit der Kutsche dauerte ihm die Reise zu lange. Er brauchte ein anderes, schnelles Pferd, ohne Frage.

Er läutete mit Nachdruck und als nach ein paar Minuten Charles erschien, ordnete Justin an: „Stuart soll mir ein Pferd satteln, bitte zügig."

Mit einem Blick auf die Uhr auf dem Kaminsims meinte der Butler zweifelnd: „Um diese Uhrzeit, Mylord, und bei diesem, verzeihen Sie den saloppen Ausdruck, Mistwetter? Wo soll der Ritt denn hingehen, wenn ich mir erlauben darf zu fragen?"

„Sie dürfen nicht, aber ich sag's Ihnen trotzdem: nach Mandrake."

Die zweifelnde Miene von Charles Fisher verstärkte sich dramatisch.

„Sie werden sich den Tod holen. Wollen Sie nicht lieber eine Kutsche nehmen?"

„Das ist allein meine Sorge. Die große, geschlossene Kutsche ist weg, das wissen Sie, und im anderen Wagen bin ich mehr oder weniger genauso den Naturgewalten ausgesetzt und zudem noch viel langsamer als auf dem Pferderücken."

„Sie wollen die Nacht durchreiten? Sir, verzeihen Sie meinen Widerspruch, aber das grenzt an Selbstmord."

„Nun, damit wäre vielleicht meiner Frau sehr gedient. Als reiche Witwe hätte sie deutlich bessere Chancen als als verlassene Ehefrau."

„Mylord belieben zu scherzen."

„Nicht dass ich wüsste. Bitte, rasch das Pferd, ich möchte keine Zeit verschwenden. Und vielleicht etwas gesüßten Tee, Kekse und Obst für unterwegs in die Satteltaschen. Danke, das ist alles. Ankleiden werde ich mich allein."

Der Butler deutete eine leichte Verbeugung an und ging. Justin stürmte in sein Schlafgemach, riss dort einen schweren Schrank aus Zedernholz auf und begann, sich für den langen, Kräfte-zehrenden Ritt durch Nebel, Regen und Graupel einzukleiden. 

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